Ich kann nur sagen: Seien wir froh, dass wir eine Kanzlerin Angela Merkel haben – ich muss es hier an dieser Stelle sagen –, denn sie verfügt
offensichtlich über mehr geistige Flexibilität, über mehr moralische Flexibilität als die Sächsische Union.
Meine Damen und Herren! Ich freue mich doch, dass ich solche Beifallsstürme bei Ihnen ernte. Deswegen möchte ich gleich einmal die Frage an Sie richten:
Wenn Sie unser aller Bundeskanzlerin derart heftig unterstützen, wie sieht es denn dann morgen im Bundestag mit dem Abstimmungsverhalten der sächsischen CDU-Abgeordneten aus? Wie sieht es dann aus mit den Konsequenzen, die Sie hier in Sachsen ziehen oder nicht ziehen wollen? Sie haben ja heute früh eine Debatte vom Zaun gebrochen, die eigentlich meiner Meinung nach total nach hinten losgegangen ist, indem Sie uns Technikfeindlichkeit, Wissenschaftsfeindlichkeit und alles Mögliche unterstellt haben.
Ich glaube, nur wer sich beide Augen und Ohren zuhält, hat tatsächlich verstanden, was Sie eigentlich damit machen wollten. Nein, die Frage ist: Sind Sie denn bereit,
jetzt diesem Kompromiss, der morgen im Bundesrat verhandelt wird, zuzustimmen oder nicht zuzustimmen?
Herr Kollege Krauß, wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen, bin ich gerne bereit, sie zuzulassen. Wollen Sie eine Zwischenfrage stellen? Sie können – –
Kollege Krauß wird sich zu Wort melden, wenn er eine Frage hat. Ich bitte Sie, im Redebeitrag fortzufahren.
Dann, Herr Präsident, bitte ich Sie, auch darauf zu achten, dass der Redner hier vorne nicht durch dauernde Zwischenrufe gestört wird.
Herr Kollege Lichdi, die Heiterkeit, die hier im Saal herrscht, haben Sie verursacht. Das ist Ihr gutes Recht. Aber die Amtsführung des Präsidenten zu kritisieren ist nicht Ihr Recht. Das müssen Sie mir schon überlassen. Sollten Sie das heute noch einmal machen, würde ich mir eine Ermahnung vorbehalten.
Aber jetzt ist es soweit. Der Kollege Krauß steht am Mikrofon 5, und jetzt frage ich Sie, Herr Lichdi – darauf haben Sie schon gewartet –, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte zum Mittel des Zwischenrufs gegriffen, weil ich Strom sparen wollte.
Meine Frage lautet aber: Wie stehen denn die GRÜNEN in Sachsen zu dem Beschluss, der morgen ansteht? Sie haben ja mit dem Landesparteitagsbeschluss eine vollkommen andere Position vertreten als Ihr Bundesverband, der eigentlich eine realpolitische Herangehensweise wollte.
Vielen Dank, Herr Kollege Krauß, für die Zwischenfrage. Das gibt mir Gelegenheit, Sie auf den Sachverhalt aufmerksam zu machen. Es ist richtig, dass der Landesverband vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen hat, dass wir bis 2017 alle Atomkraftwerke vollständig abschalten wollen.
Das hat übrigens auch der Bundesparteitag am letzten Sonnabend beschlossen. Dort ist die Beschlusslage identisch. Die Frage, die dort allein streitig war, ist, wie sich in der Abwägung der Sofortabschaltung der 7 + 1 AKWs, also plus Krümmel, gegenüber denen, die erst bis 2022 abgeschaltet werden sollen, also innerhalb dieses Gesamtkomplexes, der ja nicht auftrennbar, differenziert abstimmbar ist, die Bundestagsfraktion verhält. Dort habe ich auf der Bundesebene tatsächlich eine andere Position vertreten. Aber die Bundespartei hat so entschieden, und so ist es jetzt. Das heißt aber nicht, dass wir darauf verzichten, eine schnellere Abschaltung über die Sicherheitsfragen zu erreichen. Das ist sowohl Beschlusslage im Land Sachsen wie auch auf Bundesebene. Von daher ist das Thema noch nicht erledigt.
Meine Damen und Herren! Wir wollen wirklich sehen, wie sich die sächsische CDU im Bundestag verhält, und wir wollen noch lieber sehen, ob denn die sächsische CDU für den Freistaat Sachsen bereit ist, die Konsequenzen aus dieser Entscheidung, die jetzt zentral auf Bundesebene getroffen wird, zu ziehen. Da haben wir einfach einige Punkte, die Sie auch kennen und die wir oft angesprochen haben, die nicht mehr mit der gesamtpolitischen Lage übereinstimmen. Ich darf Sie daran erinnern: In Ihrem Energieprogramm aus dem Jahr 2004 steht immer noch: „Wir wollen uns die Option der Atomenergienutzung offenhalten“, und der Herr wirtschaftspolitische Sprecher Heidan hat noch im September letzten Jahres hier an dieser Stelle gesagt: „Ja, selbstverständlich wollen wir neue AKWs bauen, und zwar auch in Sachsen.“
Ich habe bisher keinerlei Ausführungen dazu gehört, dass Sie von diesem Ansinnen Abstand nehmen wollen. Ich nehme nur wahr, dass der Herr Ministerpräsident und die CDU Veranstaltungen mit dem hier viel gerühmten, viel berüchtigten, viel genannten Herrn Prof. Hurtado durchführt, der ja für einen Neubau, für den Einstieg in die Atomtechnologie steht, und daraus kann man gewisse Rückschlüsse auf die Geisteshaltung und die politische Richtung hier in Sachsen ziehen.
Sie wissen auch, wir haben noch andere Fragen stehen, auch wenn sie jetzt verdrängt worden sind. Wie steht es mit dem Transport des sächsischen Atommülls aus Ahaus nach Majak? Ich erinnere mich, dass die Frau Staatsministerin von Schorlemer im Januar per Presse verkündigt hat,
sie sei gewillt, die Bundesrepublik Deutschland auf Schadenersatz zu verklagen, weil Herr Röttgen völlig zu Recht den Transport gestoppt hat. Wie sieht es damit aus? Ein halbes Jahr ist ins Land gegangen und ich habe dazu keinerlei Stellungnahme gehört; dazu wollen wir eine Stellungnahme haben.
Den Punkt 3, Umorientierung der sächsischen Energieforschung auf erneuerbare Energien, haben wir heute Morgen diskutiert.
Der vierte Punkt, für uns in Sachsen ganz wichtig: dass wir jetzt tatsächlich als Freistaat Sachsen gegen die Neubauabsichten bei Temelin, aber auch unter Umständen in Polen – wobei die Polen diese Pläne wohl nicht so ernst meinen –, politisch auftreten und nicht so, wie der Umweltminister Kupfer es im Grunde gesagt hat – es ist mir egal, ob ihr jetzt ein AKW baut oder nicht –, sondern dass der Freistaat Sachsen bewusst alle politischen und rechtlichen Möglichkeiten ausschöpft, um Neubauten an seinen Grenzen zu verhindern.
Das sind die Fragen, die wir uns jetzt hier in Sachsen stellen müssen, nachdem morgen diese Entscheidung im Bundestag getroffen wird.
Um noch einmal auf Herrn Vaatz zurückzukommen: Ich wünsche mir wirklich sehr, dass wir aus der sächsischen Union – ich glaube, ich sage das ganz im Interesse meiner Frau Vorsitzenden –
vielleicht einmal Beiträge hören, die wirklich ernst zu nehmen sind, die wirklich diskussionsfähig sind; denn ich sage auch: Dieses Land braucht wirklich eine CDU, mit der man diskutieren kann, die sich der Diskussion stellt und die endlich einmal aus ihren ideologischen Schützengräben herauskommt.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der allgemeinen Aussprache fort. Für die CDU-Fraktion Herr von Breitenbuch.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesdelegiertenkonferenz der GRÜNEN hat am 25. Juni über das Thema Ausstieg aus der Kernenergie debattiert und entschieden. Die Realos unter Ihnen haben sich durchgesetzt,
aber anscheinend nicht bei uns in Sachsen; denn wir konnten eigentlich erwarten, dass Sie nach der Debatte am 25. Juni Ihren Antrag abändern oder gar zurückziehen. Dies geschieht heute nicht. Damit zeigt sich, wie stark gerade beim Thema Energie die Nicht-Realos in Ihrer sächsischen Fraktion die Oberhand haben
Der beschlossene Ausstieg aus der Kernenergie bedeutet für Deutschland eine große Herausforderung, die die meisten Menschen in unserem Land in ihren Auswirkungen und Folgen nicht übersehen können – und das unter den geltenden Prämissen Versorgungssicherheit, Verfügbarkeit, verträgliche Preise und unter Beachtung von Nachhaltigkeit und Umweltauswirkungen. Genau in dieser Komplexität holen wir Sie politisch und in der Realität ein.