Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Hermenau, als ich den Titel dieser Aktuellen Debatte gelesen habe – Stabilität der Gemeinschaftswährung sichern, Stabilität der EU sichern, Vertrauen in die Gemeinschaftswährung bei der sächsischen Bevölkerung stärken –, da habe ich mir gedacht, wir sollten noch weitere Impulse aus diesem Landtag heraus senden, zum Beispiel Sicherung der Eisdecken an den Polkappen oder Vertrauen wecken in den täglichen Sonnenaufgang.

(Beifall bei der SPD)

Was ich damit sagen will, Frau Hermenau, ist, dass man die Ebenen trennen muss und der Schuster bei seinen Leisten bleiben sollte. Natürlich kann auch ein Zwickauer Stadtrat einen entsprechenden Antrag stellen, die Oberbürgermeisterin aufzufordern, im Landtag dafür zu kämpfen, dass in der EU der Euro stabil bleibt. Das geht natürlich alles. Aber um es einmal im Zwickauer Jargon zu sagen: Wissen Sie, was die Leute dann auf der Straße sagen? „Sind die denn blöde, haben die nischt annersch zu tun?“

Ich bringe einmal ein ganz praktisches Beispiel. Wenn in Sachsen zwei Vereine in die nächsten Ligen aufsteigen und dann ein Kultusministerium sagt, Profisport fördern wir nicht, wäre das wert, darüber eine Diskussion zu führen. Im Übrigen an dieser Stelle einmal einen Glückwunsch an die sächsischen Vereine, die das geschafft haben.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man im Kultusministerium sagt, Profisport fördern wir nicht, wäre das eine Diskussion wert. Aber die scheinen nicht zu wissen, dass wir das überall in den Heimen und in den Stadien über den Städtebau machen, nämlich in Millionengrößenordnungen. Das sind praktische Themen der Diskussion, die die Menschen auf der Straße bewegen.

Was haben Sie jetzt eigentlich für eine Botschaft? Die Botschaft ist: Der Euro ist stabil. Ja, das wissen wir auch. Er ist einmalig bis zu einem Wechselkurs von 86 Cent vor der Bargeldeinführung runtergerutscht. Ab 2004 bis heute,

in diesen sieben Jahren, steht er stabil zwischen 1,20 und 1,50 Euro. Natürlich ist der Euro stabil. Wenn wir in diesem Haus noch eine Diskussion führen, glauben Sie denn ernsthaft, dass die Bevölkerung draußen sagt, jetzt ist es aber ganz sicher? Das Gegenteil erreichen wir doch teilweise mit dieser Diskussion. Wenn ich dann noch die Qualität dieser Diskussion hier höre, fühle ich mich darin, wenn ich ehrlich bin, bestätigt.

Richtig ist, dass wir dafür sorgen müssen, dass insbesondere diejenigen, die durch Spekulationsaufschläge verdienen, wenn Staaten wieder gerettet werden, in ein stabiles Fahrwasser kommen, diese von den Spekulationsaufschlägen auch wieder etwas an den Steuerzahler abgeben. Das muss endlich organisiert werden. Darüber muss man einmal reden.

(Beifall bei der CDU)

Bei diesem Thema möchte ich auch noch daran erinnern, dass wir die Hilfe zur Selbsthilfe, die gerade im Bereich Griechenland diskutiert wird, hier in Deutschland doch millionenfach praktizieren, Stichwort Privatinsolvenz, aber auch auf Freistaatebene in Richtung der anderen Bundesländer. Es ist richtig, die Staaten zu unterstützen und sie mit entsprechenden Auflagen in das richtige Fahrwasser zu bekommen, wenn sie Probleme mit Schulden hatten. Dass das Geld kostet, ist auch bekannt. Ich denke, dass sich Deutschland das leisten kann.

Ein Aspekt kommt mir bei dieser ganzen Debatte total zu kurz. Es geht nicht darum, ob der Euro stabil ist. Die Leute interessiert es in erster Linie, was sie sich dafür kaufen können. Es geht doch nicht um den Wirtschaftsraum EU, es geht darum, diesen Gemeinschaftsraum als 65 Jahre Friedensraum zu erhalten. Das ist das Entscheidende!

(Beifall bei der CDU)

Das Problem Frieden, das Hunderte Generationen vor uns in dieser Region gar nicht kannten, das in unserem Bewusstsein als Selbstverständlichkeit vollkommen ausgeblendet wird, wird vollkommen überlagert von Wirtschafts- und Währungsdiskussionen. Darum geht es nicht. Die freien Beziehungen, das gesellschaftliche Zusammenleben in dieser Region Europa heißt: Frieden und Wohlstand sichern. Das muss im Mittelpunkt einer Debatte stehen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Für die SPD-Fraktion sprach Herr Kollege Pecher. – Für die FDP-Fraktion ergreift nun Herr Kollege Biesok das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Debatte ist für mich ein Musterbeispiel dafür, wie schnell man sein eigenes politisches Versagen vergessen kann. Kollege Schowtka hat schon darauf hingewiesen, wer dafür verantwortlich ist, dass Griechenland mit in diese Union aufgenommen wurde.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, wer überhaupt dafür verantwortlich war, dass wir heute diese weichen Kriterien haben, die gar keine Sanktionen mehr zulassen. Das war die rot-grüne Bundesregierung, die ihre eigenen Haushalte nicht auf die Reihe bekommen hat und 2003 die Maastricht-Kriterien richtig heftig gerissen hat.

Gemeinsam mit Frankreich hat man deshalb die Sanktionsmechanismen aufgehoben, um zu gewährleisten, dass man auch weiterhin seine unsolide Haushaltspolitik machen kann.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte das noch einmal ganz persönlich sagen. Wer war damals die haushaltspolitische Sprecherin der GRÜNEN? – Es war Frau Antje Hermenau. Sie tragen eine persönliche Mitverantwortung für die Situation, die wir heute hier haben.

(Beifall bei der FDP und der NPD)

Wir stehen jetzt vor einem Wendepunkt in der Finanzpolitik in der Eurozone. Frau Dr. Runge, es ist nicht so, dass der Maastricht-Vertrag unzureichend war. Der MaastrichtVertrag war gut, nur was Rot-Grün daraus gemacht hat, war schlecht. Wir müssen jetzt wieder zu den Grundsätzen des Maastricht-Vertrages kommen, nämlich zu einer Währungsunion, und wegkommen von einer Haftungsunion.

Im Moment ist es so, dass sich Griechenland und andere Staaten am Kapitalmarkt nicht mehr finanzieren können, weil sie so hohe Risikoaufschläge zahlen müssen, dass sie sich das überhaupt nicht mehr leisten können. Aber dieser Risikoaufschlag drückt nur aus, welches Risiko besteht, dass diese Anleihen ausfallen. Wir dürfen jetzt nicht belohnen, wenn jemand auf diese hohen Zinsen spekuliert und sich diese Anleihen kauft, dass wir dieses Risiko durch Staatsanleihen oder Staatsgarantien entsprechend absichern. Deshalb muss wieder das Verhältnis hergestellt werden. Wer also ein hohes Risiko eingeht, um hohe Zinsen zu erzielen, der trägt auch das Risiko, dass er mit seiner Anlage ausfällt.

(Beifall bei der FDP)

Die deutschen Banken haben im III. Quartal des letzten Jahres ihr Engagement für Griechenland, Spanien, Portugal und Irland um 11 % aufgestockt, insgesamt auf 568 Milliarden Euro. Wer in einer Situation, in der man weiß, dass diese Staaten demnächst zahlungsunfähig werden können, sein Engagement aufstockt, der verdient nicht den Schutz des deutschen Steuerzahlers, der trägt das Risiko, wenn diese Einnahmen ausfallen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir müssen wieder dazu kommen, dass wir den Schuldner von der Währung trennen. Es ist eine Mär, dass man sagt, wenn ein Euro-Staat in Insolvenz geht, ist der Euro gefährdet. Nehmen Sie sich eine Industrieanlage, die in D-Mark oder Euro valutiert. Wenn dort ein Unternehmen insolvent wird, dann ist diese Anlage ausgefallen, und wer

in diese Anlage investiert hat, der hat das Risiko getragen. Nichts anderes würde passieren, wenn sich ein Land von der Größenordnung Griechenlands in einem geordneten Insolvenzverfahren seiner Schulden entledigen muss. Dann haben sich diejenigen, die in Griechenland investiert haben, verzockt. Der Euro ist dadurch nicht gefährdet.

(Beifall bei der FDP)

Der deutsche Steuerzahler haftet derzeit mit insgesamt 391 Milliarden Euro für Griechenland und andere Staaten, allein 200 Milliarden Euro in diesem komischen ESFS.

Wir müssen die Zeit, in der dieses Programm läuft, nutzen, um ein europäisches Insolvenzverfahren für die Staaten in der Eurozone auf den Weg zu bringen, damit wir dort auch die Möglichkeit haben, diese Schulden wieder zu entlasten.

Meine Damen und Herren! Wir können es uns nicht leisten, hier in Deutschland zu diskutieren, ob wir uns ein einfaches, niedriges und faires Steuersystem leisten können und sagen, wir haben kein Geld. Wir können es uns nicht leisten, in Deutschland zu diskutieren, ob wir den Hartz-IV-Regelsatz von 5 Euro auf 8 Euro anheben oder das nicht tun. Wir können es uns nicht leisten, hier im Sächsischen Landtag über die Einnahmenrückgänge des Freistaates Sachsen zu diskutieren, harte Einschnitte vorzunehmen, weil wir uns einer soliden Wirtschafts- und Finanzpolitik verpflichtet fühlen, und andererseits den Steuerzahlern sagen, wir geben jetzt Milliarden dafür aus, dass wir in Griechenland eine unsolide Haushaltspolitik mit deutschem Steuergeld finanzieren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das ist mit uns hier nicht zu machen.

Wer schon einmal insolvente Unternehmen oder Unternehmen kurz vor der Insolvenz begleitet hat, kennt einen Grundsatz: Wirf schlechtem Geld niemals gutes hinterher! Wenn man in einer solchen Situation Geld ausgibt, bekommt man hinterher weniger zurück, als man vorher hatte, es sei denn, man weiß, dass das Unternehmen wieder funktioniert. Griechenland ist da schon zu weit. Griechenland wird es aus eigener Kraft ohne einen Schuldenschnitt nicht mehr schaffen. Deshalb müssen wir einen mutigen Schritt gehen und Griechenland in eine geordnete Insolvenz schicken. Wir dürfen es nicht durch den deutschen Steuerzahler ausgleichen. Wir müssen wieder dahin kommen, dass wir die Währung vom Schuldner entkoppeln, denn nur so stabilisieren wir dauerhaft den Euro und sorgen dafür, dass die Währungsgemeinschaft auch weiterhin in Europa erhalten bleibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Andreas Storr, NPD, steht am Mikrofon.)

Herr Kollege Storr, Sie möchten sprechen?

Eine Intervention dann; eine Frage kann ich ja nicht mehr stellen.

Herr Biesok, was Sie sagten, war ja durchaus bemerkenswert. Nur ein Problem sehe ich doch bei Ihren Ausführungen: dass die Bundesregierung auch unter Beteiligung der FDP sich natürlich ganz anders verhält. Denn wenn Sie – was durchaus bemerkenswert und aus Sicht der NPD auch richtig ist – ein geordnetes Insolvenzverfahren in Bezug auf den griechischen Staat als sachdienlich betrachten, dann verstehe ich nicht, warum die Bundesregierung und die FDP-Bundestagsabgeordneten Kreditprogrammen zustimmen, die genau diese Insolvenz des griechischen Staates verhindern.

Das scheint mir schon ein logischer Fehler zu sein; das ist im Grunde genommen nicht erklärbar. Sie müssten dann mit Ihrer Position eigentlich die Politik der Bundesregierung, in der ja die FDP Koalitionspartner ist, auch infrage stellen; das haben Sie hier leider nicht getan.

(Beifall bei der NPD)

Bitte, Herr Kollege Biesok, Sie reagieren.

Ich bin nicht hier, um die Politik der Bundesregierung zu verteidigen. Ich bin sächsischer Abgeordneter und muss die Interessen des Landes hier wahrnehmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Bundesregierung hat ein erstes Stabilitätsprogramm gemacht. Das war in der damaligen Situation richtig, um Griechenland die Chance zu geben, durch entsprechende Reformen seine Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen. Wir haben gute Erfahrungen in anderen Ländern damit gemacht, die solche Hilfsprogramme bekommen haben und die sich dann auf den Weg gemacht haben, die entsprechenden Reformen einzuleiten.

Beispiel Lettland: Lettland wurde von der Finanzkrise sehr hart getroffen. Es brauchte Hilfen vom Internationalen Währungsfonds, man hat die Reformen gemacht, und Lettland hat heute eine Bonität, die nicht hinter Österreich oder Frankreich zurücksteht.

Das ist der richtige Weg, und deshalb ist es richtig, dass man erst hilft. Wenn man aber merkt, dass diese Reformen nicht greifen, dann muss man auch den Mut haben zu sagen: Nein, das war zu kurz gesprungen und wir müssen einen anderen Weg gehen. Ich habe gesagt, ich möchte nicht einen sofortigen Schuldenschnitt, sondern ich möchte die Phase, in der Programme, die jetzt aufgelegt wurden, noch stehen, nutzen, um ein geordnetes Insolvenzverfahren für die griechischen Staatsschulden zu machen.

Diese Position vertrete ich – unabhängig davon, was in anderen Bundesländern gesagt wird und was in Berlin gesagt wird. Das ist meine persönliche Meinung und es ist die Meinung meiner Fraktion hier im Sächsischen Landtag.