Protokoll der Sitzung vom 14.09.2011

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Zentrum der Diskussion steht nicht zufällig das Orchester. Auch wenn die sträfliche Zerschlagung des Orchesters der Landesbühnen besiegelt wurde, gibt es dennoch Handlungsspielraum, um den Übergang der Beschäftigten vom Freistaat zum privaten Träger zumindest sozialverträglich zu gestalten. Die Gewerkschaften fordern zu Recht eine faire Lösung über Personalübergangsverträge. Das SMWK jedoch blockiert und besteht auf der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestregelung eines Betriebsüberganges, der den Musikern aber keinerlei Sicherheit für den Fall einer Insolvenz bietet.

Derzeit sieht es so aus, als ob Gespräche mit der Deutschen Orchestervereinigung in Gang kommen könnten. Wenn es aber nicht zu Verhandlungsergebnissen kommt, wenn dann die Rahmenvereinbarungen zwischen Novum GmbH, Kulturraum und Freistaat platzen, dann droht der Freistaat unweigerlich mit Kündigungen. Das erpresserische Vorgehen wird also unbeirrt fortgesetzt.

Werte Damen und Herren von der CDU/FDP-Koalition! Das ist das Ergebnis Ihrer Haushaltsbeschlüsse. Sie haben die Entlassung der Landesbühnen aus der Trägerschaft des Freistaates beschlossen. Sie haben die Kulturraummittel um 3,7 Millionen Euro beschnitten und dadurch weitere Kultureinrichtungen in Sachsen in Gefahr gebracht. Sie tragen jetzt auch die Verantwortung für die Folgen Ihrer Beschlüsse. So leicht, wie Sie sich dem in Ihren heutigen Reden entziehen wollten, Frau Fiedler und Herr Tippelt, so leicht werden wir es Ihnen nicht machen!

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN, der SPD und der NPD)

Frau Staatsministerin von Schorlemer, auch Ihr Ministerium muss seine Verantwortung für die Beschäftigten des Staatsbetriebes Landesbühnen wahrnehmen, statt einfach auf die Novum GmbH als zukünftige Arbeitgeberin zu verweisen. Sie handeln offensichtlich nach dem Spardiktat von Finanzminister und CDU/FDP-Koalition.

Durch das riskante wie brachiale Vorgehen bei der Umstrukturierung der Landesbühnen wird mit Sicherheit Schaden für die sächsische Musik- und Theaterlandschaft eintreten. Ich fordere Sie auf: Nutzen Sie alle Ihre Steuerungsmöglichkeiten, um diesen Schaden zumindest zu begrenzen!

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprach der Abg. Gerstenberg. – Als Nächster spricht für die NPD-Fraktion der Abg. Gansel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der fortgeschrittenen Zeit und der noch vollgepackten Tagesordnung werde ich meine Rede zu Protokoll geben. Ich möchte allerdings noch darauf hinweisen, dass die NPD-Fraktion den vorliegenden Antrag der SPD selbstverständlich unterstützt, weil auch wir nicht wollen, dass die Landesbühnen zum Steinbruch der Finanzpolitiker der Regierungskoalition werden.

Wie Sie sicherlich wissen, haben sich die NPD-Kreisräte in den Kreistagen Meißen und Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge genauso positioniert. Sie sind in den entsprechenden Kreistagssitzungen für einen weitestgehenden Bestandsschutz der Landesbühnen eingetreten. Insofern ist es für uns auch im Landtag klar, dass wir den vorliegenden Antrag unterstützen.

(Beifall bei der NPD)

Das war die erste Rednerrunde, die wir damit absolviert haben. Die Rede wird zu Protokoll gegeben.

Gibt es jetzt Redebedarf in einer zweiten Runde? – Das ist nicht der Fall. Damit hätte die Staatsregierung das Wort. Danach folgt das Schlusswort. Ich bitte Sie, Frau Staatsministerin von Schorlemer, zum Mikrofon.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem Haushaltsgesetz 2011/2012 hat dieses Hohe Haus unter anderem festgelegt, dass bis zum Ende des II. Quartals dem zuständigen Fachausschuss ein Konzept für die Umstrukturierung und die Profilierung der Landesbühnen Sachsen vorzulegen ist. Dieser Verpflichtung bin ich mit Schreiben vom 27. Juni 2011 an den Vorsitzenden des Ausschusses für Wissenschaft, Hochschulen, Kultur und

Medien nachgekommen. Die mit dem vorliegenden Antrag gewünschten Informationen sind darin enthalten.

Ich habe ein Konzept vorgelegt, welches dem Ziel der Sicherung eines angemessenen kulturellen Angebots in den ländlichen Kulturräumen verpflichtet ist. Das war möglich durch das Engagement der Stadt Radebeul und der beiden Landkreise. Deshalb danke ich an dieser Stelle ausdrücklich noch einmal Herrn Oberbürgermeister Wendsche und den Landräten Geisler und Steinbach für ihr Bekenntnis zur gemeinsamen Verantwortung für die Landesbühnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Landesbühnen Sachsen haben ihr Aufgabenfeld in den ländlichen Kulturräumen, wo ansonsten kein hinreichendes Theaterangebot vorhanden ist. Die Landesbühnen sollen vor allem in jenen Kulturräumen mit Aufführungen präsent sein, in denen kein vom Kulturraum gefördertes Theaterensemble existiert. Das sind der Kulturraum Meißen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und der Kulturraum Leipziger Raum.

Des Weiteren sind diesem Aufgabenspektrum auch Ergänzungen in den anderen Kulturräumen zur Abrundung des dortigen kulturellen Angebots zuzurechnen, die sich zum Beispiel auf bestimmte Sparten oder auch auf bestimmte Aufführungsformen beziehen. Hierzu gehört auch die mit den Verantwortlichen in der Region abgestimmte Beteiligung an der Bespielung von Häusern ohne Ensemble.

Die Landesbühnen werden zukünftig ihre Inszenierungen und ihre Aufführungspraxis deutlich stärker als bisher auf diese Aufgaben ausrichten müssen. Es muss eine strikte Orientierung am Bedarf in den ländlichen Kulturräumen hinsichtlich des Umfangs und der künstlerischen Ausdrucksformen erfolgen. Die Landesbühnen werden aber auch weiterhin mit ihrem Stammhaus die Funktion eines Stadttheaters in Radebeul ausfüllen und die Freiluftsaison auf der Felsenbühne Rathen prägen.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! „Mobiles Theater für Sachsen“ – so hat das Theater seine künstlerische und organisatorische Profilierung überschrieben und in zwei Workshops mit Fachkollegen und Fachpolitikern intensiv diskutiert. Der designierte Intendant Manuel Schöbel, welcher am 1. Oktober 2011 die künstlerische Leitung des Hauses übernimmt, wurde einbezogen. Ein Schwerpunkt dieses Konzeptes soll die Kinder- und Jugendarbeit in den ländlichen Regionen sein. Aus dieser inhaltlichen Profilierung und aus den Vorgaben des Haushaltsgesetzes 2011/2012 sind die strukturellen Veränderungen abgeleitet.

Die Aufgaben der Bereiche des Schauspiels, des Musiktheaters – ohne Orchester –, der Technik, der Ausstattung und der Verwaltung des Staatsbetriebes Landesbühnen Sachsen werden ab 1. August 2012 von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, also einer Theater GmbH, übernommen, welche über kein eigenes Orchester verfügt. Der Freistaat Sachsen gründet diese Theater GmbH

zunächst als Alleingesellschafter. Das Orchester der Landesbühnen Sachsen soll mit Wirkung vom 31. Juli 2012 aufgelöst werden. Beginnend mit dem 1. August 2012 wird die Novum, die neue Orchesterverwaltung und Marketing mbH, das für den Betrieb des Musiktheaters der Theater GmbH erforderliche Orchester stellen. Des Weiteren ist eine gesellschaftsrechtliche Verbindung zwischen der Novum GmbH und der Theater GmbH angestrebt, auch zur Vermeidung der Umsatzsteuer.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Kulturpflege ist eine gesetzliche Pflichtaufgabe der Kommunen. Die Kulturräume unterstützen die Träger kommunaler Kultur bei ihren Aufgaben von regionaler Bedeutung, insbesondere bei deren Finanzierung und Koordinierung. Die Gewährleistung eines angemessenen Angebotes an Theater- und Konzertveranstaltungen ist somit eine kommunale Aufgabe. Die Kommunen haben dabei im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts einen weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraum. Auch die Aufrechterhaltung eines Theaterangebotes in Radebeul, auf der Felsenbühne Rathen sowie an den anderen Abstecherorten der Landesbühnen Sachsen ist eine kommunale Aufgabe,

(Beifall bei der CDU und des Abg. Tino Günther, FDP)

was aber nicht heißt, dass sich der Freistaat aus seiner Mitverantwortung zurückzieht. Im Gegenteil: Neben der Beteiligung am Kulturlastenausgleich gemäß dem Sächsischen Kulturraumgesetz sieht das Konzept für die Umstrukturierung und Profilierung der Landesbühnen eine dauerhafte Beteiligung des Freistaates an der Theater GmbH vor. Ich wiederhole: eine dauerhafte Beteiligung!

Die Umwandlung der Landesbühnen in eine beteiligungsfähige Rechtsform, wie in der verbindlichen Erläuterung im aktuellen Haushalt festgelegt, schafft die Möglichkeit, dass auch die kommunale Seite gesellschaftsrechtlich Einfluss auf die Einrichtung nimmt. Ich möchte ausdrücklich positiv hervorheben, dass sich die Sitzgemeinde Radebeul nunmehr auch durch einen deutlichen finanziellen Beitrag zur Bedeutung des Hauses für die Stadt bekennt. Eine langjährige kontroverse Diskussion wurde mit dem Schreiben des Oberbürgermeisters vom 29. April 2011 beendet.

Auch der Kulturraum Meißen/Sächsische Schweiz/Osterzgebirge weiß um die Bedeutung der Landesbühnen für das kulturelle Angebot in der Region und ist bereit, gemeinsam eine strukturelle Veränderung umzusetzen. Die Zusammenführung der Aufgaben des Orchesters der Landesbühnen und der neuen Elblandphilharmonie ist für die Betroffenen ein schmerzhafter, aber in Anbetracht aller realistischen Perspektiven notwendiger Schritt. Im Übrigen dient er der Sicherung der Vielfalt des kulturellen Angebotes, da alle Sparten langfristig gesichert sind. Außerdem wurde dieser Schritt bereits 2007 im Gutachten der Kulturstiftung empfohlen.

Dem Wunsch der kommunalen Seite entsprechend soll dabei die Novum als rechtlich selbstständige Gesellschaft fortgeführt werden. Für die Erfüllung der Aufgaben benötigt das Orchester 72 Stellen für Orchestermusikerinnen und -musiker. Das gegenwärtige Orchester der Landesbühnen verfügt über 61 Beschäftigte. Eine höhere Stellenausstattung bedeutet dagegen einen dauerhaft höheren Finanzbedarf. Die Deckung eines höheren Finanzbedarfes würde wiederum zulasten anderer Sparten der Theater GmbH gehen bzw. auch deren Fortführung infrage stellen, oder sie würde zulasten anderer Kulturräume gehen, da deren Strukturmaßnahmen dann nicht wie vorgesehen umgesetzt werden könnten. Auch im Kulturraum sind Umverteilungen der Budgets zulasten anderer Einrichtungen kaum vorstellbar.

Mein Ziel ist es, die Zusammenführung beider Klangkörper erfolgreich und sozialverträglich zu gestalten. Betriebsbedingte Kündigungen könnten zum Beispiel durch Teilzeitregelungen abgewendet werden.

Erfreulicherweise hat die Gewerkschaft, die Deutsche Orchestervereinigung, dem Deutschen Bühnenverein – also dem Tarifpartner auf der Arbeitgeberseite – nun inzwischen einen Verhandlungstermin bestätigt, und zwar noch in diesem Monat. Mein Haus hat die begleitende Teilnahme an den Tarifverhandlungen zugesagt, und wir hoffen auf zügige, zielführende und konstruktive Verhandlungen.

Meine Damen und Herren! Die Landesbühnen haben auch zukünftig eine wichtige Aufgabe in der sächsischen Theaterlandschaft. Mit dem Konzept „Mobiles Theater für Sachsen“ wird das Haus den Herausforderungen in einer sich wandelnden kulturellen Landschaft im Freistaat Sachsen gerecht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Staatsministerin von Schorlemer sprach für die Staatsregierung. – Nun hat für die einbringende Fraktion Frau Dr. Stange die Möglichkeit eines Schlusswortes; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Recht herzlichen Dank, Frau Staatsministerin, für die Darstellung der Eckpunkte des Konzeptes. Damit erkläre ich auch schon vorab, dass sich unser Antrag erledigt hat, weil genau diese Berichterstattung hier notwendig gewesen ist.

Frau Fiedler, uns ging es eben nicht darum, den Prozess aufzuhalten, weil wir die Mehrheitsverhältnisse kennen. Ich möchte noch einmal deutlich sagen: Es hätte auch andere Lösungen für die Landesbühne, für die Fusion der beiden Theater und das Zusammengehen der beiden Orchester gegeben als die im Haushaltsplan 2011/2012 durch Ihre Mehrheit beschlossene – nur, um dies noch einmal deutlich zu machen.

Die Höflichkeit gebietet der Staatsministerin, den Kulturraum und die beiden Landkreise nicht direkt anzugreifen. Ich will es aber hier in aller Deutlichkeit sagen: Bis heute gibt es aus meiner Sicht nicht einen einzigen Cent zusätzlich für die Umstrukturierung, für das Orchester, für die zukünftige Theater GmbH aus dem Kulturraum.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Nicht einen einzigen Cent, im Gegenteil: Der Kulturraum saniert sich auf Kosten der Beschäftigten. Während bis heute 2,28 Millionen Euro aus den beiden Landkreisen – sprich: aus dem Kulturraum – für die derzeitige Novum GmbH, also die Elblandphilharmonie, finanziert werden, sollen zukünftig für das größere Orchester nur noch 1,9 Millionen Euro, festgeschrieben auf sechs Jahre ohne Dynamisierung, zur Verfügung gestellt werden. Das ist eine Sanierung zulasten der Beschäftigten, und dabei verbietet sich bei mir jegliche Höflichkeit gegenüber dem Kulturverständnis für diesen Kulturraum.

(Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Ich erwähne ausdrücklich die Stadt Radebeul; denn ich denke, es war notwendig, in die Verantwortung zu treten, und ich möchte das auch hier für den Kulturraum deutlich sagen: Ja, es ist eine Beteiligung des Kulturraumes notwendig, denn er profitiert vom Orchester und vom Theater.

Sehr geehrte Frau Fiedler, sehr geehrter Herr Tippelt, es ist leider so: Die Landesbühnen Sachsen werden abgewickelt; denn sie werden spätestens am 31.12.2012 ihren Betrieb einstellen. So steht es in der Konzeption. Ich bitte deshalb dringend darum, dass jetzt alle Kräfte gebündelt werden. Herr Tippelt und Frau Fiedler haben hier bekundet, wie wichtig ihnen die Landesbühnen und deren zukünftige Arbeit sind. Tun Sie alles, um diese beiden Landkreise und die Staatsregierung dazu zu bewegen, im notwendigen Umfang zu finanzieren, damit wir ein vernünftiges Orchester haben und die kulturpolitischen Linien, die im Konzept gezogen worden sind, überhaupt umgesetzt werden können! Das ist Ihre Verantwortung, die Sie jetzt, nach diesem verantwortungslosen Haushaltsbeschluss im Dezember, haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Das war das Schlusswort der einbringenden Fraktion. Frau Dr. Stange, ich habe Sie jetzt so verstanden, dass Sie Ihren Antrag für erledigt erklärt haben. Damit müssen wir nicht über diesen Antrag abstimmen und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Erklärung zu Protokoll

Ich will mich so kurz fassen, wie auch der SPD-Antrag ist. Seine verblüffende Kürze mag der Tatsache geschuldet sein, dass die Zeit drängt, nachdem die Gespräche zwischen der Staatsregierung und den Gewerkschaftsvertretern der Musiker festgefahren waren und in zehn Wochen die Details der Überführung der Landesbühnen-Musiker in die neue, private Novum GmbH geklärt sein müssen.

Die Stellungnahme des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst ist aber so dreist, dass sie nur als Gesprächsverweigerung gewertet werden kann, ja als Lehrbeispiel für die Arroganz der Macht.

Wie haben bereits gehört, worum es im Kern geht: Verlieren 35 oder 19 Musiker ihre Stelle? Wie hoch sind die Abfindungen für die zu Entlassenden? Werden die Übernommenen nach Tarif bezahlt oder nicht? Wie wird sichergestellt, dass der neue Arbeitgeber sich an der Altersvorsorge beteiligt? Vor allem aber: Wie ist sichergestellt, dass er nicht unterfinanziert ist und als privates Unternehmen nicht Gefahr läuft, insolvent zu werden, zum Beispiel durch einen verregneten Sommer und deshalb einbrechende Zuschauerzahlen bei der Freilichtbühne Rathen.