Protokoll der Sitzung vom 19.04.2011

Das wundert mich aber sehr, denn Sie hatten vorhin schon Zustimmung signalisiert. Aber ich kann es Ihnen nicht verwehren.

Es sind noch einige Aspekte von der Frau Staatsministerin gekommen, die weiteren Ausstellungen betreffend. Insofern müssen wir uns kurz beraten.

Dann fahren wir 16:30 Uhr fort.

(Unterbrechung von 16:00 bis 16:30 Uhr)

Meine Damen und Herren! Die Überlegungspause ist damit beendet. Ich gehe davon aus, dass der Herr Abg. Tischendorf uns etwas zum Ergebnis sagen möchte.

Ja, danke, Frau Präsidentin. Nach einigen Misstönen von Vertretern der Koalition und einigen neuen Tönen der Frau Staatsministerin hatten wir eine sehr harmonische Auszeit und werden jetzt in das Konzert der vielen Befürworter einstimmen.

(Leichte Heiterkeit)

Gut, somit können wir jetzt zur Abstimmung kommen. Es ist durch Herrn Dr. Gerstenberg beantragt worden, über den Punkt II einzeln abzustimmen; die anderen kann ich wieder zusammenfassen. Und natürlich, Frau Dr. Stange, Herr Dr. Külow, wie auch die Frau Staatsministerin soeben ausgeführt hat, haben die Koalitionsfraktionen das Thema der Weiterentwicklung des Zwecksverbandes Sächsisches Industriemuseum stets im Visier.

Ich rufe den Antrag, Drucksache 5/5552, auf und lasse abstimmen über den Punkt I. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit, damit beschlossen. (Thomas Kind, DIE LINKE: Sehr gut!)

Ich rufe Punkt II auf. Wer gibt seine Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Gegenstimmen wurde auch dem Punkt II mit Mehrheit zugestimmt.

Auch damit wird sich der Landtag eingehend beschäftigen.

Gewähren wir unserer außergewöhnlicher Industriekultur die gebührende Aufmerksamkeit! Sie hat sie wahrlich verdient. Ich rufe jetzt die Punkte III bis VII auf. Wer möchte seine Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmenthaltungen wurde dem zugestimmt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf Ihre Unterstützung.

Nun lasse ich über den gesamten Antrag abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen wurde dem Antrag mit Mehrheit zugestimmt.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Klaus Tischendorf, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Es gibt einen Antrag; Herr Tischendorf, bitte. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 6

Landesbühnenorchester und Neue Elbland Philharmonie nicht fusionieren, sondern erhalten!

Drucksache 5/5549, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Die Fraktionen können dazu Stellung nehmen. Es beginnt die Fraktion DIE LINKE, danach folgen CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht. Ich erteile nun der Linksfraktion das Wort. Herr Abg. Dr. Külow, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir alle stehen emotional noch im Banne des soeben Gesehenen und Gehörten, und ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich den Organisatoren der Kundgebung „Erhalt kultureller Vielfalt in Sachsen“ und vor allem dem Generalmusikdirektor der Landesbühnen Sachsen, Michele Carulli, und seinem Klangkörper für die beeindruckende Kostprobe ihres Könnens danken und hoffe, dass diese musikalische Ouvertüre uns jetzt alle in der Debatte beflügeln wird.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD, und Elke Herrmann, GRÜNE)

Es ist erst wenige Monate her, dass vor dem Landtag zahlreiche sächsische Künstlerinnen und Künstler gemeinsam mit ihrem Publikum gegen die Kahlschlagpolitik der Staatsregierung im Bereich der Kultur protestierten. Während damals in der Hauptsache diverse Chöre der Kundgebung das akustische Gepräge gaben, sind heute vornehmlich Orchestermusiker zu vernehmen.

Die wechselnde Besetzung ist auch nicht verwunderlich, geht es doch um nicht weniger als die drohende Abwicklung eines der beiden Orchester in Sachsen, die sich in direkter Verantwortung der Staatsregierung befinden.

Mit ihrem Antrag will DIE LINKE heute genau diesen drohenden Einschnitt in die sächsische Kulturlandschaft thematisieren und mit den ihr zu Gebote stehenden parlamentarischen Mitteln möglichst noch verhindern. Es ist höchste Zeit, zunächst an die massiven Protestaktionen vom Herbst 2010 zu erinnern, denn die schwarz-gelbe Koalition setzt ihre seinerzeit begonnenen Abrissarbeiten in der sächsischen Theater- und Orchesterlandschaft im Frühjahr 2011 leider mit engstirniger Konsequenz fort.

Bevor ich auf unseren Antrag genauer eingehe, will ich noch einmal an den kulturpolitischen Sündenfall der Staatsregierung bei der Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2011/2012 erinnern. Mit der Teilfinanzierung der Landesbühnen Sachsen in Höhe von 3,7 Millionen Euro aus Kulturraummitteln wurde erstmals die Axt an das Sächsische Kulturraumgesetz gelegt, das bekanntlich 1994 im Sächsischen Landtag einstimmig verabschiedet wurde und seitdem bundesweit als einmaliges Instrumen

tarium der solidarischen Kulturfinanzierung gewürdigt wird.

Mit dem verfassungsrechtlich höchst bedenklichen Akt zulasten aller Kulturräume wurde der oft zitierte und beschworene kulturpolitische Konsens über eine solidarische Kulturfinanzierung in Sachsen zerstört. Mit ihrer brachialen Residenzpolitik zugunsten der kulturellen Leuchttürme in Dresden, dem ich gewiss die Erhöhung gegönnt habe, nahm Schwarz-Gelb eine völlig ungerechtfertigte und ungerechte Umverteilung des Kulturhaushaltes vom Fundament unserer Kulturpyramide an die Spitze bzw. von den ländlichen Gebieten in die Landeshauptstadt vor.

Das lehnte DIE LINKE damals mit aller Entschiedenheit ab, und diese Ablehnung war wohlbegründet. Ich erinnere an dieser Stelle an unseren bereits im Frühjahr 2010 eingereichten Antrag „Langfristige Perspektive für die Theater und Orchester im Freistaat Sachsen sichern“, Drucksache 5/1954, in dem wir in Punkt 2 die Einsetzung einer Expertenkommission forderten, die ein Konzept erarbeiten sollte, das den bestehenden Theatern und Orchestern im Freistaat eine langfristige Perspektive eröffnen sollte.

Es lohnt sich, die Ablehnung der zuständigen Ministerin wörtlich zu zitieren, die auf das vorliegende Orchester- und Theatergutachten vom September 2007 verwies und dann ausführte – ich zitiere Frau Prof. Schorlemer –: „Über die Umsetzung der Empfehlung oder von alternativen Konzepten entscheiden die Träger. Hinsichtlich der Theater und Orchester in kommunaler Trägerschaft liegen sie damit als Entscheidung im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung nicht im Verantwortungsbereich der Staatsregierung. Auf Wunsch der jeweiligen Kommunen wird das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst weiterhin moderierend und beratend tätig sein.“ – So weit Frau Prof. Schorlemer am 4. Mai 2010.

Inzwischen scheut sich das SMWK nicht nur vor direkten Ultimaten gegenüber einer betroffenen Kommune, sondern aus unserer Sicht wird erneut in rechtlich sehr bedenklicher Weise in die Kulturhoheit der Kulturräume eingegriffen, wenn in die Umstrukturierung der Landesbühnen eine zweite Kultureinrichtung, die Neue Elbland Philharmonie in Riesa einbezogen wird. Eine Entscheidung über dieses Orchester obliegt nur dem Kulturraum Meißen/Sächsische Schweiz/Osterzgebirge, nicht aber der Staatsregierung. Ein Blick ins Gesetz schafft Klarheit.

Damit komme ich nunmehr zur geplanten Auflösung und Abwicklung eines leistungsstarken Orchesters, das als gewachsener Klangkörper der Landesbühnen Sachsen derzeit 61 Stellen umfasst. Das stand natürlich so nicht im

beschlossenen Einzelplan 12 im Haushaltsplan 2011/2012 auf Seite 642 und bis heute nutzt das zuständige SMWK eher euphemistische Sprachregelungen wie Zusammenführung und Betriebsumwandlung. Notfalls ist auch mal von einer Fusion mit der Neuen Elbland Philharmonie die Rede, die wiederum 50 Stellen umfasst.

Hinter den Kulissen spricht man im Ministerium mit den Betroffenen allerdings durchaus Klartext. Dann wird die bedrohliche Ansage gemacht, dass künftig statt für zwei Orchester mit insgesamt 111 Stellen nur noch Geld für 72 Stellen vorhanden sei. Zynisch wird zugleich durch die Blume kommuniziert, dass diese Stellen gesplittet werden könnten. Es ist ganz klar: Das Orchester der Landesbühnen soll als Bauernopfer für den rigiden Sparkurs der Staatsregierung im Kulturbereich herhalten.

Welche Verluste sind mit der beabsichtigten Abwicklung des Orchesters konkret für die Kultur-, insbesondere die Musiklandschaft in Sachsen aber verbunden? Zunächst trifft es natürlich die Landesbühnen Sachsen direkt ins Mark, die sowohl hinsichtlich ihrer Auslastungs- und Zuschauerzahlen als auch ihrer Effizienz deutschlandweit als ein Vorzeigetheater gelten und pro Jahr 200 000 Zuschauer erreichen. Die Subventionen von circa 65 Euro pro verkaufte Eintrittskarte sind deutlich geringer als bei allen vergleichbaren Theatern im Freistaat und liegen weit unter dem Bundesdurchschnitt. Ihr Kostendeckungsgrad hat sich seit 1991 fast verdreifacht, obwohl das Personal um fast 20 % abgebaut wurde.

Diese bemerkenswerten Leistungen wurden möglich, weil sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem vom SMWK festgelegten Statut der Landesbühnen mit viel Herzblut verpflichtet fühlen, wo es unter Punkt 2 hinsichtlich des enormen Spektrums ihrer Aufgaben heißt: „Im Repertoire der Landesbühnen Sachsen befinden sich Inszenierungen aller Genre wie Oper, Operette, Musical, Ballett, Schauspiel, Theater der kleinen Form, Kinder- und Jugendtheater sowie Konzerte, insbesondere Sinfonie-, Opern- und Operettenkonzerte sowie Unterhaltungs- und Kammerkonzerte.“

Diese beeindruckende Breite des Angebots ist das eine; nackte Zahlen sind das andere. Bei einer künftigen Stärke des noch verbleibenden Orchesters von 72 Stellen würde das bisherige Gesamtkulturangebot des Landesbühnenorchesters sowie der Neuen Elbland Philharmonie von rund 395 Konzerten und Musikvorstellungen – einschließlich Kirchenkonzerte – um über 50 % reduziert werden. Selbst bei der gelegentlich ins Spiel gebrachten Zahl von 86 Musikern betrüge die Verlustquote noch immer 25 %. Zum Vergleich sei angemerkt, dass Orchester mit ähnlichen Aufgaben der Doppelbespielung wie Recklinghausen und Halle (Saale) 121 bzw. 123 Musikerplanstellen haben.

Angesichts dieser alarmierenden Horrorzahlen haben sich in den letzen Tagen und Wochen namhafte Fachleute lautstark zu Wort gemeldet. Der Rektor der Dresdner Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ und Künstlerische Leiter der Singakademie Dresden,

Prof. Eckehard Klemm, zeigte sich – ich zitiere – „irritiert und fassungslos“ über dieses aus seiner Sicht „katastrophale Signal“. In seinem offenen Brief an Frau Prof. von Schorlemer verwies er darauf, dass sich bei der angekündigten Orchesterfusion die Aktivitäten und Projekte zwischen der Hochschule und den Orchestern um über die Hälfte und in Teilbereichen um beinahe 100 % verringern würden. „Die Projekte mit der Singakademie“, so Klemm, „kämen völlig zum Erliegen.“

Zum Schluss seines Briefes mahnt er in tiefer Sorge und mit enormer sprachlicher Eindringlichkeit nicht nur die zuständige Ministerin, sondern das gesamte Kabinett:

„Sie wollen nicht ernsthaft als die Regierung und Personen in die sächsische Geschichte eingehen, die als Erste eine weltweit einzigartige Musiklandschaft, eine beispiellose Vernetzung von Musikschaffenden, Auszubildenden und Laienmusikern zur Disposition stellen. Es gibt eine solche musikalische Vitalität nur an ganz wenigen Orten der Welt. Sie ist der Humus all unserer Spitzenensembles, der Staatskapelle, der Philharmonie, der Semperoper, des Kreuzchores, der Kapellknaben, des Europäischen Zentrums der Künste. Diese Vitalität ist nicht anders zu bezeichnen als ein Weltmusikerbe, das des besonderen Schutzes bedarf, weil es den eigentlichen Reichtum der Region Dresdens und Sachsens ausmacht.“

(Beifall bei den LINKEN)

„Die Orchester und Theater der Region“, so Prof. Klemm, „sind integraler Bestandteil dieses Weltmusikerbes.“

Solche und ähnliche Briefe, verfasst unter anderem von namhaften Kirchenmusikdirektoren, könnte ich noch viele zitieren. Zumindest der Präsident der Sächsischen Akademie der Künste, Prof. Udo Zimmermann, soll noch gehört werden. In seinem offenen Brief an die Mitglieder des zuständigen Landtagsausschusses warnt er davor, dass sich der Freistaat mit dieser Entscheidung „als negativer Präzedenzfall in der Kulturlandschaft darstellen würde“.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Er war mal in der CDU! – Gegenruf des Abg. Robert Clemen, CDU)

Wo man auch hinhört und hinschaut – Herr Clemen, das haben Sie sicherlich auch getan –, stellt man fest: Überall herrscht beim gebildeten Publikum großes Unverständnis über das beispiellose Vorgehen der Staatsregierung, das verfahrenstechnisch skandalös, sozial unvertretbar sowie künstlerisch-organisatorisch und unter dem Strich auch finanziell unsinnig ist.

Nach diesem vernichtenden Gesamturteil der Fachwelt über das Handeln der Staatsregierung lohnt es sich durchaus, ihr Agieren und ihre Argumente noch etwas genauer zu beleuchten. Neben der bereits kritisierten Rechtsauffassung des SMWK fällt natürlich das rein finanzpolitisch motivierte Vorgehen der Staatsregierung bei der eingeleiteten Zwangskommunalisierung der Landesbühnen auf. Man bleibt aber inzwischen längst nicht mehr beim Ultimatum gegenüber Radebeul oder der Aushöhlung des

Kulturraumgesetzes durch die Zweckentfremdung der 3,7 Millionen Euro stehen.

Mit der geplanten Auflösung des Orchesters wird unserer Ansicht nach ein verhängnisvoller Schritt gegangen, um die Zukunft der Landesbühnen als leistungsstarkes Mehrspartentheater überhaupt infrage zu stellen. Das neue Perspektivkonzept der Landesbühnen „Mobiles Theater für Sachsen“ ist gewiss sehr ehrgeizig, aber durchaus ein solides und brauchbares Fundament für die weitere gemeinsame Diskussion, vor allem mit den anderen Kulturräumen, um dort nicht – als vermeintliches Trojanisches Pferd – sofort auf Ablehnung zu stoßen.