Protokoll der Sitzung vom 19.04.2011

Um diesem angestrebten Profil künftig aber gerecht werden zu können, bedarf es zwingend eines Orchesters, das in der Lage ist, Landesbühnenaufgaben auch real zu erfüllen. Das ist mit einem geschrumpften Miet- oder Leihorchester aus vielerlei Gründen schlechterdings nicht möglich.

An dieser Stelle lohnt noch einmal ein genauer Blick in das vielbeschworene Orchestergutachten von 2007, in dem zwar von einer Fusion die Rede ist, aber erstens in Richtung des Orchesters der Landesbühnen und zweitens mit einem Ausstattungsgrad, dass die neuen Orchester – ich zitiere – „personell so auszulegen“ sind, „dass sie die bisherigen vielfältigen Aufgaben auch in neuer Zusammensetzung wahrnehmen können“.

Damit komme ich zu einigen groben handwerklichen Schnitzern der Staatsregierung. Zunächst erschreckt der fehlende Kunstverstand, wenn man an ein Konzertorchester der D-Kategorie einen Klangkörper der B-Kategorie andocken will. Mit diesem Vorgehen nehmen die politisch Verantwortlichen aber nicht nur eine Qualitätsreduzierung sowie einen hohen Identitätsverlust billigend in Kauf, die das Gesamtgefüge eines leistungsstarken Musiktheaters erheblich belasten würden. Dass man darüber hinaus mit 72 Planstellen eine qualitativ hochwertige Doppelbespielung gewährleisten will, bringt einen weiteren Misston in die durch und durch misslungene Inszenierung der Staatsregierung. Für die Landesbühnen blieben wahrscheinlich nur noch maximal 120 Vorstellungen im Stammhaus und in der Fläche übrig, vom Wegfall der vielfältigen theaterpädagogischen Angebote ganz zu schweigen. Aus der apostrophierten „Bühne für das Land“ bzw. dem angestrebten „gläsernen Theater“ wird so zwangsläufig ein Scherbenhaufen.

Auch arbeits- und tarifrechtlich passt im Konzept der Staatsregierung nichts zusammen. Der Prozess des Zusammenführens von zwei in unterschiedlicher Trägerschaft geführten Orchestern ist juristisch sauber bis zum 1. August 2012 nicht realisierbar – außer man setzt darauf, das Landesbühnenorchester zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufzulösen, allen Musikern zu kündigen und nach dem Gesetz des Dschungels – friss oder stirb! – der neuen Orchester-GmbH jeden beliebigen Arbeitsvertrag unterzujubeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Schluss meines Beitrags sollen noch einmal diejenigen zu Wort

kommen, die gerade draußen vor dem Landtag demonstrierten und deren Meinung in den vergangenen Wochen ganz offenkundig zu wenig gehört wurde. Ihren offenen Brief an den sächsischen Ministerpräsidenten Tillich vom 16. März 2011 beendeten die Beschäftigten der Landesbühnen Sachsen mit der an uns alle gerichteten Aufforderung, aufeinander zuzugehen und sozial verantwortungsbewusst miteinander über mögliche Lösungen zu diskutieren.

Genau diese offene Debatte sollten wir jetzt auf der Grundlage unseres Antrags führen. Es gilt, einen Akt der Kulturlosigkeit zu verhindern. Es darf nicht dazu kommen, dass Sachsen vor allem durch eine immer längere Kette kulturpolitischer Fehlleistungen in den überregionalen Feuilletons auffällt.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Henning Homann, SPD)

Die CDU-Fraktion hat das Wort. Frau Abg. Fiedler, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heute geführten Debatte über die Neustrukturierung der Landesbühnen und – damit verbunden – über die Orchesterfrage liegen Vorschläge zugrunde, die weder unüberlegt noch kurzfristig entstanden sind. Sie sind vielmehr aus der Frage heraus entstanden – sehr geehrter Herr Külow, das haben Sie völlig unbeachtet gelassen –, wie wir unsere wunderbare, reichhaltige Kulturlandschaft in Sachsen erhalten können trotz sinkender Bevölkerung, zurückgehender Solidarpaktmittel, geringer privater Kulturfinanzierung und steigendem Altersdurchschnitt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zum Erreichen dieses Zieles reicht eben kein einfaches „Weiter so!“ Wir wollen, dass der Übergang gelingt und die Kultur und die damit verbundene Lebensqualität in Sachsen erhalten bleiben. Wir stellen uns dieser schwierigen kulturpolitischen Aufgabe, andere tun es nicht. Ein „Weiter so!“ ist vielleicht gut für die Popularität heute, hilft aber den Kulturschaffenden langfristig nicht weiter.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen für unsere Landesbühnen eben nicht in ein oder zwei Jahren kurzfristige oder rücksichtslose Entscheidungen treffen müssen, sondern wir wollen heute das kleine Zeitfenster nutzen, welches wir noch haben, um einen Übergang zu gestalten, der eine gute Lösung für viele Musiker, aber auch die anderen Sparten der Landesbühnen bedeutet.

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei den Landesbühnen bedanken. Sie haben sich mit uns auf den Weg gemacht und mittlerweile dem Ministerium einen eigenen Vorschlag übergeben, der in die Konzeption, die uns noch vorgelegt werden soll, sicherlich einfließen wird.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Der soeben dargestellte Vorschlag der Fusion der Orchester ist nicht neu oder gar überraschend, sondern bereits seit vier Jahren bekannt. Er stammt nicht von Kulturpolitikern, die sich das vielleicht irgendwie überlegt haben, sondern von anerkannten Kulturexperten und lautet wörtlich – ich zitiere aus dem von ihnen verfassten Theatergutachten aus dem Jahr 2007 –:

„Die Landesbühnen Sachsen sollten in die Verantwortung des Kulturraums unter Beteiligung der Stadt Radebeul übergeben werden, wenn sich die Stadt Radebeul positiv zu einer Mitverantwortung bekennt.

Sie richtet sich vorrangig auf die Gastspiele in Nordsachsen und Rathen. Für seine vorrangig auf die Gastspiele in Nordsachsen und Rathen gerichtete Tätigkeit wird die Landesbühne für ihre Reisetätigkeit vom Freistaat angemessen mitfinanziert. Das Orchester der Landesbühnen wird durch Fusion mit der Neuen Elbland Philharmonie so ausgestattet, dass die bisherige umfangreiche Konzerttätigkeit und pädagogische Arbeit der Elbland Philharmonie erhalten bleiben.“

Dieser Vorschlag, meine sehr geehrten Damen und Herren, soll jetzt umgesetzt werden. Das hat nichts mit Willkür zu tun oder kulturpolitischer Unkenntnis, sondern ist die Umsetzung von Kulturfachleuten abgegebener Empfehlung.

Um Ihnen vielleicht noch einmal den Ernst der Lage zu verdeutlichen, sollten wir einmal einen Blick in das Kulturland Bayern werfen. Dieses Geberland im Finanzausgleich hat sich gerade selbst einen ziemlich strikten Sparkurs verordnet. Alle Einstiegsgehälter für Beamte werden für 18 Monate eine Tarifgruppe herabgestuft. Professoren müssen auf 10 % ihres Gehaltes verzichten.

Wie hat Bayern die Landesbühnen organisiert? Die Landesbühne Theater Hof wird von den Hofer Sinfonikern mit 62 Planstellen finanziert, gibt Konzerte in der Landesbühne, spielt Konzerte auf anderen Landesbühnen und betreibt eine Musikschule. Das ist nicht das angestrebte Modell für unsere Landesbühnen. Das will ich nicht damit gesagt haben. Aber ich möchte an diesem Beispiel deutlich machen, dass bereits so finanzstarke Länder wie Bayern überlegen, neue Wege zu gehen.

Ich denke, wir müssen uns Gedanken machen, wie unsere Kulturlandschaft zukünftig aussehen soll. Das kann auch für den einzelnen Betroffenen – das muss man sagen – sehr schmerzhaft sein. Es sind auch für uns, meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz bestimmt keine einfachen Entscheidungen, aber wir haben eine Vorstellung, wie das mit den Landesbühnen weitergehen wird. Wir brauchen eine neu ausgerichtete Landesbühne, die sowohl das Publikum in Radebeul und Rathen wie auch in den anderen Kulturräumen begeistert, und eine, die die Erwartungen der Kulturräume erfüllt und von den Kulturräumen gefordert wird.

Die Landesbühnen sollen keine Konkurrenz für die Musiktheater in den Kulturräumen sein, sondern eine wichtige Ergänzung. Wir brauchen eine Landesbühne, die sich verstärkt der kulturellen Bildung widmet und wir brauchen ein Konzept für die Landesbühne, das die Finanzierung über die nächsten zwei Jahre hinaus sichert.

Das sieht wie folgt aus: Die Stadt Radebeul wird sich an der Finanzierung der Landesbühnen beteiligen. Der Freistaat trägt fast 70 % der Kosten. Damit sind wir nach wie vor das Bundesland, das mit 8,5 Millionen Euro den höchsten Zuschuss an seine Landesbühnen zahlt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir haben uns, meine sehr geehrten Damen und Herren, auf den Weg gemacht und haben wirklich auch miteinander gerungen. Wir haben verschiedene Lösungen abgewogen, wie diese Neuausrichtung aussehen soll. Im Ergebnis unterstützen wir den Kurs des Ministeriums, der ein Zusammengehen der Orchester der Landesbühnen und der Elbland Philharmonie anstrebt und darüber mit den Gewerkschaften verhandeln will. Wir lehnen es im Übrigen deswegen ab, Herr Külow, unsere Kultureinrichtungen in irgendeiner Art und Weise gegeneinander auszuspielen, dass die einen mehr Wert sind als die anderen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Solche Diskussionen sind für Kulturpolitiker fehl am Platze.

Ich möchte unsere Entscheidung auch noch kurz begründen. Die Landesbühnen bleiben als Landesbühnen erhalten und erhalten eine langfristige Perspektive. Das Orchester wird nicht einfach aufgelöst oder zerstört, sondern es sollen so viel wie möglich – wie finanziell machbar – Musiker mitgenommen werden und in dem neuen Orchester mitspielen. Das heißt auch, in dem neuen Orchester werden mehr Musiker als bislang in den Landesbühnen sein. Das ist nicht nur wichtig für die einzelnen Musiker, sondern auch für die Qualität des neuen Orchesters. Es wird mehr getan für die kulturelle Bildung. Das ist nicht nur enorm wichtig, sondern es hat auch Auswirkungen auf die Orchesterstruktur, da ja nicht jede Inszenierung gleich mit einem kompletten Orchester gespielt werden muss, sondern dies vielleicht auch in kleineren Besetzungen möglich ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Dr. Stange?

Bitte, Frau Dr. Stange.

Liebe Kollegin Fiedler, offenbar scheinen Sie über die Konzeption schon mehr zu wissen als der Rest des Ausschusses. Insofern meine Nachfrage: Können Sie mir erklären, wie die Musiker der Landesbühnen in das neue Orchester mitgenommen

werden, so Ihre Worte? Können Sie mir das erklären, wie das funktioniert?

Das kann ich Ihnen nicht im Einzelnen erklären. Das ist auch nicht meine Aufgabe, sondern von uns Politikern ist zu sagen, ob wir ein Konzept, das in die Richtung geht, mit unterstützen oder nicht, wie es der Antrag auch ausweist. Ich weiß auch nicht mehr als andere, sondern die Überschrift des Antrages heißt ja „Landesbühnenorchester und Neue Elbland Philharmonie nicht fusionieren, sondern erhalten“. Für mich ist es auch offensichtlich nicht wichtig, hier mehr Wissen zu haben als andere, sondern ich denke, wir sind ja alle auf dem gleichen Wissens- und Erkenntnisstand.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Gestatten Sie eine Nachfrage?)

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie noch eine Frage?

Ich gestatte nicht.

Ich habe unsere Überlegungen skizziert. Ich halte sie für überzeugend. Das Kulturland Sachsen begibt sich damit auf einen neuen zukunftsweisenden Weg. Die Künstler und Besucher können sich sicher sein, dass diese reformierte Kulturlandschaft dann auch lange bestehen wird. Deshalb, sehr geehrte Frau von Schorlemer, wären wir froh, wenn es Ihnen gelingt, diesen eingeschlagenen Weg mit dem Orchester und den Gewerkschaften zu Ende zu gehen. Unsere Unterstützung haben Sie dafür.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die SPD-Fraktion, Frau Abg. Dr. Stange.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen zunächst ein Zitat von Bernd Neumann, dem Kulturstaatsminister, wiedergeben: „Können wir uns eine so umfangreiche öffentlich finanzierte kulturelle Infrastruktur in Deutschland weiterhin leisten? Brauchen wir die alle, die 150 Theater, aber auch die 130 Orchester, die die öffentliche Hand finanziert? Meine Antwort ist eindeutig, ja. Es ist die Kultur, die unser Wertefundament bildet. Es sind die Künste, die uns zum Reflektieren ermuntern.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Treffender kann man eigentlich nicht das ausdrücken, was uns die Musiker gerade draußen vor dem Parlament deutlich gemacht haben.

Frau Fiedler, mich haben Ihre Worte regelrecht fassungslos gemacht, mit welcher Selbstverständlichkeit Sie sich hier hinstellen und aus dem Theater- und Orchestergutachten zitieren, das, wenn Sie es richtig gelesen haben,

von Anfang an unter dem Gesichtspunkt geschrieben war, kein Spargutachten zu sein und vor allen Dingen kein Spargutachten für das Land zu sein. Aus Ihren Worten habe ich gerade entnommen, dass offenbar das Land bei den Landesbühnen 4 Millionen Euro vom heutigen Niveau aus sparen will, nämlich auf 8,5 Millionen Euro herunter. Das bedeutet letztlich, dass Sie diese Last auf die Kommunen verlagern, und zwar auf die Kommune Radebeul und auf die Landkreise bzw. Kulturräume.