Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Die Aussprache beschließt die Fraktion DIE LINKE mit dem Schlusswort. Es wird von Frau Abg. Falken gehalten. Frau Falken, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wöller, warum trauen Sie sich eigentlich nie, in Ihren Redebeiträgen Probleme oder Fehler, die gemacht worden sind, hier klar zu benennen? Sie tun das immer erst dann, wenn

irgendjemand – wie soeben Frau Stange – eine Nachfrage stellt. Erst dann sind Sie bereit, den einen oder anderen Fehler einzugestehen, um dann Schlussfolgerungen zu ziehen.

Herr Minister, ich muss Ihnen Folgendes sagen: Die Ursache dafür, dass wir im Grundschulbereich keine Lehrer haben, liegt darin, dass Sie 2007 eine Teilzeitvereinbarung mit einer Teilzeit von 57 % abgeschlossen haben. Erzählen Sie mir jetzt bitte nicht, dass die Gewerkschaften das so gewollt hätten.

(Staatsminister Prof. Dr. Roland Wöller: Sprechen Sie jetzt für die Gewerkschaften?)

Sie haben den jungen Leuten nicht gleichzeitig signalisiert: Wenn die Phase der geringen Schülerzahlen vorbei ist, dann brauchen wir euch! Fangt an, Grundschullehramt zu studieren! Wenn ihr fertig seid, brauchen wir euch! – Heute sind wir doch bereits in der Katastrophe.

Ich höre, dass an den Gymnasien zurzeit Gespräche geführt werden, in denen die Regionalstelle die Gymnasiallehrer fast verpflichtet, an die Förderschule zu gehen. Die Lehrer aber sagen: Wir können nicht. Wir beschäftigen uns gerade mit Inklusion. Jetzt wollt ihr uns an die Förderschule schicken. Dafür sind wir nicht ausgebildet. Das können wir nicht. Da sehen wir ganz große Probleme.

Gleiches gilt für die Grundschulen. Auch dort laufen zurzeit Gespräche; das wissen Sie auch. Nicht ohne Grund führen wir ständig Diskussionen darüber, dass als Folge von Zusammenlegungen große Klassen mit über 28 Schülern entstehen. Auch mit Integrationskindern sind es oft mehr als 26; denn es gibt einen Passus in der Verwaltungsvorschrift, dass nur, wenn Haushaltsgelder zur Verfügung stehen, Integrationsklassen mit 26 Schülern laufen können. Das ist die Situation zurzeit.

Das sind Fehler, die Sie schon vor Jahrzehnten gemacht haben und die Sie auch nicht schnell korrigieren können.

Meine Zeit läuft ganz schnell. – Ich möchte noch etwas zu den Ausführungen von Herrn Tippelt sagen. Herr Tippelt – wo ist er denn? –, Sie sollten sich ganz schnell mit Ihren Kollegen in der Koalition zu diesem Thema verständigen. Das, was Sie heute gesagt haben, passt überhaupt nicht zu dem, was wir insgesamt in diesem Hohen Hause schon an Diskussionsstand erreicht haben.

Frau von Schorlemer, auch wir bitten Sie sehr herzlich, das Programm, das Sie vorhin dargestellt haben, noch einmal zu überdenken. Wir werden im Grundschulbereich – wenn Sie das Studium verkürzen – schon bei denjenigen, die das Studium beginnen wollen, nicht mehr so viele zur Verfügung haben, dass es auch nur in Ansätzen reichen wird.

Bitte zum Schluss kommen.

Die Bedingungen für Grundschullehrer in Sachsen sind so schlecht, dass Sie aus anderen Bundesländern keine bekommen werden.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun den Antrag in der Drucksache 5/4034 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Wer möchte dagegen stimmen? – Wer möchte sich enthalten? – Bei zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden; er ist abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt ist damit beendet.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 5

Nutzung des Bildungspaketes für Schulsozialarbeit

Drucksache 5/5363, Antrag der Fraktion der SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Fraktionen können wie folgt Stellung nehmen: SPD, CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Meine Damen und Herren! Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion der SPD beginnt Frau Dr. Stange. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich bei den Verhandlungen um das Bildungs- und Teilhabepaket – und nicht erst dort, sondern beim Bildungsgipfel 2008 in Dresden – dafür eingesetzt, dass wir

eine dringende Infrastrukturmaßnahme zur Unterstützung der Schulen, zum Ausbau der Ganztagsschulen, zur Unterstützung insbesondere von benachteiligten Jugendlichen gemeinsam zwischen Bund und Ländern auf den Weg bringen. Das war das Thema „Schulsozialarbeit“.

Eigentlich war man sich auch parteiübergreifend einig, dass es dringend notwendig ist, die Schulsozialarbeit flächendeckend in allen Bundesländern auszubauen, auch an den Grundschulen, nicht nur an den Brennpunktschulen. Leider ist es während der Verhandlungen, insbesondere im Vermittlungsausschuss, nicht gelungen, CDU und FDP davon zu überzeugen, dass der Bund mit dieser Finanzierung – es wären ungefähr 2 Milliarden Euro

gewesen – eine Leistung erbringt, die einen ungeheuren Mehrwert für die Jugendlichen mit sich bringt.

Was wir jetzt haben, ist ein Bildungs- und Teilhabepaket und dazu zusätzlich im Rahmen dieses Bildungs- und Teilhabepakets 400 Millionen Euro bundesweit, die zur Finanzierung des Mittagessens in Horten und für die Schulsozialarbeit zur Verfügung stehen. Dieser Teil des Pakets ist bis zum Jahr 2013 befristet und es gibt keine verbindliche Größe in der Aufteilung dieser beiden Größen Essen an Horten und Schulsozialarbeit.

Über die Kosten der Unterkunft und Heizung, die für die Kommunen durch den Anteil des Bundes erhöht werden sollen, sollen faktisch die Kommunen angeregt werden, genau diesen Anteil letztlich auch aufzubringen. Die Kosten für Unterkunft werden für Sachsen nach derzeitiger Berechnung von 24,5 % auf 38,8 % erhöht.

Die rein rechnerische Grundlage für die Schulsozialarbeit würde ergeben, dass etwa 1 % dieser Erhöhung im Land Sachsen ein Mittelvolumen von 10 Millionen Euro ausmachen würde. 10 Millionen Euro entsprechen einem Stellenvolumen für Schulsozialarbeit von 160 bis 190 Stellen für das Land Sachsen.

Nun wissen wir auch – das hat die Beantwortung der Fragen der Landesregierung ergeben –, dass die Landesregierung nicht dafür zuständig ist, diese Mittel zu beeinflussen oder für die Kommunen festzulegen, sondern dass es eine originäre kommunale Aufgabe ist, Schulsozialarbeit zu finanzieren. Da wir aber gleichzeitig im vergangenen Jahr im Doppelhaushalt mit den Mehrheiten des Landtages beschlossen haben, die Jugendpauschale von 14 Euro auf 10 Euro herabzusetzen und aus dieser Jugendpauschale unter anderem auch Schulsozialarbeit in den Kommunen finanziert wird, denken wir, es ist jetzt an der Zeit – und auch ein klares Signal vom Bund –, dass die Landesregierung das umsetzt, was sie seit dem 3. Kinder- und Jugendbericht hier im Land verspricht, nämlich ein eigenes Programm aufzulegen, um Schulsozialarbeit in den Kommunen mit Zuschüssen zu unterstützen. Das ist der Kern dieses Antrages, um den Kommunen auch einen Anreiz zu geben, tatsächlich die Mittel, die jetzt über das Bildungs- und Teilhabeprogramm zur Verfügung gestellt werden, in der Schulsozialarbeit einzusetzen.

Wir haben eigentlich eine hervorragende Einschätzung vorliegen, was Schulsozialarbeit erreichen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben sicherlich den 3. Kinder- und Jugendbericht zur Kenntnis genommen, der ja nun schon einige Jahre vorliegt. In dem 3. Kinder- und Jugendbericht – ich möchte daraus zitieren – steht: „Die Landesregierung sieht den weiteren Ausbau der Schulsozialarbeit sowie die Fortsetzung der qualitativen Entwicklung des Handlungsfeldes weiterhin als eine wichtige Gestaltungsaufgabe im Rahmen der Anregungs- und Unterstützungsfunktion des Freistaates. In diesem Zusammenhang wird sie auch die Möglichkeiten für die Etablierung eines spezifischen Förderprogramms als Starthilfe für den Aufbau zusätzlicher Projekte der Schul

sozialarbeit sowie zur Verbesserung der Strukturqualität an bestehenden Standorten prüfen.“

Die Prüfung dauert, drei Jahre nach Vorlegen des 3. Kinder- und Jugendberichtes, immer noch an. Bis heute gibt es dieses Förderprogramm nicht.

Den Nutzen der Schulsozialarbeit werden Sie vor Ort sicherlich an der einen oder anderen Stelle schon deutlich zu spüren bekommen haben. Schulsozialarbeiter können nicht durch Lehrerinnen und Lehrer ersetzt werden, weil sie eine Brücke zwischen den Kindern, den Jugendlichen auf der einen Seite und insbesondere Jugendlichen aus benachteiligten Lebensverhältnissen und den Eltern darstellen, aber auch den außerschulischen Institutionen, wie zum Beispiel der Familienhilfe oder auch der Jugendhilfe. Das können Lehrerinnen und Lehrer aus ihrer Rolle heraus und bei ihren Aufgaben nicht leisten. Schulsozialarbeiter können auf diese Art und Weise auch zahlreiche Schulabbrüche verhindern, aber auch Jugendliche wieder an den Bildungsprozess heranführen, um sie erfolgreich zum Schulabschluss zu bringen. Das sollte uns allen ein wichtiges Anliegen sein.

Heute haben wir die Situation – so viel zur kommunalen Aufgabe –, dass im Landkreis Meißen kein einziger Schulsozialarbeiter vom Landkreis finanziert wird. Die Stadt Leipzig finanziert hingegen 34 Schulsozialarbeiter, die Stadt Dresden, die etwa die gleiche Kinderanzahl hat, 13 Schulsozialarbeiter. Das ist die Umsetzung der kommunalen Aufgabe, und das hat nichts mit gleichwertigen Lebensverhältnissen im Land zu tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sehen hier deshalb einen dringenden Handlungsbedarf, die Kommunen dabei durch ein eigenes Programm zu unterstützen. Die Mittel, die jetzt über das Bildungs- und Teilhabeprogramm zur Verfügung gestellt werden, tatsächlich in Schulsozialarbeit zu investieren und nicht zur Kompensation eventueller Mehrkosten aus dem Bildungs- und Teilhabeprogramm anderer Komponenten – Nachhilfeunterricht oder kulturelle Bildung – und auch nicht dazu zu nutzen, um zu kompensieren, was gerade aufgrund der Senkung der Jugendpauschale des Landes gestrichen wurde.

Das ist der Sinn und Zweck dieses Antrages, und ich kann nur hoffen, dass die Landesregierung endlich ernst nimmt, was im 3. Kinder- und Jugendbericht des Landes vorgelegt wurde und was sie sich selbst zum Auftrag gemacht hat. Der Zeitpunkt ist gekommen, den Bund und die Kommunen in dieser Frage zu unterstützen und letztlich dafür Sorge zu tragen, dass mehr Kinder erfolgreich die Schule verlassen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Stange. – Nun für die CDU-Fraktion Herr Abg. Schreiber. Herr Schreiber, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns ja gestern schon sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Es wäre vielleicht sogar spannender gewesen, wenn wir Ihren Antrag, liebe Frau Dr. Stange, schon gestern mit behandelt hätten. Das wäre wahrscheinlich sinnvoller gewesen,

(Christian Piwarz, CDU: Manche Anträge könnte man auch morgen behandeln!)

anstatt sozusagen die fast gleiche Debatte zweimal zu führen.

Sie haben einen Antrag eingereicht, wozu ich grundsätzlich sagen muss: Gut, dass wir das Thema hier auf der Tagesordnung haben. Aber ich denke, damit mache ich Ihnen jetzt einen Vorwurf, es ist ein Antrag, der irgendwie einmal mit der schnellen Feder gestrickt ist, wo es vielleicht am Ende eine konkrete Forderung gibt, das ist der Punkt 3.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Seit wann strickt man mit Federn?)

Herr Pellmann, Sie machen keine Fehler. Sie sagen immer alles richtig. Es ist ja auch schon spät.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Herr Schreiber, das war ein Neuerervorschlag, den Sie gebracht haben!)

Herr Schreiber, lassen Sie sich nicht irritieren.

Herr Pellmann, Sie können es ja mal probieren, vielleicht klappt es ja, mit Federn zu stricken. Vielleicht kriegen Sie das hin.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Machen Sie es mal!)