Protokoll der Sitzung vom 09.02.2011

Da Sie – auch für die Stadt Leipzig – im Haushalt die Mittel erheblich gekürzt haben, müssen Sie sich nicht wundern, wenn die Stadt Leipzig handeln muss. Sie können doch nicht erwarten, dass die Stadt Leipzig eine Aufgabe weiter voll und inhaltlich finanziert, bei der sie sozusagen zum Ausfallbürgen der Staatsregierung wird. So geht das nicht.

Ich sage Ihnen noch eines – das macht mich fast sprachlos, obwohl das selten jemandem gelingt –: Wenn Sie nicht bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass eine Beratungsstelle, ob Diakonie oder wer auch immer, einen anderen Beratungsansatz hat als das Antidiskriminierungsbüro, dann tut es mir leid. Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, welchen besonderen Charakter dieses Büro hat, und dann können Sie vielleicht darüber nachdenken, wie diese wichtige Aufgabe, die auch eine staatliche ist, durch den Freistaat Sachsen finanziert wird. Eine letzte Bemerkung.

Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen!

Ja, Herr Präsident, das mache ich. – Wenn Sie fragen, woher Sie das Geld nehmen sollen, dann ist das Ihre Aufgabe. Sie sollen die Weiterarbeit sichern. Das ist unser Anliegen. Woher Sie das Geld nehmen? Bitte schön, Sie haben sonst viel Einfallsreichtum bewiesen, wenn es um das Herausschmeißen von Geld ging, und hier wäre es eine gute Sache.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Wehner, möchten Sie erwidern? – Bitte schön, am Mikrofon 6.

Hier muss ein falscher Zungenschlag vorliegen. Herr Dr. Pellmann, die Stadt Leipzig kann natürlich ein Antidiskriminierungsbüro betreiben. Ich bin sehr dankbar, wenn sie das tut. Das ist gar keine Frage. Aber wir sind der Sächsische Landtag und nicht die Stadt Leipzig, die Stadt Dresden oder die Stadt Chemnitz. Darum geht es. Ich möchte nicht, dass hier im Raum stehen bleibt, dass ich das nicht wertschätzen würde. Ich schätze das auf jeden Fall wert.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Sie haben es nur nicht begriffen!)

Zu den anderen Ausführungen zur Finanzierung: Mit Ihrer Kollegin habe ich gerade darüber diskutiert und damit ist alles gesagt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir fahren mit der Aussprache fort. Die SPD ist an der Reihe. Herr Abg. Hohmann, Sie haben das Wort.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Erkläre es ihm noch einmal!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Teilhabe und Chancengleichheit sind in unserer Gesellschaft zentrale Werte einer demokratischen Gesellschaft. Sie finden zum einen Ausdruck in Gesetzen. Wir erlebten das zum Beispiel in der zurückliegenden Diskussion um das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, aber genauso wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger ist unser gemeinsames Bemü

hen, eine Antidiskriminierungskultur in diesem Land zu etablieren.

Dazu gibt es verschiedene Initiativen. Das Antidiskriminierungsbüro des Bundes ist eine davon. Wir finden – das ist etwas Besonderes für Sachsen, ich betone: für Sachsen – auch in Sachsen mit dem Antidiskriminierungsbüro in Leipzig ein solches Bemühen, eine Antidiskriminierungskultur zu etablieren, zu haben. Dieses Büro ist etwas Einzigartiges in den ostdeutschen Flächenländern. Es bietet damit eine wichtige Dienstleistung für Leipzig.

Aber, Herr Wehner, an der Stelle fehlt Ihnen ein wenig Einblick in das Konzept. Ich biete Ihnen an, einen Termin zu vermitteln, damit man sich darüber informieren kann, wie die Dienstleistungen für die Gesellschaft wirklich aussehen – über die Stadt Leipzig hinaus für den gesamten Freistaat und modellgebend auch für andere ostdeutsche Bundesländer.

Das Antidiskriminierungsbüro fährt – das wurde von meiner Kollegin dankenswerterweise sehr gut dargestellt – einen ganzheitlichen Ansatz. Sie leisten eine gute Arbeit und gute Arbeit braucht eine angemessene Ausstattung.

Wenn wir uns darüber einig sind – ich denke, das sind wir –, dass die Herstellung von Teilhabechancen und Chancengleichheit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, dann ist es auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – nämlich des Bundes, des Landes und der Kommunen –, dies zu finanzieren.

Natürlich steht die Stadt Leipzig in der Verantwortung und sie nimmt ihre Verantwortung seit Jahren durch eine institutionelle Förderung wahr. Ich will an dieser Stelle auch sagen: Der vorliegende Verwaltungsvorschlag für den Haushalt lässt dennoch Luft nach oben.

Aber auch die SPD-Fraktion im Stadtrat überlegt gerade intensiv, wie man weitere Ressourcen für dieses Projekt mobilisieren kann. Sehr geehrter Herr Wehner, ich nehme gern das Angebot mit, dass Sie sich dafür einsetzen, dass sich in der CDU-Stadtratsfraktion in Leipzig ein Partner findet. Das wäre das Zweite, was Sie an dieser Stelle konkret machen könnten.

(Zurufe von den LINKEN)

Das Hauptproblem, mit dem wir sowohl im Land als auch im Bund konfrontiert sind, ist, dass verschiedene Modellprojekte auslaufen. Wir diskutieren auch in diesem Haus nicht das erste Mal darüber, dass Modellprojekte auslaufen, ohne dass man sich Gedanken darüber macht, was Sinn macht und was keinen Sinn macht fortzusetzen und angemessene Anschlussfinanzierungen zur Verfügung zu stellen.

Wir erleben einen verheerenden Verzicht auf eine aktive Arbeitsmarktpolitik und ebenso eine Kürzungspolitik, für die die Existenzfrage des Antidiskriminierungsbüros nur eines von vielen Beispielen ist. Dabei liegen die Themen auf dem Tisch und sie drängen uns. Ich nenne die Stichpunkte Inklusion, UN-Behindertenrechtskonvention, Rassismus – das haben wir heute Vormittag wieder erlebt

, die aktuelle Diskussion um den Frauenanteil in deutschen Chefetagen oder die Integration von Migrantinnen und Migranten. Der Bedarf ist vorhanden. Sachsen, Leipzig und Deutschland brauchen Antidiskriminierungsbüros.

Der Vorschlag der Linkspartei zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht sagt, macht es so oder so, sondern die Hauptaussage lautet: Macht es!

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Eben, eben!)

Es besteht die Möglichkeit, sich in einem offenen Modell Gedanken darüber zu machen, wie man das Ziel, über das wir uns einig sein könnten, wenn Sie hoffentlich wollen, verfolgen könnte. In diesem Sinn wird die SPD-Fraktion diesen Antrag unterstützen, und ich bitte Sie, dies auch zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Homann. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Abg. Jonas.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Wenn die FDP jetzt auch zustimmt, ist es geschafft!)

Frau Jonas, Sie haben das Wort.

(Thomas Kind, DIE LINKE: Jetzt kommt eine ehrliche Meinung!)

– Ach, Herr Kind! – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder von Ihnen wird mir sicher zustimmen, wenn ich sage, dass es Opfern von Diskriminierung sehr schwerfällt, damit umzugehen, diese Erlebnisse zu verarbeiten und in manchen Fällen ein gesamtes Leben damit leben zu müssen.

Diskriminierung – auch das haben meine Vorredner bereits angesprochen – tritt heute immer noch in sehr vielen Facetten zutage: in Ausgrenzung aufgrund der Herkunft, Hautfarbe oder der Religion eines Menschen, als Benachteiligung von Mitbürgern aufgrund von Behinderung, ihres Geschlechtes oder aufgrund der sexuellen Identität.

Frau Klinger, Ihre Beispiele sind ganz klar immer wieder im Alltag zu finden. Ausdruck von Diskriminierung ist auch in unserem Alltag immer wieder anzutreffen. Jeder kennt die Ungleichbehandlung und wir müssen sicher nicht weit suchen.

Die Arbeit des Antidiskriminierungsbüros in Leipzig kann also nicht genug Wertschätzung erfahren. Das Engagement, sich mit Diskriminierung auseinanderzusetzen, dagegen vorzugehen und Konzepte zu entwickeln, wie sie beseitigt werden kann, ist wichtig und verdient wirklich Anerkennung.

Aus meiner Sicht ist es deshalb richtig, dass das Vorgehen gegen Diskriminierung eine staatliche Aufgabe ist. Dabei

muss jedoch im Mittelpunkt des staatlichen Engagements genau das stehen und nur dort ist zu handeln, wo Menschen sich diskriminiert fühlen, in den vielen Bereichen, in denen der Staat zwar manchmal, aber noch nicht immer mit dem erhofften Erfolg tätig wird: in der Integration und der Inklusion von Menschen mit Behinderung, bei der Begünstigung der Zuwanderung von Fachkräften oder bei den Ansätzen der Gleichstellung von Lebenspartnerschaften. Diese Arbeit muss kontinuierlich fortgesetzt werden.

Natürlich gibt es Bereiche, in denen noch Nachholbedarf besteht. Auch das möchte ich nicht leugnen, denn das wäre offensichtlich falsch. Der erfolgreich begonnene Weg muss weitergegangen werden. Der offene Umgang mit der Verschiedenartigkeit von uns Menschen muss erlernt werden.

Diskriminierung entsteht in der Gesellschaft. Deshalb muss ihr am wirkungsvollsten aus der Gesellschaft heraus begegnet werden. Nur eine engagierte und weltoffene Bürgergesellschaft kann Diskriminierung wirkungsvoll entgegentreten. Wir dürfen also nicht aufhören, an die Verantwortung der Menschen selbst zu appellieren. Werte und Normen müssen bereits frühzeitig im Leben vermittelt werden, die dem heutigen Gesellschaftsbild gerecht werden und die die Grundlage für ein gemeinsames Miteinander schaffen. Nur so kann Diskriminierung nachhaltig beseitigt werden.

Toleranz und gegenseitige Achtung müssen Sinnbild für unser Sachsen in der Gegenwart und in der Zukunft sein. Antidiskriminierung muss eine Frage der Chance sein: der Chance, einen Beruf zu ergreifen, Anerkennung zu finden und sich auch anders zu äußern, einfach Teilhabe zu leben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Antidiskriminierungsbüro hat in den vergangenen sechs Jahren durchaus hervorragende Arbeit geleistet. Das muss Beachtung und Anerkennung finden und darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.

Allerdings – und jetzt kommen wir zu den ganz spannenden Fragen – ist die Frage, wie sich die jetzige Finanzsituation des Büros zusammensetzt. Aus meiner Sicht ist der Landtag nur mittelbar der richtige Ansprechpartner. Durch den Wegfall von Projekten, bei denen die Implementierungsphase nicht so erfolgt, wie sie erfolgen sollte – das ist immer wieder das Kernproblem bei Modellprojekten –, ist es sehr schwierig, die Finanzsituation einzuschätzen.

In Ihrem heute vorliegenden Antrag kann ich nicht den konkreten Vorschlag erkennen, wie das Antidiskriminierungsbüro mit Landesmitteln finanziert werden soll. Ich sehe leider nicht diese Spielräume, auf die Herr Homann hingewiesen hat.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Mit gutem Willen!)

Aus diesem Grunde wird unsere Fraktion diesem Antrag nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Das war Befangenheit in der Koalition!)

Für die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN Frau Abg. Jähnigen, bitte.