Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

Ich darf nur an zwei ganz entscheidende Schritte erinnern: erst einmal die Zulassung von Hedgefonds im Jahr 2003 und auch das im Jahr 2003 auf Bundesebene erlassene Gesetz zur sogenannten Verbesserung der Unternehmensfinanzierung. Es ging damals aber nur darum, die Verbriefungszweckgesellschaften gewerbesteuerrechtlich den Banken gleichzustellen, und damit wurde diesen Conduits, wie beispielsweise Ormond Quay, erst die Möglichkeit gegeben, profitabel zu arbeiten. Das geschah eben unter der Verantwortung des SPD-Finanzministers Eichel.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Es ist eine gigantische Heuchelei und es ist ein Fakt, dass niemand der Spekulation so Tür und Tor geöffnet hat wie die SPD-Regierung Schröder. Deswegen sollten Sie hier vielleicht ein bisschen zurückhaltender auftreten.

(Beifall bei der NPD)

Das war die Kurzintervention von Herrn Abg. Schimmer. – Herr Pecher, möchten Sie erwidern? – Nein. – Wir setzen die Aussprache fort. Für die Fraktion der CDU spricht Herr Abg. Löffler. Herr Löffler, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits vor über einem Jahr sprach sich unser Ministerpräsident Stanislaw Tillich an gleicher Stelle anlässlich einer Regierungserklärung zur Eurokrise für die Einführung einer Finanzmarktsteuer auf europäischer und globaler Ebene aus. Er hat die Bundesregierung schon damals ausdrücklich aufgefordert, eine Lösung zu finden, die über den deutschen Wirtschaftsraum hinausgeht und damit die Akteure am Finanzmarkt bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise mit beteiligt.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Aber wir können vielleicht anfangen in Deutschland!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch heute kann ich Ihnen an dieser Stelle versichern, dass wir uns als Fraktion nicht grundsätzlich gegen die Einführung eines solchen finanzmarktpolitischen Instrumentes aussprechen werden – im Gegenteil. Aber bevor ich auf die Einzelheiten Ihres Antrages eingehen möchte, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, lassen Sie mich zunächst doch noch einmal feststellen: Mich erstaunt Ihr Selbstbewusstsein zu glauben, dass Sie die Lösung für eines der schwierigsten weltökonomischen Probleme unserer Zeit gefunden haben. Aber noch mehr wundert mich, dass Sie Ihre Initiative hier in den Sächsischen Landtag einbringen, obwohl diese Frage doch zumindest auf Bundesebene, wenn nicht auf internationalem Parkett entschieden werden muss. Aber offenbar meinen Sie, am sächsischen Wesen muss die Welt genesen

(Stefan Brangs, SPD: So, so!)

oder Sie glauben ohnehin nicht daran, dass Ihr Antrag heute hier angenommen wird.

(Beifall bei der CDU)

Das würde immerhin erklären, warum Sie hier in diesem Hohen Hause einen derart einseitigen Text vorlegen. Die Dinge sind nämlich leider nicht ganz so einfach, wie Sie sie hier darstellen. Ihre Ausführungen sind wenig konkret und geben auf die entscheidenden Fragen leider keine Antwort.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Mich hätten schon ein paar konkrete Zahlen interessiert – aber Fehlanzeige. Wir müssen die Geschehnisse der

vergangenen zwei Jahre sorgfältig analysieren und besonnen darauf reagieren. Lassen Sie uns doch einmal schauen, was möglich ist. In die öffentliche Diskussion werden immer wieder zwei Instrumente eingebracht, zum einen die Besteuerung von Transaktionen und zum anderen eine Finanzaktivitätssteuer. Doch was verbirgt sich dahinter?

Mit der Finanztransaktionssteuer besteuert man – wenn auch nur mit einem geringen Prozentsatz – jeden Finanzfluss am Kapitalmarkt und richtet sich damit gegen Trading-Aktivitäten als solche. Demgegenüber knüpft eine Finanzaktivitätssteuer am Ertrag, an der Gehaltssumme und an den Bonuszahlungen an. Es gibt also durchaus unterschiedliche Instrumente, um ausufernden Finanzspekulanten vorzubeugen bzw. die Akteure in die Pflicht zu nehmen.

Meiner Meinung nach erscheint eine zielgerichtete Abgabe in Form einer Aktivitätssteuer noch unter ganz anderen Gesichtspunkten interessant. Sie ist zielgenau und setzt an der richtigen Stelle im System an, indem sie den Fokus der Besteuerung auf die Ertragserzielung legt. Unabhängig davon, welche Variante man nun bevorzugt: Eine solche Steuer ist nur sinnvoll und verantwortbar, wenn sie mindestens auf europäischer, wenn nicht gar auf globaler Ebene eingeführt wird.

Es wäre für den Wirtschaftsstandort Deutschland fatal, wenn wir hier einen nationalen Alleingang unternehmen würden.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

In kürzester Zeit würden sich die spekulativen Geschäfte in den anderen Ländern abspielen. Die Kleinanleger und Sparer, die keine Ausweichmöglichkeiten haben, Herr Hahn, wären dann die, die zur Kasse gebeten werden.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Man kann doch Freibeträge machen!)

Das nenne ich klassische sozialdemokratische Politik. Das kann aber nicht unser Ziel sein. Damit kommen wir hier keinen Schritt voran. Der vorliegende Antrag spricht zwar von einer EU-Lösung, aber was Sie damit genau meinen, welche Institutionen Sie direkt ansprechen, dazu bleibt Ihr Papier doch arg wolkig. Das führt uns noch zu einem ganz anderen Problem, das dieser Antrag überhaupt nicht behandelt.

Wir möchten ein solches Projekt forcieren, um die Folgen der Krise abzumildern und natürlich auch weiteren Krisen vorzubeugen. Dabei geht es auch um die Möglichkeit, überhaupt präventiv tätig werden zu können. Die Einnahmen aus einer solchen Steuer müssen also zielgerichtet und zweckgebunden in einen effektiv organisierten Krisenfonds einfließen, der auf transnationaler Ebene koordiniert werden sollte. Dazu sagt Ihr Antrag leider gar nichts aus.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zusammenfassen.

Erstens. Es ist vermessen anzunehmen, dass die internationale Finanztransaktionssteuer aufgrund dieses einseiti

gen Antrages ihren Siegeszug von Sachsen in die Welt antreten könnte.

Zweitens. Sie haben hier einen unausgereiften Schaufensterantrag vorgelegt, der zwar bei Ihrer Klientel Zustimmung finden mag, aber auf die schwierigen Detailfragen keine Antworten gibt. Wir sind für wirksame Maßnahmen gegen Spekulanten. Aber dieses kann nur auf internationaler Ebene stattfinden.

Drittens. Bei der genauen Ausgestaltung steckt der Teufel im Detail. Eine Finanztransaktionsteuer würde eine Lösung à la Rasenmäher bedeuten. Stattdessen müssen intelligente Modelle gefunden werden. Deshalb unterstützen wir die Bundesregierung bei ihren Bemühungen, eben diese zu finden. Demgegenüber bietet der Antrag der SPD-Fraktion keinen brauchbaren Ansatz. Deshalb werden wir ihn heute hier ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das war Herr Löffler für die CDU-Fraktion. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht nun Herr Abg. Scheel.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Herr Löffler, ich kann Ihre Argumentation nicht vollständig nachvollziehen.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ich auch nicht!)

Sie sehen den Kleinanleger in Bedrängnis. Wenn wir über eine Steuer von 0,01 % – beispielsweise ausgehend von einem Anlagevolumen von 10 000 Euro des Kleinsparers – sprechen, ist die Transaktion vor allen Dingen im Hinblick auf die Haltedauer und die Belastung, die sie erfahren würden, eigentlich vernachlässigbar.

Insofern werden hier Schimären aufgebaut, die ich sonst eigentlich von der FDP kenne. Sie wirft bei ihrem lustigen und lockeren Kampf gegen die Finanztransaktionssteuer gerne irgendetwas in die Welt. Das ist am Ende nicht haltbar. Insofern bitte ich um Mäßigung.

Ich könnte noch einen weiteren Punkt ansprechen. Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages ist gerade in China unterwegs. Er hat sich aufklären lassen. Die Chinesen haben eine solche auf nationaler Ebene stattfindende Transaktionssteuer von 0,01 %. Trotzdem ist die Wirtschaft meines Erachtens noch nicht zusammengebrochen. Insofern versuchen wir bitte, ein bisschen mehr Sachlichkeit und Redlichkeit in diese Debatte zu bringen.

Ich habe mich aber gewundert, dass der Antrag erst jetzt eingebracht wird. Er wäre zu einem früheren Zeitpunkt vielleicht besser gewesen. Wir wären vielleicht viel offensiver in die Debatte eingetreten. Bevor ich darauf zu sprechen komme, komme ich auf das Warum zu sprechen. Darauf waren Sie bereits eingegangen.

Im Jahr 2007 ist eine Erscheinung der politischen Debatte auf das Tablett gekommen, die uns nicht ruhig schlafen

lassen kann. 2007 haben wir festgestellt, dass das Finanztransaktionsvolumen im Gegensatz zum globalen Bruttoinlandsprodukt den Faktor 73,5 hatte. Es wurden 73,5 Mal mehr Finanzprodukte, als an realwirtschaftlichen Gütern und Dienstleistungen in der gesamten Welt hergestellt wurden, umgesetzt. Das ist ein reales Problem.

Weil so viele Devisen, Derivate, Zertifikate und Aktien wild durch die Gegend gehandelt werden – in einer Umschlaggeschwindigkeit, die immer größer wurde –, muss man darüber nachdenken, ob das für die Weltwirtschaft noch gesund ist. Dass es nicht gesund ist, haben wir festgestellt.

Es gibt eine ordnungspolitische Aufgabe, die die Politik hat. Diese ordnungspolitische Aufgabe ist: Wir müssen den Wildwuchs, die Geschwindigkeit und das riesige Wachstum begrenzen. Wir müssen es entschleunigen. Der Punkt ist, dass Finanzprodukte – abgekoppelt von der Realwirtschaft – hin und her gehandelt werden und somit nicht die Finanzdienstleistung der Dienstleister der realen Wirtschaft sind, sondern sich davon weit entfernt haben und zum globalen Problem geworden sind.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Das ist die ordnungspolitische Herausforderung.

Auch haben wir noch eine finanzpolitische Perspektive zu wahren. Natürlich geht es hier außerdem um Einnahmen. Eine Finanztransaktionssteuer in Deutschland – wir können spekulieren – von 0,01 % würde ungefähr Einnahmen in Höhe von über 20 Milliarden Euro einbringen – bei schon abgeschichtetem Transaktionsvolumen. Das ist klar. Es soll dazu führen, dass weniger spekuliert wird.

Sie haben zu Recht angesprochen, dass es auch eine moralische Kategorie in dieser Debatte gibt. Diese moralische Kategorie beinhaltet auch den Punkt, dass einige partizipiert und aufgrund von Spekulationen am Ende viel Geld verdient haben. Dieses wurde am Ende privatisiert. Die Verluste und Rettungsmaßnahmen hingegen wurden sozialisiert. Die gesamte Branche und die Spekulanten müssen zur Kasse gebeten werden. Das ist die moralische Kategorie, von der wir sprechen.

Wie das passieren soll, habe ich bereits dargestellt. Es gibt unterschiedliche Debatten. Ihre Debatte, Herr Löffler, die den Ertrag betrifft, ist beiseitegelegt; die Frage, die Tobin aufgeworfen hat, war, Devisenspekulationen zu unterbinden, um die Währungsstabilität zu sichern.

(Marko Schiemann, CDU: Nationale Autonomie war sein Thema!)

Das war sein Thema, richtig. Diese auf alle Transaktionen auszuweiten ist der richtige Weg. Er ist am einfachsten und simpelsten im Rahmen der Steuerverfolgung. Außerdem zeigt es die besten Effekte.

Wir können gerne darüber streiten, ob es 0,01 % oder 0,05 % sind. Dazwischen gibt es ein Spannungsspektrum. Wichtig ist, dass nicht mehr zugelassen wird, dass Handelsgeschäfte stattfinden, die nur noch rein spekulativen

Charakter auf niedrigstem Niveau haben. Es werden nur noch gigantische Massen herumgeschoben, um aufgrund der Milliardenbeträge Gewinne herauszuziehen. Das zu unterbinden muss Aufgabe der Finanztransaktionssteuer sein. Das muss auch so geschehen.