Protokoll der Sitzung vom 11.11.2009

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Herr Dulig, tun Sie mir bitte einen Gefallen: Wenn der SPD-Bundesparteitag in Dresden tagt, fassen Sie keine Beschlüsse zur Wiedervereinigung von Rot-Rot.

(Oh-Rufe von der Linksfraktion)

Das hat schon einmal dem Land geschadet und im Übrigen auch den Sozialdemokraten.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Ich sehe für Sie keinen Gewinn.

In Sachsen haben die Menschen anders gewählt. Ich meine: Nutzen wir diese Chance – Koalitionspartner FDP und CDU.

(Dr. Andre Hahn, Linksfraktion: Sie haben nur die eine!)

Wir wollen gemeinsam mit den Fraktionen in diesem Hohen Hause, die in die Zukunft blicken, eine Zusammenarbeit entwickeln – natürlich gemeinsam mit dem Koalitionspartner und mit der Staatsregierung, an deren Spitze unser Ministerpräsident Stanislaw Tillich steht.

Unser Land braucht wieder mehr Freiheit und weniger Bürokratie und Staatsgläubigkeit. Ich meine, dass unser Land Verantwortung braucht und nicht das Zocken auf Staatskosten. Das ist der Auftrag: Verantwortung.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Unser Land braucht Solidarität. Es braucht Solidarität, damit für diejenigen, die auf die Unterstützung des Staates angewiesen sind, auch im Jahr 2020 noch Geld in der sächsischen Staatskasse ist. Das ist eine gigantische Aufgabe sowie eine Herausforderung für diese 5. Legislaturperiode. Packen wir es mit Gottes Hilfe an.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

In der Reihenfolge der Redner folgt nun die SPD-Fraktion mit Kollegen Dulig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, ob die Verzögerung am Anfang der Rede von Herrn Tillich der Versuch war, die Rede auf 11:11 Uhr zu ziehen, weil heute Karneval ist. Man könnte vermuten, dass Sie eine Büttenrede halten wollten.

(Haha-Rufe von der CDU)

Das Wesen einer Büttenrede ist, dass man Kleinigkeiten und Nebensächlichkeiten so zusammenfasst, dass man darüber lachen kann. Es ist weder die Zeit zu lachen noch Witze zu machen, sondern es ist die Zeit, Antworten zu geben.

Der Versuch von Ihnen, im Wahlkampf ohne Inhalt an die Macht zu kommen, ist gelungen. Das muss man attestieren. Ich sage Ihnen aber eines: Das reicht nicht mehr aus.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Auch Ihre Regierungserklärung und das, was im Koalitionsvertrag enthalten ist, ist nur eine Beschreibung der Situation: Wir wollen, wir wollen... Wir wollen aber wissen, wie Sie es machen wollen. Die Menschen wollen Antworten. Nett lächeln und gut riechen reicht nicht mehr aus, um dieses Land zu regieren. Wir brauchen Politik. Antworten brauchen zum Beispiel die Arbeitnehmer von Quelle und Enka sowie die Leute von Heberer in Hoyerswerda. Sie wollen Antworten darauf, was die

Staatsregierung in ihrer ganz konkreten Situation tun möchte.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Sie wollen sparen!)

Ihre Antwort ist: Mut zur Lücke. Das ist die Antwort, die Sie in einer Zeit geben, in der die Krise da ist und die Menschen nicht wissen, ob die Krise in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt bei ihnen ankommt. Durch die Kurzarbeiterregelung ist es noch nicht für viele spürbar. Können wir es ausschließen? Ist die Angst nicht trotzdem da? Sie sagen: Wir haben Mut zur Lücke. Sie geben keine Antworten. Das kann nicht wahr sein. Wir wollen von Ihnen wissen, welche Politik Sie in den nächsten fünf Jahren machen wollen und nicht nur Ankündigungen dessen.

Es geht um Menschen. Das ist das große Problem bei Ihnen. Sie haben ein Gesellschaftsbild – das ist in Ihrer Rede auch deutlich geworden –, das den Menschen und diese Gesellschaft auf seine Verwertbarkeit und seine Nutzung reduziert. Somit wird es deutlich: Sie haben einen anderen Begriff für Hochschule.

(Dr. Andre Hahn, Linksfraktion: Richtig!)

Sie würden sie gerne wie ein Unternehmen führen. Sie haben deshalb einen Bildungsansatz, der in das 19. Jahrhundert gehört.

Selbst Ihr Kulturbegriff kommt etwas elitär daher. Das merken wir bei dem Thema Umwelt und Klima. Außerdem merken wir das daran, wie Sie mit dem Thema Frauen umgehen. Das merkt man selbst bei dem Thema Familie. Auch dort schwingt das Wort Reproduktion immer wieder mit hinein. Sie tun weder etwas für die Arbeit noch für die Bildung und erst recht nicht für die Solidarität.

(Allgemeine Unruhe)

Im Koalitionsvertrag sind Punkte enthalten, auf die Sie setzen wollen, die habe ich schon einmal gehört. Ich habe zum Beispiel von Programmen gelesen, die die alte Koalition auf den Weg gebracht hat. Das Mikrodarlehen ist nichts anderes als ein revolvierender Fonds.

Sie wollen nun einen kostenfreien Eintritt in Museen. Das stand in der Museumskonzeption von Dr. Eva-Maria Stange. Dass was Sie als Budgethoheit anpreisen, haben Sie das letzte Mal abgelehnt, als es um die Hochschulen ging.

Es ist deutlich geworden: Sie meinen etwas anderes mit der Frage Budget. Den Kontext haben Sie hergestellt. Wenn in diesem Kontext von Sparen die Rede ist, dann bedeutet das, dass die Verantwortung für das Sparen nicht mehr bei Ihnen liegt, sondern bei denjenigen, die das Budget erhalten. Das meinen Sie mit „Budgetierung“.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Auch Ihre Rede, Herr Flath, war von dem Habitus geprägt, dass doch die Leute endlich dankbar dafür sein

sollten, wie gut diese Regierung sei. Demnach sollten auch die Referendare dankbar dafür sein, dass sie eine Zusage bekommen haben bzw. übernommen werden. Damit haben Sie die Situation voll verkannt. Wir brauchen diese Menschen. Wir müssen dankbar sein, dass es noch genügend Leute gibt, die ihre Zukunft hier in Sachsens Schulen sehen.

(Beifall bei der SPD)

Zurzeit geben wir ihnen diese Perspektive nämlich nicht. Kommen Sie doch einmal von Ihrem hohen Ross herunter, als seien Sie die Größten und Besten dieser Welt!

Was ist eigentlich Ihr Wort wert, Herr Tillich? Sie haben vor zwei Jahren eine Regierungserklärung abgegeben und den Erzieherinnen und Erziehern versprochen, dass der Kita-Schlüssel verändert werde. Dass Herr Flath Ihnen jetzt in den Rücken fällt, ist Ihr Problem, nicht meines. Sie haben das doch den Erzieherinnen und Erziehern versprochen. Das stand so in Ihren Wahlprogrammen. Auch die FDP hat sich dazu bekannt. Und jetzt? Jetzt stehen Sie alle nackt da.

Nächster Punkt: Studiengebühren. Von Ihnen hieß es: „Mit uns keine Studiengebühren!“ Die FDP wollte Studiengebühren. Es wurde aber hoch und heilig versprochen, Studiengebühren werde es nicht geben. Was haben wir jetzt? Sie werden eingeführt!

(Robert Clemen, CDU: Quatsch!)

Herr Herbst sprach davon, diese würden nur für Langzeitstudenten Anwendung finden. Sehen Sie sich doch bitte einmal die Realität an!

(Robert Clemen, CDU: Du hast sie ja gerade verpasst!)

Sie haben neun Gemeinschaftsschulen versprochen, dass sie sechs Jahre arbeiten können und, wenn sie erfolgreich arbeiten, als Regelschulen fortgeführt werden. Sie haben ihnen nicht einmal vier Jahre Zeit gegeben und wollen sie nunmehr canceln. Was ist Ihr Wort wert?

Das waren Punkte, die wir miteinander vereinbart hatten und die Sie, Herr Tillich, in Ihrer Regierungserklärung beim vergangenen Mal betonten. Was ist Ihr Wort wert?

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Damit bin ich bei der FDP. Bitte tun Sie mir einen Gefallen: Reden Sie nie wieder über Bildung!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Sie sind Verräter! Das, was Sie gemacht haben, ist ein bildungspolitischer Verrat. Wie oft saßen wir auf Podien und haben gemeinsam für längeres gemeinsames Lernen geworben und gekämpft?! Was haben Sie jetzt? Wundern Sie sich denn nicht, dass die CDU total zufrieden mit dem ist, was im Koalitionsvertrag steht? Das gegliederte Schulsystem wird nämlich verfestigt, obwohl das Gegenteil nötig wäre.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Sie freuen sich über Ihre semantischen Tricks. So machen Sie aus der „Mittelschule“ die „Oberschule“. Das kann ich nachvollziehen. „Mittel“ klingt wie „mittelmäßig“, „Ober“ klingt natürlich besser. Mit Veränderungen an der Semantik erreichen Sie aber keine bessere Bildungspolitik.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)