Protokoll der Sitzung vom 23.03.2011

Wir als Koalition haben uns dazu entschlossen; denn wir erachten es als geboten, so zu verfahren, um den von der Koalition gesehenen Änderungsbedarf der Bauordnung in einem eigenen Gesetzentwurf einzubringen. Daher möchten wir von weiteren Änderungsanträgen zum vorliegenden Gesetzentwurf der GRÜNEN absehen. Wir lehnen daher den vorliegenden Gesetzesantrag ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Linksfraktion; Herr Abg. Stange.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Frage der Nutzung der erneuerbaren Energien ist nicht etwa wegen der Katastrophe von Fukushima ein Gebot der Stunde. Diese Tragödie unterstreicht nur das Erfordernis, schnellstmöglich aus der Atomenergie als von Menschen tatsächlich nicht beherrschbarer Technologie auszusteigen und eine wirkliche Energie- und Technologiewende zu vollziehen.

Es geht also um ein sinnvolles und schnelles Ausstiegsszenario durch Abschalten – nicht durch Verlängern, Moratorium und Kommissions-Nirvana. Es geht darum, den Anteil der erneuerbaren Energien schnellstens massiv auszuweiten, um den Ausstieg bei Gewährleistung der Versorgungssicherheit umsetzen zu können. Auf die volkswirtschaftlichen Effekte der Nutzung der erneuerbaren Energien hat Kollege Lichdi bereits verwiesen.

Dass es in der Bundesrepublik Deutschland die Diskussion zum Übergang zu den erneuerbaren Energien in der Gesellschaft, der Politik und der Wirtschaft gibt, verdanken wir alle nicht der Weisheit politischer Mehrheiten, sondern dem unermüdlichen Wirken gesellschaftlicher Gruppen, die anfangs nur wenige waren. Es war die grüne Bewegung, aus der schließlich auch die GRÜNE-Partei hervorging, und es ist nur folgerichtig, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Lichdi, diesen Gesetzentwurf hier einbringen; denn es ist höchste Zeit, die erneuerbaren Energien auf die Vorfahrtsspur bei der Energieerzeugung in Sachsen zu bringen, und das auch in Gesetzen und Verordnungen. Damit ist die Änderung der Sächsischen Bauordnung dringend erforderlich.

Um die Nutzung erneuerbarer Energien zu fördern, sind neben anderen Maßnahmen auch die einschlägigen Verwaltungsverfahren zu vereinfachen und effizienter zu gestalten. Die Hürden für den An- und Einbau von Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energien sollen so niedrig wie möglich gehalten werden, verwaltungs- und verfahrensseitige Hindernisse darf es nicht geben. Die Freistellung von der Baugenehmigungspflicht ist ein

wichtiger Schritt zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien. In gleichem Maße möchte ich unsere Unterstützung für das zweite Ziel, das mit dem Gesetzentwurf verfolgt wird, zum Ausdruck bringen.

Vor dem Hintergrund zunehmend geringer werdender öffentlicher Ressourcen – finanziell wie strukturell – sind Änderungen im bestehenden Verwaltungsverfahren unumgänglich. Verwaltungsverfahren sind dort, wo es möglich ist, abzubauen. Die Verantwortung muss und kann zunehmend auf den Einzelnen übertragen werden. Dort ist sie auch – vor dem Hintergrund des eigenen Interesses am Schutz des Eigentums – in besten Händen. An der Notwendigkeit und Richtigkeit dieser beiden Ziele kann kein Zweifel bestehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der wichtige Grundsatz "Wenn es nicht erforderlich ist, ein Gesetz zu erlassen, ist es erforderlich, kein Gesetz zu erlassen" spricht für die hier vorgeschlagene Rechtsvereinfachung. Die Bauordnung soll in erster Linie Sicherheit für die Nutzer baulicher Anlagen und die Öffentlichkeit gewährleisten. Jede Regelung muss sich daran messen lassen, ob sie zur Erreichung dieser Ziele tatsächlich erforderlich ist. Legt man diesen Maßstab an, so ist die Genehmigungspflicht für Solaranlagen nicht nur an und in, sondern auch auf Gebäuden tatsächlich entbehrlich.

Dennoch veranlasst der Gesetzentwurf zu zwei Kritikpunkten. Der Entwurf kann in seinem Wortlaut die selbst gesteckten Ziele nicht erreichen. Er weist diesbezüglich inhaltliche Lücken auf. Zum einen fehlt ein für die Wirksamkeit des Gesetzentwurfes wesentlicher Bestandteil: die Verfahrensfreiheit und Nutzungsänderung. Wenn gewerbliche Anlagen den privat genutzten gleichgestellt werden sollen, so ist auch eine damit einhergehende Nutzungsänderung freizustellen. Im Gesetzentwurf ist jedoch keine Regelung zur Verfahrensfreistellung einer Nutzungsänderung bei Einspeisung in das öffentliche Netz enthalten. Damit werden derartige Änderungen der Nutzung weiterhin genehmigungspflichtig, was dem Anliegen des vorliegenden Gesetzentwurfes erkennbar zuwiderläuft. Deshalb ist der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausdrücklich zu begrüßen und zu unterstützen.

Wir haben bei der Windkraft aus meiner Sicht ein fast identisches Thema. Sosehr ich eine planungs- und umweltrechtlich motivierte, kritische Haltung gegenüber Windparks auf prägenden Landschaftskuppen für absolut erforderlich halte – eine sehr kritische Haltung –, so wenig kann ich verstehen, dass wir kleine und kleinste Windenergieanlagen in Vorgärten seit einem Jahr einer Genehmigungspflicht unterwerfen. Außerhalb reiner Wohngebiete stören diese Anlagen nicht mehr als Fotovoltaikanlagen auf Dächern. Hieran sollten wir künftig gemeinsam arbeiten und auch diese Probleme im Rahmen der Bauordnung lösen.

Meine Damen und Herren! Wenn ich eine Erkenntnis aus meiner bisher noch kurzen parlamentarischen Arbeit gewonnen habe, dann die, dass Sie in den Koalitionsfrak

tionen offensichtlich die natürlichen Nachfolger der ewig Rechthabenden in der untergegangenen DDR sind. Damals hatte die Partei immer recht, heute hat nach Ihrer Überzeugung stets die Koalition recht. Dies, meine Damen und Herren, ist allerdings ein Trugschluss. Mehrheiten ersetzen nun einmal keinen Sachverstand, wie groß und geschlossen diese Mehrheiten auch sein mögen.

Dem aufmerksamen Zuhörer sollten längere Passagen meines Redebeitrages sehr bekannt vorkommen. Es handelt sich um Zitate aus dem Protokoll der Anhörung vom 6. Januar 2011 im Innenausschuss. Die Quellen sind alle in meinem Redemanuskript vermerkt.

(Heiterkeit des Abg. Horst Wehner, DIE LINKE)

Die Antragsteller haben die zahlreichen Sachverständigenhinweise und Anregungen der Experten ernst genommen. Es wird Zeit, dass auch die Mehrheit dieses Hauses Ausschussanhörungen wieder zum Erkenntnisgewinn und zur Hilfestellung für parlamentarisches Handeln nutzt;

(Beifall des Abg. Horst Wehner, DIE LINKE – Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Stefan Brangs, SPD)

denn dafür bezahlen die Bürgerinnen und Bürger schließlich auch diese Veranstaltungen. Geben Sie mir sowie den Antragstellerinnen und Antragstellern und vor allem den Bürgerinnen und Bürgern die Chance, wieder darauf zu vertrauen, dass es in diesem Landtag um die beste Lösung geht, nicht um das Rechthaben einer einmal gewählten Mehrheit.

Stimmen Sie also – das ist meine Aufforderung an Sie, meine Damen und Herren der Koalition – dem Änderungsantrag und dem Gesetzentwurf der GRÜNEN zu. Lassen Sie uns nicht auf einen irgendwann einmal zeitnah oder zeitfern einzubringenden Gesetzentwurf warten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Die SPD-Fraktion, Frau Abg. Friedel; bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Fritzsche, Sie haben eine kuriose Rede gehalten. Sie war so bürokratisch, dass ich mir gar nicht sicher bin, ob Ihnen wirklich ein Landtagsreferent die Rede geschrieben hat oder doch jemand aus dem Staatsministerium; denn Sie haben eine Viertelstunde lang darüber referiert, dass es – –

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Aus dem Ministerium!)

Ich glaube nicht, dass hier Reden aus dem Staatsministerium geschrieben werden.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Doch!)

Das glaube ich nicht, Herr Lichdi. Nein, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.

Sie haben sehr bürokratisch referiert: über die EURichtlinie, über Anpassungsbedarf, und Sie haben uns dann noch eine Definition von Verfahrensfreiheit gegeben. Am Ende haben Sie aber nicht gesagt, dass das, was die GRÜNEN wollen, falsch sei, weil Sie das auch nicht glauben.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Genau!)

Genau. – Herr Lichdi hat auch recht eindeutig und eindringlich dargelegt, warum das, was in diesem Gesetzentwurf steht – im Kern geht es um nichts Komplizierteres als darum, dass der Bau von Solaranlagen von der Genehmigungspflicht befreit wird –, ein wichtiges Anliegen ist. Ich habe es so verstanden, dass Sie das zum Ausdruck bringen wollten.

(Oliver Fritzsche, CDU, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Ich stocke in Erwartung einer Zwischenfrage.

Moment! Bitte, die Zwischenfrage.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Frau Friedel. Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass ich in meinem Redebeitrag darauf hingewiesen habe, dass die Koalition eine eigene, weitergehende Gesetzesinitiative vorlegen wird?

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Wann denn? – Enrico Stange, DIE LINKE: Das wusste Herr Bandmann noch nicht so genau!)

Ich könnte jetzt sagen, beispielsweise bis zur Sommerpause, damit auch Herr Lichdi – –

(Antje Hermenau, GRÜNE: Welches Jahr? – Enrico Stange, DIE LINKE: Wir sind hier im Landtag! – Heiterkeit bei den LINKEN, der SPD und der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Gute Frage. – Insofern kann ich Ihre Einlassung zu meinem Redebeitrag nicht wirklich nachvollziehen.

War das jetzt schon die Zwischenfrage?

Meine Frage bezog sich darauf, ob Sie das zur Kenntnis genommen haben und wie Sie das zu Ihren ersten Äußerungen in Verbindung setzen; denn ich dachte, ich habe deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir einen weiterführenden Gesetzentwurf einbringen werden, und Ihnen steht es dann frei, sich dem anzuschließen oder auch nicht. – Vielen Dank.

Frau Friedel, bitte.

Herr Fritzsche, danke für die Zwischenfrage. Ich habe das zur Kenntnis genommen, und ich komme im Weiteren in meinem Redebeitrag auch darauf zu sprechen. Im Innenausschuss war es noch schöner; da sagten die Kollegen von der Koalition, dass der Gesetzentwurf und das Anliegen richtig seien und die

Anhörung, die wir dazu hatten, eine der interessantesten, die wir jemals in diesem Hohen Hause hatten, und dass man wirklich sagen müsse, dass es nicht falsch sein könne, wenn sich alle Experten einig seien. Dann sagten die Kollegen im Innenausschuss dasselbe, was Sie, Herr Fritzsche, jetzt auch sagten: Wir wollen das, aber nicht jetzt; wir werden in naher Zukunft einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen.

Das mag vernünftig sein, Herr Staatsminister. Aber wenn man das ständig hört, dann zweifelt man manchmal ein wenig. Wir haben ziemlich am Anfang der Legislaturperiode, im Oktober 2009, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeigesetzes eingereicht.

Da ging es um einen ganz kleinen Punkt, nämlich die Verlängerung der Wegweisungsfrist, einen Punkt, der vielen Opfern helfen würde. Damals haben Sie gesagt, dass das etwas ganz Vernünftiges ist. Es gab auch eine Anhörung, sicher auch eine der interessantesten, die wir in diesem Hause hatten. Alle Experten waren dafür, und dann sagte uns die Koalition, wir finden das Anliegen gut, aber wir machen das in einem eigenen Gesetzentwurf in naher Zukunft. Nahe Zukunft wurde damals definiert mit Februar 2010. Dann hieß es Frühling 2010. Dann hieß es, dass die Polizeigesetznovelle noch vor dem Sommer kommt. Nach dem Sommer hieß es, auf jeden Fall noch im Jahr 2010. Jetzt sind fast eineinhalb Jahre vergangen, wir haben Frühjahr 2011, und von der Polizeigesetznovelle, von dem Gesetz, in dem Sie selbst in naher Zukunft die Änderung, die die Opposition anregt, vornehmen wollen, haben wir bis heute noch nichts gesehen.

Das ist leider nicht das einzige Beispiel. Ich erinnere an die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften. Das ist genau dasselbe. Sie sagen, Sie haben nichts dagegen, das Anliegen ist berechtigt, wir machen es nur nicht jetzt, wir machen es in den eigenen Gesetzen, wenn es soweit ist. Das wird sicher weitergehen: Tourismuskonzept – auch da kündigen Sie viel an, und es kommt nichts –, Neuordnung des Gaststättenrechtes – da hat die DIE LINKE jetzt dankenswerterweise etwas vorgelegt. Doch Sie werden mit Sicherheit wieder sagen, dass das gute Ansätze sind und Sie diese mit einem eigenen Gesetzentwurf aufgreifen werden und er dann in ganz naher Zukunft kommen wird.

Herr Fritzsche, nehmen Sie es mir nicht übel, dass es jetzt gerade Sie trifft, aber Sie hatten das Los, diese Rede verlesen zu müssen. Ich sage lieber einmal: Liebe CDU/FDP-Koalition, diesen Ankündigungen begegnete ich am Anfang noch mit recht viel Vertrauen. Bisher habe ich keine Ankündigung von der Koalition umgesetzt gesehen. Es gibt in der IT-Branche einen schönen Preis, der heißt Vapor Award, der „Preis für heiße Luft“, den Produkte bekommen, die lange angekündigt und dann doch nicht fertiggestellt werden. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Zusage, die Herr Fritzsche jetzt gemacht hat, dass wir vor der Sommerpause einen Entwurf für eine neue Sächsische Bauordnung bekommen, zum ersten Mal wirklich eingehalten würde, und freue mich darauf, dann

auch dieser Änderung zustimmen zu können – so wie wir heute den Anträgen der GRÜNEN zustimmen.

Vielen Dank.