eine unersetzliche Arbeit leisten. Meine Damen und Herren, das Ziel von Inklusion ist eine passfähige und passgenaue Lösung für jeden. Auf dem Weg dorthin haben wir in Sachsen in den letzten Jahren Fortschritte gemacht. Auch das ist angesprochen worden, und dafür bin ich dankbar.
Im Schuljahr 2004/2005 lag der Anteil der integrativ beschulten Schüler bei 8,3 %, im vergangenen Schuljahr 2010/2011 bei 20,9 %. Das bedeutet weit mehr als eine Verdoppelung. Hier sei noch einmal den Lehrkräften, insbesondere den Sonderpädagogen, den Eltern und Schulträgern herzlich gedankt.
Deshalb begrüße ich, dass sich das Hohe Haus mit dem Thema Inklusion vertieft befasst. Ich begrüße auch den Gruppenantrag und möchte mich herzlich dafür bedanken. Ich denke, er bringt uns in dieser Sache weiter. Allein die Tatsache, dass das seltene Instrument des Gruppenantrages Verwendung findet, spiegelt wider, dass es bei uns in Sachsen das Bemühen gibt, sich dieser Herausforderung im Parlament fraktionsübergreifend anzunehmen. Das ist auch mein Anliegen.
Ich bin vorhin schon darauf eingegangen: Wir möchten und müssen die Vielfalt als Chance begreifen. Dieser Leitsatz der sächsischen Bildungspolitik beinhaltet die individuelle Förderung für jedes Kind, selbstverständlich auch für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist sehr wichtig und sie ist ein Prozess, der Zeit braucht. Es muss in vielen Köpfen ein Umdenken stattfinden. Bei allen Überlegungen und Entscheidungen, diesen Prozess betreffend, steht das Wohl des Kindes immer an erster Stelle.
Kollege Wehner, ich bin Ihnen sehr dankbar und habe aufmerksam zugehört, als Sie hier im Hohen Haus von Ihrem persönlichen Weg gesprochen haben. Ich sagte, es ist ein Prozess, und es gibt in diesem Prozess zu Beginn mehr Fragen als Antworten. Niemand kann für sich in Anspruch nehmen, alle Antworten zu Beginn des Prozesses zu haben.
Genau wie Sie von Ihren persönlichen Erfahrungen auf Ihrem Bildungsweg gesprochen haben, sind es genau die Fragen, die mich beschäftigen, wenn ich an Förderschulen bin, insbesondere an Förderschulen für Kinder mit geistiger Behinderung bzw. mit mehrfach geistiger Behinderung. Man kehrt zurück mit Demut und mit Hochachtung vor den Sonderpädagogen, die dort arbeiten. Es kommen einem sehr viele Fälle unter. Man unterhält sich mit den Eltern und den Sonderpädagogen.
Ein Fall – ich möchte keine Namen nennen –, der genau das anspricht, was Sie, Herr Kollege Wehner, erwähnt haben, zeigt mir, dass wir gemeinsam noch viel zu tun haben. Es handelt sich um ein sprachgestörtes Kind, das zunächst an einer Förderschule zwei Jahre unterrichtet
worden ist, dann den Übergang an die Regelschule, die Mittelschule, geschafft hat, dort erfolgreich seinen Realschulabschluss absolviert hat und jetzt auf dem beruflichen Gymnasium seine allgemeine Hochschulreife anstrebt.
Folgende Frage habe ich den Sonderpädagogen und den Lehrern an dieser Mittelschule gestellt: Was wäre passiert, wenn das Kind von Anfang an auf der Regelschule gewesen wäre? Sie sagten mir übereinstimmend – Sonderpädagogen, Eltern und die Lehrer an der Mittelschule –: Das Kind hätte nicht die Möglichkeit gehabt, quasi in einem pädagogischen Sauerstoffzelt besonders betreut zu werden, um dann hinreichend geschult zu sein und den Sprung auf die Mittelschule zu schaffen.
Wir müssen also individuelle Lösungen finden, abgestimmt auf jedes Kind und zum Wohle jedes Kindes. Das muss unser gemeinsamer Kompass sein. Dass wir dafür noch Potenzial haben und dass es noch Diskussionsbedarf gibt, ist in diesem Hohen Hause, denke ich, unbestritten.
Um eine Umsetzung zum Wohle der Kinder sicherzustellen, liegt mir die Einbeziehung des großen Erfahrungsschatzes aller Betroffenen mit ihrer jeweils ganz unterschiedlichen Perspektive am Herzen. Es war von Zeit die Rede, es war auch von zehn Jahren die Rede, Frau Kollegin Stange. Entscheidend ist, dass wir zügig beginnen
und Experten zügig zusammenholen. Das Entscheidende für mich sind Fortschritte in der Sache. Ich habe es bereits betont und sage es noch einmal: Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur gelingen kann, wenn alle Beteiligten aufeinander zugehen und miteinander kooperieren.
Wir wollen das sächsische Schulsystem im Sinne der Inklusion schrittweise weiter ausgestalten. In den nächsten Monaten werden wir uns schwerpunktmäßig mit folgenden Aufgaben befassen, nicht abschließend, aber schwerpunktmäßig:
Die Diagnostik muss auf den Prüfstand, wir werden die Kooperation zwischen Förderschulen und allgemeinen Schulen ausweiten, und zwar so, dass sich Schüler mit und ohne Behinderung im Rahmen von Ganztagsangeboten und außerunterrichtlichen Bereichen begegnen können. Wir intensivieren die Einrichtung von Partnerklassen, sodass behinderte und nicht behinderte Kinder unter einem Dach lernen können. Wir vereinfachen den Wechsel zwischen den Schularten, wir verstärken die Kooperation zwischen Kindertageseinrichtungen und Grund- bzw. Förderschulen. So können wir Kinder mit Entwicklungsschwierigkeiten früher und gezielt fördern. Wir intensivieren das Angebot der Lehreraus-, -fort- und -weiterbildung. Gerade hier, glaube ich, besteht ein besonderer Bereich, nämlich bei der Lehrerausbildung von Beginn an für das sonderpädagogische Werk- und Rüstzeug zu sorgen, in der Vermittlung, das dann in allen Schularten zum Tragen kommen kann.
Meine Damen und Herren! Wir haben in Sachsen bei der Realisierung eines inklusiven Schulwesens bereits einiges erreicht. Das sollten wir auch nicht kleinreden. Dazu gehört die enorme Steigerung – ich sagte es bereits – des Anteils der integrativ unterrichteten Schüler. Dennoch wollen wir Fortschritte erzielen. Wir wollen unser Schulsystem weiter entwickeln, und dazu brauchen wir neben allen Beteiligten das Engagement der Lehrkräfte, insbesondere der Förderschullehrerinnen und -lehrer. Diesen möchte ich an der Stelle noch einmal sehr herzlich für ihr unermüdliches Engagement danken. Sie machen es möglich, dass Kinder und Jugendliche bestmöglich gefördert und unterstützt werden für einen Teil ihres Lebensweges, den sie später in der Gesellschaft gehen werden.
Meine Damen und Herren! In diesem Sinne bedanke ich mich für die Diskussion und für den Antrag, in diesem Sinne werden wir den Antrag gemeinsam umsetzen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Gibt es noch weitere Wortmeldungen in einer möglichen vierten Runde? – Das kann ich nicht erkennen. Damit ist die Aussprache zur Großen Anfrage in der Drucksache 5/3025 und zum Antrag mehrerer Abgeordneter in der Drucksache 5/6861 beendet. Das Schlusswort zum bereits genannten Antrag hat im Einvernehmen mit allen Einreichern nunmehr der Abg. Wehner. Sie haben das Wort, Herr Wehner.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei den Abgeordneten, die den Antrag auf den Weg gebracht haben, sehr herzlich bedanken, dass sie mich auserkoren haben, hier ein Schlusswort zu halten.
Ich bedanke mich zunächst und darüber hinaus noch für die sehr sachliche Diskussion im Umgang mit der Großen Anfrage und mit dem hier in Rede stehenden Antrag – bis auf eine Gruppe, die es nicht vermochte. Da sei nur so viel in diese Richtung zu sagen: Die Thematik Inklusion gibt es nicht erst seit zwei Jahren und auch nicht erst seit der UN-Konvention. In Europa diskutieren wir seit der Beendigung des Zweiten Weltkrieges ständig darüber, wie die inklusive Schulbildung ausgestaltet werden kann. Wir diskutieren da immer hin und her: Inklusion, Integration, Inklusion. Gemeint ist aber immer, in allen Bereichen die Teilhabe und die selbstbestimmte Lebensführung aller zu sichern. Wir besinnen uns wieder auf unsere eigenen Regelungen und machen uns auf den Weg. Insofern werden heute Weichen gestellt.
Ja, Herr Staatsminister, vielen Dank auch für Ihren Beitrag. Es geht gerade um die wechselseitigen Beziehungen, um die Normalität, die sich durch Vielfalt in unserem
gesellschaftlichen Leben auszeichnet. Es geht in Sachsen speziell um die Erfahrungen, die wir aus der Inklusion in den doch so bekannten und gut arbeitenden integrativen Kindertagesstätten auf das sächsische Schulwesen hinübertransportiert bekommen.
Der Sächsische Behindertenbeauftragte – ich kürze die Bezeichnung einmal so ab – ist sehr viel unterwegs in Sachen Inklusion. Seine Redebeiträge schließt er mit einem Zitat von Voltaire ab, und das möchte ich hier auch tun: „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“ In diesem Sinne, meine Damen und Herren, sind wir alle gefordert. Ich bitte Sie namens der in dem genannten Antrag ausgewiesenen Abgeordneten um Ihre Zustimmung für diesen Antrag im Interesse der inklusiven Gesellschaft zunächst einmal im Bereich des Schulwesens.
Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/6861 zur Abstimmung. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Vielen Dank. Bei vier Gegenstimmen hat die überwältigende Mehrheit die Drucksache 5/6861 beschlossen.
Herr Michel, ich gehe jetzt davon aus, dass Sie eine Erklärung zu Ihrem Abstimmungsverhalten abgeben wollen. Dazu haben Sie jetzt Gelegenheit.
Herr Präsident, ich möchte mein Abstimmungsverhalten kurz erklären. Ich habe dem Gruppenantrag zugestimmt, weil ich das Anliegen der Inklusion am besten im breiten gesellschaftlichen Konsens verwirklicht sehe. Dennoch bin ich der Auffassung, dass sicher zwischen dem wichtigen Anliegen und der Realität noch viele Voraussetzungen zu schaffen sind.
Andererseits haben wir ein hervorragendes Fördersystem, das gerade in den letzten Jahren bedarfsgerecht ausgebaut wurde. Deshalb hoffe ich, dass in der Diskussion Augenmaß walten kann, um das Anliegen nach den möglichen Voraussetzungen zu schaffen.
Anpassung der Eingriffregelung für die Inanspruchnahme von landwirtschaftlicher Nutzfläche – Flächenverbrauch verringern
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile den Einreichern das Wort. Zunächst die CDU-Fraktion. Bitte, Herr Heinz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entzug landwirtschaftlicher Nutzfläche von gestern und heute ist der Hunger von morgen. Die sächsische Landwirtschaft hat seit 1991 ungefähr 39 600 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche für andere Zwecke verloren. Das entspricht der Betriebsfläche von rund 350 sächsischen Bauernhöfen, wenn man die Durchschnittsgröße von 113 Hektar pro Hof annimmt, oder der Fläche von 55 000 Fußballfeldern.
Weltweit stand 1986 eine Nutzfläche von 0,33 Hektar Ackerland für die Ernährung eines Menschen zur Verfügung.
Einen Moment, bitte. Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, doch dem Redner hier zuzuhören oder wenn Sie Ihre Gespräche fortsetzen wollen, den Plenarsaal zu verlassen. – Herr Heinz, fahren Sie bitte in Ihrer Rede fort.
Bei ständig weiter wachsender Bevölkerung und gleichbleibender Erosion wird die Ackerfläche 2050 auf 0,15 Hektar pro Einwohner, das sind 1 500 Quadratmeter, sinken. Das heißt, man kann davon bei einem Ertrag von 70 Doppelzentnern Weizen ungefähr 2,5 Menschen ernähren. Nun lebt der Mensch nicht nur vom Brot allein, sondern die FAO sagt, man sollte auch ungefähr 7,3 Kilogramm tierisches Eiweiß zu sich nehmen. Das bedeutet dann bei einem Veredelungsfaktor von 1 : 4 eine weitere Inanspruchnahme von Flächen.
Ich möchte Ihnen nur kurz ein Beispiel nennen, wie wir in Sachsen zurzeit mit landwirtschaftlicher Nutzfläche umgehen. Es betrifft in diesem Fall die Agrargenossenschaft Greifenhain aus dem Wahlkreis von Georg-Ludwig von Breitenbuch. Dort wird die A 72 gebaut. Für die reine Autobahn werden 36 oder 37 Hektar gebraucht, an Ausgleichsfläche noch einmal das Gleiche, zwischenzeitlicher Entzug nochmals über 20 Hektar. Das heißt, mehr als das Doppelte der ursprünglichen Fläche, die für den Bau benötigt wird, wird für Ausgleichsmaßnahmen benötigt.
Zudem haben wir noch mit einer Energiewende zu rechnen; das heißt, es werden schon jetzt 2 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche für Energiepflanzenanbau
benötigt. Laut eines Potenzialatlasses der Agentur für erneuerbare Energien soll dieser Anteil auf 3,7 Millionen Hektar steigen. Das wären etwas über 20 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands. Da wir mit weiter steigenden Energiepreisen zu rechnen haben, wird es für die Landwirte zunehmend attraktiver, für den Energiemarkt zu produzieren und nicht mehr für den Nahrungsmittelmarkt. Folge wird sein: Die Nahrungsmittelpreise für Getreide müssen sich den Preisen für Energie anpassen, das heißt, sie werden steigen.
Schlussfolgerung ist darum wieder: Wir sollten alles tun, um eine mögliche Flächenkonkurrenz zu entschärfen. Wie kann das passieren? Übergeordnetes Ziel ist für uns die Reduzierung der Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Nutzfläche, ohne dadurch Siedlungs- und Gewerbeentwicklung zu blockieren – wohl wissend, dass ein hundertprozentiger Verzicht auf die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Nutzfläche für die Eingriffskompensation nicht realistisch ist. Unsere Flächensparstrategie muss dort weiter optimiert werden. Die Eingriffskompensation ist auf nicht landwirtschaftlich genutzte Flächen, zum Beispiel Brachflächen, Bebauungslücken oder Industriebrachen, zu lenken.
Wünschen würde ich mir hier, dass der Freistaat bei seinen eigenen Eingriffsausgleichen – zum Beispiel Straßenbau und Hochwasserschutz – noch mehr mit gutem Beispiel vorangeht und dies in geeigneter Art und Weise umsetzt.