Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

Frau Roth zugehört habe, wurde mir innerlich schlecht. Ich sage Ihnen auch, warum. Wenn dann solche Sätze von Frau Roth nach dem Motto kommen: „Na ja, es wird doch Zeit, dass sich endlich die Fußballer auch dazu bekennen, dass sie schwul sind“, dann muss ich ja fast, obwohl mir das in diesem Zusammenhang sehr schwerfällt, meinem Kollegen Alexander Krauß recht geben.

Fakt ist eines: Es ist nicht jeder schwul in dieser Gesellschaft, und es muss auch nicht jeder in dieser Gesellschaft schwul gemacht werden. Man neigt ja teilweise dazu – entweder als Heterosexueller oder als Homosexueller –, sich einen besonders gut aussehenden Menschen vielleicht sogar noch schwul zu wünschen.

(Allgemeine Heiterkeit)

So ist es einfach nicht. Das ist nicht die Realität. Jetzt gehe ich – das betone ich ganz deutlich – ein Stück weit auf einen Gegensatz zu meinem Kollegen Krauß ein. Ich sehe das anders. Natürlich ist der beste Hort für die Kinder eine Familie, bestehend aus Mutter, Vater und Geschwistern. Das ist überhaupt keine Frage. Aber wir müssen einfach anerkennen, dass nicht jeder schwul oder lesbisch geboren wird, sondern dass Menschen in diesem Land über ihren Lebensweg hinweg vielleicht irgendwann auf den Trichter kommen, dass sie mit Mann als Mann oder mit Frau als Frau vielleicht doch besser können. Da stelle ich das Sexuelle einfach einmal hintan.

Man muss doch akzeptieren können, dass dieser Mann oder diese Frau vielleicht schon im „früheren Leben“ Kinder gezeugt oder geboren hat. Was ist daran schlecht, dass diese Kinder weiterhin in einer Beziehung groß werden, in einem behüteten Elternhaus, in dem zwei Männer oder zwei Frauen wohnen?

(Beifall bei der CDU, der FDP, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich finde daran nichts Schlechtes. Wir haben heute Morgen über Adoption diskutiert. Ich kenne kein schwules Pärchen, das drei Monate, nachdem es sich gefunden hat und zusammen ist, anfängt, ein Kind zu adoptieren. Das kenne ich nicht. Genauso wenig findet das bei Heterosexuellen statt, sondern der Schritt wird – bisher gibt es dafür nicht viele Beispiele – nach reichlicher Überlegung und nach vielen, vielen Jahren der Gemeinsamkeit getan. Hier sage ich, dass es nicht nur auf das Geschlecht ankommt, sondern auf zwischenmenschliche Beziehungen. Wo ist der Unterschied, ob das ein Heteropärchen ist, das viele Jahre zusammenlebt und gemeinsam Verantwortung für ein adoptiertes Kind übernehmen will, oder ob das ein homosexuelles Pärchen ist. In meinen Augen gibt es da keinen Unterschied.

Aber wir können in dieser Frage nicht weiterkommen, wenn wir sie immer wieder als Thema in den Raum stellen: Wir müssen jetzt einmal über das Schwulsein reden, klopfen wir uns alle wieder auf die Schulter, und dann haben wir wieder etwas getan. Wir sind unserem Ruf gerecht geworden, uns wieder einmal für eine Minderheit eingesetzt zu haben. Diese Minderheit ist stark, sie wird

sich immer wieder artikulieren. Wenn es um die Ergänzung des Artikels 3 des Grundgesetzes geht, gibt es meiner Meinung nach in meiner Partei auch ganz viele Leute, die das genauso sehen wie die Schwulenverbände. Ich gehöre dazu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP, der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Wünscht noch ein Abgeordneter in dieser zweiten Runde das Wort? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage trotzdem noch einmal, ob in einer dritten Runde ein Abgeordneter das Wort ergreifen will. – Das kann ich nicht erkennen. Die Staatsregierung? – Frau Staatsministerin Clauß, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Große Anfrage hatte mehrere große Themenkomplexe. Zum einen ging es um die Frage, inwieweit die Gleichstellung der nicht-heterosexuellen Menschen in Sachsen verwirklicht ist. Zum anderen ging es um die Frage, welche Maßnahmen in der derzeitigen Situation von der Staatsregierung sowie von kommunalen Behörden ergriffen werden müssen, um das Gleichstellungsgebot umzusetzen und jede Art von Antidiskriminierung zu vermeiden.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass es im Freistaat Sachsen zahlreiche Aktivitäten zur Gleichstellung von Nicht-Heterosexuellen gibt. So unterstützt der Freistaat verschiedene Programme zur Förderung von Toleranz und Vielfalt. Diese Programme zielen in erster Linie darauf ab, Diskriminierung von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung und Identität zu vermeiden, zum Beispiel das hier schon angesprochene Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen – für Demokratie und Toleranz“ und die Aufklärungsprojekte „Respekt beginnt im Kopf, und Toleranz versetzt Berge“.

Spezielle Programme, Projekte und Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt gegen nicht-heterosexuelle Menschen oder spezielle Anlaufstellen für Opfer homophober und transphober Gewalt unterhält die Sächsische Staatsregierung nicht. Grundsätzlich stehen hier alle Angebote allen Opfern offen, zum Beispiel Beratungseinrichtungen für Opfer von Straftaten und die Opferschutzbeauftragten der Polizeidirektionen.

Der Staatsregierung liegen auch keine Erkenntnisse über Ausmaß und Erscheinungsformen gesellschaftlicher Diskriminierung nicht-heterosexueller Gruppen vor. Der Staatsregierung liegen auch keine repräsentativen Untersuchungen, Analysen und Studien von nicht-heterosexuellen Einwohnern in Sachsen vor.

Die Große Anfrage stellt Jugendliche, Senioren und Menschen mit Migrationshintergrund in den Vordergrund. Grundsätzlich stehen unsere Angebote allen, unabhängig

von ihrer sexuellen Orientierung, ihrem Alter und ihrer Herkunft, offen. Nur so kann Diskriminierung endgültig beseitigt werden.

Ein weiterer Schwerpunkt der Großen Anfrage ist die Analyse zur Stellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften zehn Jahre nach Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes. Wie sieht es in Sachsen aus? Zwischen 2001 und 2010 wurden im Freistaat Sachsen über 900 Lebenspartnerschaften nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz geschlossen, davon 579 zwischen Männern und 360 zwischen Frauen. 72 dieser Paare leben mit mindestens einem Kind zusammen.

Die Begründung der Lebenspartnerschaft sowie die Rechte und Pflichten sind durch das Lebenspartnerschaftsgesetz einheitlich geregelt. Das hat aber wiederum Auswirkungen auf andere Bundes- und Ländergesetze, die wir nun anpassen, damit sich einzelne Gesetze nicht widersprechen. Derzeit erfolgt die Anpassung im Rahmen des Sächsischen Archivgesetzes, und bei einigen Gesetzen ist bereits eine Anpassung erfolgt. Als Beispiele erwähne ich das Sächsische Schieds- und Gütestellengesetz und das Sächsische Rechtsanwaltsversorgungsgesetz.

Weitere Anpassungen werden, wie schon ausgeführt, in dieser Legislatur bzw. 2013 folgen. Die Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe im Rahmen der Gesamtreform des Dienst-, Besoldungs- und Versorgungsrechts ist vorgesehen.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Gansel, Sie wollen sicherlich das Instrument der Kurzintervention nutzen.

Ja, Herr Präsident, ich möchte kurz intervenieren und aus Sicht der NPD ein kurzes Fazit dieser blütenreichen Debatte – –

Herr Gansel, Sie können kein Fazit ziehen; Sie können sich nur auf den vorangegangenen Redebeitrag beziehen.

Dann beziehe ich mich direkt auf die Frau Staatsministerin, die von „Opfern“ gesprochen hat – von Opfern homophober Gewalt und von Opfern aller möglichen Gewalt. Daran anknüpfend möchte ich darauf hinweisen, dass der „Spiegel“-Autor Jan Fleischhauer an dieser Debatte seine wahre Freude gehabt hätte. Für alle diejenigen, die es nicht wissen: Jan Fleischhauer, seines Zeichens „Spiegel“-Autor, hat unlängst ein sehr aufschlussreiches Buch mit dem Titel „Unter Linken“ geschrieben. Darin gibt es ein ganzes Kapitel, in dem sich dieser etablierte Journalist mit dem Opferkult, der Opferkonkurrenz und dem Opferneid in dieser Gesellschaft auseinandersetzt. Er stellt fest, dass in dieser Gesellschaft – vor allem vorangetrieben durch linke gesellschaftliche Kräfte – eine regelrechte Opferkonkurrenz stattfindet. Jeder möchte in dieser Gesell

schaft Opfer sein, jeder möchte ein noch größeres Opfer sein, und das alles hat einen ganz konkreten Hintergrund: Hier geht es nämlich nicht nur um moralische Kategorien – wer ist Opfer, wer ist nicht Opfer? –, sondern hier geht es um viel Geld.

Wenn wir der Großen Anfrage der GRÜNEN entnehmen, dass hier nach Gleichstellungsbeiräten und nach vielem anderen verlangt wird, dann ist klar, dass es hier um Steuergeld geht, das einer bestimmten linken Berufslobby zugeschustert werden soll. Deswegen gibt es in dieser Gesellschaft einen geradezu kranken Opferneid, eine Opferkonkurrenz. Die historischen Opfer von über 70 Jahren sind ja sowieso allgegenwärtig; aber es gibt Opfer aller möglichen Gewaltformen.

So viel zur Klarstellung, damit man auch weiß, worum es hier geht. Es geht nicht um moralische Kategorien; es geht nicht vordergründig darum, wer Opfer irgendwelcher Gewaltformen geworden ist, sondern hier geht es um Umverteilung. Hier geht es darum, dass linke Kräfte an Steuergeld herankommen wollen, um arbeitslose Sozialpädagogen von der Straße zu holen, um sie dann für irgendwelche Antidiskriminierungsmaßnahmen in Lohn und Brot zu bringen. Nicht jeder in dieser Gesellschaft ist Opfer, und die meisten wollen auch gar kein Opfer sein.

Und: Noch ist Heterosexualität das Mehrheitsmodell in dieser Gesellschaft. Auch wenn die GRÜNEN es sich anders wünschen: Heterosexualität wird kein Auslaufmodell der Evolution sein.

Herr Gansel, Sie müssen sich auf den Vorredner beziehen.

Das habe ich gemacht.

(Beifall bei der NPD)

Frau Staatsministerin, möchten Sie auf diese Kurzintervention antworten? – Das möchten Sie nicht.

Damit komme ich zum Entschließungsantrag. Frau Jähnigen, haben Sie den Entschließungsantrag schon eingebracht? – Dann können Sie ihn jetzt einbringen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Entschließungsantrag reflektiert die Situation aus der Großen Anfrage noch einmal kritisch und deutlich – das können Sie lesen, das habe ich schon begründet. Ich möchte noch einmal begründen, was wir wollen.

Wir wollen ein Artikelgesetz zur Umsetzung der Eingetragenen Lebenspartnerschaften, weil wir – auch nach dem, was die Ministerin gerade gesagt hat – glauben, dass die Anpassung nur punktuell und deutlich zu spät erfolgen wird; sie ist ja jetzt schon zu spät.

Ob wir über die Dienstrechtsreform im Jahr der Bundestagswahl und im Jahr vor den Regionalwahlen überhaupt noch reden werden, darüber will ich keine Vermutung abgeben, aber Sie haben ja nicht einmal auf unsere Große

Es gibt jetzt noch Wortmeldungen zum Entschließungsantrag; Frau Gläß, bitte.

Anfrage einen klaren Zeitraum für das gesamte sächsische Landesrecht vorgelegt. In den Gesetzen, in denen die Eingetragene Lebenspartnerschaft bisher berücksichtigt worden ist, handelte es sich fast immer um Gesetze, die Pflichten nach sich zogen. Das ist okay – Rechte und Pflichten –; aber die Rechte kommen immer zu kurz. Diesen Eindruck haben Sie heute nicht korrigieren können.

Warum wollen wir einen Aktionsplan? Wir wollen nicht separate Strukturen aufbauen, wie Sie uns fälschlicherweise unterstellen. Wir wollen, dass vorhandene Beratungsstrukturen allen zur Verfügung stehen – das tun sie jetzt nicht –; sie müssen also ausgeweitet werden; und wir wollen, dass qualifiziert beraten werden kann. Das fehlt noch.

Ein weiterer Schwerpunkt eines Aktionsplanes, gerade in Sachsen als Flächenland, ist Bildung und Aufklärung zur Vorurteilsfreiheit und zur Gelassenheit im Umgang mit sexueller Vielfalt in den Schulen, in den Kindergärten, aber auch im gesamten Alltag des Landes. Hier, Frau Ministerin, stehen gerade Ältere im Vordergrund, denn sie sind zu Zeiten aufgewachsen, als Homosexualität noch strafbar war.

Drittens halten wir es für ein ganz wesentliches Ziel, dass die öffentlichen Hände, die Verwaltung des Freistaates und der Kommunen, Vorbildwirkung einnehmen und im Agieren gegen Diskriminierung besonders sensibel sind. Das fehlt uns noch; denn wir haben ja keine Beratungs- und Weiterbildungsstruktur selbst in der öffentlichen Verwaltung, wie sich durch die Anfrage bestätigt hat.

Wir wollen schließlich, dass es einen gesellschaftlichen Dialog über dieses Thema gibt; denn nur so kommen wir zu einer Antidiskriminierungsarbeit, die auch an die Betroffenen von Diskriminierung in ihrer konkreten Lebenssituation herankommt. Das haben wir im Bereich von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen und Intersexuellen noch nicht.

Zum Schluss will ich noch etwas zu meiner eigenen Motivation sagen. Ich hatte kürzlich meinen x-ten Hochzeitstag, ich bin heterosexuell verheiratet, und mein Mann hat mich noch einmal motiviert; denn wir finden es einfach nicht gut, dass wir als Paar etwas Besseres sein sollten als andere Paare, nur weil wir verheiratet und Mann und Frau sind. Das muss sich in der gesamten Gesellschaft und auch in der Art des staatlichen Umgangs ändern.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Unsere Fraktion wird diesem Entschließungsantrag, der sehr umfangreich ist, zustimmen.

(Jürgen Gansel, NPD: Was für ein Wunder!)

Wir möchten darauf hinweisen, dass es für die Staatsregierung gar nicht schwer sein wird, das entsprechende Artikelgesetz auszuarbeiten. Wir erlauben auch das Abschreiben oder ein Plagiat unseres Gesetzes, und man könnte die Gesetze, die vielleicht umgeschrieben sind, noch herausstreichen; denn wir hatten ein Gesetz mit 40 Artikeln, und das könnte man noch einmal einbringen.