Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

jenem, das wir mit der deutschen Rüstungsindustrie haben. Wir haben mehrheitlich für uns entschieden, dass die Risiken und Gefahren der Kernenergie nicht beherrschbar sind, wir haben den mutigen Schritt zum Ausstieg getan – –

Die Redezeit ist zu Ende.

– und hoffen nicht zuletzt im eigenen Interesse, dass wir damit ans Ende kommen und auch andere aussteigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war für die Fraktion DIE LINKE Herr Prof. Besier. – Als Nächstes spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Mann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU/FDP-Koalition benutzt das Schlagwort „Denkverbote“ gegen andere Parteien. Dies ist für sich gesehen schon ein starkes Stück, versucht es doch zu suggerieren, dass freies und unkonventionelles Denken, Offenheit gegenüber anderen Ideen und Auffassungen zu ihren Stärken zählt. Die Wirklichkeit in diesem Haus aber lehrt uns etwas anderes: Genau diese Tugenden gehören nicht zum Markenkern von CDU und FDP.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der NPD)

Oder aber soll uns der Titel Ihrer Aktuellen Debatte sagen, dass man immer für alle Richtungen offen sein muss, wie es zum Beispiel die CDU und die FDP beim Atomausstieg vorgemacht haben? Erst musste der rot-grüne Atomausstieg aus den Geschichtsbüchern gestrichen werden. Wie konnte die Politik denn nur so in den Markt eingreifen bei so ungefährlichen und klimafreundlichen Technologien. Die deutschen Reaktoren waren ja schon immer die sichersten und deswegen war es aus Ihrer Sicht nur logisch, die Zuschüsse für Fotovoltaik zu kürzen und die Laufzeiten der Atommeiler zu verlängern.

Bis Fukushima kam. Selbst der letzte CDU-Hinterbänkler musste einsehen, Atomtechnik ist gefährlich. Nie gehört. Vollkommen neu. Da man keinen Denkverboten, wie Sie sagen, unterliegt, wurde die ganze Argumentation über Nacht umgekehrt. Motto: Was geht mich mein Geschwätz von gestern an? Die CDU und die FDP wurden über Nacht zur Antiatompartei und zum Vorreiter.

(Andreas Storr, NPD: Die SPD aber auch!)

Stellen Sie doch eine Nachfrage! Mir ist die Zeit zu kostbar für diese Auseinandersetzung.

(Zuruf von der NPD – Andreas Storr, NPD: Wenn ich frage, bekomme ich keine Antwort.)

Immer nach dem Motto: Was geht mich mein Geschwätz von gestern an? Wenn man sich das so vorstellt, dann stimmt tatsächlich die These. Die GRÜNEN haben Denkverbote; denn sie haben sich nie vorgestellt, dass Sie über Nacht die erneuerbaren Energien einfach abschalten und massenhaft den flächendeckenden Neubau von Atomkraftwerken vorsehen. Eine Idee, die auch viele Befürworter in der sächsischen CDU hat. Wir erinnern uns an Block Heinz 1. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, haben wir – Sie würden sagen – Denkverbote, wir GRÜNEN, aber auch LINKE und SPD, wir würden sagen: Grundsätze, nämlich den Grundsatz, dass man an bestimmten inhaltlichen Positionen nicht aus rein machtpolitischem Kalkül rütteln darf.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN – Jürgen Gansel, NPD, steht am Mikrofon.)

Aber das ist ja spätestens seit Kanzlerin Merkel das einzige Charakteristikum der CDU. Nein, diese Koalition, die das Denken unserer Meinung nach schon lange

eingestellt hat, ist immun für neue und innovative Ansätze. Frei nach Kurt Götz – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Mann?

Bitte schön.

Herr Gansel, bitte.

Herr Kollege Mann, Sie haben eben darauf hingewiesen, dass Rot-Grün seinen Grundsätzen treu geblieben sei. Können Sie diesem Plenum noch einmal in Erinnerung rufen, wie viele Atomkraftwerke die Regierung Schröder in ihrer siebenjährigen Regierungszeit abgeschaltet hat?

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD – Unruhe)

Herr Gansel, – –

Wie viele AKW sind abgeschaltet worden? Keines!

(Unruhe)

Ich habe gerade darauf hingewiesen, dass es uns nicht darum geht, unrealistische Vorschläge zu machen, und Sie wissen ganz genau, dass Rot-Grün gegen massive Widerstände der Industrie und Lobbys einen Atomkonsens verhandelt hat, der zum Ergebnis gehabt hätte, dass wir schon in der ersten Regierungszeit von Schwarz-Gelb zwei Reaktoren direkt vom Netz genommen hätten und dass wir heute beim Atomausstieg viel weiter wären, ein Plan, der wohlgemerkt am Ende nicht nur von der gesellschaftlichen Mehrheit in Deutschland akzeptiert worden ist, sondern auch von der Industrie. Also offensichtlich gut gemachte Politik im Sinne gemeinsamer Lösungen.

(Jürgen Gansel, NPD: Unter Wahrung von „Grundsätzen“!)

Wenn Sie gern von heute auf morgen die Atommeiler abstellen wollen, dann fangen Sie doch bei sich an, bei dem Strom in der Fraktion. Um den wäre es nicht schade.

(Andreas Storr, NPD: Das habe ich jetzt nicht verstanden!.)

Ich fahre fort. Nein, die Koalition propagiert zwar, mit ruhiger Hand regieren zu wollen. In der Realität aber haben beide Koalitionspartner überhaupt keine eigenen Ideen und Konzepte, und wenn, dann stolpert diese Koalition – siehe Baden-Württemberg-Kampagne kurz nach der Wahl: „Kommen Sie zu uns, hier ist die Welt noch in Ordnung!“ oder aber beim Sächsischen Versammlungsgesetz – von einem Fettnäpfchen ins nächste.

Meine Damen und Herren! Sie verwalten statt zu gestalten. Diese Debatte heute ist ein sehr guter Beleg dafür. Sie legen uns im Plenum seit Monaten Anträge vor, die von Symbolpolitik, Bundesthemen, historischen Würdigungen und Allgemeinplätzen strotzen. Aber wirkliche Ideen –

(Beifall bei den GRÜNEN)

wirkliche Ideen vermissen wir. Heute setzen Sie noch einen drauf. Im Angesicht mieser Umfragewerte und fehlender Vorzeigeprojekte herrscht scheinbar die pure Angst und Ratlosigkeit.

(Lachen bei der CDU und der FDP – Unruhe)

Ja! Wir haben nicht ohne Grund bei Ihnen gelacht, Herr Herbst von der FDP. Deshalb schlagen Sie als regierungstragende Fraktion auf den kleinsten politischen Gegner ein, den Sie unter den demokratischen Oppositionsfraktionen finden, und das alles wegen einem Teilsatz in einer PM. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber uns bleibt nur, zu fragen: Regieren Sie noch oder opponieren Sie schon?

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion sprach Kollege Mann. Jetzt spricht für die Fraktion GRÜNE Herr Kollege Gerstenberg.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition meint, die Wissenschaftsfreiheit gegen die GRÜNEN verteidigen zu müssen.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Lasse ich mich doch einmal auf diese Debatte ein. Das vorbehaltlose Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit gilt. Es ist jedoch nicht schrankenlos. Eingriffe sind gerechtfertigt, und zwar dort, wo andere Verfassungsgüter betroffen sind, wie Gesundheit und Leben. Wir kennen das alle aus der embryonalen Stammzellenforschung. Ich hätte durchaus Lust, Kernenergie auch einmal als ethische Diskussion zu führen, gerade wenn es um Fragen von Gesundheit und Leben geht, denn Ethik ist keine Schwäche und kein Luxus, sondern für den Zusammenhalt der Gesellschaft dringend nötig.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Von Gladstone, einem bekannten britischen Premier aus dem 19. Jahrhundert, stammt der Satz: „Was moralisch falsch ist, kann nicht politisch richtig sein.“ Den Damen und Herren von der FDP sage ich einmal, Gladstone war auch Mitbegründer des Liberalismus. Sie verstehen diesen Satz heute wahrscheinlich nicht mehr,

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

aber ich übersetze ihn einmal in Ihre Sprache. Einfach gesagt: Es geht um Werte statt um Wertpapiere.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

In dieser ganzen Debatte geht es aber nicht um Verbote. Wir fordern eine neue Verwendung von öffentlichen Mitteln, von Steuergeldern. Das Grundgesetz schreibt dem Gesetzgeber durchaus nicht vor, in welchem Umfang und in welcher Form er seiner Förderpflicht bei der

Wissenschaft nachzukommen hat. Herr Meyer, Sie haben völlig recht, die Gedanken sind frei, aber nicht jeder Gedanke, nicht jede wissenschaftliche Aktivität hat einen Anspruch darauf, öffentlich finanziert zu werden.

(Christian Piwarz, CDU: Das wollen Sie entscheiden!)

Wissenschaftsfreiheit ersetzt keine Strukturentscheidungen. Hier muss der Staat entsprechend der gesellschaftlichen Bedarfe entscheiden. Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP! Das war in der Geschichte schon so: Seit es Universitäten gibt, sind sie mit politisch entschiedenen Aufgaben betraut worden. Der gesamte Neuaufbau der sächsischen Wissenschaftslandschaft, auf den Sie so stolz sind, war doch durch und durch eine politische Entscheidung mit einer starken Betonung der MINT-Fächer. In der Gegenwart haben wir das Gleiche. Die Hochschulentwicklungsplanung, die Sie gerade mit Streichung oder Verlagerung von Studiengängen, mit Schließung von Standorten betreiben, das ist eine eminent politische Entscheidung.

(Prof. Dr. Andreas Schmalfuß, FDP, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Kollege Gerstenberg?