Dazu möchte ich aus sächsischer Sicht bemerken, dass nach einer Erhebung seitens des Innenministeriums 78 % der Geduldeten keine Identitätspapiere haben und 46 % den gesetzlichen Mitwirkungspflichten nicht nachkommen. Sie wissen also partiell nicht, wie sie heißen, woher sie kommen und wie alt sie sind. – So viel zu den rechtmäßig hier Seienden.
Der Antrag begehrt nun, dass sich die Staatsregierung für die Erhöhung dieser gesetzlich festgelegten Geldbeträge einsetzen soll und dass das Asylbewerberleistungsgesetz abgeschafft und dieser Personenkreis wieder in das allgemeine Sozialsystem aufgenommen wird. Auswirkungen siehe oben.
Zum Ersten, meine Damen und Herren, ist dies reine Bundeskompetenz und wir werden aus dem gemeinsamen Handeln der Bundesländer nicht aussteigen. Wir warten auf die im Koalitionsvertrag der CDU/CSU- und FDPKoalition in Berlin diesbezüglich vorgesehene Evaluation und auf die Entscheidung der Bundesregierung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das genannt wurde.
Zum Zweiten wird von den sächsischen LINKEN ein Antrag ihrer Bundestagsfraktion vom 18.01. dieses Jahres aufgewärmt und es soll wohl das erfolglose Wirken in Berlin über die Hintertür hier bei uns wieder ins Spiel gebracht werden. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung. Wir wollen nicht zu alten Zuständen zurück, sondern wir schließen uns der Stellungnahme des Innenministers vollinhaltlich an und bitten das Hohe Haus, diesen Antrag abzulehnen.
Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion ist an der Reihe und es spricht Herr Abg. Mann. Sie haben das Wort, Herr Mann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE legt uns heute einen Antrag vor, der sich mit dem Asylbewerberleistungsgesetz auseinandersetzt, und da insbesondere mit zwei Punkten. Zum einen mit der Frage der Höhe der Leistungen, insbesondere der Geldleistungen, zum Zweiten mit der Frage, inwiefern das Sachleistungsprinzip heute noch aktuell oder sinnvoll ist.
Ich will noch einmal auf eine grundsätzliche Erwägung bzw. einen Gedankengang zurückgreifen, denn ich meine, dass wir in Deutschland eine leicht schizophrene Situation haben. Wir gewähren richtigerweise auf der Basis der Menschenrechte, also der Überzeugung, dass alle Menschen gleiche und unveräußerliche Rechte haben, Menschen bei uns Asyl. Aber genau diesen Menschen sprechen wir qua Asylbewerberleistungsgesetz ab, dass sie die gleichen Leistungen erhalten, die wir für einen Staatsbürger als Grundsicherung, also als Mindestsicherungsniveau, vorsehen. Genau diesen Widerspruch gilt es, glaube
Die Situation, vor der wir stehen, hat Frau Klinger schon dargestellt. Ich will nicht noch einmal auf die Frage der Höhe der Leistungen an Asylantragstellende und die Frage, wie sich diese in den Jahren nicht entwickelt hat, eingehen. Ich will stärker noch einmal auf die Frage eingehen, wie sich die Situation darstellt und das Sachleistungsprinzip Anwendung findet.
Herr Seidel, Sie sagten, dieses Gesetz sei zustande gekommen in einer Situation, in der einige befürchtet hätten, dass Deutschland von Zuwanderung überschwemmt werden könnte. Wir haben heute keine Situation mehr, in der wir vor Zuwanderung Angst haben müssten – vielleicht hatten wir sie damals auch nicht –, sondern wir haben heute eine Situation, in der mehr Menschen aus Deutschland abwandern, als zu uns zuwandern.
Wir haben zudem eine Situation, in der Gott sei Dank auch jenseits der gesetzlichen Vorgaben viele Kommunen und Landkreise die Konsequenzen aus einer Möglichkeit gezogen haben, die dieses Gesetz seit dem Jahr 2008 vorsieht, nämlich selbst zu differenzieren, ob sie Asylbewerbern Sachleistungen oder Geld in die Hand drücken wollen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die aktuelle Situation in Sachsen ist, soweit ich es weiß, dass noch ganze zwei Landkreise Gutscheine verwenden, um diese Leistungen an Asylbewerber zu vergeben. Auch das zeigt, dass schon viele aus Erfahrung die richtigen Schlüsse gezogen haben.
Ich will ganz kurz etwas zu den Wirkungen dieses Sachleistungsprinzips sagen. Die Ausgabe von Gutscheinen ist unserer Meinung nach diskriminierend. Wenn Sie selbst einmal versucht haben, mit einem Gutschein in einem dieser Läden einzukaufen, dann haben Sie vielleicht einen Eindruck bekommen, wie die Situation emotional und faktisch auf Bürger wirken muss. Diese Gutscheine sind aber auch unwirtschaftlich, weil das gesamte System der Ausgabe, der Kontrolle etc. viel aufwendiger ist, als es wäre, das System mit Bargeld zu organisieren.
Zu guter Letzt. Entgegen dem, was gesagt wurde, sind wir auch der Meinung, dass dieses Gutscheinsystem Missbrauch nicht unterbindet, sondern ihn faktisch noch fördert. Allein wer das Preisniveau in diesen Läden anschaut, sieht, dass dort überteuerte Preise für Waren genommen werden, die woanders günstiger zu bekommen sind, weil die Verkäufer genau wissen, dass Asylbewerber darauf angewiesen sind, in einer geringen Anzahl von Läden einzukaufen. Genau diesem Missbrauch sollte man gegensteuern. Deswegen sagen wir: Das Sachleistungsprinzip ist veraltet und sollte über eine Bundesratsinitiative unseres Landes abgeschafft werden.
Kurzum, wir sagen: Das Sachleistungsprinzip ist diskriminierend, unwirtschaftlich und auch einfach unnötig. Deswegen können wir dem Antrag der LINKEN nur zustimmen und hoffen, dass auch die Regierungsfraktionen nicht aus Gründen eingeübter Rituale diesen Antrag ablehnen.
Es wäre schön, Sie würden alle gleich reagieren und nicht erst, nachdem ich schon den nächsten Redner angekündigt habe.
Danke schön, Herr Präsident. – Ich würde gern noch einmal zu dem, was Herr Mann gesagt hat, intervenieren, denn das von Herrn Mann Gesagte gibt im Grunde genommen gar nicht die Realität wieder. Wer sich mit der Praxis der Leistungsvergabe beschäftigt hat, weiß, dass Asylbewerber oft noch bevorteilt sind, auch gegenüber deutschen Hilfsbedürftigen.
Ich will Ihnen aus der Praxis berichten. In den gesetzlichen Regelungen heißt es unter anderem: „Die medizinische Versorgung ist auf die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände beschränkt. Weitere Leistungen, die für die Gesundheit oder den Lebensunterhalt unerlässlich sein können, müssen aber nicht gewährt werden.“
Das ist heute schon genannt worden. Die Mitarbeiter, die mit der Leistungsvergabe beschäftigt sind, schildern aber eine andere Praxis, mit der ich Sie auch einmal konfrontieren möchte. So äußert ein Mitarbeiter aus diesem Bereich: „Keiner wird so gut versorgt wie Asylbewerber. Hier wird nicht nur auf akute Schmerzen abgestellt. Es besteht Behandlungspflicht. Der Arzt darf niemanden wegschicken. Es besteht freie Arztwahl. Das führt zu einem regelrechten Ärztehopping: Passt es mir bei dem einen nicht, gehe ich eben zu einem anderen. Die Kosten werden so oder so übernommen und schießen natürlich auch in die Höhe. Ganz uneigennützig entscheiden die Ärzte in gewissen Angelegenheiten natürlich auch nicht, beispielsweise Zahngeschichten. Da wird erst einmal alles saniert, was geht, was auch oft erforderlich ist. Die Ärzte wissen: Vom Amt bekomme ich mein Geld in jedem Fall.“
So sieht die Realität aus. Mit dieser Realität muss man sich auseinandersetzen. Ich könnte auch die Leistungskataloge gegenüberstellen. Grundsicherungsempfänger müssen zum Beispiel eine Praxisgebühr entrichten,
Asylbewerber müssen keine Praxisgebühr entrichten. Grundsicherungsempfänger müssen Zuzahlungen leisten.
Asylbewerber müssen keinerlei Zuzahlungen leisten. Ich könnte das fortsetzen. Aus Zeitgründen kann ich das leider nicht tun.
Meine Damen und Herren! Sehen Sie es mir nach, dass ich darauf antworte. Ich will zu Herrn Storr nur kurz eines sagen: Es wäre meinem Eindruck nach das erste Mal, dass Leistungen, die per Gesetz als Mindestmaß vorgeschrieben werden, von denen, die die Leistung erbringen, freiwillig überschritten werden. Aber ich habe Sie, glaube ich, richtig verstanden: Sie wollen Mindeststandards, die wir in Deutschland Menschen gewähren, weiter absenken, weil Sie der Meinung sind, dass das noch zu viel ist.
Meine Damen und Herren, wir setzen mit der Aussprache fort. Frau Abg. Jonas, Sie sprechen jetzt für die FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hat auf unsere politische Arbeit in den letzten Monaten schon sehr große Auswirkungen gehabt. Viele Diskussionen hier im Plenum und am Rande verschiedener Arbeitskreise haben das immer wieder verdeutlicht. Viele Kritikpunkte, die das Bundesverfassungsgericht an den rot-grünen Hartz-IV-Gesetzen hatte, sind auch mit dem Verfahren im Vermittlungsausschuss noch lange nicht abgeräumt, sondern werden sich auch weiterhin auf unsere Arbeit auswirken.
Das betrifft eben auch das hier bereits angesprochene Asylbewerberleistungsgesetz. So wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes das Existenzminimum im Regelsatz zum SGB II begründet hat, halte ich es auch für richtig, diese Kriterien in Bezug auf den Personenkreis, um den es hier geht, nämlich die Asylbewerber, zu prüfen und damit auch die Transparenz und die Leistungen nachvollziehbar zu machen.
Das Karlsruher Urteil sagt aber nichts über die Höhe der Leistungen. Wenn Sie die Antworten der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Bundestagsfraktion der LIN
KEN gelesen haben, dann wissen Sie, dass auch die Bundesregierung bereits eine Überprüfung der Leistungen angekündigt hat. Ich zitiere: „Die Leistungssätze im Asylbewerberleistungsgesetz werden daher von der Bundesregierung gemäß den Anforderungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Februar 2010 abgeprüft.“
Daher gibt es momentan keine Veranlassung, dem vorzugreifen und noch vor Vorliegen des Ergebnisses – ich lege noch einmal Wert auf die transparente und nachvollziehbare Leistungsüberprüfung – schon eine Entscheidung zu treffen.
Bitte gestatten Sie mir noch folgende Anmerkungen aus meiner ganz persönlichen Sicht: Deutschland ist ein humanitäres und weltoffenes Land, das entsprechend seiner Verfassung und den internationalen Verpflichtungen bereit ist, Menschen in Not zu helfen. Das ist ein Thema, das mit Vernunft und dem notwendigen Maß an Realitätssinn und Augenmaß bewertet werden muss.
In Ihrem Antrag sprechen Sie von der kompletten Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Da gibt es aus meiner Sicht schon den gerechtfertigten Unterschied zwischen den Leistungen für einen Asylbewerber und den Leistungen der Grundsicherung. Das kann auch die Höhe der Leistungen betreffen. Asylbewerber und Menschen, die keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben, sind eben nur für einen kurzen Zeitraum und zu einem vorübergehenden Aufenthalt hier. Ich stimme Ihnen zu, Frau Klinger, dass Entscheidungszeiträume von sechs Jahren viel zu lang sind. Bei Empfängern der Grundsicherung ist das nicht der Fall. Daher sehe ich auch keine Grundlage, beide Personenkreise in einem Gesetz zusammenzufassen. Diese Gestaltungsfreiheit hat das Bundesverfassungsgericht in seiner früheren Entscheidung dem Gesetzgeber zugestanden, nämlich ein eigenes Konzept zur Sicherung des Lebensunterhaltes für Asylbewerber zu entwickeln.
Die komplette Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes geht daher aus unserer Sicht zu weit und lässt sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nicht ableiten. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.