Protokoll der Sitzung vom 19.04.2011

Die Staatsregierung wird im Fachausschuss bis zum 30. Juni 2011 ein Konzept für die Profilierung und Umstrukturierung der Landesbühnen Sachsen vorlegen. Es ist mit der kommunalen Seite zu klären, ob angesichts der Haushaltslage im Gebiet des Kulturraumes Meißen/Sächsische Schweiz-Osterzgebirge weiterhin zwei

Kulturorchester nebeneinander tätig sein sollen. In diesem Kulturraum existiert kein anderes Theater mit eigenem Ensemble. Strukturelle Änderungen in den anderen Sparten der Landesbühnen Sachsen, zum Beispiel Theater, stellen daher keine Alternative dar.

Die Zusammenführung der Aufgaben beider Orchester wurde bereits im Gutachten der Kulturstiftung zur Theater- und Orchesterlandschaft vom September 2007 empfohlen. Es ist kein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, wenn der Freistaat Sachsen Gespräche mit dem Kulturraum und der Novum, Neue Orchesterverwaltung und Marketinggesellschaft mbH, über eine Zusammenführung und deren vertragliche Ausgestaltung führt.

Ich begrüße es außerordentlich, dass hier sehr konstruktiv von mehreren Akteuren, insbesondere mit Unterstützung des Sächsischen Kultursenats unter seinem Präsidenten Dr. Ohlau, am Erhalt eines angemessenen Kulturangebots in allen Sparten gearbeitet wird.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle die Anmerkung, dass der Begriff „Kulturhoheit“ verfassungsrechtlich mit der Gesetzgebungskompetenz der Länder besetzt ist. Ich erachte es deshalb als sehr problematisch, von einer Kulturhoheit der Kulturräume zu sprechen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Die Kulturräume unterstützen die Träger kommunaler Kultur bei ihren Aufgaben von regionaler Bedeutung, insbesondere bei deren Finanzierung und Koordinierung. Eine sogenannte Hoheit des Kulturraumes würde die kommunale Selbstverwaltung der Städte, Gemeinden und Landkreise missachten und diese – im Übrigen auch den Freistaat Sachsen – gleichzeitig aus ihrer Mitverantwortung entlassen.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es bestehen Vorbehalte, dass bei der Umsetzung der Zusammenführung der Aufgaben der beiden Orchester das bisherige Niveau und auch die Quantität der Aufführungen nicht beibehalten werden können.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Sehr freundlich formuliert!)

Diese Vorbehalte erwachsen aus den unterschiedlichen Ausrichtungen beider Klangkörper und aus der Zahl der verfügbaren Dienste. Aber wir haben auch in Sachsen Beispiele dafür, dass ein Orchester auf künstlerisch hohem Niveau die Aufgaben des Konzertbetriebes und des Musiktheaters erfüllt.

Sicherlich wird der Prozess der Formung eines neuen Klangkörpers einige Zeit in Anspruch nehmen. Ich will auch gar nicht leugnen: Es ist eine Herausforderung für den künstlerischen Leiter und auch für die Orchestermusikerinnen und -musiker. Für Letztere ist die Frage der Umgestaltung auch eine besondere persönliche Belastung, und das verkennen wir nicht.

Ein solcher Prozess der Umgestaltung, der Formung eines neuen Klangkörpers muss aber zunächst einmal beginnen, sonst kann er auch nicht abgeschlossen werden. Wir

möchten diesen Prozess dadurch unterstützen, dass eine möglichst sozialverträgliche Lösung gefunden wird. Das ist mir auch ein persönliches Anliegen.

Wir werden gemeinsam mit der Novum den Deutschen Bühnenverein als Arbeitgeberverband bitten, der zuständigen Gewerkschaft, der Deutschen Orchestervereinigung DOV, dazu Tarifverhandlungen anzubieten, um zum Beispiel durch eine befristete Teilzeitlösung betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.

Was nun die Kapazitäten der Landesbühnen Sachsen angeht, so wird die zukünftige Leitung der Landesbühnen genau prüfen müssen, ob die Gastspieltätigkeit in anderen Bundesländern im bisherigen Umfang fortführbar ist. Hier liegen die Kapazitäten, mit denen auch bei einer verringerten Anzahl von Aufführungen das Angebot in den ländlichen Kulturräumen gesichert werden kann.

Die gleiche Frage stellt sich auch hinsichtlich der Aufführungen in der Landeshauptstadt Dresden. Das umfangreiche und auch vielfältige kulturelle Angebot in Dresden lässt es nicht gerechtfertigt erscheinen, die Kapazitäten der Landesbühnen hier einzusetzen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Staatsregierung wird die Landesbühnen Sachsen gemäß dem mit dem Haushalt 2011/2012 erteilten Auftrag umstrukturieren und profilieren, damit das Angebot dieses Theaters dasjenige Angebot der Theater und Orchester in den Kulturräumen ergänzt und auch darauf abgestimmt ist. Die Zusammenführung der Aufgaben des Orchesters der Landesbühnen Sachsen und der Neuen Elbland Philharmonie ist einer der Schritte, mit der das kulturelle Angebot und gleichzeitig die Finanzierbarkeit gesichert werden können. Es muss jetzt gehandelt werden. Wir stellen uns dieser nicht einfachen Aufgabe.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Schlusswort für die einreichende Fraktion hält Herr Dr. Külow.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Prof. Schorlemer, zunächst herzlichen Dank für Ihre Rede, aus der ich hier und da, meine ich, einen leisen, besonnenen Unterton herausgehört habe. Wir werden Sie an Ihren Worten messen. Wenn Sie sagen, Sie wollen die Landesbühnen Sachsen umstrukturieren und profilieren, weiß ich nicht, wie das mit den gegenwärtigen konzeptionellen Vorstellungen in Einklang zu bringen ist. Ich habe auch meine Zweifel und setze große Fragezeichen. Aber, wie gesagt, Sie haben die Verantwortung, und wir werden in den nächsten Wochen sehr genau verfolgen, welche nächsten Schritte Sie dort einleiten werden.

Herr Clemen, Sie sind ja Musiker. Sie müssten es an ein paar Stellen wirklich besser wissen.

(Robert Clemen, CDU: Sie auch!)

Ich habe vor 30 Jahren einmal zwei Jahre Blockflöte gespielt.

(Lachen bei der CDU – Sebastian Fischer, CDU: Bei der SED!)

Ich werfe Ihnen gern einmal so ein kleines Bonbon hin.

(Fortgesetzte Heiterkeit bei der CDU)

Sie müssten es einfach besser wissen, Herr Clemen. Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, die Qualität des Orchesters soll durch die Zusammenlegung gesteigert werden, dann blamieren Sie sich doch vor der gesamten Innung. Ich habe Ihnen eine Reihe von Zitaten vorgetragen. Sie kennen doch die Stellungnahmen von Prof. Klemm, von Prof. Zimmermann, von Prof. Stark usw. usf.

Mir ist es schleierhaft, wie Sie zu solchen Einschätzungen kommen. Diese Rechenspiele, dass 72 Stellen nicht 72 Musiker sind – wenn man das jetzt etwas ins Kabarettistische hineinziehen würde, würden Sie die vielleicht halbieren. Dann hätten wir 144.

Es müssten noch 33 Musiker eingestellt werden. Ich will das nicht in das Lächerliche ziehen.

Herr Dr. Külow, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sie haben offensichtlich eine Frage, Herr Clemen. Natürlich gern.

Danke schön. – Herr Dr. Külow, Ihre Ausführungen würden implizieren, dass das künstlerische Niveau des MDR-Sinfonieorchesters seit der Fusion von RSO und GO massiv gelitten hat. Es würde weiterhin implizieren, dass es keinen Prozess einer Stellenoptimierung in den letzten Jahren gegeben hat. Wie sehen Sie das?

Bei diesen beiden Fusionen vergleichen Sie Äpfel mit Birnen. Wie gesagt, schauen Sie sich die Argumentationen an. Es ist nicht alles so dahergesagt, was Prof. Klemm, Prof. Zimmermann und viele andere Akteure an mahnenden Worten an Sie und das Hohe Haus gerichtet haben.

Vielleicht gebe ich noch einen ganz kleinen Korrekturhinweis. Sie haben vorhin meine Fraktionskollegin Frau Klepsch mit Frau Klinger angesprochen. Ich weiß, dass Sie gegen Namensschilder für Polizisten sind. Wir wollen sicherlich keine für die Abgeordneten. Das habe ich aber nur nebenbei gesagt.

(Allgemeine Unruhe – Christian Piwarz, CDU: Wie wollen Sie denn angesprochen werden?)

Herr Piwarz, ich möchte mit meinem Namen angesprochen werden. Das ist ganz einfach – wie im Ausschuss. Sie können es doch eigentlich. Sie haben doch meinen Namen inzwischen drauf.

Sehr geehrte Frau Schorlemer! Vielleicht sage ich ein letztes Wort. Damit will ich den Bogen zur Ouvertüre der heutigen Debatte schlagen. Die Musiker der Landesbühnen Sachsen haben uns heute die „Zauberflöte“ und den vierten Satz der 5. Sinfonie von Beethoven zu Gehör gebracht. Vielleicht hätten sie auch Haydns Abschiedssinfonie aus dem Jahr 1772 spielen können. Im vierten Satz – das wissen Sie alle – brechen schrittweise die Instrumente ab und die Musiker verlassen die Bühne. Am Ende spielen nur noch zwei Violinen pianissimo.

Eine der Entstehungstheorien – allerdings nicht hinreichend verbürgt – besagt, dass seinerzeit Fürst Esterházy finanzielle Gründe bewogen hätten, sein Orchester aufzulösen. Die Musiker wollten auf subtile Art dagegen protestieren. Im Feudalismus waren die Möglichkeiten noch nicht so weit wie heute. Ich bin froh, dass die Landesbühnen Sachsen heute vor dem und im Haus präsent waren.

Sie haben gerade gesagt, dass Sie die Angelegenheit sozialverträglich gestalten wollen. Ich hatte davon gesprochen, dass wir sehr genau hingehört haben. Wir werden Sie demnächst an Ihren Worten messen. Ich kann Sie nur noch einmal eindringlich bitten.

Herr Dr. Külow, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Ich habe noch 7 Sekunden.

Tun Sie alles zur Bewahrung des Reichtums der sächsischen Theater- und Orchesterlandschaft! In diesem Sinne hätten Sie DIE LINKE auch immer an Ihrer Seite.

Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Mir liegt ein Änderungsantrag zum Antrag der Fraktion DIE LINKE vor. Frau Dr. Stange möchte den Änderungsantrag einbringen. – Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte vorhin bereits angekündigt, dass wir in Anbetracht des rollenden Zuges der Umstrukturierung einen konstruktiven und offensiven Beitrag zur Erstellung des Strategiekonzeptes leisten wollen, welches die Frau Staatsministerin angekündigt hat.

Erstens erwarten wir, dass das Perspektivkonzept „Mobiles Theater für Sachsen“ die Grundlage für das Perspektivkonzept ist, welches von den Landesbühnen erarbeitet und vorgestellt wurde. Wir wollen ein disponibles Mehrspartentheater einschließlich eines qualitativ hochwertigen Musiktheaters mit einem vorrangigen Zugriff der Landesbühnen zum leistungsstarken Orchester erhalten. Dazu gehört, wenn es um die Verbindung des Landesbühnenorchesters mit der Elbland-Philharmonie zu einem neuen Orchester geht, dass die komplexe Verantwortung

der beiden Orchester zukünftig auch umgesetzt werden kann. Einerseits beinhaltet das ein mobiles, flexibles, qualitativ hochwertiges Musiktheater der Landesbühnen. Andererseits gehören die umfassende Konzerttätigkeit im Kulturraum Meißen-Sächsische Schweiz/Osterzgebirge sowie die musikpädagogische Arbeit – heute von beiden Orchestern geleistet – dazu.

Ein aus unserer Sicht zweiter und zentraler Punkt ist die Orchesterstärke. Darauf haben Sie, Frau Ministerin, bereits hingewiesen. Dabei geht es nach dem Vorschlag der Orchester-AG darum, mindestens 86 Musikerstellen zu erhalten – nicht mit irgendwelchen Eingruppierungen, sondern als B-Orchester im Orchestertarif. Es darf kein Sparmodell sein. Die Parallelaufgaben und die notwendige Flexibilität müssen bewältigt werden.