Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

(Beifall bei den LINKEN – Andreas Storr, NPD: Die LINKEN aber auch nicht!)

Herr Ulbig, auch Ihre Rede, die Sie hier gehalten haben, hat an dieser Einschätzung nichts geändert. Die Vorgänge, über die wir hier sprechen, sind keine normale Ermittlungstätigkeit von Polizei und Staatsanwaltschaft, wie die Regierung zu suggerieren versucht.

(Frank Heidan, CDU: Das war keine normale Situation, Herr Hahn!)

Es geht vielmehr um die systematische Verletzung rechtsstaatlicher Kriterien sowie elementarer Grund- und Freiheitsrechte.

(Andreas Storr, NPD: Beweis das mal! – Zurufe von der CDU)

Ich sage in aller Klarheit, damit Sie auch das wissen: Wir als LINKE lehnen jede Form von Gewalt eindeutig ab.

(Ha, Ha! von der NPD – Andreas Storr, NPD: Schönes Märchen! – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD – Gegenrufe von den LINKEN)

Gewalttaten, gerade wenn sie gegen Polizisten ausgeübt werden, müssen mit aller Entschiedenheit verfolgt und die Schuldigen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

(Beifall bei den LINKEN – Andreas Storr, NPD: Sie sind doch selbst ein Blockierer!)

Die Strafverfolgung ist dabei jedoch an Recht und Gesetz gebunden. Gerade der Staat darf sich nicht alles erlauben. Auch ein noch so vermeintlich guter Zweck heiligt eben nicht alle Mittel.

(Andreas Storr, NPD: Aber die linken Gewalttäter dürfen sich auch nicht alles erlauben! – Stefan Brangs, SPD: Quak, Quak!)

Ebenso klar sage ich: Antifaschistisches Engagement und friedlicher Protest gegen Neonazis dürfen nicht kriminalisiert werden.

(Andreas Storr, NPD: Antifa ist Gewalt! – Stefan Brangs, SPD: Sei still!)

Wir haben allen Grund, den Menschen, die sich am 13. und 19. Februar friedlich an den Protestaktionen gegen die Nazis beteiligt haben, für ihr Engagement ausdrücklich zu danken.

(Beifall bei den LINKEN)

Jene, die vor knapp vier Monaten für Demokratie, Weltoffenheit, Toleranz sowie gegen einen Missbrauch des Gedenkens in Dresden auf die Straße gegangen sind, hätten vermutlich nie für möglich gehalten, dass sie Opfer einer der größten Handy-Ausspähaktionen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland werden würden.

Fakt ist: Die Vorgänge müssen lückenlos aufgeklärt werden, und die wirklich Verantwortlichen auch und gerade in der Politik müssen die notwendigen Konsequenzen ziehen.

Die jetzt bekannt gewordenen Überwachungen sind Ausdruck eines tiefen Misstrauens der Regierung gegenüber der eigenen Bevölkerung. Der ganze Vorgang wurde überhaupt nur dadurch öffentlich, dass der Mitarbeiter einer Bundestagsabgeordneten der LINKEN in seinen Akten Hinweise auf die Handyausspähung gefunden hat. Die Erhebung dieser Daten war eindeutig rechtswidrig, was inzwischen selbst die Staatsanwaltschaft einräumen musste und Herr Ulbig eben auch getan hat. Aber leider war das kein Einzelfall. Dahinter steht offenbar ein systematischer Rechtsbruch, von dem inzwischen mehrere 100 000 Menschen in diesem Land betroffen sind.

Ich meine, dass dies uns alle umtreiben muss, die Koalition ebenso wie die demokratische Opposition. Nach dem, was bislang bekannt geworden ist, wurden allein in diesem Jahr bei den umstrittenen Funkzellenüberwachungen für Ermittlungen im Zusammenhang mit dem 19. Februar sowie wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung mehr als eine Million Datensätze erhoben. Erfasst wurden dabei die Handyanschlüsse von mehr als 330 000 Bürgerinnen und Bürgern. Das ist fast jeder Zehnte der hier in Sachsen lebenden erwachsenen Menschen.

Klaus Bartl hat das am Montag auf den Punkt gebracht: Eine maßgebliche Verantwortung für die flächendeckende Verletzung von Grundrechten trägt die Dresdner Staatsanwaltschaft, denn die von ihr beantragte massenhafte Erfassung von Mobilfunkdaten war weder erforderlich noch zweckmäßig, schon gar nicht geeignet und in jedem Fall unverhältnismäßig.

(Beifall bei den LINKEN – Andreas Storr, NPD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich möchte jetzt keine Zwischenfrage.

Zu dieser Einschätzung kommen inzwischen auch die Datenschutzbeauftragten des Bundes wie des Landes.

Die Abberufung des Dresdner Polizeipräsidenten war wohl notwendig, aber klar ist auch, dass Herr Hanitsch mit der Entscheidung zur Ausspähung der Handydaten nach jetzigem Stand relativ wenig zu tun hatte. Für diese völlig überzogene und wohl auch rechtswidrige Maßnahme fehlen bislang jegliche personelle Konsequenzen. Die politische Verantwortung dafür tragen ohne Zweifel die Staatsminister für Inneres und Justiz, und es sind bekanntlich in Deutschland Minister schon wegen weit geringerer Vorkommnisse von ihrem Amt zurückgetreten.

Ich denke, das, was wir bislang wissen, ist vermutlich nur die Spitze eines dicken Eisberges. Wir bleiben dabei: Wir fordern eine lückenlose Aufklärung der Vorgänge, und wir

verlangen, dass der Ministerpräsident hier vor diesem Parlament Rede und Antwort steht. Andernfalls werden wir, Herr Präsident, auch über eine Sondersitzung des Landtages noch vor der Sommerpause entscheiden müssen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN – Andreas Storr, NPD, steht am Mikrofon.)

Herr Storr, Sie wollen vom Interventionsrecht Gebrauch machen?

Bitte, eine Kurzintervention am Mikrofon 7. Bitte, Herr Storr.

Ich bin schon sprachlos – –

(Heftiger Protest bei den LINKEN und der SPD – Stefan Brangs, SPD: Wir sind nicht sprachlos!)

Herr Storr macht jetzt vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch, auf das dann reagiert werden kann.

(Stefan Brangs, SPD: Wir sind nicht sprachlos!)

Ich bitte um Aufmerksamkeit.

Ich bin nicht im wörtlichen Sinne sprachlos, sondern ich wollte auf eine Feststellung hinweisen, dass die Regierungsfraktionen erstaunlich sprachlos sind. Dass sie diesen Falschbehauptungen nicht entgegentreten, die die Linksfraktion vorgetragen hat, zeigt mir eigentlich nur, dass sie überhaupt keinen politischen Biss mehr haben, dass sie wahrscheinlich nicht nur in der Atomfrage, sondern in allen anderen politischen Fragen inzwischen tatsächlich den LINKEN in diesem Lande hinterherlaufen. Das halte ich für sehr bedenklich.

Im Übrigen, Herr Hahn, ist Ihnen eigentlich bekannt, ob es schon einen Unterschied gibt, ob ich Daten erhebe oder sie ausspähe? Da sollten Sie gründlicher formulieren. Denn wenn ich Daten erhebe, heißt es noch lange nicht, dass ich die Daten auch ausspähe. Ich muss mich schon sehr wundern. Ich selbst war auch Teilnehmer der Sondersitzung des Innen- und des Rechtsausschusses. Dort ist ganz dezidiert auch von der Ministerialverwaltung erklärt worden, wie genau mit diesen Daten umgegangen worden ist. Ich kann nicht aufgrund der mir vorliegenden Informationen, auch aufgrund der Stellungnahme der beiden verantwortlichen Minister, feststellen, dass hier in irgendeiner Weise gegen Gesetze verstoßen wurde, dass hier ein unangemessenes Verhalten vorlag. Was Sie betreiben, ist Demagogie; denn Ihnen geht es ja um die Kriminalisierung der Polizei und der Staatsanwaltschaft, und die wahren Kriminellen, die linken Gewalttäter, wollen Sie letztendlich freisprechen!

(Beifall bei der NPD)

Das ist der Grund, weshalb wir heute auch auf Ihren Antrag hin diese Aktuelle Debatte führen.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Herr Dr. Hahn, möchten Sie reagieren? – Nein.

(Andreas Storr, NPD: Der kann nicht mehr!)

Das war der erste Redner in der ersten Runde. Jetzt hat die CDU-Fraktion das Wort. Herr Abg. Bandmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Freiheit für unser Land, unseren Rechtsstaat schützen und keine Gewalt, das waren die Thesen, die ich meiner Rede am 23. März in Auswertung der Ereignisse des 19. Februar und des 13. Februar vorangestellt habe.

Herr Hahn, ich hätte mir gewünscht, dass die Linkspartei und die Linksfraktion diesen Gewaltverzicht bereits vor dem 13. Februar abgegeben hätten. Wir werden Sie genau daran messen, ob Sie als LINKE in Zukunft diesen Gewaltverzicht hier im Parlament nur erklären oder ob Sie genau für die Klientel, wofür Sie die politische Verantwortung tragen und deren politischer Arm Sie sind, am Ende hier Wort halten.

(Beifall bei der CDU – Höhnisches Lachen bei den LINKEN)

Staatsminister Ulbig hat diese Woche im Innenausschuss acht Stunden sehr seriös Rede und Antwort gestanden und ist auch von dem Genossen Bartl in seinen Zwischenfragen nicht in die Falle gegangen, dass so lange gefragt wurde, bis möglicherweise die passende Antwort kommt,

(Höhnisches Lachen bei den LINKEN)