die Chance, über die Straffung der Strukturen und über den Verzicht auf unnötige Ausgaben nachzudenken.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die „FAZ“ überschrieb dieser Tage einen Artikel „Teheran, Damaskus, Minsk – Dresden“. Es war die „FAZ“, das konservative Leitmedium schlechthin. Nun betraf der Vergleich der sächsischen Zustände mit arabischen, iranischen und belorussischen Verhältnissen zwar die Polizeiüberwachung der Bürgerinnen und Bürger im Bereich moderner Kommunikationsmittel und hat mit dem heutigen Thema nur mittelbar etwas zu tun. Aber natürlich wissen wir, dass die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger und die Freiheit der Medien in einem engen Zusammenhang stehen. Deshalb sind die sieben Punkte, die uns heute CDU und FDP so en passant zur Beschlussfassung vorschlagen, eben nicht banal. Sie berühren die Rundfunkfreiheit elementar.
Was Herr Staatsminister Beermann uns unter der Überschrift „Neujustierung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags“ vorgelegt hat, verstehe ich als einen versteckten Angriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – so weit, so schlecht. Das ist meine Einschätzung. Ich halte es für notwendig, diesen Ansatz außerordentlich kritisch zu diskutieren. Wir werden das tun; ein entsprechender Antrag von uns als Fraktion DIE LINKE liegt vor.
An die Stelle des versteckten Angriffs von Herrn Staatsminister Beermann ist aber nunmehr der offene Angriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Gestalt des CDU/FDP-Antrags getreten. Ich gestehe, Herr Herbst: Die Ausführungen, die Sie hier gemacht haben, machen mir Angst.
Sehr geehrte Damen und Herren! Begründet aus der deutschen Geschichte, hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen besonderen Status. Gestützt von vielen wichtigen Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, sollen ihn zwei Merkmale auszeichnen: erstens die Freiheit von staatlicher oder parteipolitischer Einflussnahme in die Programmgestaltung und zweitens die weitreichende Unabhängigkeit vom freien Wirken der Marktmechanismen, welche erfahrungsgemäß zur Einflussnahme wirtschaftlicher Macht und zur allgemeinen Verflachung des Programmangebots führen. Beides haben Sie mit Ihrem Antrag infrage gestellt. Erstens wollen Sie hier per Mehrheitsentscheidung im Parlament Fragen der Programmgestaltung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk entscheiden, und zwar in den Punkten 1 bis 4 Ihres Antrages. Zweitens wollen Sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugunsten privater Medien schwächen, ebenfalls in den
Punkten 1 bis 3, vor allem aber in den Punkten 4 bis 6 Ihres Antrages. Beides ist für uns völlig inakzeptabel.
Wie nicht anders zu erwarten, versuchen Sie die Einflussnahme auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk über den Geldhahn. Das entspricht Ihrer Denkweise. Staatsminister Beermann hat für sein Programm die Überschrift „Beitragsstabilität“ gewählt. Die Überschrift klingt bürgerfreundlich, plausibel und scheinbar unverdächtig. Der Ton des Koalitionsantrages ist nicht so rücksichtsvoll. Wenn von der – ich zitiere – „Prüfung auf Einsparpotenziale“ die Rede ist, dann fühlen wir uns alle an die Sparorgien im Bereich der Kultur, der Bildung, der Kinder- und Jugendhilfe oder auch der Wissenschaft erinnert. Es begann immer mit der Suche nach vermeintlichen Einsparpotenzialen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt nur einen Unterschied: Anders als die genannten Bereiche hängt der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht unmittelbar am Geldhahn des Landtages oder der Staatsregierung.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird von den Bürgerinnen und Bürgern unmittelbar über Rundfunkgebühren finanziert.
Über deren gerechte Gestaltung, Herr Piwarz, werden wir hier noch zu reden haben. Wir haben dazu auch dezidiert andere Vorschläge als Sie. Heute haben wir aber ein anderes Thema auf der Tagesordnung.
Über die Höhe der Rundfunkgebühren können wir auch nicht so einfach entscheiden. Da gibt es eine unabhängige Kommission, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, welche zu ermitteln hat, welche Rundfunkgebühren tatsächlich erforderlich sind. Es ist – ich betone das – eine unabhängige Kommission. Sie hat die Aufgabe, kritisch zu prüfen. Sie soll sowohl eine Geldverschwendung in den öffentlich-rechtlichen Anstalten als auch eine systematische Unterfinanzierung des Rundfunks verhindern.
Die Programmkonsequenzen, die sich aus der Begrenzung des Budgets für die Rundfunkanstalten durch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs ergeben, müssen die Rundfunkanstalten in eigener Verantwortung ziehen und diese dann umsetzen. Das verlangt die Programmautonomie. Dafür gibt es immerhin die Kontrollgremien, zum Beispiel des MDR. In denen ist die Koalition übrigens ohnehin schon weitaus stärker vertreten, als es für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gut ist. Ich komme darauf zurück.
Dennoch wollen Sie jetzt den direkten Durchgriff. Ich erlaube mir einmal, die Argumentationslinien des Beermann-Papiers auf ihre Plausibilität zu prüfen. Sie wurden sowohl von Herrn Clemen als auch von Herrn Herbst hier
schon dargelegt. Nehmen wir das beliebte Argument, ob es denn wirklich sein müsse, dass zwei öffentlichrechtliche Anstalten zwei unterschiedliche Neujahrskonzerte von zwei unterschiedlichen Klangkörpern übertragen. Für Herrn Beermann ist es ein Riesenproblem. Bei einigem Nachdenken merkt man jedoch: Das ist Unsinn. Bewiesen ist damit nur, dass sich das Sendeformat Neujahrskonzert großer Beliebtheit bei den Zuschauern erfreut. Die eigentlichen Kosten entstehen durch den dauerhaften Unterhalt der Klangkörper. Ein Neujahrskonzert mehr oder weniger ist nicht der entscheidende Kostenblock. Sie argumentieren immer über die Kosten.
Nehmen wir ein weiteres Beispiel, die britische Prinzenhochzeit. Ich gebe Ihnen vollkommen recht, dass die Übertragung dieses royalistischen Kitsches auf vielen Kanälen ausgesprochen lästig war.
Dankbar muss man sein, dass es im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wenigstens noch den Ereigniskanal Phoenix gab, der an diesem Tag als Programmschwerpunkt den „Tag der Republik“ ausgerufen hat, eine – wie ich finde – sehr angemessene und einem demokratischen Rundfunk würdige Reaktion, die wohl auch ganz erfolgreich war.
Ich halte die Übertragung des Kitsches für eine falsche Programmentscheidung, aber ich werde mich als Parlamentarier nicht in Programmentscheidungen einmischen.
Kommen wir zu den großen Brocken in der Argumentation: der Rekrutierung des Spitzenpersonals im Showbereich und dem Erwerb wichtiger Sportübertragungsrechte. Welche Heuchelei! Sie hätten uns doch sofort auf Ihrer Seite, wenn es um die Begrenzung von Fantasiegagen oder wenigstens um eine ordentliche Besteuerung solcher Einkommen gehen würde.
Ich denke, es ist vor allem DIE LINKE, die immer wieder verlangt, dass dem Reichtum Grenzen zu setzen sind. Selbstverständlich wären wir sofort dafür zu gewinnen, dass der Profifußball nicht einerseits aus der öffentlichen Hand subventioniert werden kann und anderseits Fantasiebeträge für die Übertragungsrechte nimmt.
Aber dafür plädieren Sie natürlich nicht. Sie wollen den Millionenbeträgen keine Grenzen setzen. Sie wollen an dieser Stelle nur den Privatrundfunk von der Konkurrenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks befreien.
(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf der Abg. Christian Piwarz, CDU, und Torsten Herbst, FDP)
Wir aber sagen: Die Gebührenzahler des öffentlichrechtlichen Rundfunks haben Anspruch darauf, die aktuellen Stars des Showbusiness zu sehen und auch die attraktivsten Fußballspiele, egal in welcher Liga. Wir sind bereit, dem Wucher auf diesem Gebiet Grenzen zu setzen, aber wir sind nicht bereit, das öffentlich-rechtliche gegenüber dem privaten Fernsehen zu schwächen.
Dann wollen Sie wiederum unter dem irreführenden Begriff der Beitragsstabilität die Zahl der Digitalkanäle und Internetangebote beschränken. Was heißt das denn im Zeitalter der Digitalisierung und der Internetkommunikation, in dem die klassischen technischen Grenzen zwischen den Mediensparten Print, Hörfunk und Fernsehen verschwinden? Das ist genauso, als wenn Sie einem öffentlichen Nahverkehrsunternehmen verbieten würden, moderne, komfortable und energiesparende Fahrzeuge einzusetzen, oder wenn Sie öffentlichen Krankenhäusern verbieten würden, modernste Medizintechnik zum Einsatz zu bringen. Ein solches Verständnis von Grundversorgung läuft langfristig auf die Zerstörung des öffentlichen Sektors hinaus. Das ist beim öffentlichen Rundfunk nicht anders. Nicht umsonst drehen die Lobbyisten der privaten Medien kräftig an diesem Rad.
Ich nenne noch einen weiteren Kritikpunkt des Gebührenzahlers. Natürlich gibt es keinerlei Verständnis, dass Millionenbeträge unbemerkt verschwendet oder gar veruntreut werden können. Hier haben die Kontrollmechanismen und die Kontrollgremien, die beim MDR nun einmal mehrheitlich „schwarz“ besetzt sind, eindeutig versagt. Über die Erfordernisse demokratischer Kontrolle muss auch hier neu nachgedacht werden. Für uns ist es keine akzeptable Alternative, dem MDR oder anderen öffentlich-rechtlichen Sendern die notwendigen Mittel für seine technische Weiterentwicklung mit dieser Argumentation zu verweigern.
Sehr geehrte Damen und Herren! Nach Lage der Dinge werden Sie den Antrag mit Ihrer Mehrheit heute beschließen. Das können wir nicht verhindern. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass in der Öffentlichkeit daraufhin – ebenso wie bei der massenhaften Handyüberwachung – alle Alarmglocken läuten werden, damit wir am Ende nicht – und damit schließe ich den Kreis – bei Zuständen wie in Teheran, Damaskus oder Minsk landen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie wir jetzt schon von den Koalitionären hören konnten und der heutigen „LVZ“ entnehmen durften, wollen Sie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk jetzt mal wieder richtig zeigen, wo der viel gerühmte Hammer hängt, wie der verschwenderische öffentlich-rechtliche Rundfunk funktioniert und dass man ihm Einhalt gebieten muss.
Aber mal ehrlich, warum wollen Sie diesen Antrag eigentlich wirklich? Was steckt dahinter? Ist es eine Morgengabe an die FDP, die eigentlich immer etwas anderes bei der Umstellung der Rundfunkgebühr wollte, die die Pro-Kopf-Abgabe wollte, sich aber nicht durchsetzen konnte? Wenn ich mich recht erinnere, hat auch der Dampfplauderer der FDP-Bundestagsfraktion, Herr Burkhardt Müller-Sönksen, der Medienpolitiker, gesagt: Ja, mit den Sachsen bekommen wir das hin. Wir werden das verhindern. Das ist ja nicht abzusehen. Das heißt, es ist ein Zugeständnis an die FDP, damit man vielleicht der Rundfunkgebührenreform zustimmen kann? Oder ist es eine Reaktion auf den Antrag der LINKEN, der vorliegt? Das ist ein Antrag, der – wie ich finde – sich mit der Problemlage der AG Beitragsstabilität richtig befasst. Oder dient es vielleicht dazu, Johannes Beermann zu unterstützen und ihm und Ihnen einen Erfolg zu organisieren, der Ihnen gar nicht zusteht?
Denn es ist schon lange klar, dass der Beitrag nicht steigen wird. Es ist doch zwischen Sendern und Ministerpräsidenten schon lange ausgemachte Sache, dass mit der Rundfunkgebührenreform kein höherer Beitrag für die Bürgerinnen und Bürger herauskommen wird.
Es liegt daran, dass bei dieser – richtigerweise – Umstellung, bei dieser angestrebten Reform, bei der Umstellung auf die Haushaltsabgabe durch immer wieder steigende Haushalte in der Bundesrepublik trotz teilweise abnehmender Bevölkerung eben auch Mehreinnahmen herauskommen werden. Deshalb kann man sich das leisten. Deshalb kann man auch mit einer Beitragsstabilität hausieren gehen.
Egal, was genau die Begründung ist: Der Antrag ist auch handwerklich schlecht gemacht. Über Programmredundanzen haben wir uns schon ausgelassen. Wenn es Ihnen wirklich nur um die Kosten geht, dann ist natürlich klar – das kann man immer wieder anführen; das ist polemisch und einfach –: Die Redundanzen – William und Kate – sind schon angesprochen worden. Aber da müssen Sie auch – ganz sachlich und ruhig – sehen, dass die Doppelübertragung einer solchen Hochzeit die kostengünstigste Art der Übertragung ist und an diesem Tag für beide Sender auch war, weil man eben keine Rechte oder weiteres Personal an anderen Stellen einsetzen musste.