Hanka Kliese
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Sehr verehrter Herr Präsident! Meine geehrten Damen und Herren! Nachdem die Fraktion DIE LINKE nun so lange den Kopf geschüttelt hat, bis sie endlich ein Haar in der Suppe finden konnte, möchte ich mich ganz gern dem Gesetzentwurf nähern, indem ich ihn würdige. Es geht hier weniger um den Austausch sozialwissenschaftlicher Thesen zur Aufarbeitung, sondern vielmehr um die praktische Ausgestaltung eines Amtes. Ich denke, dafür sind hier durchaus kluge Vorschläge gemacht worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Tagen ist aus alarmierenden Gründen viel über Geheimdienste, speziell über den amerikanischen Geheimdienst NSA, diskutiert worden. Der Vergleich zur Staatssicherheit ist dabei immer schnell gezogen. Was aber unterscheidet den Geheimdienst in einer Demokratie von dem Geheimdienst in einer Diktatur? Aufgabe eines Geheimdienstes in einer Demokratie – daran sollte man vielleicht die US-Administration einmal erinnern – ist es, diese zu verteidigen und zu schützen. Eine Kontrolle ihrer Arbeit durch die Volksvertreter ist gegeben. In der SED-Diktatur diente die Staatssicherheit zum Machterhalt einer autoritären Staatspartei. Dennoch funktionierte die DDR nicht allein aufgrund ihres Geheimdienstes, über dessen rege Tätigkeit inzwischen 111 Kilometer Akten Zeugnis ablegen.
Die DDR war mehr als Stasi, das wissen wir. Ihre Einwohner oder auch Insassen, wie manche Oppositionelle heute sagen, können nicht allein in die Kategorie Opfer oder Täter unterteilt werden. Die einen wurden IM, weil sie im Gefängnis erpresst wurden und unterzeichnen mussten, die anderen, weil sie sich davon berufliches Fortkommen versprachen, eine wieder andere Gruppe aus durchaus idealistischen Erwägungen. Auch das hat KarlHeinz Gerstenberg angesprochen.
Eine schweigende Mehrheit ertrug das System, die einen besser, die anderen schlechter. Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für Stasiunterlagen, hat einmal den schweren Vorwurf gegen seine Schwester erhoben, sie habe mit jedem Mal, als sie in der DDR wählen gegangen sei, einen Stein für seine Gefängnismauern geliefert. Diese Äußerung zeigt deutlich, wie schwer es ist und dass es mehr als einer Betrachtung des Apparates der Staatssicherheit bedarf, um sich dem Thema SED-Diktatur angemessen zu nähern.
Die Fokussierung auf die Staatssicherheit ist erinnerungspolitisch überholt. Das haben die Sachverständigen gesagt
und das hat Karl-Heinz Gerstenberg noch einmal ausgeführt.
Einen tatsächlich angemessenen Vorschlag zur Zukunft des Sächsischen Beauftragten für die Stasiunterlagen haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nun vorgelegt. Wir begrüßen diesen ausdrücklich und sehen darin viele sinnvolle Weiterentwicklungen. Sowohl die Unabhängigkeit des Beauftragten von parteipolitischen Mehrheiten als auch eine Loslösung desselben vom Justizministerium betrachten wir als sehr sinnvoll. Nur so kann künftig vermieden werden, dass sich Opferverbände und große Fraktionen beispielsweise über eine Kandidatin einig sind und dann doch eine andere Wahl getroffen wird. Das ist eine unglückliche Ausgangssituation für alle Beteiligten, die sich nicht wiederholen sollte.
Wichtig finden wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Weiterentwicklung des Blickfeldes auf die sowjetische Besatzungszeit. Meines Erachtens ist das auch unter dem Titel „SED-Diktatur“ möglich. Deswegen haben wir mit dem Titel nicht so große Probleme. Die Zeitzeugen aus diesem düsteren Kapitel werden langsam rar. Es wird höchste Zeit, den Fokus auf diese oftmals sehr gewalttätige Phase der frühen Nachkriegszeit zu rücken.
Es gibt aus der Zeit der SBZ viele vergessene Schicksale. Ein Schicksal ist das des Sozialdemokraten Willy Jesse. Er wurde nach der Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED zum Funktionär in der SED erhoben, dann aber wegen seiner fortdauernden sozialdemokratischen Gesinnung 1946 verhaftet und vier Jahre in Untersuchungshaft festgehalten. Es folgten zehn Jahre Gulag. Danach zog Willy Jesse in die Bundesrepublik. Er war noch einige Jahre für die SPD Lübeck tätig, bevor er sich das Leben nahm. Solche Biografien sind kaum bekannt und könnten durch eine Erweiterung des Fokus besser bearbeitet werden.
Eine weitere Neuerung besteht darin, dass der Beauftragte den Opferverbänden hilfreich zur Seite stehen soll. Hierin sehen wir eine sehr wichtige und eine sehr umsichtige Festlegung. In den Opferverbänden arbeiten oftmals hochtraumatisierte Menschen, bei denen politische Repressionen des SED-Regimes tiefe Spuren hinterlassen haben. Diese Menschen brauchen in ihrer ehrenamtlichen Arbeit Unterstützung, wie etwa beim Schreiben von Förderanträgen, beim Ausrichten von Großveranstaltungen und Ähnlichem. Es ist gut, dass sie nicht allein bleiben sollen.
Kurzum: Wir begrüßen die Initiative ausdrücklich und stimmen in allen Punkten zu. Wir bedauern sehr, dass die CDU-Fraktion das nicht tun kann. Die Argumente für die Ablehnung sind eher dünn bzw. gab es ein Hauptargument, was speziell mit der FDP bezeichnet wurde. An dieser Stelle kann ich nur an die FDP-Fraktion gerichtet sagen: Wer in Sachsen auch in Zukunft noch Verantwortung übernehmen möchte, der sollte wissen, wie er mit der Vergangenheit Sachsens umgeht.
Am Wochenende, sehr verehrte Damen und Herren, gab es ein sehr interessantes Interview auf „Deutschlandradio Kultur“ mit Roland Jahn, dem Bundesbeauftragten für Stasiunterlagen. Ich empfehle Ihnen, dieses Interview nachzuhören, weil er viele Aspekte der heutigen Disskussion aufgreift. Ich möchte meine Rede mit einem Satz von Roland Jahn aus diesem Gespräch beenden: „Der Blick in die Diktatur schärft unsere Sinne, um zu erkennen, wo Freiheit auch heute in Gefahr ist.“
Die SPD-Landtagsfraktion wird sich in der Abstimmung der Stimme enthalten, da wir einerseits die Notwendigkeit eines Ausführungsgesetzes anerkennen, der vorliegende Entwurf jedoch Mängel und Unsicherheiten enthält, die sich nicht zuletzt auch für den Haushalt des Freistaates nachteilig auswirken könnten.
Um dies zu verstehen, müssen wir etwas tiefer in die Materie eindringen. Mit dem Inkrafttreten des BundesTiergesundheitsgesetzes zum 1. Mai 2014 und dem damit verbundenen Außerkrafttreten des Bundes-Tierseuchengesetzes bedurfte es eines neuen Sächsischen Ausführungsgesetzes zum Tiergesundheitsgesetz. Über dieses reden wir heute. Wer in den Kalender sieht, wird sich aber zu Recht fragen, warum das Gesetz erst heute behandelt wird und nicht so rechtzeitig, dass es in Sachsen pünktlich zum 1. Mai 2014 in Kraft treten konnte. Das zugrunde liegende Bundes-Tierseuchengesetz wurde bereits am 27. Mai 2013 verkündet und dennoch dauerte es nochmals bis zum 18. März 2014, bis das jetzt vorliegende Ausführungsgesetz in den Sächsischen Landtag eingebracht wurde.
Als Folge gibt es in Sachsen seit dem 1. Mai 2014 kein Ausführungsgesetz zum Bundes-Tiergesundheitsgesetz und dadurch erhebliche rechtliche Unsicherheit. Es besteht nämlich die ernst zu nehmende Gefahr, dass sich die zuständigen Landkreise und kreisfreien Städte auf den Standpunkt stellen, dass mit dem Außerkrafttreten des Bundes-Tierseuchengesetzes auch Regelungen in Sachsen entfallen wären, weshalb nun keine Pflichtaufgabe mehr bestünde und mit dem Inkrafttreten des vorliegenden neuen Ausführungsgesetzes eine neue Pflichtaufgabe begründet würde, für die der Freistaat Sachsen ausgleichspflichtig sei.
Daran ändert es auch nichts, wenn das SMS am 25. April 2014 durch eine Informationsveranstaltung und einem Erlass versucht, die Landkreise und kreisfreien Städte vom Gegenteil zu überzeugen. Die Zweifel und damit das finanzielle Risiko bleiben für den Freistaat.
Ob die von der Staatsregierung vorgebrachte Meinung, dass zwischen dem Auslaufen der alten Regel zum 1. Mai 2014 und dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes die Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte durch das Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst erhalten bleibt, erscheint zumindest fraglich.
Noch an weiteren Stellen bestehen finanzielle Risiken. Stichwort: EU-konforme Beihilfen. Die geplante Leistungssatzung der Tierseuchenkassen und auch das Ausführungsgesetz selbst sehen explizit die Zahlung von Beihilfen vor. Die Tierseuchenkasse wiederum erhält auch Zuwendungen des Freistaates Sachsen. Damit besteht aber die Gefahr einer wettbewerbsverzerrenden EUrechtswidrigen Beihilfe. Die Freistellung hierfür durch die Europäische Kommission erfolgt bei wesentlichen Änderungen auf Antrag, ansonsten turnusgemäß alle 2. Es wird sich also erst zeigen müssen, ob also eine Freistellung durch die Kommission tatsächlich erfolgt oder eine unzulässige Beilhilfezahlung vorliegt.
Hinzukommen die schon von meinen Vorrednerinnen genannten Mängel. Angesichts der sehr komplexen Materie, wäre es eigentlich geboten gewesen, den Gesetzentwurf noch eingehender zu prüfen und entsprechend zu verbessern. Stattdessen erscheint er stellenweise mit der heißen Nadel gestrickt und ist dementsprechend Fehler behaftet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wahlen sind die Königsdisziplin in der Demokratie. Der Wahltag ist ein toller Tag, an dem viele Menschen wählen gehen sollten. Viele tun es aber inzwischen nicht mehr, und einige – das ist sehr dramatisch – tun es nicht, weil sie es nicht können, weil sie die Möglichkeiten und den Zugang dazu nicht haben. Hierbei handelt es sich zumeist um Menschen mit Beeinträchtigungen, die aus verschiedenen Gründen keinen Zugang zur Wahl haben. Das ist ein wesentliches Problem für unsere Demokratie, das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufgreifen. Deswegen sind wir grundsätzlich für den Antrag sehr dankbar.
Es gibt sehr viele verschiedene Facetten, warum Menschen mit Behinderungen am Wahltag ihr Menschenrecht, das Recht wählen zu können, nicht wahrnehmen können. Leider sind die Ursachen dafür so vielschichtig, dass wir das überhaupt nicht mit einem einzigen solchen Antrag bearbeiten können. Aus meiner persönlichen Praxis bei der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen kenne ich zum Beispiel das Dilemma, dass am Wahltag, der immer an einem Sonntag stattfindet, gar nicht genügend Personal in den Einrichtungen vorhanden ist, damit Menschen mit Behinderungen überhaupt ins Wahllokal begleitet werden können.
Zyniker sagen: Dafür gibt es die Briefwahl – ich finde, dort kennt Inklusion schon ihre ersten Grenzen –, es reicht für Menschen mit Behinderung, wenn sie per Brief wählen; sie müssen nicht ins Wahllokal, das geht auch so. Unserer Fraktion ist es wichtig – den GRÜNEN offenbar auch –, dass Menschen mit Behinderungen auch ein Wahllokal betreten und an dem Wahlsonntag präsent sein können, um von ihrem Recht Gebrauch zu machen.
Allerdings können wir dem Antrag, so wie er hier vorliegt, trotzdem nicht zustimmen, weil wir einige Probleme bei der Umsetzung sehen. Zum Beispiel finde ich es ganz schwierig – meine Vorrednerin hat dazu bereits viele wichtige und richtige Aspekte genannt –, dass der Punkt
Wählervereinigungen aufgenommen worden ist. Wählervereinigungen ist für mich ein völlig anderes Thema, das mit der Überschrift „Verbesserung des Zugangs zu Wahlen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht“ nichts zu tun hat. Leider sehe ich hierbei keinen Zusammenhang.
Wir sehen weitere Punkte sehr kritisch, zum Beispiel den völlig richtigen Wahlausschluss von Personen unter Generalbetreuungen, Menschen, die eine Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben und aufgrund dessen in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht sind. Hierzu warten wir gerade auf eine anstehende Regelung auf Bundesebene. Ich halte es nicht für günstig, eine Regelung zu treffen, bevor die Regelung von der Bundesebene kommt; denn dann müssten wir wieder etwas novellieren.
Ebenfalls kritisch sehen wir das Fristsetzen für Kommunen. An der Stelle möchte ich etwas Grundsätzliches dazu sagen, was dieses Gesetz, wenn wir zustimmen würden, für die Kommunen bedeuten würde: Es wäre aus meiner Sicht wirklich eine ziemliche Zumutung. Wir müssen mit den Kommunen, wenn wir das umsetzen wollen, in einen ganz anderen Dialog treten; denn auf solch eine Art und Weise, wenn wir so etwas vorlegen, bereiten wir den Gutwilligen und denjenigen, die in den Verwaltungen sitzen oder etwas erreichen wollen, ganz viele Schwierigkeiten.
Der Gesetzentwurf sieht leider auch nicht, dass es bereits Initiativen in Kommunen gibt, diese Missstände zu beheben. Auf kommunaler Ebene gibt es Umsetzungsbeschlüsse – also Maßnahmenpläne –, wie man die UNBehindertenrechtskonvention umsetzen kann. Diese
lokalen Teilhabepläne werden gemeinsam – getreu dem Motto: Nichts über uns ohne uns – in Arbeitsgruppen erarbeitet, zum Beispiel in Dresden oder Chemnitz. Das ist mir bekannt. Dort wird gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen und den Mitarbeitern der Stadtverwaltung entschieden, was zum Beispiel gemacht werden kann, um die Wahllokale barrierefrei zu machen. Das halte ich für einen guten und unterstützenswerten Weg; denn unser Ansatz ist es, Lust auf Inklusion zu machen und Freude an Inklusion zu wecken. Ich denke, dass mit Anträgen wie diesem leider vor Ort die Freude an Inklusion ein wenig verloren gehen kann.
Das wollen wir verhindern. Deswegen sagen wir: Vielen Dank für den guten Anstoß, für das gute Ansinnen. Trotzdem gibt es unsererseits aus den genannten Gründen leider nur eine Enthaltung.
Vielen Dank.
Zum ersten Punkt gab es ein kleines Missverständnis. Ich hatte mich dabei auf die Situation in Pflegeheimen und in stationären Einrichtungen bezogen und nicht auf die Assistenzen. Es ist so, dass es nicht genügend Personal in den Pflegeeinrichtungen gibt. Das ist insbesondere an den Wochenenden der Fall. Wir haben bereits Initiative gezeigt. Es gibt zum Beispiel die großen Aktionen „Pflege braucht Pflege“. Meine Kollegin Dagmar Neukirch ist bezüglich der Verbesserung des Pflegeschlüssels sehr aktiv. Das ist der Punkt, auf den ich abzielte. Ich bezog mich in dem Fall nicht auf die Assistenz, denn darin stimmen wir Ihnen zu.
Zum zweiten Punkt: Muss gesetzlich den Kommunen etwas vorgeschrieben werden? Wer kontrolliert es? Es gibt Pläne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auf kommunaler Ebene. Diese wurden zum Beispiel in den Kommunen Dresden und Chemnitz verabschiedet, aus denen diese Arbeitsgruppen erwachsen sind. Diese Arbeitsgruppen werden kontrolliert, nicht zuletzt durch die GRÜNEN und andere Stadträtinnen und Stadträte vor Ort. Das halte ich für eine sinnvolle Kontrolle.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits alle Vorredner sind auf die Schwierigkeit der Frage der Entschädigung eingegangen. Was ist hier angemessen? Was ist denn eine angemessene Entschädigung zum Beispiel für eine Frau, die in Hoheneck nächtelang in einer kalten Wasserzelle stehen musste, die heute eine Nierenfehlfunktion hat? Was ist eine angemessene Entschädigung für einen jungen Mann, der als Kind seiner Mutter entrissen wurde und in dem Glauben groß werden musste, dass seine Mutter sich nicht für ihn interessieren würde? Was ist eine angemessene Entschädigung für einen Radsport
ler, der für sein Leben gern fuhr, der der Beste von allen war, doch weil er das Parteibuch nicht hatte, nicht mehr starten durfte?
Es ist schwierig, es ist ein Dilemma um Stichtage und Kriterien. Das Leid vieler Opfer der SED-Diktatur lässt sich eben nicht materiell beziffern. Wohl beziffern lässt sich die Summe der Devisen, mit welcher sich die DDR bereichert hat, die Devisen, die sie durch den Verkauf politischer Häftlinge erhielt. Es sind mehr als 3 Milliarden DM gewesen.
Bei der Annäherung an das Thema Opferrente sind viele Fehler passiert. Der erste Fehler war aus meiner Sicht, dass der DDR-Staatsapparat so deutlich vor den Opfern abgefunden wurde. Es war sicherlich ein Schlag ins Gesicht für viele Opfer, dass diejenigen, die sie damals gequält haben, die ihnen zu schaffen gemacht haben, so zeitig mit so guten Renten abgefunden worden sind und erst im Jahr 2007 – ich glaube, da müssen wir, alle Fraktionen, die wir hier sitzen, die daran interessiert sind, uns an die Nase fassen – durch den Beschluss im Bundestag die Opfer mit ihren Opferrenten versehen worden sind. Aber Rentenrecht ist eben kein Strafrecht.
Als dann endlich 2007 die Opferrente kam, wurde schon damals von den Sachverständigen im Bundestag viel Korrekturbedarf angemerkt. Eine Sache möchte ich hier kurz anmerken: dass zum Beispiel die Renten an die soziale Bedürftigkeit geknüpft sind. Ich halte das für ein sehr großes Problem, weil die Frage, ob jemand Opfer eines Systems geworden ist, nichts damit zu tun hat, ob er heute im Wohlstand oder in Armut lebt. Die Bundesregierung versucht gerade, einiges geradezurücken.
Andere Dinge versuchen wir hier auf diesem Wege mit Hilfe Ihres Antrages noch zu verbessern.
Auf die einzelnen Forderungen möchte ich gern eingehen:
Die erste Forderung, sich auf eine Evaluation, eine Überprüfung auf Wirksamkeit einzusetzen, halte ich für einen sehr sinnvollen Schritt.
Zur zweiten Forderung, zu veranlassen, Regelungen für Personengruppen zu treffen, welche durch die SEDRegime Nachteile erlitten haben und die bisher nicht berücksichtigt worden sind, hatte der Kollege Schiemann schon gesprochen. Hier ist das Problem, dass nicht konkret gesagt wird, welche Personengruppen gemeint sind. Deswegen kann ich mir persönlich darunter leider sehr wenig vorstellen; es ist ein sehr unpräziser Punkt. Das hört sich ein bisschen so an: Falls wir irgendjemanden vergessen haben, wollen wir ihn jetzt auch noch mit hineinnehmen. Das finde ich schade und ich hätte mir gewünscht, dass hier konkrete Erfahrungen genutzt werden, um festzulegen, um welche Personengruppen es überhaupt gehen soll. Das wird der Sache nicht ganz gerecht.
Punkt 3, sich für Klarheit und Transparenz im Verfahren einsetzen. Ja, das wäre in der Tat ein sehr, sehr wichtiger Punkt. Hier lag im Jahr 2010 im Deutschen Bundestag ein Entschließungsantrag der SPD-Fraktion vor, der eine
Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens gefordert hat – eine Vereinheitlichung deshalb, weil die Anerkennungsquoten in den verschiedenen Bundesländern ganz unterschiedlich waren. Das würde bedeuten, man hätte ganz unterschiedliche Maßstäbe angesetzt, und eine Einheitlichkeit wäre hier sinnvoll. Ich würde mich freuen, wenn der Punkt noch einmal aufgegriffen würde.
Die Erhöhung um maximal 50 Euro ist bereits in Arbeit, das wurde schon angedeutet. Hier möchte ich sagen, weil immer nur von einem Tropfen auf den heißen Stein oder von einer Symbolik gesprochen wird: Das finde ich nicht. Ich kenne viele Opfer der SED-Diktatur durch meine ehrenamtliche Arbeit. Einige von ihnen sind heute so stark geschädigt, beeinträchtigt, dass sie gar keine Arbeit mehr ausüben können, und für diese Menschen sind 50 Euro viel Geld. Das möchte ich an dieser Stelle einmal betonen. Es könnte mehr sein – es wäre schön, wenn es mehr wäre; das würde auch ich sehr gut finden –, aber es sind immerhin 50 Euro, mit denen diese Menschen etwas anfangen können.
Der Punkt 5 fordert die Verlängerung der Antragsfristen. Hier wäre die Frage, ob nicht vielleicht eine direkte Entfristung sinnvoller wäre; denn der Personenkreis ist am Ende doch überschaubar. Wenn wir hier eine Entfristung vornehmen, überrollt uns das eigentlich nicht. Es gab im November des vorigen Jahres ein Treffen mit Herrn Rathenow, Herrn Schiemann und den Opferverbänden. Im Anschluss daran hatten Sie, Herr Schiemann, auch die Entfristung gefordert und ich hätte mich natürlich gefreut, diese hier entsprechend im Antrag wiederzufinden.
Zu Punkt 6 bezüglich des Heimkinderfonds: Wir halten es für besonders wichtig, auf das Ablaufen der Frist im nächsten September hinzuweisen. Publik zu machen, dass die Frist abläuft, halte ich für einen ganz wesentlichen Punkt. Das zählt für mich auch zur Erleichterung des Antragsverfahrens.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem ich jetzt versucht habe, die einzelnen Punkte des Antrages aus unserer Perspektive abzuarbeiten – für den Antrag, dem wir freilich zustimmen werden –, möchte ich mich zum Abschluss meiner Rede nicht mehr an den Antragsteller, sondern an diejenigen wenden, für die dieser Antrag geschrieben ist: an diejenigen Menschen, die Opfer der SED-Diktatur geworden sind: Sie sind die Wegbereiter unserer Demokratie in Sachsen, die es uns ermöglicht, in diesem Haus so frei und so kontrovers diskutieren zu können. Ihr Mut hat sich für uns gelohnt, doch für sie selbst ihr Schicksal oft sehr schwer gemacht. Ich möchte diesen Menschen sagen: Wir haben Sie fest im Blick, wir hören Sie noch – vor allem hören wir jene, die leise geworden sind.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jedes Jahr lassen 30 000 Frauen eine Untersuchung über sich ergehen, um festzustellen, ob ihr Kind mit einer Behinderung zur Welt kommen könnte. Hunderte dieser ungeborenen Babys – die meisten übrigens gesund – versterben dabei.
Seit einem Jahr geben inzwischen Hunderte Schwangere und ihre Partner Geld dafür aus auszuschließen, dass ihr Kind mit dem Downsyndrom auf die Welt kommen könnte; eine Chromosomenänderung übrigens, mit der es sich in vielen Fällen recht selbstständig und auch glücklich leben lässt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über diese Familien möchte ich nicht richten. Ich bin froh, dass sie ihre Entscheidungen frei treffen können. Ich möchte Sie aber fragen: Was sagen diese Zahlen über den Zustand unserer Gesellschaft aus? Für mich legen diese Zahlen Zeugnis ab über die Unfähigkeit, das Anderssein von Menschen zu akzeptieren. Über die Unfähigkeit zu Geduld, zu Toleranz und zu Solidarität.
Wir, die wir abgesichert in Frieden unter besten Bedingungen leben können, schaffen ein gesellschaftliches Klima, in dem es für manche Frauen offenbar besser ist, das Risiko einer Fehlgeburt einzugehen als mit einem Kind zu leben, das irgendwie anders ist. „Irgendwie
anders“, meine Damen und Herren – das möchte ich hier auch betonen –, sieht nicht immer so fröhlich aus, wie das Kind mit Downsyndrom in der „Aktion Mensch“Werbung. „Irgendwie anders“ heißt auch: Leiden, Krankheit und Abhängigkeit. Es bedeutet für die Eltern: beantragen, betteln und kämpfen. Nichts ist selbstverständlich. Alles ist mit Kraft, Aufwand, Zeit und Kosten verbunden.
Ist es nicht unsere Aufgabe, sehr verehrte Damen und Herren, diesen Menschen, Eltern wie Kindern, das Leben auf dieser Welt nicht zusätzlich zu erschweren? Unsere Gesellschaft behindert diese Menschen oft. Ich möchte das ändern. Ich möchte sie nicht bevorzugen. Ich möchte, dass sie ihre Rechte gewährt bekommen, ohne Anwalt, ohne Gericht, ohne Prozesskosten, ohne Urteilsbegründung – einfach durch eine verbindliche, dem geltenden Völkerrecht angemessene Gesetzgebung im Freistaat Sachsen.
Aus diesem Grund haben Horst Wehner und ich den Gesetzentwurf gemeinsam mit vielen aktiven Menschen aus der Behindertenbewegung erarbeitet. Da Sie ihn bereits in den Ausschüssen behandelt haben, erlaube ich mir heute, grundsätzlich auf dieses Thema zu sprechen zu kommen.
Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen! Sie haben uns Ihre Gründe für die Ablehnung bereits genannt. Ein Grund liegt für Sie offenkundig in der Verbindlichkeit. Sie wollen nicht festgelegt werden, nur nichts Einklagbares schaffen. Aber genau das wollen wir für Menschen mit Behinderungen einführen.
Ein weiterer, immer wiederkehrender Grund – von der FDP meist aus vermeintlichen Liberalitätsgründen genannt – lautet: Das Gesetz würde eine Überregulierung bedeuten. Dabei hat selbst die CDU teilweise erkannt, dass das bisherige Integrationsgesetz nicht ausreichend ist. Und überhaupt: Wie sieht es eigentlich mit der Freiwilligkeit in Deutschland aus, in einem Land, in dem bei einem Bürgerentscheid in Hamburg Eltern mehrheitlich dafür gestimmt haben, dass ihre Kinder nicht gemeinsam mit anderen Kindern, die noch nicht einmal eine Behinderung haben, sondern nur etwas schlechter in der Schule sind, lernen dürfen?
Wie sieht es denn in so einem Land mit der Freiwilligkeit aus? Wohin sind wir mit diesem Prinzip der Freiwilligkeit gekommen? Genau zu jenen Zuständen, die ich eingangs beschrieben habe, und zwar dahin, wo Paare 1 200 Euro auf den Tisch legen, um herauszufinden, ob ihr Kind eventuell einen anderen Chromosomensatz als andere hat. Das sollte uns nicht als Parteigänger, sondern als Menschen beschämen.
Meine Damen und Herren! Horst Wehner hat bereits gesagt, dass das, worüber wir heute debattieren, ihn ein wenig an Faust erinnere. Wenn ich jetzt in die Reihen von CDU und FDP schaue, dann denke ich eher an Erich
Kästner, der einmal gesagt hat: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anlässlich der Eröffnung der Messe Reha am 21.06.1981 in Düsseldorf schlug der körperlich behinderte Franz Christoph dem damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens mit seiner Krücke gegen das Schienbein. Um jeden Verdacht zu vermeiden, dass es sich dabei um ein Versehen handelte, wiederholte er diesen Vorgang und schlug dem ersten Mann im Staate gleich ein zweites Mal seine Krücke vors Bein.
Diese Aktion von Franz Christoph war Teil eines Protestes der sogenannten Krüppelbewegung, die seit den 1970er-Jahren auf Menschenrechtsverletzungen gegen Menschen mit Behinderungen aufmerksam machte.
Mit dem Protest traf Franz Christoph zwar das Schienbein des Bundespräsidenten; darüber hinaus verfehlte die Aktion aber ihr Ziel. Bundespräsident Carstens verzichtete auf eine Anklage gegen Christoph. Damit gab er dem körperlich behinderten Mann genau das, was dieser nicht haben wollte: Nachsicht, Mitleid und Milde.
Genau diese Motive haben die Behindertenpolitik der letzten Jahrzehnte geprägt. Die UN-Behindertenrechtskonvention hat das geändert, und wir wollen dies nun auch für Sachsen ändern. Auch in Sachsen sind Menschen mit Behinderungen nicht länger Patientinnen und Patienten – sie sind Bürgerinnen und Bürger.
Sie sind Träger(innen) von Rechten und Pflichten. Diesem Paradigmenwechsel tragen wir mit unserem Gesetzentwurf Rechnung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Gesetz ist ein Ermöglichungsgesetz. Das heißt, niemand wird gezwungen. Alle müssen können können – und das ist in der Realität leider noch nicht der Fall.
Nehmen wir das Beispiel Bildung. Hier haben wir permanent den Fokus auf der schulischen Bildung; deswegen haben wir unser Augenmerk mehr auf den Bereich Aus-, Fort- und Weiterbildung gelegt. Bisher gelten die Förde
rungen für Menschen mit Behinderungen bis zum ersten höheren Bildungsabschluss – beispielsweise an der Hochschule – nur zum Bachelor. Aber warum sollen Menschen mit Behinderungen nicht einen Masterabschluss, eine Promotion oder eine Habilitation ablegen können? Sie brauchen Bedingungen, die ihnen das ermöglichen, und diese schaffen wir mit unserem Gesetzentwurf.
Natürlich wird es auch immer Menschen geben, für die Dissertationen oder Habilitationen keine Option sind. Für diese schaffen wir mit dem Entwurf die Grundlage, zwischen einer geschlossenen Werkstatt und einem Job im inklusiven Arbeitsmarkt zu wählen; denn wir wollen nicht die marktkonforme Behinderung, sondern das behinderungskonforme Arbeitsleben für alle.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Karl Carstens in Düsseldorf zwei Hiebe auf das Schienbein bekam, hat er die damit verbundene Botschaft nicht verstanden. Da haben Sie es heute viel leichter: Sie haben ein aufgeklärtes Bild vom Menschen mit Behinderung. Sie alle wissen, dass selbstbestimmte Teilhabe besser ist als Mitleid. Deswegen müssen wir Ihnen auch nicht vor das Schienbein treten, sondern wir hoffen auf Ihr fortschrittliches Denken und Ihr positives Votum.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sport begeistert in Sachsen sehr viele Menschen, ob passiv im Stadion oder vor dem Fernseher – wie an den letzten Abenden –, oder aber beim wöchentlich stattfindenden Spiel- und Wettkampfbetrieb in unseren sächsischen Vereinen.
An genau diese über 600 000 Aktiven in mehr als 4 500 Vereinen sowie die vielen ehrenamtlichen Trainer, Betreuer und Fans haben wir gedacht, als wir vor über einem Jahr den Entwurf für ein Sächsisches Sportfördergesetz in diesem Hause eingebracht haben. Nach intensiven Beratungen mit Vertretern aller Kreis- und Stadtsportbünde, mit dem Landessportbund, mit Fachverbänden, dem Gehörlosensportverband, aber auch mit Kommunalvertretern und Vereinsmitgliedern beinhaltet unser Gesetz zwei zentrale Forderungen:
Die erste Forderung ist die Verbesserung der sportlichen Rahmenbedingungen, besonders bei der finanziellen Ausstattung der Sportinfrastruktur. Die zweite Forderung ist die höherwertige Verankerung des Sports als gemeinwohlorientierte Aufgabe und damit die Schaffung von mehr Transparenz und Planbarkeit.
Mit einem gewissen Stolz – auch auf unsere Arbeit – wurde Punkt 1, nämlich die Absicherung der Infrastruktur, zumindest für die kommenden zwei Jahre abgesichert. Das war – auch wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, das vielleicht ungern einräumen wollen – vor allen Dingen dem Druck der Vereine und der Gremien zusammen mit unserem Gesetzentwurf geschuldet,
damit im letzten Doppelhaushalt eine deutliche Aufwertung der Sportförderung erzielt werden konnte.
Damit diese finanzielle Ausstattung kein bloßes Wahlkampfgeschenk bleibt, bedarf es noch der Erfüllung von Forderungspunkt 2, der generellen Verankerung im Gesetz. Dass eine Regelung per Gesetz besser ist als über ein Haushaltsverfahren, zeigt sowohl das Ergebnis einer aktuellen Forschungsarbeit der Universität Leipzig als auch der Blick auf unsere Nachbarbundesländer.
Wir schauen nach Thüringen. Thüringen hat seit dem Jahr 1994 ein Sportfördergesetz, und zwar auf Impuls der CDU. In Brandenburg gibt es ein Sportfördergesetz seit dem Jahr 1992 auf Initiative der SPD. In MecklenburgVorpommern gibt es ein Sportfördergesetz seit dem Jahr 2002 unter SPD und LINKE und schließlich – das ist besonders auffällig – in Sachsen-Anhalt: Im Jahr 2006 wurde der Entwurf eines Sportfördergesetzes durch die FDP eingebracht und durch CDU und SPD schließlich im Jahr 2012 verabschiedet.
Sie dürften jetzt festgestellt haben, dass zu einem Sportfördergesetz eine bestimmte Parteienkonstellation nicht zwingend notwendig ist bzw. etwas damit zu tun hat, sondern dass allein der Einsatz für den Sport zählt und dass Sachsen das einzige neue Bundesland ist, das keine gesetzliche Regelung vorweisen kann.
Sie werden jetzt argumentieren, dass es das auch nicht braucht, denn alle Fraktionen bekennen sich zur Bedeutung des Sports. Doch bei der finanziellen Absicherung lag Sachsen in den letzten zehn Jahren im oberen Mittelfeld der Bundesländer, aber mit dem Doppelhaushalt 2011/2012 wurde es zum Schlusslicht. Die investive Sportförderung kam hier regelrecht zum Erliegen.
Waren es im Jahr 2010 noch 23 Millionen Euro, so wurde der investive Ansatz zunächst auf 2,85 Millionen Euro im Jahr 2011 heruntergefahren und dann auf lächerliche 880 000 Euro für das Jahr 2012 zusammengestrichen. Die Folgen dieser falschen Politik möchte ich Ihnen gern aufzeigen.
Das bestehende Investitionsdefizit bei der Sportinfrastruktur stieg von 800 Millionen Euro auf fast eine Milliarde Euro an. Hierbei handelt es sich um eine offizielle Zahl
des Landessportbundes, die in der Regierungserklärung vom damaligen Minister Wöller so bestätigt wurde.
In einer Kleinen Anfrage vom März 2013 wollte ich wissen, was in den letzten beiden Jahren durch die Staatsregierung getan wurde, was zum Beispiel den Erhalt der sächsischen Sportstätten und deren Ausbau angeht. Die Antwort lautete: „Fast 200 Fördermaßnahmen konnten 2011/2012 nicht durchgeführt werden, davon nur 41 wegen Mängeln bei den Antragstellern, der Rest, also über 150 Fördermaßnahmen, musste wegen Fehlen finanzieller Mittel abgelehnt werden.“
Davon betroffen waren fast alle Regionen, alle Sportarten und Hunderte Vereine. Hatte das Ministerpräsident Tillich im Sinn, als er im Jahr 2013 seinen Neujahrsempfang unter das Motto „Sport in Sachsen auf breiter Basis spitze“ gestellt hat? Ich glaube nicht.
Wahr ist, dass der Freistaat noch nie eigenes Geld für den Sport im investiven Bereich ausgegeben, sondern immer nur die Sonderbedarfsergänzungsmittel des Bundes weitergeleitet hat. Da diese Mittel aber bis zum Jahr 2019 kontinuierlich abschmelzen – um rund 200 Millionen Euro jährlich –, wurde der Sport dabei einfach vergessen. So erklärt sich auch die massive Kürzung.
Im aktuellen Doppelhaushalt kamen der Regierung die Steuermehreinnahmen zu Hilfe und mit Blick auf den Wahltag 2014 war auf einmal wieder Geld da. Aber die Absicherung der Zukunft bleibt ungewiss. Dabei ist doch ausreichend Geld für die Schließung der Infrastrukturlücke vorhanden. Allein die bisher 907 Millionen Euro, die bisher – –
Ja, wenn Sie meine Zeit anhalten.
Danke schön. – Ich sagte, Geld sei ausreichend vorhanden, und ich versuchte, das gerade anhand der Tatsache zu belegen, dass bisher
907 Millionen Euro allein für das von der CDU zu verantwortende Landesbankdesaster ausgegeben worden sind. Dieses Landesbankdesaster hat schon mehr Steuergeld der sächsischen Bürgerinnen und Bürger verschlungen, als seit dem Jahr 1990 überhaupt in die Sportinfrastruktur des Freistaates geflossen ist.
Besonders bedenklich ist es aus meiner Sicht, in welche Lage Sie die Kommunen bringen. Aus der finanziellen Not heraus versuchen viele Kommunen, die Sportfinanzierung über eine dramatische Erhöhung der Sportstättennutzungsgebühren zu kompensieren. Nach Angabe des Sächsischen Städte- und des Landkreistages haben sich
die Ausgaben für die Sportstättennutzung innerhalb der letzten sechs Jahre um 60 % erhöht. Der größte Anstieg war dabei in den Jahren 2011 und 2012.
Dies führt zum Beispiel dazu, dass Hallenturniere für Kinder und Jugendliche in den Bereichen Handball, Volleyball oder Basketball nicht mehr stattfinden können, da sich die Vereine die zusätzlichen Hallennutzungsgebühren für die Wettkämpfe nicht leisten können. Diese Tendenz ist ein Armutszeugnis für die sächsische Sportpolitik der letzten Jahre.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Sportfreunde! Sachsen ist ein Sportland. Deshalb brauchen seine Vereine und die vielen Ehrenamtlichen die bestmöglichen Rahmenbedingungen sowie eine Planbarkeit. Um die positiven Eigenschaften des Sports nachhaltig sicherzustellen, braucht Sachsen diese Grundlage: ein Sportfördergesetz.
Ich wiederhole an dieser Stelle noch einmal – wir haben es im Ausschuss schon behandelt und auch in der 1. Lesung – die zentralen Punkte unseres Gesetzentwurfes: ein garantiertes Sportfördergesetz und die finanzielle Grundausstattung des sächsischen Breitensports. Man schafft damit mehr Transparenz und Planbarkeit. Es richtet ein Landesinvestitionsprogramm für die kommunale Infrastruktur von jährlich 25 Millionen Euro ein. Es wird die Anerkennung und die Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements verbessert. Die regionalen Entscheidungsebenen bei den Kreisen und den kreisfreien Städten über die Kopplung der Finanzierung an Sport- und Spielstättenplanung werden einbezogen und verbessert, und vor allen Dingen – das ist ein sehr wichtiger Punkt, für den allein es sich schon lohnt, über das Abstimmungsverhalten noch einmal nachzudenken – die Teilhabemöglichkeiten für Sportlerinnen und Sportler mit Behinderung werden mit unserem Gesetzentwurf deutlich verbessert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Gesetzentwurf hat in der Anhörung sowohl Kritik als auch Zustimmung erfahren. Ich zitiere Herrn Schuster vom Landessportbund: „Zusammenfassend stellt der Landessportbund fest, dass der vorliegende Gesetzentwurf dem Sport programmatisch eine neue Grundlage liefern würde.“
Das heißt, so negativ sieht es der Landessportbund offenbar nicht. Wir haben aber auch eine Reihe von Hinweisen bekommen, die wir umgesetzt haben, da für uns Anhörungen auch nicht zum E-Mail-Schreiben dienen, sondern um die kritischen Kommentare der Sachverständigen wirklich anzunehmen. Wir haben drei Paragrafen verändert: § 2, die Unterstützung von Sportveranstaltungen auf den Breitensport zu konzentrieren und auf 25 % festzuschreiben; § 3 die Vergabe der investiven Mittel soll nicht über ein neues Entscheidungsgremium organisiert werden, sondern weiter über die Kreisverbände des SSG als bewährtes Gremium. Das war so ein Kritikpunkt, den wir angenommen haben. Und bei § 7, den Nutzungsbedin
gungen, wurden ebenfalls die Hinweise des SSG berücksichtigt.
Abschließend möchte ich mich noch für die gute inhaltliche Debatte, die wir im Ausschuss geführt haben, bedanken. Schade ist, dass durch die Neueinteilung der zuständige Minister nicht dabei sein konnte, aber das war wirklich inhaltlich erstaunlich intensiv gewesen, wie ich es aus diesem Ausschuss nicht immer kenne. – Jetzt sind die Vertreter, bei denen ich mich bedanke wollte, aber gar nicht anwesend.
Die Verteilung nach der Einwohnerzahl und nicht nach Mitgliedern wurde bemängelt. Auch diese Kritik haben wir angenommen. Das ist vollkommen richtig, und deswegen haben wir das in dem Änderungsantrag, den Sie vorliegen haben, mit aufgenommen.
Damit bringe ich gleichzeitig noch den Änderungsantrag ein. Daraus gehen Änderungen hervor, die wir uns aus der Anhörung angenommen haben.
Ein zweiter Kritikpunkt im Ausschuss war, das Gesetz wäre zu bürokratisch. Das ist schlichtweg falsch; denn sowohl der Zuwendungsvertrag mit dem Landessportbund als auch die beiden Richtlinien zur investiven Sportförderung müssten nur leicht verändert werden. Die SAB würde auch weiterhin den Vollzug übernehmen, nur die regionale Abstimmung würde verbessert, und das ist auch dringend notwendig.
Ein dritter Kritikpunkt: In der Frühphase unseres Gesetzentwurfes hieß es immer, die finanziellen Forderungen – 20 Millionen Euro konsumtiv und 25 Millionen Euro investiv – wären nicht finanzierbar. Im aktuellen Haushalt haben Sie uns ja sehr deutlich gezeigt, dass Sie durchaus in der Lage sind, im investiven Bereich ein wenig Geld in die Hand zu nehmen. Diese Kritik hat sich damit wohl erübrigt.
Der vierte Kritikpunkt war: Der Sport ist anerkannt und daher braucht es kein Gesetz. Im Gegenzug schlägt die CDU vor, den Sport in der Gemeindeordnung zu verankern. Ja, das wäre ein erster Schritt, aber ein Landesgesetz ist einfach besser und hat sich in vielen Bundesländern bewährt. Die Änderung der Gemeindeordnung würde an den finanziellen Problemen zunächst nichts ändern, unser Gesetz schon.
Zusammenfassend kann man nur sagen: Bekennen Sie sich zum Sportland Sachsen, schaffen sie den gesetzlichen Rahmen für moderne, altersgerechte und barrierefreie Sportstätten im ganzen Freistaat. Der Sport ist die größte Bürgerbewegung in unserem Land. Sport machen, sich zu engagieren, hat in besonderer Weise eine am Gemeinwohl orientierte Funktion, und Sie sind schon einmal über Ihren Schatten gesprungen, indem Sie am investiven Bereich massiv aufgestockt haben. Sie können das heute ein zweites Mal tun, indem Sie eben auch eine Kontinuität im Rahmen unseres Sportfördergesetzes gewährleisten.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Entschuldigen Sie bitte die kurzzeitige Verwirrung. Ich möchte ganz kurz auf einige uns entgegengebrachte Argumente eingehen.
Besonders beliebt ist es, Folgendes zu sagen: Mit unserer Sportinfrastruktur und -ausstattung ist alles wunderbar, weil wir im Sport erfolgreich sind. Die Kausalität zwischen einer guten Ausstattung sowie Unterstützung durch die Politik im Sport und den sportlichen Erfolgen halte ich für äußerst fragwürdig.
Wie wollen Sie vor diesem Hintergrund erklären, dass zum Beispiel Nordkorea an der letzten Fußballweltmeisterschaft teilgenommen hat. Ich finde es schwierig, auf diese Art und Weise zu begründen, dass alles prima läuft. Wir haben Olympiasieger und Weltmeister.
Herr Rost, ich lade Sie ein, nachdem Sie so begeistert von der Dreifelderhalle in Leipzig erzählt haben, sich einmal in Chemnitz anzuschauen, unter welchen armseligen und unwürdigen Bedingungen die Leichtathleten– teilweise auch Olympiasieger – und Radsportweltmeister dort trainieren.
Sie können sich einmal anschauen, wie Leistungssport durch den Freistaat gefördert werden kann. Wir sehen uns.
An dieser Stelle akzeptiere ich Ihre Kritik nicht. Unsere Hauptaufgabe liegt darin, den Breitensport zu fördern. Der Breitensport macht den größten Anteil der Menschen in Sachsen aus, die einer Förderung bedürfen, diese verdient haben und in ihrem ehrenamtlichen Engagement unterstützt werden sollten. Genau darauf zielt unser Entwurf ab.
Weil Herr Rost und ich uns immer sehr sachlich begegnet sind, möchte ich auf ein zweites Gegenargument eingehen. Es handelt sich um das Argument, dass unser Entwurf sehr praxisfern sei. Ich hatte eingangs erläutert, wie wir dieses Gesetz erarbeitet haben. Dies geschah im Rahmen von Runden Tischen gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern von Sportvereinen. Diesen Gesetzentwurf haben Sportler, Trainer und Funktionäre mit erarbeitet. Sie beleidigen damit also nicht mich, sondern diese Leute, wenn Sie behaupten, dass er praxisfern sei.
Wenn Sie davon ausgehen, dass Ihre Nähe zur sportlichen Praxis größer als die von den Sportlerinnen und Sportlern ist, finde ich das eine ziemlich gewagte These.
Letztendlich konnte mich keines Ihrer Argumente überzeugen. Im Gegenzug konnten Sie mir – auch Sie, Herr Ulbig – nicht erklären, wie Sie dem enormen Investitions
stau von mehr als 800 Millionen Euro im Freistaat Sachsen Abhilfe schaffen wollen. Diese Frage muss offen bleiben. Solange Sie auf diese Fragen keine Antworten geben können, ist unser Gesetzentwurf die bessere Alternative.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Clauß hat gestern Abend in der Debatte einen Satz gesagt, den ich sehr gut gewählt fand: „Hinter jeder Zahl steht ein Mensch.“ Dieser Satz hat mir gefallen und er lässt sich sehr gut auf die heutige Debatte übertragen.
Wenn wir uns die Antworten der Staatsregierung auf die Große Anfrage der LINKEN anschauen und uns den Satz „Hinter jeder Zahl steht ein Mensch“ noch einmal vor Augen führen, haben wir 25 Seiten, wovon 15 Seiten aus Zahlen bestehen. Für mich persönlich wird es schwierig, das wieder zurückzusortieren. Wir haben Zahlen in Tabellenform und als Statistiken, wobei die Statistiker hiermit leider nicht glücklich sein können, denn die Zahlen sind weder belastbar noch nachprüfbar. Es ist eine sehr schwierige Datengrundlage, die Sie erhoben haben. Es ist ein Grundproblem bei der Arbeit für Menschen mit Behinderung, dass wir ein Datendefizit haben und viel mehr analysieren müssen. Dem ist also nicht Genüge getan.
Die nicht in Zahlen gefassten Antworten sind eigentlich mit der zentralen Aussage zusammenzufassen: Die Staatsregierung fühlt sich für dieses Problem nicht zuständig. Das finde ich schade. Eine wichtige Tendenz lässt sich ablesen – das hat Kollege Krauß bereits erwähnt – und das ist positiv: Der Kreis der Budgetnehmerinnen und -nehmer steigt von Jahr zu Jahr und auch die ausgereichten Mittel steigen demzufolge von Jahr zu Jahr. Das klingt gut und das ist positiv.
Wenn ich genau hinschaue, was mit dem Geld tatsächlich stattfindet, und ich dann unter I.2.1 nachlese, dass in all den Jahren kein einziger Budgetnehmer vom KSV nachgewiesen wird, der einen Platz in einer stationären Einrichtung aufgegeben hat und in eine andere Wohnform gezogen ist, dann ist das schon sehr bedenklich. An dieser Stelle gibt es Handlungsbedarf.
Ich denke, an diesem Punkt darf man nicht nur auswerten und feststellen, sondern man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Wir predigen seit Jahren „ambulant vor stationär“ und kein einziger Mensch ist aus einer stationä
ren Wohnform mit dem persönlichen Budget ausgezogen. Daraus muss man doch politischen Handlungsbedarf ableiten, und es ist gut, dass wir in diesem Haus diesen Spielraum haben. Wir müssen ihn eben auch nutzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das persönliche Budget soll mehr Selbstbestimmung in Bezug auf die Gestaltung ihrer Lebensumstände ermöglichen und das Wunsch- und Wahlrecht von Dienstleistungen stärken. Die Grundidee des persönlichen Budgets ist nichts anderes als ein Schritt zu größerer Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung. Ich bin mir sicher, dass wir alle dies wollen.
Natürlich haben viele Menschen gehofft, dass mit dem persönlichen Budget die Eingliederungshilfe individualisiert wird. Sie haben damit die Hoffnung verbunden, dass sich so der individuelle Bedarf besser darstellen lässt und akzeptiert wird. Der Hoffnung stand die Befürchtung der Kostenträger entgegen, die Leistungen der Eingliederungshilfe könnten jetzt explodieren. Bei den Leistungserbringern entstand die Angst, Pauschalpakete müssten nun in zahlreiche Einzelmaßnahmen gesplittet werden.
An dieser Stelle würde ich gern Herrn Roland Frickenhaus von der Parität Sachsen zitieren, der am Montag in seinem Eingangsstatement im Hygienemuseum gesagt hat, es ginge den Menschen mit Behinderung hinsichtlich ihrer Teilhabeansprüche schon deutlich besser, wenn sich Leistungsträger und Leistungserbringer, Verwaltung und Dienstleister als Partner verstünden. Genau das ist ein Problem, vor dem wir mit dem persönlichen Budget stehen.
Deshalb ist es wichtig – bei allem Positiven, was Sie, Herr Krauß, genannt haben –, dass wir nicht nur warten, dass es sich mit der Zeit entwickelt, sondern dass wir es auch zwischendurch evaluieren, dass wir schauen, was schon gut gelaufen ist und was vielleicht verbesserungswürdig ist. Das können wir leider nicht alles dem Lauf der Zeit überlassen.
Aus der Großen Anfrage, für die wir den LINKEN sehr herzlich danken, und den Antworten der Staatsregierung leiten sich aus Sicht meiner Fraktion folgende drei Handlungsfelder ab:
Erstens: Wir brauchen endlich eine tatsächliche Individualisierung der Eingliederungshilfe. Die Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs darf nicht länger auf sich warten lassen.
Zweitens: Die Methoden zur Erhebung und die Kriterien zur Feststellung individueller Hilfebedarfe müssen erstens vereinfacht, zweitens vereinheitlicht, drittens transparent gemacht und viertens für alle Leistungsträger als verbindlich erklärt werden.
Der letzte Punkt, den wir fordern, lautet: Der Freistaat sollte zudem eine flächendeckende und strikt leistungsträgerunabhängige Beratungslandschaft für Menschen mit
Behinderung finanzieren und deren Beratungsqualität kontrollieren. Deren personelle Ressourcen können dann auch genutzt werden, um den Leistungsträgern bei der aufwendigen Bedarfserhebung effektiv und fachlich qualifiziert zur Seite zu stehen und Budgetnehmern die Budgetverwaltung auch als Budgetassistenz anzubieten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Barrierefreiheit ist, wenn man sie ernst meint, immer durch drei Merkmale gekennzeichnet – manche von Ihnen wissen das –: Barrierefreie Einrichtungen müssen immer auffindbar, zugänglich und nutzbar sein. Gleiches gilt meines Erachtens für das persönliche Budget. Lassen Sie uns also gemeinsam dafür sorgen, dass in Sachsen nicht nur Schulen, Turnhallen, Theater und Verwaltungsgebäude barrierefrei werden, sondern endlich auch das persönliche Budget.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst liegt es uns fern, den KSV irgendwelcher Bremsprozesse zu beschuldigen. Der KSV ist auch für die SPD-Fraktion ein Partner in diesem Prozess. Trotzdem müssen wir diese Tatsache, dass kein einziger Mensch von stationär auf ambulant umgesattelt ist, einfach zur Kenntnis nehmen und uns an der Stelle natürlich auch fragen, ob die Instrumente und die Verfahrensweise, wie wir sie jetzt haben, ausreichend und passend sind. Meine Fraktion wird dem Entschließungsantrag zustimmen.
Ich möchte noch hinzufügen, dass wir das Argument, dass der Freistaat hier nicht zuständig ist, für nicht zulässig halten. Wir sind der Meinung, dass der Freistaat sehr viel Gestaltungsspielraum hat, auf die einzelnen Träger einzuwirken, und dass das aus unserer Sicht auch Ihre Aufgabe ist.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einmal mehr sorgt die NPDFraktion dafür, dass wir uns im Sächsischen Landtag mit Fragen der deutschen Außenpolitik befassen dürfen. Ich nehme an, das Auswärtige Amt steht auch schon Kopf wegen der Debatte am heutigen Abend und Ihrer parlamentarischen Initiative, die offensichtlich der Antragswiederaufbereitungsanlage der NPD-Fraktion vor Weihnachten entsprungen ist.
Entgegen den Anträgen, die die NPD zum Haushalt stellte und mit denen sie ganz ungeniert ihre Aversion gegen
Sinti und Roma, gegen Menschen mit Behinderung oder jüdische Menschen zur Schau gestellt hat, geht sie hier etwas subtiler vor. Doch Ihr Antrag ist auch diesmal durchschaubar. Sie fordern also den Abzug deutscher Truppen und wollen Deutschland zur Friedensmacht erklären. Die NPD als Friedensstifter – diese Wahnvorstellung hat einen Blick in Ihre Programmatik und die Äußerungen von berühmten Neonazis aus Ihren Reihen verdient.
So findet sich eine Äußerung von Holger Apfels Amtsvorgänger Udo Voigt – ich zitiere –: "Ein Drittel des Gebietes des Deutschen Reiches steht nach wie vor unter polnischer Verwaltung: Pommern, Westpreußen, Ostpreußen, Schlesien. Ob das Königsberg ist, ob das Danzig ist, ob das Breslau ist – das sind alles deutsche Städte für uns, die uns nach den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges entgegen dem Völkerrecht abgenommen wurden und auf die wir natürlich Anspruch erheben.“
Hier eine einmalige Durchsage an die Herren von der NPD:
Wenn ich rede, dann wünsche ich nicht unbedingt, dass Sie zuhören, aber ich wünsche, dass Sie schweigen.
Ich führe weiter die Zitate von Herrn Udo Voigt aus. Er sagt dazu noch: „Aber es sind ja nicht nur diese Gebiete. Es gibt auch Österreich, das zählt auch zu Deutschland, und Wien war tausend Jahre länger Hauptstadt als Berlin.“
Zudem hatte der sogenannte NPD-Arbeitskreis Außen- und Sicherheitspolitik im September 2010 in einem „Schlesischen Manifest“ verkündet, dass sich die Partei für die – ich zitiere – „Zurückerlangung uralter deutscher Siedlungsgebiete, unter anderem auch im Sudetenland“ einsetze. Es stellt sich doch die Frage, wie diese revisionistischen Gebietsansprüche mit Ihrer vorgetäuschten Friedfertigkeit zu vereinbaren sind. In ihren sogenannten außenpolitischen Leitlinien verlautbart die NPD: Die NPD bestreite die Rechtmäßigkeit der durch die Alliierten erzwungenen Grenzanerkennungsverträge.
Damit dürfte zunächst klar sein, wie wir die Friedfertigkeit der NPD einordnen dürfen. Nicht klar scheint der NPD einmal mehr die Abfolge von Ursache und Wirkung in der deutschen Geschichte zu sein.
Die Bundesrepublik Deutschland musste nach dem Zweiten Weltkrieg lange darum kämpfen, als außenpolitischer Partner überhaupt wieder gleichrangig behandelt zu werden – und das war auch richtig so. Der Kniefall von
Willy Brandt am 7. Dezember 1970, mit dem er der ermordeten Juden im Warschauer Ghetto gedachte, markiert eine wesentliche Zäsur der Entwicklung Deutschlands nach 1945, die bis zum heutigen Tag – darauf lege ich Wert, bis zum heutigen Tag – von Demut geprägt sein sollte.
Wir wissen selbst gut genug, dass durch den Zerfall der Nachkriegsordnung das „Out-of-Area“-Urteil 1994 und den 11. September die außenpolitischen Herausforderungen andere geworden sind. Das werden wir als Demokraten auch diskutieren. Aber das tun wir gewiss nicht auf das Geheiß einer Partei, die bis heute nicht in der Lage ist, Deutschlands Alleinschuld an zwei Weltkriegen und damit verbundene Grenzen anzuerkennen.
Werte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit 2001 ist die Frühförderung von Kindern mit Behinderung und denen, die von einer Behinderung bedroht sind, im SGB IX gesetzlich geregelt. Die Verankerung von Früherkennung und Frühförderung im Rehabilitationsrecht hat in erster Linie zum Zweck, die vielfältige Frühförderungslandschaft in qualitativer Hinsicht im ganzen Bundesgebiet auszugleichen. Für ein Kind, das Leistungen der Früherkennung und Frühförderung benötigt, sollte die Qualität der erbrachten Leistung nicht mehr davon abhängen, in welchem Bundesland es lebt. Daneben wollte die damalige rot-grüne Regierungskoalition in Berlin erreichen, dass Kinder und Eltern notwendige Leistungen, seien es ärztliche oder nicht ärztliche Leistungen, unabhängig von Zuständigkeitsauseinandersetzungen der Träger, aus einer Hand bekommen. Man kann sich das wie ein kleines persönliches Budget vorstellen. Zugleich sollten für Frühförderung und Teilhabeziele die im SGB IX formulierten Verfahrensregeln gelten.
Es ist sehr zu begrüßen, dass die GRÜNEN-Fraktion knapp zehn Jahre nach der Einführung die Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter oder von Behinderung bedrohter Kinder – kurz Frühförderungsverordnung – mit der Großen Anfrage einer Art sächsischer Zwischenbilanz unterzogen hat. Ein solch komplexes System wie die Komplexleistungen zur Frühförderung muss immer wieder neu angepasst werden. Das gilt für den Bund, aber genauso für den Freistaat Sachsen. Auch hier in Sachsen herrscht immer wieder Handlungsbedarf, der erkannt und behoben werden muss. So ist es aus meiner Sicht sehr begrüßenswert, dass in der gerade abgeschlossenen Landesregelung Komplexleistung
Sachsen, also in der Rahmenvereinbarung zwischen Freistaat und Kostenträgern, zum Beispiel die Motopäden mit aufgenommen worden sind. Die notwendige Rechtssicherheit wurde so für alle Akteure geschaffen. Dennoch offenbaren die Antworten auf die Große Anfrage weiteren Handlungsbedarf.
Weil sehr viele Punkte schon von Frau Herrmann referiert worden sind, möchte ich mich auf vier Punkte beschränken. § 5 Abs. 3 der Landesregelung Komplexleistung Sachsen sieht vor, dass in den interdisziplinären Frühförderstellen „mindestens drei Fachkräfte aus dem heilpädagogischen und dem medizinisch-therapeutischen Bereich fest angestellt sein müssen“. Ich gehe einmal davon aus, dass das in der Regel der Fall ist und dass es nur der Ausnahmefall ist, dass die Frühförderstellen Leistungen an niedergelassene Therapeuten abgeben müssen. Hierbei geht es ganz konkret um die Frage, ob denn die Kostensätze so ausgestaltet sind, dass der Mehraufwand, der bei einem Kind mit Behinderung gegeben sein kann, sich für den Träger auch widerspiegelt. Andererseits wäre der
Leistungsträger regelrecht dazu gezwungen, therapeutische Leistungen an Niedergelassene abzugeben. Das wäre nicht im Sinne des Erfinders.
Die neue Landesregelung Komplexleistung Sachsen führt mich zu der Frage, ob die Sicht der Träger im Vorfeld der Verhandlungen mit den Kostenträgern seitens des SMS eingeholt wurde und ob auf deren Vorschläge eingegangen wurde. Wie ist es denn bestellt mit der Partnerschaft von Leistungserbringern, Kostenträgern und SMS? Auch hier gilt: Nichts über uns ohne uns.
Die nächste Frage ist, ob die neue Landesregelung Komplexleistung Sachsen wirklich die Schwierigkeiten, die im Übergang von Frühförderung und Kindertagesstätten entstehen können, gelöst hat. Die Finanzierung aus den gleichen Töpfen darf nicht zu Konkurrenzkämpfen zwischen den Trägern führen, denn im Mittelpunkt einer Förderung steht das Kind, wenn wir den Anspruch haben, Zuständigkeitsauseinandersetzungen zum Wohle des Kindes zu vermeiden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Entschließungsantrag der GRÜNEN können wir aus verschiedenen Gründen sehr gern zustimmen. Er schafft zwei wesentlichen Problemen der Frühförderung Abhilfe. Einmal sollten Frühförderung und Integrations-Kita – das hat Frau Herrmann bereits angesprochen – nicht länger in einem konkurrierenden Verhältnis stehen. Hier darf es nicht länger um ein Entweder-oder gehen. Außerdem brauchen wir dringend eine Verbesserung der Übergänge von Frühförderung in die Grundschulen. Eine aktive Begleitung der Kinder in die Schuleingangsphase unter Zuhilfenahme der Kenntnisse der Frühförderung ist unabdingbar und findet viel zu selten statt. Hier lassen wir wichtige Ressourcen versiegen.
Meine Damen und Herren! Ich habe mich sehr gefreut, dass die Vorredner fast alle von der Frühförderung zur Inklusion gekommen sind, denn das gehört ja auch zusammen. Es ist genau so: Frühförderung ist ein kleiner und ganz wichtiger Schritt auf dem langen und, wie wir wissen, oft beschwerlichen Weg in die inklusive Gesellschaft. Wenn wir hier Optimierungen schaffen, sind wir schneller am Ziel.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, den Menschen in Sachsen zu danken, die sich in Tierheimen zumeist ehrenamtlich engagieren. Ohne ihre aufopferungsvolle Arbeit, ohne die viele Zeit, auch das Geld, das sie teilweise durch Spenden einsetzen, und ohne ihre Tierliebe stünde es um den Tierschutz in Sachsen wesentlich schlimmer. Dafür gebühren ihnen unser Dank und unsere Anerkennung.
Mit einem Dank allein ist es aber nicht getan. Damit lassen sich die Probleme in den sächsischen Tierheimen nicht lösen. Ich war in Vorbereitung auf diese Rede am Samstag wieder einmal in einem Tierheim und habe mich bei den Mitarbeitern erkundigt, was sie benötigen. Das ist nicht immer nur Geld, meine Damen und Herren. Das sind auch andere Dinge: zum Beispiel, dass ihnen einmal zugehört wird, dass versucht wird, auch einmal andere Wege zu denken und konkrete Lösungen für die Probleme zu finden, die in den Tierheimen vor Ort vorherrschen.
Ich möchte dafür ein Beispiel nennen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben beklagt, dass sie sehr viele Tiere aus Haushalten von Kindern und Eltern bekommen, die nicht wissen, wie man artgerecht mit diesen Tieren umgeht. Es wäre für uns nicht so schwierig, uns darum zu kümmern, dass das auch Eingang in die schulische Bildung findet, dass Kinder lernen, wie man mit Haustieren artgerecht umgeht, damit weniger dieser Tiere nicht artgerecht behandelt werden und letztlich im Tierheim landen. Das ist zum Beispiel eine sehr praktische Sache, die uns kein Geld kosten würde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der LINKEN besteht aus Licht und Schatten. Licht ist vor allen Dingen dort, wo den ehrenamtlich Engagierten gedankt und auf Missstände hingewiesen wird. Schatten ist dort, wo es um das Handwerkliche geht. Der Antrag wirkt manchmal so, als wäre er nur an Sachsen angepasst worden, und das auch nicht an jeder Stelle.
Zum Beispiel in Nr. 3, dem letzten Punkt, wird die Staatsregierung aufgefordert, „über die vom Landesbeirat für Tierschutz Sachsen und der Beauftragten für Tierschutz initiierten oder ergriffenen Maßnahmen zu berichten“. Es gibt aber in Sachsen keine Beauftragte für den Tierschutz. Der Beirat für den Tierschutz in Sachsen hat kein Initiativrecht. An dieser Stelle habe ich nicht genau erkennen können, wie das zu der Situation in Sachsen passt.
Dazu komme ich gleich. – Mit großer Verwunderung habe ich auch festgestellt, dass der Antrag von den Antragstellern über eineinhalb Jahre liegen gelassen wurde. Sie haben ein wenig versucht zu erklären, warum. Nach der Einreichung am 23. September 2010 und dem Eingang der Stellungnahme der Staatsregierung am 26. Oktober 2010 dauerte es bis heute, bis wir den Antrag ins Plenum zur Abstimmung bekommen haben. Ich habe mich natürlich gefragt: Warum ist das so?
Sie sprechen in Ihrem Antrag mehrfach von der derzeitigen Situation im Bereich des Tierschutzes, und sogar im Antragstitel wollen Sie kurzfristige Hilfe für akut in Not geratene Tierheime, und dann bleibt der Antrag von Oktober 2010 bis Juli 2012 liegen. Das war mir nicht klar. Wollten Sie von der Staatsregierung erst einmal die angekündigten Maßnahmen abwarten? – So hatte ich Sie vorhin verstanden.
Oder haben Sie vielleicht gedacht, dass der Antrag eventuell nicht beschlossen wird? – Das soll bei Anträgen von Oppositionsfraktionen hier im Haus ja vorkommen. Aber ich nehme die Erklärung auf jeden Fall an, die Sie vorhin brachten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Staatsregierung hat in ihrer Stellungnahme vom 22. Oktober 2010 angekündigt, die Situation zeitnah zu verbessern und konkrete Handlungsempfehlungen sowohl für die Finanzierung als auch für die Zusammenarbeit zwischen Tierheimen und Kommunen zu geben. „An diesem Ziel wird derzeit auf verschiedenen Ebenen gearbeitet.“
Zudem wurde mitgeteilt, dass in der Arbeitsgruppe im Landtag gerade die Frage der Verbesserung der Finanzsituation der Tierheime diskutiert und nach einer einvernehmlichen Lösung gesucht werde. Natürlich bin ich jetzt sehr gespannt, was uns die Staatsministerin über die angekündigten Handlungsempfehlungen und die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe im Landtag berichten wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich kurzfassen, weil es meine Vorredner nicht getan haben. Die SPD-Fraktion unterstützt das im Antrag zum Ausdruck gebrachte Anliegen, und obschon wir im Antrag einige kleinere Mängel entdecken konnten, werden wir ihm sowohl im Sinne des Wohls der Tiere im Freistaat Sachsen als auch als Zeichen unserer Anerkennung und Wertschätzung für die vielen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiter in den Tierheimen zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es nimmt wohl kaum wunder, dass wir unseren Gesetzentwurf, den wir heute aus Respekt vor der Haltung derer, die das hiesige Verfahren kritisieren, zurückziehen, dem Entwurf der Regierungsfraktionen vorziehen. Doch im Gegensatz zu dem hier im Haus üblichen Gebaren hat es keine politischen, sondern rein sachliche Gründe. Viele davon hat Dagmar Neukirch bereits ausgeführt.
Ich möchte Sie jetzt nicht mit Polemik oder Unmut meinerseits zu Ihrem unzulänglichen Gesetz konfrontieren,
sondern vielmehr diejenigen zu Wort kommen lassen, die in ihrer täglichen Arbeit mit den Ergebnissen Ihrer – teils unausgereiften – Überlegungen konfrontiert sein werden. Diese sehen den Entwurf so – ich zitiere –: "Der vorlie
gende Gesetzentwurf ist ein Rückschritt im Umgang mit neuen Wohn- und Betreuungsformen für Menschen mit Behinderung. Außerdem schränkt er die Wahlfreiheit derjenigen ein, die sich bewusst gegen eine stationäre Einrichtung entscheiden." Eine weitere Aussage: "Mit dem Entwurf zum BeWoG wird das Recht auf Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung eingeschränkt."
Diese unmissverständlichen Bewertungen stammen
einerseits vom Paritätischen Wohlfahrtsverband des Freistaates und andererseits von der Lebenshilfe Sachsen, und ich denke, als politische Akteure sollten wir uns das einmal auf der Zunge zergehen lassen. Ich wiederhole also den Satz vor dem Hintergrund dessen, was bereits zu einer angeblichen Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung gesagt worden ist, die durch Ihren Entwurf erlangt wird.
Es kommt das Zitat der Lebenshilfe zum Tragen: "Mit dem Entwurf zum BeWoG wird das Recht auf Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung eingeschränkt."
An dieser Stelle, Herr Krauß, genügt es dann auch nicht, die UN-Konvention zu erwähnen. Sie müssen schon ausführen, wie Sie sie umsetzen wollen.
Das Tragische daran ist, dass Ihnen die einzelnen Kritikpunkte bekannt waren. Sie hatten Zeit und Gelegenheit, Änderungen vorzunehmen.
Bei Änderungen denke ich zum Beispiel an eine Klarstellung im § 2 Abs. 6, aus dem bisher nicht hervorgeht, ob bei der Rund-um-die-Uhr-Anwesenheit einer Fachkraft an eine Pflegefachkraft im Sinne des SGB IX oder vielleicht an eine Assistenz im Rahmen des persönlichen Budgets gedacht ist.
Wenn man Ihren Entwurf liest, hat man den Eindruck, das persönliche Budget hat es nie gegeben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Kritik der Parität und der Lebenshilfe sind deutlich, und Sie sollten sie hören und aufnehmen, statt diejenigen Institutionen in unserem Land, die für den sozialen Zusammenhalt Expertise besitzen und einen Beitrag dazu leisten, gleichsam zu einsamen Rufern in der Wüste werden zu lassen. Mit Ihrem vorliegenden Gesetzentwurf haben Sie sich auf eine Zeitreise begeben, scheint mir, nämlich in die Zeit, zu der die UN-Konvention in unserem Land noch nicht geltendes Recht war.
Herr Krauß, Sie sagten vorhin, unser Entwurf – den wir heute überhaupt nicht besprechen – gehe an der Wirklichkeit vorbei. Aber ich würde sagen, Ihr Entwurf geht in dem Moment an der Wirklichkeit vorbei, in dem er eine Negierung der Realität ist, nämlich eine Negierung der Tatsache, dass die UN-Behindertenrechtskonvention
geltendes Recht ist.
Zur Umsetzung der Konvention haben wir in diesem Hause schon viel gesprochen, und wir haben auch unzählige Male darauf hingewiesen, wie diese stattfinden sollte und wie rechtsverbindlich die Konvention für uns ist. Nun können Sie darauf spekulieren, dass wir das irgendwann lassen werden, um nicht redundant zu wirken. Aber ich verspreche Ihnen: Wenn es um die Umsetzung der Rechte für Menschen mit Behinderung geht, dann wiederhole ich mich hier so lange, bis ich verstanden werde.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am vergangenen Wochenende trafen sich die Hohenecker Frauen. Viele der Frauen von Hoheneck sind über das damalige Stasigefängnis in Karl-Marx-Stadt in den Westen freigekauft worden und haben ihr Treffen zum Anlass genommen, dieses Gefängnis das erste Mal seit ihrer Haftzeit zu besichtigen.
Wir standen gemeinsam mit den Frauen von Hoheneck in der Nacht vom Samstag zum Sonntag in den Zellen, in denen sie mehr oder weniger Zeit zugebracht haben. Ich habe eine der Frauen gefragt, wie lange sie dort, in diesem Abschiebegefängnis war, bis sie freigekauft wurde, und sie sagte: Viereinhalb Monate. – Das hat mich sehr verwundert, denn die meisten Frauen waren nur ungefähr zwei Wochen dort. Es dauerte immer nur eine kurze Zeit, bis die Freikäufe stattfanden. Ich fragte sie, warum sie so lange Zeit dort zugebracht hat. Sie sagte mir: Weil ich meine Kinder mitnehmen wollte. – Das war das Problem. Ich habe sie dann gefragt, ob es geklappt hat, ob sie mit ihren Kindern freigekauft wurde. Das war nicht der Fall. Sie hat ihre Kinder erst viele Jahre später wiedergesehen.
Kinder wie die der Frauen von Hoheneck, aber auch andere Kinder, die ganz normale Kinder und Jugendliche waren, die andere – westliche – Musik hörten, lange Haare trugen, solche Kinder sind in DDR-Kinder- und Jugendheimen aufbewahrt und dort misshandelt worden. Wie konkret dort Misshandlungen stattfanden und was in diesen Heimen passiert ist, wurde durchaus in der DDR aufgearbeitet. Und zwar liegt mir ein Schreiben des Generalstaatsanwalts Genossen Funke aus dem Jahr 1966 vor, das er an den stellvertretenden Minister für Volksbildung richtete. Darin benennt er die Straftaten, die in diesen Kinderheimen stattfanden.
Ich werde jetzt aus diesem Schreiben vortragen, welche Delikte den dortigen Heimerziehern zu DDR-Zeiten zur Last gelegt wurden:
Erstens: Kinder wurden mit der Hand wiederholt und hart oder mit Gegenständen in das Gesicht geschlagen.
Zweitens: Kinder wurden mit dem Kopf auf den Fußboden gestoßen.
Drittens: Erzieher ließen Kinder durch andere Kinder mit einer Peitsche schlagen.
Viertens: Bei Essensannahmeverweigerung wurden
Kindern die Speisen gewaltsam eingeführt; bei einem sechs Monate alten Säugling trat hierdurch der Erstickungstod ein.
Das ließe sich noch fortsetzen. Das möchte ich uns jetzt jedoch ersparen. Ich denke, dass man durch die genannten Punkte einen ganz guten Überblick darüber erhält, was dort alles stattgefunden hat.
Ich möchte aber nicht nur die Staatsanwaltschaft der DDR zu Wort kommen lassen, sondern vor allen Dingen die Opfer, weil sie lange Zeit nicht gehört worden sind.
Meine Damen und Herren, ich bin mir darüber im Klaren, dass wir hier nicht alles aus der Opferperspektive regeln können, weil das unseren Rechtsstaat am Ende schädigen würde. Jedoch glaube ich zumindest, dass wir sie hören müssen, dass wir ihnen Respekt und Aufmerksamkeit zukommen lassen müssen.
Ich habe hier ein Zitat einer Betroffenen bzw. eines Betroffenen – das wissen wir nicht –: „Die Erzieher meinten, ich sollte eine sozialistische Persönlichkeit werden. Ich sollte begreifen und akzeptieren, dass die Gruppe, also das Kollektiv und die Arbeit, die höchsten Güter der DDR seien.“
Das Kollektiv und die Arbeit, die höchsten Güter der DDR – man möchte doch meinen, das höchste Gut sei die Menschenwürde. Auch die DDR hat mit ihrem Beitritt zur UNO im Jahr 1973 die UN-Menschenrechtskonvention anerkannt. Doch in solchen Heimen galt diese eben wenig und wurde mit Füßen getreten.
Es ist an der Zeit, dass wir heute diese Debatte führen – für manche ist es sogar schon zu spät, egal ob beim Frauentreffen in Hoheneck oder beim Bautzen-Forum, das heute eröffnet wird. Die Betroffenen werden immer älter und verschwinden irgendwann für immer.
Was wünschen sich diese Betroffenen? Auch dazu möchte ich Ihnen etwas vortragen, das zeigt, wie vielfältig die Wünsche derer sind, die dort gelitten haben. Eine Person wünscht sich Folgendes: „Eine wichtige Rolle wird unabhängig von der ganzen Frage ums Geld spielen, wie die Gesellschaft mit der Tatsache, dass solche Einrichtungen existiert haben und was dort genau passiert ist, als mahnendes Gedenken umgehen.“
Ein zweiter Wunsch geht in eine ganz andere Richtung: „Ich habe schlechte Zähne, und die Zähne wurden im Heim nie behandelt. Ich hatte mit 18 Jahren schon keine eigenen Zähne mehr. Sich eine Zahnbehandlung leisten zu können, das wäre schön.“
Wir sehen, dass es mehrere Dimensionen der Aufarbeitung gibt. Es geht einmal um eine gesundheitliche Rehabilitation. Es geht aber auch um eine gesellschaftliche Debatte.
Meine Damen und Herren! Ich muss ebenso sagen, dass wir in den letzten Jahren kaum versäumt haben, die friedliche Revolution und die Wiedervereinigung mit all ihren Helden und allem, was dazugehört, zu feiern. Wir haben aber vielleicht diejenigen, die nicht im Licht stehen und sich heute nicht mehr lautstark artikulieren können, zu wenig beachtet.
Ich wünsche mir von dieser Debatte, dass sie nicht zur Beweihräucherung Einzelner und zur Aufzählung bestimmter Verdienste von Parteien dient. Ich persönlich denke Folgendes: Wenn es um die Entschädigung und Rehabilitation von Opfern der SED-Diktatur geht, sollten wir alle vor dem Hintergrund der Versäumnisse der letzten 20 Jahre in Demut schweigen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst ganz kurz an meinen Vorredner, Herrn Prof. Besier: Ich halte es für ein Totschlagargument, Ihnen vorzuwerfen, dass Sie aus dem Westen kommen. Ich bin Jahrgang 1980. Ich selbst habe das auch nicht erlebt. Allerdings habe ich nach all dem, was ich gelesen und von Zeitzeugen erfahren habe, den Eindruck, dass sich das Thema nicht dazu eignet, es in einem derartigen Laissez-faire-Stil und mit einer derartigen Flapsigkeit vorzutragen, wie Sie das hier getan haben.