Ich gebe Ihnen diesbezüglich recht; das ist überhaupt keine Frage. Aber irgendwie muss auch das Geld aufgebracht werden. Sie können diese Dinge doch nicht immer so auseinanderpflücken. Der Gesamthaushalt der Stadt, die das als Kommune bezahlt, wird irgendwann aufgestellt. Wenn die Stadt gewisse Mittel in die Haushaltsstellen „Eingliederungshilfe“ oder „Maßnahmen der Hilfe zur Erziehung“ einstellt und es ihr nicht egal ist, ob unter dem Strich plus minus null steht, die Ausgaben also durch die Einnahmen gedeckt sind, dann kann sie die Gelder, die sie für HzE einstellt, nirgendwo anders einstellen bzw. ausgeben. Diese Tatsache muss man doch einmal akzeptieren, auch wenn es – insoweit gebe ich Ihnen recht – den Rechtsanspruch darauf gibt.
Ich möchte verdeutlichen, worum es eigentlich geht. Ich finde es schade, dass sich die Debatte wieder zu einer Abrechnung mit der gesamten Sozialpolitik des Freistaates, die so unsozial definitiv nicht ist, entwickelt hat. Die SPD-Fraktion fordert, dass der Freistaat Sachsen letztlich für ausgefallene Gelder aus Bundesprogrammen einspringt. Ich sage Ihnen noch einmal klipp und klar: Das ist nicht der richtige Weg, und das wird es mit uns nicht geben.
Das, was Frau Herrmann in Ihrer Kurzintervention unterstellt hat, weise ich ausdrücklich zurück. Der Freistaat Sachsen hat in der Vergangenheit im sozialen Bereich laufende Förderprogramme mit zugesicherten Mitteln definitiv nicht gekürzt. Ich gehe davon aus – die Sozial
ministerin ist nicht da, aber die entsprechenden Stellen werden den Appell sicherlich mitnehmen –, dass wir auf solche Ideen erst gar nicht kommen.
Richtig, Herr Präsident. Die Kurzintervention ist notwendig, weil Herr Kollege Schreiber unseren Antrag nicht richtig gelesen hat oder nicht richtig lesen wollte. Darin fordern wir bewusst nicht die Kompensation der ausfallenden Bundes- oder ESFMittel. Wir wollen die Staatsregierung vielmehr auffordern, „ein eigenes Landesförderprogramm zur Unterstützung von Maßnahmen zur Förderung benachteiligter Jugendlicher zu entwickeln“. Das ist bewusst kein Kompensationsprogramm, sondern es geht darum, die positiv evaluierten Maßnahmen in einem eigenen Förderprogramm umzusetzen. Ich wiederhole: Dabei geht es nicht um ausfallende Bundesmittel oder um ausfallende ESFMittel, die der Bund weitergereicht hat.
Danke, Herr Präsident. – Da ich davon ausgehe, dass Herr Schreiber einen Teil dessen, was ich gesagt habe, missverstanden hat, möchte ich es noch einmal verdeutlichen. Die Staatsregierung stellt in ihrer Stellungnahme fest, der Bund oder die Kommunen seien zuständig, versetzt die Kommunen aber nicht in die Lage, ihre Zuständigkeit in vollem Umfang wahrzunehmen. In diesem Zusammenhang habe ich auf die Jugendpauschale verwiesen.
Damit sage ich aber nicht: „Alles Mist! Die Jugendpauschale ist gekürzt, und wir können nichts machen.“ Ich leite aus dieser Entwicklung vielmehr die Schlussfolgerung ab – ich habe zitiert; das ist nicht nur meine Meinung, sondern es gibt auch etliche Studien, die darauf verweisen –, dass die Förderprogramme, die wir haben, zu einem Gesamtkonzept zusammenzusetzen sind. Das muss nicht notwendigerweise teurer werden, aber es bedeutet, dass die Staatsregierung ihrer Gesamtverantwortung auch für diesen Bereich gerecht werden muss und diese Verantwortung nicht auf andere abschieben darf. Dass daraus in einigen Jahren sogar eine Kosteneinsparung resultieren kann, wenn es gut läuft, habe ich auch zitiert.
Sie haben vorhin angemerkt, Sie hätten ein Problem damit, dass keine Zahlen vorlägen. Zu den Maßnahmen,
die Sachsen durchführt, liegen auch deshalb keine Zahlen vor, weil völlig unkoordiniert zahlreiche Programme nebeneinanderlaufen und wir nicht wissen, welches Programm welchen Erfolg tatsächlich bringt.
Dieses Konzept fordern wir von der Staatsregierung. Dafür ist sie verantwortlich. Sonst wäre ein Teil dessen vielleicht tatsächlich herausgeworfenes Geld – insoweit gebe ich Ihnen recht –, weil wir das Ziel nicht erreichen.
Ja. – Frau Herrmann, ich denke, wir sind in der Sache gar nicht so weit voneinander entfernt. Wir sagen nur – das möchte ich klarstellen –: Bevor solche Programme nicht evaluiert sind und veritable Zahlen nicht vorliegen, um feststellen zu können, was sie jeweils gebracht haben, kann man sich hier nicht hinstellen und fordern, der Freistaat solle quasi als Nachfolger in bestimmte Programme oder Modellprojekte des Bundes eintreten. Ich zitiere aus der Begründung des Antrags: „Damit“ – mit dem Auslaufen der Förderung – „werden zahlreiche erfolgreiche Projekte zur Förderung von Schulverweigerern und Jugendlichen ohne Ausbildungs- und Berufsperspektive nicht mehr fortgesetzt werden können.“
Daraus ergibt sich letzten Endes Ihre Forderung, der Freistaat Sachsen solle bitte darüber nachdenken, wie er in ausgelaufene Programme einsteigen könne. Ich sage Ihnen klipp und klar: Das ist genauso wie mit den Mehrgenerationenhäusern; die Kommunen erwarten, dass der Freistaat sich mit ihnen an einen Tisch setzt. Hier muss sich vor allem der Bund mit den Beteiligten an einen Tisch setzen und darüber beraten, wie es nach Auslaufen der Bundesförderung weitergeht.
Wir erleben in vielen Bereichen – das kritisieren wir auch –, dass Modellprojekte angeschoben werden und die Kommunen sich dann – zu Recht – beschweren, dass der Bundesgesetzgeber plötzlich entscheidet, zum Beispiel nur noch 30 000 Mehrgenerationenhäuser zu fördern. Über die restlichen 10 000 sollen sich dann die Kommunen bzw. die Länder Gedanken machen. Das kann es unserer Meinung nach nicht sein.
Ja. – Das heißt nicht, dass wir uns nicht darüber Gedanken machen müssten, was nach Ende der ESF-Förderperiode mit den Projekten, die aus ESF-Mitteln finanziert werden, passiert.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich frage, ob noch ein Abgeordneter das Wort wünscht. – Frau Klepsch.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Kollege Schreiber, Ihre Antwort auf die Kurzinterventionen veranlasst mich, ein paar Dinge doch noch einmal festzustellen.
Erstens. Es geht hier nicht darum, sich grundsätzlich an der Sozialpolitik des Freistaates abzuarbeiten. Die Kollegen von der SPD versuchen, den Finger in eine Wunde zu legen. Das ist ein Bereich, in dem das Sozialministerium seiner Verantwortung in der Tat nicht gerecht wird.
Herr Schreiber, Sie haben gefordert, die verschiedenen Modellprojekte, die im Land laufen, zu evaluieren. Dazu gehören auch diejenigen, die als Bundesprogramme hier im Land stattfinden. Ich betone: Es geht um die Jugendlichen. Wir müssen schauen: Wie laufen die verschiedenen Programme nebeneinander? Wer wird erreicht? Wie sinnvoll ist das Geld eingesetzt? Genau das wird unter Punkt I des Antrags eingefordert.
Herr Schreiber, wenn Sie Ihrer eigenen Argumentation tatsächlich folgen würden, müssten Sie Ihrer Fraktion jetzt empfehlen, zumindest dem ersten Punkt, der den Bericht einfordert, zuzustimmen. Erst dann, wenn wir ihn bekommen und die Informationen darüber, was auf diesem Gebiet im Freistaat Sachsen passiert, nicht erst über Kleine Anfragen zusammenpuzzeln müssen, haben wir eine Grundlage, auf der wir darüber debattieren können, ob es sinnvoll ist, ein Landesförderprogramm für benachteiligte Jugendliche aufzulegen.
Ein weiterer Aspekt spielt hier mit hinein. Wir warten auf den Vierten Kinder- und Jugendbericht des Freistaates. Bis heute gibt es kein Signal aus dem Sozialministerium, welche Zeitschiene man sich vorstellt, wer beteiligt werden soll, ob es eine Kommission gibt. Wir wissen nur, dass zumindest Gelder dafür eingestellt sind.
Wenn wir wüssten, wann der nächste Bericht kommt und dass er den genannte Aspekt aufgreift, dann hätten wir eine Datenbasis, auf der wir weiter diskutieren könnten.
kann ich nicht erkennen. Wünscht ein Abgeordneter in einer dritten Runde zu sprechen? – Das kann ich auch nicht erkennen. Jetzt spricht Staatsminister Kupfer für die Staatsregierung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Ausgangsbedingungen des Antrages sind zum einen überholt, zum anderen würden mit einem eigenen Landesförderprogramm Zuständigkeiten und Aufgabenstellungen verwässert. Lassen Sie mich diese beiden Punkte kurz erläutern.
Zum ersten Punkt: Die von der SPD befürchtete Beendigung der Bundesförderung sächsischer Projekte zum 31. August 2011 tritt nicht ein. Staatsministerin Clauß hat sich auf Bundesebene damit durchgesetzt, dass die Projekte wie bisher bis Ende 2013 fortgeführt werden. Die Bewerbungen der Träger dazu laufen. Es ist anzunehmen, dass alle sächsischen Projekte für die Programme „Kompetenzagenturen“ und „Schulverweigerung – Die 2. Chance“ weiter gefördert werden.
Zum zweiten Punkt: Klar ist – und dies muss auch so beibehalten werden –, dass sowohl die Bundes- als auch die Landesförderung über den ESF in der Regel gegenüber anderen Zuständigkeiten nachrangig zu leisten sind; denn die Staatsregierung kann keine Ausbildungs- und Beschäftigungsplätze für junge Menschen in sächsischen Unternehmen schaffen, auch nicht mit umfangreichen Landesförderprogrammen. Das können nur die Unternehmen selbst.
Hinzu kommt, dass über die Sozialgesetzbücher II, III und XII individuelle Leistungsansprüche bestehen. In diese Leistungsansprüche sollte die ergänzende Landesförderung für benachteiligte und beeinträchtigte junge Menschen auch nicht eingreifen. Wir haben klare Zuständigkeiten und klare Förderregeln. Das muss auch so bleiben.
Dass sich der Freistaat Sachsen hier nicht aus der Verantwortung stiehlt, wird auch an den Zahlen deutlich, die vom Sozialministerium in der Stellungnahme zum Antrag aufgeführt sind. Vor allem die Bereiche Jugendberufshilfe und Produktionsschulen sprechen eine deutliche Sprache. Diese Schwerpunkte werden bis zum Ende der laufenden ESF-Förderperiode 2013 beibehalten.
Die beiden zuständigen Ressorts, das Sozialministerium und das Staatsministerium für Kultus und Sport, sind bestrebt, diese Vorhaben fortzuführen, also über das Jahr 2013 hinaus in der neuen Struktur von Förderperioden. Dass heute dazu noch nichts Definitives gesagt werden kann, liegt in der Konstruktion des ESF selbst begründet. Das wissen Sie genauso gut wie ich.
Über die genannten Förderungen hinaus gibt es weitere Aktivitäten des Landes, um die Situation junger Menschen mit Beeinträchtigungen zu verbessern. Erinnert sei dazu allein im Bereich des SMS an die Möglichkeiten, die Jugendpauschale für Maßnahmen der Jugendberufshilfe oder zur Schulsozialarbeit zu verwenden.
Mit dem Antrag der SPD, meine Damen und Herren, wird wieder einmal der sozialpolitische Eindruck vermittelt, am Ende werde es der Staat schon richten. In der augenblicklichen Situation auch in Sachsen wäre dies ein falsches Signal an unsere sächsische Jugend. Junge Menschen müssen selbst Verantwortung übernehmen, einen möglichst guten Schulabschluss machen, sich selbst eine Lehrstelle und eine Beschäftigung suchen, sich selbst anstrengen und nicht die Hände in den Schoß legen.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Ich weiß, dass das jetzt schwierig ist für Sie, Herr Minister Kupfer. Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen das nicht ersparen.
Ich frage Sie: Warum kofinanziert das Land Fördermaßnahmen für benachteiligte Jugendliche, die aus ESFMitteln finanziert werden, wenn es nicht die Aufgabe des Staates ist, Jugendliche zu fördern, sondern die Aufgabe der Jugendlichen selbst?