Protokoll der Sitzung vom 20.04.2011

Dies ist auch der Bezugspunkt, weshalb wir GRÜNEN die Förderung der Lutherdekade und des Reformationsjubiläums durch den Freistaat unterstützen. Für uns ist dies keine verdeckte Kirchenfinanzierung oder Ausdruck ungenügender Trennung zwischen Staat und Kirche. Wir sehen es als eine lohnende und unterstützenswerte Aufgabe an, nach der Relevanz der Reformation und des Protestantismus in unserer heutigen Zeit zu fragen und die Ambivalenz protestantischer Überzeugungen zu thematisieren, die nach meiner Auffassung wohl in ihrer tragischsten Form zur Zeit des Nationalsozialismus zum Ausdruck kam, als sich die evangelische Kirche in Deutsche Christen und Bekennende Kirche aufspaltete.

Die Auseinandersetzung sollte in vielfältiger Art und Weise geschehen: durch Schülerprojekte, Geschichtswettbewerbe, Ausstellungen, Konzerte, Diskussionsveranstaltungen, durch die Unterstützung wissenschaftlicher Veröffentlichungen und Tagungen. Allerdings – so unser Eindruck – ist bei uns in Sachsen noch nicht sehr viel passiert. Wenn man auf der Homepage www.sachsen.de das Stichwort Lutherdekade eingibt, bekommt man einen einzigen Eintrag. Geht man auf die Seite von SachsenAnhalt, erhält man 161 Einträge. Hier ist noch einiges zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Die NPD-Fraktion; Herr Schimmer, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion hat bereits in den Haushaltsberatungen deutlich gemacht, dass auch sie sich der Förderung der Lutherdekade nicht verschließt und entsprechende Maßnahmen, die der Bedeutung Luthers und der Reformation für Sachsen Rechnung tragen, grundsätzlich befürwortet.

Daher findet der vorliegende Antrag der Regierungskoalition unsere Unterstützung, wobei für uns insbesondere Ziffer 2 hervorzuheben ist; denn natürlich ist die Reformation, wie es der Antrag formuliert, ein zentrales Ereignis in der Geschichte Europas. Selbstverständlich wollen auch wir Nationaldemokraten, dass dieses Ereignis an Schulen und Bildungseinrichtungen aufgegriffen wird.

Allerdings möchte ich in diesem Zusammenhang den Reformationsbegriff etwas weiter fassen und vor allem auf die Wirkungsgeschichte des Reformationsgeistes hinweisen; denn die heutzutage im Allgemeinen mit Reformation verbundene reine Kirchenkritik und die

Reduzierung des reformatorischen Geistes auf seine theologische Komponente erfassen weder die persönliche Intention Luthers noch den tatsächlichen Niederschlag der Reformation und ihr Weiterwirken im Leben der Deutschen.

Das Besondere an Luthers Wirken im Zuge der für unser Volk – vor allem geistig-politisch als auch im Hinblick auf die Nationswerdung der Deutschen – relevanten Reformationsbewegung wird in dreierlei Richtung deutlich: zum einen als Befreiung aus theologischer Bevormundung. In seinem Traktat von der „Freiheit eines Christenmenschen“ spricht Luther davon, dass der Gläubige keinen Papst mehr als Mittler braucht, sondern selbst Zugang zur Offenbarung hat. Luther sagt: Der Papst hat das Wort aufgehoben und ein anderes Wort hervorgebracht. Und: Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem Untertan.

Diese Gedanken Luthers ließen sich selbst für unsere Gegenwart fruchtbar machen und würden übertragen auf die politische Ebene eine Stärkung der Mitbestimmungsrechte des Bürgers bedeuten, wie sie sich in der Forderung nach mehr direkter Demokratie und nach Volksabstimmung und Volksentscheiden manifestiert.

Zum Zweiten stehen Luther und die Reformation paradigmatisch für die Befreiung der Deutschen aus politischer Fremdbestimmung. Luther war ja nichts anderes als ein früher deutscher Patriot, der sagte: Für meine Deutschen bin ich geboren, ihnen möchte ich auch dienen. Oder: Ich kann es ja nicht lassen, ich muss mich sorgen um das arme, elende, verlassene, verachtete, verratene und verkaufte Deutschland, dem ich ja kein Arges, sondern alles Gute gönne, als ich schuldig bin meinem lieben Vaterland. Ich wünschte aus innerstem Seufzen meines Herzens heraus, dass Deutschland, meinem Vaterland, geraten und geholfen werde.

Oder wenn wir über den politischen Luther sprechen, dann denken wir natürlich auch alle an den Schluss des Liedes „Eine feste Burg ist unser Gott“, dieses vielleicht schönsten evangelischen Kirchenliedes, das mit der trotzigen Forderung endet: „Das Reich muss uns doch bleiben.“

(Volker Bandmann, CDU: Sie sollten vielleicht lieber die zweite Strophe des Deutschlandliedes singen!)

Der politische Luther ist eine Fundgrube für unsere Gegenwart. Auch hier lassen sich leicht Analogien zur heutigen politischen Lage ziehen; denn was damals Rom war, ist heute Brüssel.

(Beifall bei der NPD – Oh! des Abg. Miro Jennerjahn, GRÜNE)

Was damals die Ablasszahlungen an den Klerus waren, sind heute die Nettozahlungen für die EU und die Bevormundung aus Brüssel.

(Stefan Brangs, SPD: Ich habe mich schon gewundert! – Weitere Zurufe)

Sie können ruhig eine Zwischenfrage stellen, Herr Brangs. – Zu guter Letzt sehen wir Luther auch als einen der wichtigsten Förderer der inneren nationalen Sammlung der Deutschen in unserer Geschichte. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist seine BibelÜbersetzung ins Deutsche, die Vereinheitlichung der deutschen Schriftsprache und die Schaffung eines Nationalgefühls innerhalb der Sprachgemeinschaft.

Luther selbst hat sein linguistisches Anliegen einmal in die Worte gefasst: „Man muss die Mutter im Haus, die Kinder auf den Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden. So verstehen sie es denn und merken, dass man Deutsch mit ihnen redet.“ Dieser Luthersatz wird noch heute verkürzt wiedergegeben mit den Worten „dem Volk aufs Maul schauen“.

Das ist gerade von unserer Seite aus selbstverständlich nicht abfällig gemeint, sondern im Sinne von: den Willen des Volkes erkennen und ihn dann auch politisch umsetzen. Deshalb kann man ruhig einmal Parallelen zur Gegenwart ziehen.

Genau das sollte eigentlich auch in diesem Hause oberste Prämisse sein, ist es oft genug aber nicht. Wir Nationaldemokraten fühlen uns – was Sie uns immer wieder als Populismus vorwerfen – auch in dieser Hinsicht der Intention Luthers verpflichtet.

Abschließend möchte ich betonen, dass meine Ausführungen nicht als Affront gegen den vor allem in Teilen der Lausitz beheimateten katholischen Bevölkerungsanteil der Sachsen zu verstehen sind.

(Oh! des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Als überkonfessionelle Partei, die sich den Interessen aller Deutschen, unabhängig von ihrem Glauben, verpflichtet fühlt, achtet die NPD natürlich auch die Glaubensüberzeugung der Katholiken in Sachsen, wie die NPD auch neuheidnische Glaubensinhalte oder die Überzeugung von Atheisten und Agnostikern achtet.

(Einzelbeifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, wir stimmen dem Anliegen von CDU und FDP daher zu, verknüpfen dies aber – was aus dem vorliegenden Antrag nicht deutlich genug hervorgeht – mit der Aufforderung zu einem klaren Bekenntnis zum abendländischen Erbe Europas und zu unserer nationalen Identität, die natürlich auch durch die überragende Gestalt Luthers geprägt wurde. Das LutherDenkmal vor der Dresdner Frauenkirche und der Dresdner Kreuzchor zählen ebenso dazu wie die Osterreiter und die traditionellen Karfreitagsprozessionen der Lausitz.

Definitiv nicht dazu zählen jedoch Moscheen,

(Unruhe und Zurufe)

islamische Kulturvereine, Islamunterricht und Kopftücher an Sachsens Schulen. Das möchte ich in diesem Zusammenhang auch einmal ganz klar herausstellen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Eine Kurzintervention, bitte.

Ich bedauere zutiefst diesen Redebeitrag, der gerade von der NPD gekommen ist, und fühle mich bestätigt in dem, was ich vorhin gesagt habe: dass es wohl sehr nötig ist, uns auch mit der Ambivalenz des Protestantismus auseinanderzusetzen.

Ich habe mich jetzt auch gefragt, weshalb die NPD nicht auch noch Äußerungen von Luther gebracht hat, die antisemitisch gewesen sind; das hätte ja noch gut hineingepasst in Ihre Tirade.

(Zurufe von der NPD)

Ich glaube, es ist wirklich nötig und es hat nur bestätigt: Wir müssen uns intensiv mit Reformation, mit Luther und Protestantismus auseinandersetzen, damit so etwas, was da eben geboten wurde, keine Zukunft hat.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und der Staatsregierung)

Herr Nolle, bitte.

Ich möchte auf den vorherigen Redebeitrag der NPD mit einem Lutherwort antworten; es heißt: „Narren möchte man nicht auf Eier setzen, sie könnten zerbrechen.“

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Herr Schimmer, Sie möchten auf die Redebeiträge reagieren.

Ja, da kann ich gleich auf beide Kurzinterventionen reagieren, denn sie waren ja denkbar inhaltsleer.

(Stefan Brangs, SPD: Das glaube ich, dass Sie das nicht verstanden haben!)

Denn es war ein reiner Affekt, der sich hier Bahn bricht, dass man gerade diese patriotische Tradition, in der Luther sicherlich immer gestanden hat, nicht wahrhaben will und das einseitig mit dem Dritten Reich in Verbindung bringt.

Ich darf Sie alle noch einmal daran erinnern, dass beispielsweise auch die Bekennende Kirche – also nicht die Deutschen Christen – im November 1933 noch mit einem Flugblatt geworben hat, das auch die Aussage Luthers „Das Reich muss uns doch bleiben“ hervorgehoben hat. Insofern sind das von Ihnen alles Ihre antinationalen Affekte, die sich natürlich auch wieder in dieser Debatte austoben.

Wir von der NPD wollen demgegenüber aber gerade zeigen, dass Luther auch in einer großen deutschen Tradition der Freiheit der Revolte, der Selbstbestimmung

steht, auf den man sich heute noch voller Stolz berufen kann. Gerade das sollte auch jungen Menschen wieder nahegebracht werden, wie man sich damals aus der Vormundschaft von Rom erhoben hat, wie damals letzten Endes die Neuzeit eingeläutet wurde – aus Deutschland heraus, durch diese reformatorische Gestalt von Martin Luther. Wir werden sicherlich darauf achten, dass dieser Aspekt nicht vergessen wird.

(Beifall bei der NPD)

Wir gehen jetzt in die zweite Runde und ich rufe wieder die CDU-Fraktion auf; Frau Abg. Fiedler, bitte.