Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

Damit ist der gemeinsame Antrag von FDP und CDU eingebracht. – Der nächste Redner ist Herr Tischendorf. Er spricht für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach diesem

Ausflug in die weite Welt des Tourismus erlaube ich mir, wieder zum Antragstext und zum Inhalt zurückzukommen. Ich zitiere aus der „Morgenpost“ vom 21. März: „Und wir dachten, dass es das längst gibt! CDU und FDP fordern Tourismuskonzept!“ – Das war die Überschrift in großen Lettern in der „Morgenpost“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das kommt nicht von ungefähr, denn liest man die blumigen Aussagen im Koalitionsvertrag zur Tourismuspolitik noch einmal nach, dann könnte man direkt ins Schwärmen geraten. Im Kapitel „Wirtschaft und Verkehr“ wimmelt es nur so von Schlagwörtern wie Tourismus, Tourismusförderung und Tourismusmarketing. Ich frage aber, was außer allgemeinen Phrasen wirklich bewegt werden soll. Dazu findet sich nichts im Koalitionsvertrag, jedenfalls nichts Substanzielles. Im Gegenteil, meine Einschätzung ist, dass das tourismuspolitische Engagement der CDU auf das schon immer flache Niveau der FDP abgefallen ist.

(Beifall des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE – Holger Zastrow, FDP: He, he, he!)

Der heute als Antrag vorgelegte Wünsch-dir-was-Katalog macht das ganze Dilemma öffentlich. Die gegenwärtigen Tourismusstrukturen sind durch keine gesicherte Grundfinanzierung und eine fehlende langfristige Planungssicherheit gekennzeichnet. So weit, so gut. Es liegt nach unserer Auffassung in der Verantwortung der Sächsischen Staatsregierung, in Zusammenarbeit mit den Kommunen, den kommunalen Spitzenverbänden, den Tourismusverbänden und den Leistungserbringern vor Ort diese Probleme endlich in den Griff zu bekommen.

Der überwiegende Teil touristischer Aufgaben steht in Sachsen immer noch nicht auf soliden finanziellen Füßen und lebt von öffentlichen Zuschüssen. Das allein ist schon problematisch für die gesamte Branche. Hinzu kommen noch erhebliche Herausforderungen, die sich für die nächsten Jahre abzeichnen. Das sind unter anderem die steigende Konkurrenz zwischen den Tourismusregionen, das wachsende Qualitätsbewusstsein der Gäste, die steigenden Anforderungen an die Vermarktung, an das Management und die Beschäftigten in der Branche.

Nicht zu vergessen sind das degressive Abschmelzen der öffentlichen Mittel aus dem Solidarpakt II, die weniger gewordenen finanziellen Mittel der Kommunen für freiwillige Aufgaben, der demografische Wandel und damit verbunden das Fehlen von qualifiziertem Fachpersonal für die nächsten Jahre sowie die rückläufigen Steuereinnahmen, die wir nach der Krise jetzt auf dem Weg der Besserung gerade überwunden haben. Diese haben uns deutlich gemacht, dass der Tourismus davon stark abhängig ist.

Statt im Koalitionsvertrag, meine sehr geehrten Damen und Herren, die konkreten Öffnungszeiten von Waschanlagen zu regeln, wären zu diesen Fragen klare Aussagen notwendig gewesen. Aber dazu hat es offensichtlich damals noch nicht gereicht.

Eines ist Fakt: In den nächsten Jahren wird es im Tourismus vordergründig nicht mehr darum gehen, bunte Bändchen durchzuschneiden – das steht nicht mehr auf der Tagesordnung –, sondern es geht um die Grundfinanzierung und die Herausbildung von selbsttragenden Destinationen in Sachsen. Das alles in einen solch schwammigen Antrag zu fassen, nur weil man der eigenen Hilflosigkeit nicht Herr wird, findet bei meiner Fraktion keine Zustimmung. Auch das muss deutlich gesagt werden. Anscheinend haben die Koalitionsfraktionen keinen Ansprechpartner mehr im sächsischen Wirtschaftsministerium. So wetterte vorige Woche der Dresdner CDU-Bundestagsabgeordnete Herr Lämmel – im Nebenjob Präsident des Landestourismusverbandes – in einer gemeinsamen Presseerklärung mit dem Sächsischen Handwerkstag gegen das Haus von Wirtschaftsminister Morlok. Man beschwerte sich in einem Brief an den Ministerpräsidenten über das rigorose Zusammenstreichen der GA-Förderung für kleine Handwerksbetriebe und Unternehmen der Tourismuswirtschaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das kommt mir ein wenig wie eine zeitverzögerte Haushaltsdebatte vor. Na so was aber auch! Es ist eine Undankbarkeit für den noch im Dezember so hoch gelobten Wirtschaftshaushalt mit christlich-liberaler Handschrift. Und so was aus dem eigenen Hause, meine Damen und Herren!

(Beifall des Abg. Horst Wehner, DIE LINKE)

Wenn mich die Koalitionäre jetzt fragen würden – das machen sie an dieser Stelle immer gern –, wo meine Vorschläge seien, kann ich auf meine Rede vor fast zwei Jahren an gleicher Stelle verweisen. Am 14. Mai 2009 – kurz vor der Landtagswahl – debattierten wir in diesem Haus die Große Anfrage der Oppositionsfraktion FDP. Die Große Anfrage hatte den Titel: Tourismusstandort Sachsen.

Im Protokoll kann man dazu sehr ausführlich die Vorschläge der LINKEN für den Ausbau des Tourismus und die strategischen Ansätze nachlesen. Wenn Sie es nachlesen, werden Sie feststellen: Es ist wesentlich mehr als dieser Ankündigungsantrag, den wir heute beschließen sollen.

Da ich gerade bei der FDP bin, ist Folgendes interessant: Damals legte die FDP – ich habe es mir extra noch einmal herausgesucht – einen Entschließungsantrag zu ihrer Großen Anfrage vor. Der Entschließungsantrag lautete: Der Landtag soll aufgefordert werden, ein Zehn-PunkteProgramm zu beschließen.

Wenn Sie dort hineinschauen, stellen Sie fest: Neben dieser verkorksten Mövenpick-Steuer, die hier schon die Runde gemacht hat, ist im Prinzip fast das Gleiche drin, das heißt die gleichen Sprechblasen, wie sie jetzt im Koalitionsantrag stehen. Heute will die FDP gemeinsam mit der CDU – das ist interessant, diese hat das vor zwei Jahren alles noch abgelehnt – einen Beschlussantrag herbeiführen, obwohl das Wirtschaftsministerium sowieso

eine Tourismusstrategie in Arbeit hat – dafür ist sie im Übrigen auch zuständig.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen eines: Wenn dieser Stil zur Methode wird und sich der Landtag jedes Mal mit dem eigentlichen Tagesgeschäft befassen muss, welches qua Amt auf der anderen Elbseite zu erledigen ist, kann ich darüber nicht einmal mehr lachen. Dafür fehlt uns auch die Zeit.

(Uta Windisch, CDU: Auch das Verständnis!)

Vielleicht stellt die Koalition auch nur den Antrag – das ist nur eine Vermutung –, um aus der misslichen Lage herauszukommen, dass sie sich nicht weiter mit dem Antrag der GRÜNEN über die Neuausrichtung der Tourismusstrategie beschäftigen muss, der im Oktober im Wirtschaftsausschuss zur Anhörung stand. Um dem Antrag nicht zustimmen zu müssen, hat man den vorliegenden Antrag aus dem Ausschuss zurückgezogen und ihn im Dezember nachgeschoben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren der Koalition! Das alles ist für mich nicht sehr überzeugend. Man kann mir wirklich nicht vorwerfen, dass ich mich um die Tourismusstrategiedebatte zum Entwurf aus dem Hause Morlok aus dem vorigen Jahr drücke.

(Zuruf von der CDU: Doch!)

Ich habe mich im Juni – seitdem es bekannt ist – an verschiedenen Stellen dazu geäußert, und zumindest das, Frau Windisch, werden Sie mir nicht absprechen können: Wir haben im Fachausschuss Tourismuspolitik des Landestourismusverbandes darüber gesprochen und ich habe klar Stellung bezogen, an welchen Punkten ich für den Vorschlag bin und an welchen Punkten ich Veränderungsbedarf sehe.

(Uta Windisch, CDU: Aber in der Debatte habe ich nichts gehört!)

Ich habe es Ihnen doch gesagt, dass ich die Vorschläge schon vor zwei Jahren gemacht habe. Lesen Sie es bitte nach! Ich habe keine Lust, jedes Jahr auf dem gleichen Niveau weiterzudiskutieren!

(Beifall der Abg. Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE, und Eva Jähnigen, GRÜNE – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Ich bin gegenwärtig in den Tourismusregionen unterwegs, um mit Touristikern und Verbandsvertretern über die zukünftige Strategie anhand des vorgelegten Entwurfs zu diskutieren.

Ich sage Ihnen eines: Der Linksfraktion sind die Erfahrungen vor Ort gegenwärtig wichtiger als nichtssagende Allgemeinplätze, wie sie der vorliegende Antrag enthält.

Aus diesem Grund werden wir diesem Schaufensterantrag nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE – Christian Piwarz, CDU: DIE LINKE, wie man sie kennt! – Zuruf der Abg. Uta Windisch, CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht als nächste Rednerin Frau Kliese.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Tourismus, liebe Frau Windisch, reißt mich durchaus vom Hocker. Das kann schon passieren. Ihr Antrag bzw. das Worthülsengewitter, was Sie uns als Antrag vorgelegt haben, tut es hingegen nicht.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Tourismus ist ein wichtiges Thema, aber nicht nur in Grußworten und Sonntagsreden. Wäre dieser Antrag hier bereits Anfang 2010 behandelt worden, wären es zwar immer noch die allgemeinsten Forderungen, die man sich ausdenken kann, aber man hätte Ihnen wenigstens noch einen guten Willen bescheinigen können. Das ist heute nicht mehr ohne Weiteres möglich.

Was hat die Koalition seit 2009 auf den Weg gebracht? Zunächst wäre da die Mövenpick-Steuer. Besonders Herr Tillich und Herr Zastrow waren starke Befürworter dieses Offenbarungseides für Bestechlichkeit und Klientelpolitik.

(Christian Piwarz, CDU: Na, na!)

Geboren wurde ein Bürokratiemonster –

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Sie wollten eigentlich Bürokratie abbauen –, das den meisten CDU- und FDP-Sympathisanten bis heute peinlich ist. Zumindest hoffe ich das.

Im Koalitionsvertrag in Sachsen gibt es viele Hinweise auf die Wichtigkeit des Tourismus. Passiert ist aber nichts – wie in vielen Bereichen des Koalitionsvertrages.

Wirtschaftsminister Morlok hat im Juni 2010 ein Konzept „Tourismusstrategie 2016“ vorgelegt. Leider war der Entwurf entgegen dem, was Sie, Frau Windisch, uns gesagt haben, inhaltlich so schwach und mit den entscheidenden tourismuspolitischen Akteuren nicht abgestimmt, sodass er sehr viel Kritik und Kopfschütteln bei den Expertinnen und Experten erntete. Ich erspare mir aus Zeitgründen, aus der Vielzahl der Stellungnahmen zu zitieren. Landestourismusverband, Städte- und Landkreistag und viele mehr – die Urteile waren unisono kein Ausweis für die tourismuspolitische Kompetenz, die aus solchen Papieren sprechen sollte.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat im zuständigen Wirtschaftsausschuss einen sehr guten Antrag vorgelegt und es gab eine Anhörung mit sehr vielen wichtigen Hinweisen. Wurden daraus Lehren gezogen? Wenn ich Ihren Antrag lese, muss ich feststellen: nein. Denn alle Ihre allgemeinen Forderungen und Phrasen –

ich zitiere: „effizientere Strukturen, besseres Marketing, Abbau von Bürokratie“ und vieles mehr – wären sowohl durch die noch geltende Strategie von 2004 als auch durch das gescheiterte CDU/FDP-Konzept vom letzten Jahr erfüllt worden. Keines der aktuellen Probleme kann durch Ihre Allgemeinplätze zukunftsfähig und nachhaltig gelöst werden.

Sehr geehrte Damen und Herren der Koalitionsfraktionen! Wenn Sie wirklich den Tourismusstandort Sachsen stärken und weiterentwickeln wollen, müssen Sie dem Wirtschaftsministerium konkrete Ziele und Handlungsansätze mit auf den Weg geben, sonst wird das Ergebnis wieder nur ein Reinfall. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu müssten Sie endlich eine klare Position beziehen und strittige Fragen beantworten.

Einige dieser Fragen möchte ich in der kurzen Zeit, die mir verbleibt, beantworten. Der LTV spricht wiederholt von einem Budgetloch von 30 Millionen Euro bei der Tourismusförderung. Wie soll der finanzielle Grundstock der Tourismusförderung in den kommenden Jahren aussehen? Die Akteure brauchen vor allem eines: Planungssicherheit.

Die Vermarktung Sachsens ist die nächste Frage. Soll es nun eine zentrale Vermarktung geben oder geht man auf die Forderungen der regionalen Tourismusakteure ein und gibt ihnen die Möglichkeit einer stärkeren Eigenvermarktung mit jeweiligen Schwerpunkten? Wie kann und soll es eine einheitliche Strategie geben, die Dresden, das Erzgebirge oder das Leipziger Seenland miteinander in Einklang bringen?

Eine Schlüsselfrage ist die finanzielle Erschließung neuer Quellen auf kommunaler Ebene. Die zuletzt vorgelegte Tourismusstrategie 2016 hat den Weg der zukünftigen Tourismusfinanzierung vorgezeichnet. Der Freistaat sichert nur noch die Basisfinanzierung über den Landeshaushalt und die lokalen Akteure werden zu einer stärkeren Mitfinanzierung gezwungen.

Ich zitiere aus dem Entwurf: „Kommunen, die die Finanzierungsinstrumente der Fremdenverkehrsabgabe und Kurtaxe nicht nutzen, erhalten niedrigere Fördersätze in allen touristischen Förderprogrammen.“ In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl unterschiedlicher Finanzierungsvarianten auf kommunaler Ebene diskutiert und eingeführt: die Kurtaxe in 56 sächsischen Kommunen, die Fremdenverkehrsabgabe in 25 Kommunen. Weitere sind in Vorbereitung.

Nun frage ich Sie: Was bedeuten diese dezentralen Entscheidungen für den Tourismusstandort Sachsen und was ist Ihr Modell: die Kurtaxe, die Fremdenverkehrsabgabe oder eine angebotsorientierte Sonderabgabe? Welche Gruppen sollen aus Ihrer Sicht für die Finanzierung herangezogen werden: die Tourismusunternehmen, die Wirtschaftsakteure oder die Gäste? Eng verbunden damit ist die Frage: Kann der Freistaat, der den Spielraum in den Kommunen immer mehr einengt – siehe letzter Doppelhaushalt –, die Kommunen überhaupt zu solchen

Abgaben verpflichten? Warum fordern Sie dann nicht eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes?