Horst Wehner

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Dietzschold, ich finde es sehr schade, dass Sie den Antrag ablehnen. Den Antrag finden Sie sehr gut, sagen dann aber, dass es eines solchen Antrages nicht bedürfe. Das kann niemand verstehen. Wenigstens zum Ende der Legislaturperiode könnten Sie sich doch einmal durchringen, meine Damen und Herren von der Koalition, und einen Antrag der Opposition, der wirklich gut ist, zu unterstützen.
Frau Neukirch, ich bedanke mich ausdrücklich für diesen Antrag. Es ist ein wichtiger Antrag. Es bedarf auch einer entsprechenden Initiative. Sie haben Arno Geiger erwähnt. Ich möchte ihn auch gern zitieren: „Für uns alle ist die Welt verwirrend, und wenn man es nüchtern betrachtet, besteht der Unterschied zwischen einem Gesunden und einem Kranken vor allem im Ausmaß der Fähigkeit, das Verwirrende an der Oberfläche zu kaschieren. Darunter tobt das Chaos.“
Dieses Zitat stammt aus dem Buch „Der alte König in seinem Exil“ von dem bereits erwähnten Arno Geiger. Eines Tages müssen er und seine Geschwister feststellen, dass sein Vater, der schon immer ein wenig kauzig war, inzwischen nicht nur vergesslich, sondern ernsthaft krank ist. Sein Vater hat Alzheimer. Die Krankheit löst langsam seine Erinnerung und seine Orientierung in der Gegenwart auf, lässt sein Leben abhandenkommen. Arno Geiger erzählt, wie er nochmals Freundschaft mit seinem Vater schließt und ihn viele Jahre begleitet.
Wie die übergroße Mehrheit der demenz- und alzheimererkrankten Menschen, wird auch dieser Vater so lange wie möglich zu Hause versorgt. Arno Geiger legt in seinem Buch das Augenmerk nicht auf die Situation der Angehörigen. Ich hingegen möchte das jetzt tun.
Menschen mit Demenz sind nicht einfach nur vergesslich. Sie lassen nicht einfach mal ihre Schlüssel liegen und erinnern sich dann nicht, wo sie sind, so wie wir das hin und wieder tun. Menschen mit Demenz verlernen im Laufe ihrer Krankheit die in unseren Augen einfachsten
Dinge. Sie verlieren die Orientierung, sie verlieren die Fähigkeit, sich anzuziehen, zur Toilette zu gehen, zu essen und zu trinken. Damit einher gehen Persönlichkeitsveränderungen. Der oder die Demenzkranke hat zunehmend Angst, wird unruhig, vielleicht sogar aggressiv.
Mit all diesen Dingen müssen sich pflegende Angehörige auseinandersetzen. Wie kommen sie damit zurecht? Wir wissen es nicht. Ja, wir wissen nicht einmal, wie viele Menschen es wirklich betrifft. Seit dem 1. Januar 2013, meine Damen und Herren, bekommen Personen ohne Pflegestufe Leistungen von der gesetzlichen Pflegeversicherung, wenn sie aufgrund ihrer geistigen Einschränkungen ihren Alltag nicht meistern können und einen hohen Betreuungsbedarf haben. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen beurteilt die Schwere der Einschränkungen der Alltagskompetenz anhand von 13 Kriterien, zum Beispiel das unkontrollierte Verlassen der Wohnung oder eine Störung des Tag-Nacht-Rhythmus.
Je nach Schwere erhalten Demenzkranke ohne Pflegestufe 100 oder 200 Euro im Monat. Das Geld ist eine Kostenerstattung für Betreuungsleistungen, das heißt, dahinter steckt auch ein Problem: Die pflegenden Angehörigen müssen die Rechnungen bei der Kasse einreichen. Wird die Pflege allein durch Angehörige besorgt, gibt es möglicherweise keine Rechnung und folglich auch kein Geld.
Aber kommen wir zum Antrag und zur Antwort der Staatsregierung. Der Antrag selbst lässt keine Wünsche offen. Alles, was nur möglich ist, soll unterstützt, vernetzt und gefördert werden. Maßnahmen sollen gebündelt und Konzepte gestärkt werden. Mit Pflegestützpunkten wäre das eventuell leistbar gewesen. Wenn dies jetzt Servicestelle Demenz heißen soll, dann ist das auch gut. Frau Dietzschold, es braucht diese Initiative.
Aber der Name allein macht es natürlich nicht und damit sind wir auch schon beim Problem. Der Antrag zielt vor allem auf die Einbeziehung von ehrenamtlich pflegenden Angehörigen, Nachbarschaftshelfern und deren Selbsthilfeorganisationen ab. Da soll beraten, informiert, qualifiziert werden. So etwas kostet vor allem Zeit, die sich pflegende Angehörige vermutlich nicht so ohne Weiteres nehmen können, egal, wie wichtig und hilfreich derlei Angebote aller Wahrscheinlichkeit nach wären. Vergessen wir nicht: Schon die lokalen hauptamtlichen Partner arbeiten am Limit. Menschen, die ehrenamtlich einen demenzkranken Menschen pflegen, können nicht auch noch Netzwerkarbeit leisten, ohne sich hoffnungslos zu überfordern.
Damit kommen wir zu dem Punkt, was pflegende Angehörige wirklich brauchen: Sicher kein zusätzliches Ehrenamt in einem Netzwerk, sondern vielmehr brauchen sie personelle Unterstützung bei der Betreuung durch die ausgebildeten Fachkräfte. Um diese Hilfe zu bekommen, dürften selbst 200 Euro im Monat schwerlich ausreichen.
Damit sind wir beim nächsten Punkt: Wie sehen denn die Rahmenbedingungen in der Pflege generell aus? Bislang
greift die Ausbildungsoffensive nicht ausreichend. Das Thema Schulgeld in der Pflegeausbildung ist immer noch nicht vom Tisch, obwohl seit 2013 versprochen. Die Anzahl der Pflegefachkräfte soll um 10 % erhöht werden. Auch hier sind wir noch nicht weiter.
Meine Damen und Herren! Natürlich wissen wir, dass das Thema Demenz und Pflege wesentlich durch die Bundesebene bestimmt wird. Aber das Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene zu den neuen Pflegestärkungsgesetzen zieht nicht. Seit Jahren kämpfen wir um Begrifflichkeiten. Zahlreiche Änderungsideen werden angekündigt, aber umgesetzt werden sie kaum. Immerhin fördert der Bund Projekte im Rahmen der lokalen Allianz für Menschen mit Demenz. Die lokalen Partner sollen auf kommunaler Ebene Einfluss nehmen. In Sachsen werden bislang sieben Projekte gefördert. Das ist gut, aber ich frage: Reicht das aus? Wir meinen, es reicht nicht aus.
Lassen Sie mich an dieser Stelle sagen, dass es meine Fraktion für völlig daneben hält, wenn wieder einmal nur die Kommunen und Ehrenamtlichen aufgefordert werden sollen, Leistungen zu erbringen, die einer hohen Fachkompetenz bedürfen und die damit zu Recht Geld kosten. Aber die Staatsregierung ist leider nicht bereit, weiterhin Geld dafür auszugeben.
Sehr geehrte Frau Staatsministerin Clauß, Ihr Projekt Nachbarschaftshelfer in allen Ehren, aber welche Dimensionen soll das denn bei prognostizierten 100 000 Demenzerkrankten im Jahr 2025 annehmen,
zumal diese qualifizierten Laien auch in anderen Bereichen eingesetzt werden wollen?
Demenz ist ein Thema, das uns in den kommenden Jahren noch viel mehr als bisher beschäftigen wird. Dieser Antrag ist ambitioniert und geht schon einen recht ordentlichen Schritt in die richtige Richtung. Der Antrag geht uns zwar noch nicht weit genug, dennoch werden wir uns diesem wichtigen Anliegen nicht verschließen und dem Antrag zustimmen. Frau Dietzschold, ich fordere Sie nochmals auf, darüber nachzudenken und Ihre Haltung zu ändern und dem Antrag ebenfalls zuzustimmen.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Krasselt, es überrascht nicht wirklich – auch zum Schluss der 5. Legislatur nicht –: Immer wieder diese Leier. Meine Damen und Herren, die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN bittet die Staatsregierung zu Recht, den gesetzgeberischen Handlungsbedarf zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Freistaat Sachsen zu ermitteln. Als wir, meine Damen und Herren – damit meine ich die Abgeordneten und Mitarbeiter der Fraktionen SPD und DIE LINKE –, Ende 2011 bzw. Anfang 2012 mit der Erarbeitung des Gesetzentwurfs für ein Sächsisches Inklusionsgesetz begannen, stellten wir schnell fest, dass der gesetzliche und untergesetzliche Novellierungsbedarf hinsichtlich der Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, also der UN-BRK, sehr hoch ist.
Trotzdem haben wir uns damals entschieden, uns zunächst mit der grundlegenden Überarbeitung des Sächsischen Integrationsgesetzes zu befassen und somit den Rahmen für weitere Rechtsanpassungen zu stecken. Unser Gesetzentwurf hätte als Grundlagengesetz das Sächsische Integrationsgesetz ablösen sollen. Vor allem aber hätte es den Blick auf Menschen mit Behinderungen im Sinne der UN-BRK geändert – wirklich geändert, Herr Krasselt. Ich will das hier nicht weiter ausführen, denn über das Inklusionsgesetz aus Drucksache 5/11841 wurde hier im Hohen Hause an verschiedenen Stellen lange beraten, bevor es schließlich im April dieses Jahres von der Regierungsmehrheit abgelehnt wurde. Die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN beantragt nach unserem Verständnis eine Normenprüfung in Auftrag zu geben, wie sie die Monitoring-Stelle zur UN-BRK, die beim Deutschen Institut für Menschenrechte angesiedelt ist, für das Land Berlin bereits durchgeführt hat.
Die Kurzdarstellung des Ergebnisses ist übrigens auf der Internetseite der Monitoring-Stelle abrufbar. Ich möchte hier nicht weiter darauf eingehen.
Im Zuge unserer Arbeit am Inklusionsgesetz haben wir uns zahlreiche sächsische Fachgesetze angesehen, um die Gesamtdimension des Novellierungsbedarfs zur Rechtsanpassung im Freistaat Sachsen an die UN-BRK zu erfassen. Das will ich Ihnen kurz darlegen.
Zunächst filterten wir alle Fachgesetze heraus, bei denen wir aufgrund unserer fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen Novellierungsbedarf infolge der BRK vermuteten. Aus dem damals aktuellen Fundstellennachweis für Gesetze und Verordnungen ergab sich, dass circa 80 Dokumente von Gesetzesrang infrage kommen. Die haben wir uns angesehen. Im Ergebnis stellten wir fest,
dass bei circa 60, also drei Vierteln davon, mit großer Sicherheit Änderungen vorzunehmen sein werden.
Dabei ist der jeweils erforderliche Änderungsumfang sehr unterschiedlich. Sehr großer Änderungsbedarf besteht – wie Frau Herrmann schon zu Recht ausgeführt hat – bei dem Sächsischen Schulgesetz, der eigentlich eine Neufassung des Gesetzes erfordert. Andere Gesetze wiederum weisen vor allem sprachlichen Änderungsbedarf auf, wobei als diskriminierend aufzufassende und veraltete Begriffe durch diskriminierungsfreie und zeitgemäße zu ersetzen wären. Ein Beispiel ist das Straßenverkehrszuständigkeitsgesetz, in dem von körperlich Behinderten anstelle von Menschen mit Behinderungen die Rede ist. Auch Formulierungen, die auf Fehler der Sinnesorgane und wahrnehmbare Anlagen zu chronischen Krankheiten abstellen, wie sie in mehreren Verordnungen des Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit zu finden sind, sind mit der UN-BRK nicht vereinbar.
Wirklich bedenklich finde ich allerdings, dass sich selbst in Gesetzen, die in diesem Jahr geändert wurden, der Begriff „Gebrechen“ findet. Das steht so im Heilberufekammergesetz, im Sächsischen Wahlgesetz und auch im Kommunalwahlgesetz.
Meine Damen und Herren! Das ist unwürdig im Jahr fünf nach der Ratifizierung der UN-BRK und muss unbedingt und zeitnah geändert werden.
In diesem Sinne begrüßen wir den Antrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, dem wir sehr gern zustimmen werden.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, dass ich mich an dieser Stelle persönlich an Frau Kollegin Elke Herrmann wende. Sie wird für eine neue Legislatur des Sächsischen Landtags nicht mehr zur Verfügung stehen. Ich will die Gelegenheit nutzen, um mich auch im Namen meiner Fraktionskollegen sehr herzlich für ihr Engagement – für dein Engagement, liebe Elke – gerade im Bereich der Sicherung der Teilhabe und selbstbestimmten Lebensführung von Menschen mit körperlichen, geistigen, seelischen bzw. Sinnesbeeinträchtigungen im Freistaat Sachsen zu bedanken.
Von Ihnen sind viele Impulse gegeben worden, nicht nur für die parlamentarische Arbeit, sondern auch für die Arbeit in den Selbsthilfegruppen und Behindertenverbänden. Wir stimmten nicht in allen Detailfragen überein. Das ist auch nicht schlimm. Aber in den wesentlichen Positionen, vor allem, wenn es darum ging, die Würde des Menschen zu wahren, gab es Übereinstimmungen.
Vielen Dank, liebe Elke Herrmann. Ich freue mich schon auf weitere Begegnungen in der behindertenpolitischen Arbeit auch außerhalb des Parlaments. Dir persönlich alles Gute und vor allem beste Gesundheit!
Meine Damen und Herren! Stimmen Sie dem Antrag zu!
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Fünfte Bericht über die Lage von Menschen mit Behinderungen steht zur Debatte. Er enthält viel Gutes, Richtiges, aber wenig Neues.
Ich gebe meine Rede auch zu Protokoll.
Bitte lassen Sie mich noch sagen: Solange Abgeordnete die Gebärdensprache in Landtagsdebatten als störend empfinden, so lange sind wir noch weit entfernt von einer wirklich inklusiven Gesellschaft.
Alles Weitere habe ich zu Protokoll gegeben.
Neue Chancen sollten sich aus der Umsetzung des seit 26. März 2009 auch in Deutschland uneingeschränkt verbindlichen Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ergeben. Denn es ist nun verbrieft: Menschen mit körperlichen, geistigen, seelischen oder/und Sinnesbeeinträchtigungen haben dieselben Rechte wie Menschen ohne diese Beeinträchtigungen.
Nicht die Beeinträchtigung ist länger die Behinderung an der Teilhabe in den Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Nein, es sind die vielfältigsten Barrieren, die die Teilhabe erschweren oder unmöglich machen, die sie be- bzw. verhindern.
Nun liegt er vor, der Fünfte Bericht über die Lage der Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen. Er kommt wieder einmal spät! Gut Ding will Weile haben, könnte man sagen. Und es ist ja auch nicht so einfach: Die UN-BRK verlangt danach, den Blickwinkel zu ändern, Dinge völlig neu zu denken, sich frei zu machen von den alten Bahnen, in denen bisher alles lief.
Zum Teil ist das inzwischen geschehen, man erkennt es am vorliegenden Bericht: Anstelle von Integration wird nun von Inklusion gesprochen. Die Gliederung des Berichtes ist gut gelungen. Er erscheint wesentlich übersichtlicher als 2009. Die frühkindliche inklusive Bildung und Betreuung sowie inklusive Bildung im Schulalter hatte auch schon im Bericht von 2009 eine Rolle gespielt, wurde aber in den Handlungsempfehlungen nicht erwähnt. Im Gegensatz dazu wird jetzt, im Fünften Bericht, in den Handlungsempfehlungen deutlich ausführlicher auf diesen Bereich eingegangen.
Wir werten das durchaus positiv, allerdings müssen wir auch diesmal feststellen, dass sich darüber hinaus vor allem die Forderungen von 2009 wiederholen. Das betrifft zum Beispiel Themen wie bessere Übergänge von der Schule in berufliche Ausbildung, gezielte Förderung beruflicher Ausbildung, Erhöhung des Anteils von Menschen mit Behinderung an den Erwerbstätigen. Dabei wird auf die Allianz Arbeit + Behinderung und auf das Modellprojekt „support“ verwiesen.
Aber zu kritisieren ist: In beiden Berichten wird nicht gefordert, die Förderprogramme wie auch alle anderen Modellprojekte auf ihre Wirksamkeit und ihre Ergebnisse hin zu untersuchen! Meine Fraktion hat das schon mehrfach beantragt. Die Koalitionsmehrheit hat dies immer wieder abgelehnt. Die Staatsregierung will diese Programme weiterführen. Das heißt für uns: Weiter so wie bisher! Das heißt, es bleibt alles so, wie es ist: Das ist schlecht! Ich sage, nein, danke!
In beiden Berichten wird sich zur Barrierefreiheit im Personennahverkehr geäußert, es wird der uneingeschränkte Zugang zur gesundheitlichen und medizinischen Versorgung angemahnt! In beiden Berichten wird bezüglich des Wohnens ambulant vor stationär gefordert! Also nicht viel Neues!
Immerhin steht jetzt, im Fünften Bericht, die Forderung nach einer gesetzlichen Verankerung der Verpflichtung für die gesamte öffentliche Verwaltung, auch der Kommunen, sowie die Unterstützung bei der Einrichtung eines Landeskompetenzzentrums Barrierefreiheit! Und schließlich und endlich will die Staatsregierung in beiden Handlungsempfehlungen die Eingliederungshilfe weiterentwickeln. Immerhin stellt sich die Staatsregierung 2014 das Ziel, ein einkommensunabhängiges Teilhabegeld einzuführen!
Fazit: Die Formulierungen sind im Grunde auf den aktuellen Stand – UN-BRK – gebracht worden, die Handlungsempfehlungen 2014 sind übersichtlicher und detaillierter aufgebaut. Es bleibt aber auch festzuhalten, dass diese nach wie vor kein verbindliches Handeln auslösen. Ein wirkliches Bekenntnis der Staatsregierung, was sie denn zu tun gedenkt, gibt es nicht.
Überwiegend sind es auch die gleichen Empfehlungen, wie schon vor fünf Jahren abgegeben. Es steht damit zu befürchten, dass sie auch in weiteren fünf Jahren wieder so stehen werden, ohne dass es wirkliche Veränderungen im Sinne der Menschen mit Behinderung gegeben hat. Im Moment passiert wieder nur eines: nichts. Ich frage: Was will die Staatsregierung konkret tun? Und was soll passieren, wenn sich keiner daran hält? Berichte sind nun einmal nur Berichte und Pläne auch nur Pläne.
Meine Damen und Herren von der Staatsregierung und von der Koalition, Sie reden, Sie berichten – alles sehr schön. Aber wann wollen Sie endlich die Schaffung der inklusiven Gesellschaft wirklich angehen? Wann wollen Sie die Teilhabe von Menschen mit körperlichen, geistigen, seelischen oder/und Sinnesbeeinträchtigungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Wirklichkeit werden lassen und damit dazu beitragen, dass Menschen mit Behinderung die gleichen Rechte wie Menschen ohne diese Beeinträchtigungen haben?
Das Programm „Lieblingsplätze“ allein, so gut ich diese Initiative finde, wird dazu nicht reichen. Wann werden die Experten in eigener Sache, also die Vertreter der Behinderten- und Sozialverbände, der kommunalen Behindertenbeiräte und Behindertenbeauftragten, in den Prozess der Berichtserarbeitung – und nicht nur zur Vorstellung der Konzeption für die Berichtserstellung – einbezogen? Der Grundsatz „Nichts über uns ohne uns“ gilt auch hier! Dann könnte beispielsweise vermieden werden, dass über bestimmte Bereiche – wie den Behindertensport – nur auf die Internetauftritte der Verbände sich bezogen wird, sondern es könnte eine tatsächliche Situationsbeschreibung erfolgen.
Nur so wird es konkret. Nur so kann es zu wirklichen Verbesserungen kommen. Man muss es natürlich wollen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neben mir steht in voller Größe Andreas Mischke, Diplomgebärden
sprachdolmetscher. Sie haben ihn bereits zur 1. Lesung kennenlernen dürfen. An dieser Stelle erlaube ich mir, mich an Sie zu wenden, Herr Präsident. Noch halte ich es nicht für selbstverständlich, dass wir Plenarsitzungen mit Gebärdensprachdolmetschern übersetzen. Aber es freut mich außerordentlich, dass Sie sich darauf einlassen, dass wir bei behindertenpolitischen Themen beginnen, es so zu machen, wie es in Bayern schon üblich ist. Ich komme später noch einmal darauf zurück.
Meine Damen und Herren! Wir wollen, dass die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung gewährleistet ist und gefördert wird. Das gibt Artikel 4 Abs. 1 der UNBehindertenrechtskonvention vor. Das ist nicht nur der Wunsch der LINKEN und auch nicht nur der Wunsch der SPD. Ich weiß, dass es genauso der Wunsch bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist, und ich konnte auch eine Verlautbarung der Staatsregierung zur Kenntnis nehmen, dass es auch erklärter Wille von CDU und FDP ist. Ich finde das wunderbar.
Meine Damen und Herren! Seit fünf Jahren sind die Maßgaben der UN-Behindertenrechtskonvention geltendes Recht auch in Deutschland. Ich darf daran erinnern: Deutschland hat sich mit der Unterzeichnung und Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und seines Zusatzprotokolls verpflichtet, Maßnahmen zur vollen Verwirklichung dieser Rechte in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Kultur zu ergreifen, und zwar unter Ausschöpfung der verfügbaren Mittel.
Meine Damen und Herren! Die Sächsische Staatsregierung hat im vergangenen Jahr quasi eine schriftliche Einladung zu einem Dialog herausgegeben mit dem Thema „Sachsen weiterdenken“. Hierin wird festgestellt – das begrüße ich außerordentlich –, dass die Verpflichtung zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention natürlich auch für den Freistaat Sachsen und die sächsischen Kreise, Städte und Gemeinden gilt. Das war vorher nicht so. Wunderbar! Großartig!
Es findet sich auch die Erkenntnis darin, dass Sie einen 5. Bericht zur Lage der Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen brauchen, um eine Strategie zur Inklusion in Form eines ressortübergreifenden sächsischen Aktionsplans zu erarbeiten. Na gucke mal einer an! Meine Damen und Herren! Auch dort ist es angekommen. Warum dauert das so lange? Warum brauchen Sie einen 5. Bericht? Sie haben schon einen 4. Bericht über die Lage der Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen und können diese Aufgabe schon lange erledigen. Der Bericht ist übrigens am 23. April 2009 – unmittelbar nachdem die UN-Konvention in Deutschland ratifiziert worden ist – im Sächsischen Landtag eingegangen.
Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass die GRÜNEN, die SPD und die LINKE – nur immer diese Seite – hier regelmäßig Anträge eingebracht haben, ob zur Haushaltsdebatte oder auf anderen Wegen, Aktionspläne
zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen auf den Weg zu bringen. Sie haben das ständig abgewiesen. Immerhin, fünf Jahre hat es gedauert, dass Sie meinen, es sei jetzt doch erforderlich.
Sie setzen noch einen drauf: „Die Staatsregierung wird auch weiterhin ihre Vorschriften so ändern, dass die in der UN-Behindertenrechtskonvention genannten Rechte
verwirklicht werden.“
Ich erlaube mir anzumerken, das Wort „weiterhin“ sollten Sie streichen. Sie machen uns weis, dass Sie schon ständig daran arbeiteten, die Rechtsvorschriften zu modifizieren, wie es das Übereinkommen der Vereinten Nationen vorgibt. Nein! Mitnichten! Wir haben das heute schon einmal gehört: Ich glaube, Sie machen den Bürgerinnen und Bürgern etwas vor. Das muss man an dieser Stelle sagen. Es ist nun einmal Wahljahr. Es tut mir leid, aber das kann man nicht stillschweigend hinnehmen.
Sie haben jetzt die allerbeste Gelegenheit, den hier in Rede stehenden Gesetzentwurf sofort anzuerkennen und sich von den Meinungen zu verabschieden, die Sie im Februar in den Ausschüssen des Sächsischen Landtags und schließlich auch am 26. März im federführenden Verfassung-, Rechts- und Europaausschuss eingenommen haben, wobei der Verfassung-, Rechts- und Europaausschuss bemerkenswerterweise genau am fünften Jahrestag der Ratifizierung des Übereinkommens getagt hat.
Ich möchte jetzt nicht auf den Gesetzentwurf im Einzelnen eingehen. Sie sehen, ich lege diese vielen Blätter, die ich dazu vorbereitet habe, zur Seite. Eigentlich hätte man meinen müssen, man wiederholt es und dann kommt es irgendwann an, aber wir haben heute einen ganz langen Sitzungstag.
Übrigens fällt mir bei solchen Botschaften Faust ein: „Die Botschaft hör‘ ich wohl...“ Machen Sie es endlich wahr und warten Sie nicht darauf!
Meine Damen und Herren! Es ist uns bewusst, dass unser Vorhaben sehr ambitioniert ist. In den Ausschüssen hat man uns vorgeworfen, wir hätten eine – wie war das, Herr Krauß? – Wünsch-dir-was-Liste vorgelegt. Nun ja. Was ist schlimm daran, wenn Menschen mit Behinderungen Wünsche, Träume und Visionen haben, wenn wir noch Visionen haben? Wer wenn nicht wir soll diese haben, damit es in der Gesellschaft besser vorangeht?!
Seien sie doch ehrlich. Was wünschen Sie sich denn in aller Regel? – Dinge, die für Menschen ohne Behinderungen selbstverständlich sind. Warum soll das nicht auch für Menschen mit Behinderungen so sein?
Meine Damen und Herren! Ich kann mich erinnern, im Laufe der Legislatur ist der eine oder andere von Ihnen plötzlich und unerwartet mit Gehhilfen oder im Rollstuhl unterwegs gewesen. Wir haben uns darüber verständigt. Sie haben ganz schnell gemerkt, wie schwierig es hier und da im Land ist. Man kann es nicht besser sagen, bei allen
Fortschritten: Wir müssen die Barrieren einfach abbauen, nach und nach, ganz bestimmt.
Meine Damen und Herren! Ich frage mit allem Ernst und Nachdruck: Was ist das für ein Land, in dem Menschen mit Behinderungen von der Gewährung ihrer Menschenrechte nur träumen dürfen? Was wäre das für ein Land? Etwa eines von vorgestern oder vorvorgestern? Wir machen uns etwas vor und wir behaupten einfach, es gehe doch allen gut. – Nein! Das ist nicht in Ordnung, meine Damen und Herren!
Ein Beweggrund für Sie, dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen, war oder ist, dass das Prinzip der Freiwilligkeit verletzt würde. Frau Windisch, Sie werden sich bestimmt noch daran erinnern. Man könne niemanden zwingen, Barrierefreiheit zu schaffen. Das gelte vor allem bei touristischen Angeboten im Bereich der Gastronomie, der Hotellerie oder des Herbergswesens. Die Leute sollten selbst entscheiden dürfen, wem sie was gäben, wem sie Zutritt gestatteten oder wem eben nicht.
Ich frage Sie: Warum kann man das nicht erzwingen? Haben Menschen mit Behinderungen kein Recht auf Erholung an einem Ort, in einem Hotel ihrer Wahl?
Allerdings missverstehen Sie uns auch, wenn Sie glauben, wir wollten Sie unbedingt zwingen. Auch wir sind im Grunde genommen für das Prinzip der Freiwilligkeit. Allerdings scheinen die Freiwilligkeit und der Appell an Sinnhaftigkeit und Vernunft nicht so stark zu sein wie Gesetze.
Um das zu illustrieren: Sie erinnern sich bestimmt noch an die vierte Legislatur. Jeder und jede weiß, dass und wie schädlich das Rauchen ist. Nicht einmal die meisten Raucher mögen es, wenn geraucht wird, während sie noch essen. Aber hätte das jemanden davon abgehalten, selbst nicht zu rauchen? – Ganz offensichtlich nicht; denn wäre es so gewesen, hätten wir die Debatten um die Einführung des Nichtraucherschutzgesetzes in der vierten Legislatur nicht gebraucht.
Sie von der CDU haben dem damals mit Ihren Mehrheiten – damals noch gemeinsam mit der SPD – zugestimmt. Was ist denn das? Ist das auch alles nur freiwillig? Sie haben damals auch gezwungen, und mit Recht. Das war auch gut so. Das sollten Sie auch mit Blick in die Zukunft tun, wenn es um die Sicherung der Teilhabe geht.
Meine Damen und Herren! Die vergangenen fünf Jahre haben gezeigt, dass Inklusion kein Selbstläufer ist. Natürlich haben wir den § 50 der Sächsischen Bauordnung, der sich mit der Barrierefreiheit befasst. Wir haben zahlreiche Gesetze und Verordnungen, die die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sicherstellen sollen.
Sie haben sogar eine Allianz für die Beschäftigungsförderung von Menschen mit Behinderungen gegründet, um
diesen die Teilhabe auf dem ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Nur bleibt nach fünf Jahren festzustellen, dass zwar alle von Inklusion sprechen, aber offensichtlich jeder etwas anderes darunter versteht.
Es geht nicht nur um inklusive Bildung, auch wenn wir dazu heute einen gesonderten Antrag vorliegen haben. Wenn wir barrierefreie Schulen fordern, dann auch, weil es durchaus Kinder gibt, deren Eltern ein Handicap haben. Gerade im Bereich der Gehörlosen ist das oft der Fall, aber auch in anderen Bereichen. Barrierefreiheit bedeutet, dass den Eltern beim Elternabend ein Gebärdensprachdolmetscher zur Verfügung gestellt wird oder dem Elternteil, das körperbehindert ist, der Zugang zu einem Elternabend und einer schulischen Veranstaltung, zum Beispiel zum Schuljahresbeginn, ermöglicht wird.
Wir brauchen aber nicht einmal so weit weg zu gehen: Die Gesetze und die Anträge, die in diesem Hohen Haus verhandelt werden, betreffen alle Menschen, die im Freistaat Sachsen leben. Auch Menschen mit Behinderung beziehen Landeserziehungsgeld, sie unterliegen der Schulpflicht, sie brauchen Ärzte und Krankenhäuser, sie wollen Bus und Bahn nutzen, sie leben im ländlichen Raum – wir haben gestern und heute darüber zur Genüge diskutiert –, sie wollen gut wohnen und die Frage der Datensicherheit betrifft sie ebenfalls. Sie wollen an den Themen, mit denen sich der Landtag befasst, teilhaben.
Warum ist es also immer noch nicht möglich – Herr Präsident, jetzt kommt es –, generell die Landtagssitzungen mittels Gebärdensprach- und Schriftdolmetschern auch diesen Menschen zugänglich zu machen?
Der Bayerische Landtag ist diesbezüglich schon viel weiter, meine Damen und Herren. Die Landtagssitzungen werden sowohl mit Gebärden- als auch mit Schriftdolmetscher übersetzt, und das sieht wunderbar aus. Ich höre Sie bereits Luft holen, um zu fragen: Und wer soll das bezahlen? – Nun ja, meine Damen und Herren: Zum Nulltarif wird es die Barrierefreiheit wohl nicht geben.
Im Vorblatt des Gesetzentwurfes befindet sich deshalb eine ausführliche Darstellung zur Kostenfrage. Wichtig ist vor allem der letzte Satz: „Letztlich ist festzustellen, dass sich die dem Freistaat Sachsen entstehenden Mehrkosten und Mehraufwendungen nur eingeschränkt beziffern lassen. Allerdings ist es mit Blick auf den Grundsatz der Menschenwürde und damit auf die Zielsetzung dieses Gesetzes nicht zu rechtfertigen, die Durchsetzung von allgemein verbindlichen Menschenrechten von haushälterischen bzw. fiskalischen Bedingungen abhängig zu machen, so dass die Akzeptanz der anfallenden Kosten und Aufwendungen alternativlos ist.“
Fakt ist: Die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention führt zu einer allgemeinen Verbesserung der Lebensqualität, des gesellschaftlichen Umfeldes und der physischen Umwelt. Nur wer Barrierefreiheit schafft, ist auch in der Lage, einem demografischen Wandel zu begegnen.
Zudem ist davon auszugehen, dass die selbstverständliche Inklusion von Menschen mit Behinderung soziale Folgekosten verhindern wird. Sehen Sie das doch auch einmal unter diesem Aspekt, meine Damen und Herren.
Eines ist völlig klar: Ohne Mut wird es nicht gehen. Diesen Mut wünsche ich Ihnen ganz einfach, meine Damen und Herren, weil Sie es dann ermöglichen, dass wirklich jeder am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann.
Lassen Sie mich noch eines sagen, meine Damen und Herren: Der Gesetzentwurf ist von den Experten sowohl in eigener Sache als auch von rechtskundigen Experten hoch gelobt und gewürdigt worden. Wir haben diesen Gesetzentwurf mit den Behindertenverbänden in fünf Sitzungen gemeinsam erarbeitet. Ich kann die vielen Stunden nicht alle zählen, die Hanka Kliese und ich mit unseren Mitarbeitern Dr. Martina Große und Ulrich Spieß zusammengesessen und diesen Gesetzestext entworfen haben, der von den Fraktionen dankeswerterweise bestätigt wurde.
Diese Arbeit hat sehr viel Spaß gemacht und ist das, was ich mir unter gemeinsamer parlamentarischer Arbeit vorstelle. Bitte geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat, es lagen keine Wortmeldungen vor, aber nach den vielen Beiträgen, die es hier gegeben hat, ist es, glaube ich, notwendig, nochmals nach vorn zu gehen.
Lieber Herr Krasselt, vielen herzlichen Dank zumindest für die Feststellung, dass wir einen beachtenswerten Versuch unternommen und damit die Diskussion zur Umsetzung der UN-Konvention angestoßen haben. Ja, das ist natürlich schon eine Absicht, und doch hätten wir noch ein bisschen mehr von Ihnen erwartet, nämlich, dass Sie tatsächlich auch das machen, was Sie immer wieder einmal sagen.
Frau Schüßler, es überrascht nicht wirklich, wie Sie hier auftreten, denn es ist längst bekannt, dass Sie für die Aufrechterhaltung des Status quo sind. Wir haben schon häufig die Formulierung gehört, was Menschen mit Behinderungen anbelangt. Das hohe Niveau, von dem Sie sprechen, bezieht sich bestenfalls auf den Leistungskatalog aus dem Sozialgesetzbuch, den Menschen mit Beeinträchtigungen in Anspruch nehmen können unter dem Titel „Teilhabe und Rehabilitation“.
Aber das ist genau das Problem. Was nützt es denn, wenn jemand Nachteilsausgleiche für sich persönlich in Anspruch nehmen kann und tatsächlich in der physischen Umwelt eben nicht teilhaben kann, weil da Barrieren in Form von Stufen sind oder weil die Induktionsschleifen fehlen oder, oder, oder? Genau das ist doch das Problem. Dafür gibt es nämlich keinen Leistungskatalog, und da machen es uns andere Länder in Europa vor. Dabei denke ich an Dänemark, dabei denke ich an Holland, an Finnland, an Schweden. Skandinavien ist da wirklich sehr gut.
Und das wollen wir auch mit dem Gesetzentwurf erreichen.
Herr Krasselt, es macht mich richtig wütend, wenn Sie hier sagen, was die Finanzierung betrifft, dass das natürlich Geld kostet und dass man sich darüber Gedenken machen muss, wo das herkommen soll, und wenn Sie sich dann noch trauen zu sagen, dass das das Geld von denen sei, die das erarbeiten und verdienen, was dann verteilt werden soll. Ich frage Sie: Und was ist mit denen, die gern arbeiten wollen und es einfach nicht können, weil der Arbeitsplatz nicht barrierefrei ist oder weil Menschen mit Behinderungen eben nicht von A nach B können? Denken Sie denn das überhaupt einmal mit?
Darum geht es hier die ganze Zeit, und Sie tun immer so, als gebe es dieses Problem nicht. Das ist doch der Hammer! Es tut mir leid, aber da fällt mir bald nichts mehr ein.
Liebe Frau Schütz, eigentlich meine ich, Sie denken ganz anders. Sie haben hier einen Auftrag, und da müssen Sie sich so hier hinstellen und das sagen, was Sie hier vorgetragen haben. Im Innersten meinen Sie es eigentlich ganz, ganz anders. Ich darf Sie da nur an Ihre Ausführungen in der 4. Legislaturperiode erinnern.
Es ist einfach nicht möglich, dass Sie von heute auf morgen völlig anders denken.
Was die Umsetzung des Programms angeht: Mit dem Gesetz sind hier Regelungen verabschiedet worden. Haben Sie sich § 46 unseres Gesetzentwurfs einmal genau angeschaut? Wir sprechen dort von einem Programm und davon, dass innerhalb von zwei Jahren berichtet werden soll und dass innerhalb eines Jahres das Programm erarbeitet werden soll, woraus sich alle weiteren Schritte ergeben. Da kann man nicht einfach sagen, das gilt von heute auf morgen. Was bringen Sie denn für Gesetze auf den Weg? Ich darf nur an das Standortegesetz erinnern. Na, hallo, verkaufen Sie uns doch hier nicht für dumm! Sie machen es einfach so, wie Sie es brauchen! So geht es nicht!
Herr Präsident, ich darf vielleicht jetzt auch gleich zu dem Änderungsantrag sprechen. Dieser nimmt nämlich genau die Anregungen auf, die aus dem Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss gekommen sind und sich aus den Expertenberatungen mit den Behindertenverbänden
ergeben haben, in denen Hinweise zur präzisen und verbesserten Umsetzung der Konvention gegeben werden. Es geht dabei auch um Hinweise für die Kommunikation mit Hör- und Sprachbehinderten, wobei Regelungen
aufgenommen werden sollen, nicht die deutsche Gebärdensprache zu verwenden, und vieles, vieles mehr.
Frau Schüßler, Sie haben es vielleicht in Ihrer Welt überhaupt nicht mitbekommen: Frauen mit Behinderungen werden wirklich doppelt diskriminiert. Dazu gehört speziell für sie ein besonderer Schutz. Da sind es nicht die Männer, und deshalb ist das einfach erforderlich.
Wie gesagt, ich glaube, das musste hier einfach noch einmal richtiggestellt werden.
Vielen Dank, liebe Elke Herrmann, auch was den Raum hier betrifft. Hier im Saal haben wir gut funktionierende Induktionsschleifen, aber in den anderen Räumen eben nicht. Wir begrüßen dort sehr viele Besucherinnen und Besucher auch mit Hörbehinderung, und das ist regelmäßig schwierig. Der Landtag hat es noch nicht geschafft, eine mobile Induktionsschleifenanlage anzuschaffen. Damit könnten Probleme ganz schnell beseitigt werden. Aber wir müssen darüber reden, und das werden wir in der nächsten Haushaltsdebatte sehr wohl anregen.
Entscheidend ist aber, Sie müssen es auch wollen und nicht nur einfach dort etwas schreiben und da etwas reden. Sie haben fünf Jahre gebraucht, um dort etwas auf den Weg zu bringen. Ich lasse mich überraschen, verehrte Frau Staatsministerin, was Sie uns jetzt erklären werden zu dem, was Sie schon alles getan haben.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. Lieber Herr Krasselt, wir achten uns, selbstverständlich. Ich habe Ihnen das gar nicht so unterstellt, wie Sie es empfunden haben. Überhaupt nicht. Wenn wir uns darüber äußern, sollten wir immer daran denken, dass es gerade unter dem Personenkreis, den ich leidenschaftlich vertrete – das wird mir niemand absprechen können – sehr viele gibt, die gern Steuern zahlen würden. Das muss man mit bedenken. Deswegen schlagen wir vor, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen, damit das bald Realität wird. Sie haben offenbar nicht verinnerlicht, dass es auch um diesen Personenkreis geht.
Ich diskreditiere überhaupt nicht die Arbeit derjenigen, die fleißig sind, aber es gehören auch diejenigen dazu, die es gern wollen, aber es leider nicht können, weil die Regelungen im Land so sind wie sie sind. Das wollen wir geändert haben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin meiner Fraktion für diesen Antrag ausdrücklich dankbar, rückt er doch ein Problem in den Vordergrund, von dem Sie, verehrte Damen und Herren von der Koalition und verehrte Mitglieder der Staatsregierung, immer wieder zu gern sprechen – wie gestern und heute auch –: den demografischen Wandel. Er zielt auf einen Anspruch, den Sie ebenfalls in Ihr rhetorisches Repertoire aufgenommen haben: die Nachhaltigkeit. Wir geben Ihnen recht: Darauf müssen sich Politik, Staat und Gesellschaft einstellen.
Darf ich mir einmal getrauen Sie zu fragen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wer von Ihnen lebt denn jetzt schon – neben mir, nicht mit mir, außer mir – in einer barrierefreien Wohnung oder in einem barrierefreien Wohnhaus? – Herr Dr. Martens. Bei allen anderen? – So ist das mit Blick auf die Nachhaltigkeit. Wir sind also alle irgendwann darauf eingestellt: Können wir einmal nicht mehr, müssen wir unsere häusliche Umgebung verlassen.
Da kommen Sie hier mit heiler Welt und dergleichen mehr. – Nein. Wir haben einfach dringende Erfordernisse, über die wir heute und hier sprechen müssen, und dazu dient dieser Antrag.
Möglicherweise wird das eine oder andere jetzt wiederholt werden, aber ich denke, manchmal ist Wiederholung gar nicht so schlecht. In den Städten ist das Wohnen zur Miete die typischste Wohnform der über 65-Jährigen. Um die Wohnkosten der Mieterhaushalte 65plus in den Städten weiterhin in ihrer absoluten Höhe in einem von den Haushalten tragbaren Rahmen zu halten, bedarf es zunehmend gemeinschaftlicher Wohnformen, um die tendenziell sinkenden Einkommen und die steigenden spezifischen Wohnkosten auszugleichen. Es kann sich bei den gemeinschaftlichen Wohnformen um die konventionelle Wohngemeinschaft handeln, die mit gemeinschaftlicher Bad- und Küchennutzung ein sehr hohes Maß an gemeinschaftlichen Strukturen beinhaltet. Es kann sich aber auch um neue, von vornherein als gemeinschaftliche Wohnprojekte konzipierte Strukturen handeln, die dann gegebenenfalls ein eigenes Bad beinhalten können.
Im ländlichen Raum, meine Damen und Herren, ist ein Angebot an seniorengerechten kleinen Mietwohnungen nahezu nicht vorhanden. Gut, kann man sagen, der ländliche Raum ist schließlich vor allem durch Wohneigentum geprägt, das zu 80 % aus Einfamilienhäusern besteht. Nur: Welches Einfamilienhaus ist barrierefrei? – Kaum eines. Der Unterhalt eines Einfamilienhauses, das in der Regel für einen größeren Haushalt konzipiert ist, ist mit Einkommen von um die 1 000 Euro dauerhaft kaum möglich – gar nicht zu reden von größeren Instandhaltungsmaßnahmen oder von Modernisierungen in Richtung Energieeffizienz oder Barrierefreiheit.
Da in Teilen des ländlichen Raums auch der Verkauf der Immobilie kaum mehr realisierbar ist, sind einkommensschwache Eigentümerhaushalte in ihrem unsanierten und barrierebehafteten Wohneigentum nahezu gefangen. Wenn diese Menschen dann noch so pflegebedürftig sind, dass ein Umzug nötig ist, wohin kommen Sie, meine Damen und Herren? – Ins betreute Wohnen oder in ein Pflegeheim, die mit Abstand teuerste Form der Unterbringung.
Sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition, in dem von der Staatsregierung vorgelegten wohnungspolitischen Konzept „Wohnen in Sachsen 2020“ wird festgestellt, dass quantitativ genügend Wohnraum in Sachsen gegeben ist; jedoch eine Totalerhebung über den Bestand an barrierefreien oder barrierearmen Wohnungen gibt es nicht. Immerhin gestehen Sie zu, dass es schon aus Demografiegesichtspunkten zu einer verstärkten Nachfrage kommen wird. Mein lieber Herr Hauschild, da ist die Staatsregierung viel weiter, als Sie sich hier geben.
Herr Ulbig, Sie nannten noch die Zahl 43 000. Geschätzte 43 000 barrierefreie oder zumindest barrierearme Wohnungen gibt es nach den Angaben in Sachsen. Meine Damen und Herren, wie viele Menschen mit Beeinträchti
gungen leben im Freistaat Sachsen? Circa 600 000 – 350 000 aber zumindest mit einem Grad der Behinderung ab 50, also die, die wir als schwerbehindert bezeichnen. Von diesen Schwerbehinderten haben etwa allein 250 000 eine körperliche Beeinträchtigung.
Mein Verband, dem ich vorstehe, der Sozialverband VdK Sachsen, hat sich zu der Stellungnahme meiner Fraktion geäußert und darauf hingewiesen, dass ein Bedarf an circa 144 872 pflegegerechten und barrierefreien Wohnungen im Freistaat Sachsen besteht, davon allein im Landkreis Zwickau 13 652, im Erzgebirgskreis 13 766, im Landkreis Görlitz 11 306 und in Leipzig 16 289. Meine Damen und Herren, ich will es bei diesen Zahlen belassen. Selbst wenn Sie diesen Zahlen nicht glauben, was wollen Sie tun, um konkrete Bedarfszahlen zu ermitteln? Ich frage Sie: Wie wollen Sie diesen Bedarf mit den bereits seit Jahren geltenden Regelungen innerhalb der nächsten zehn bis 15 Jahre decken?
Lieber Herr Fritzsche, § 50 der Sächsischen Bauordnung regelt das Problem nicht. Den gibt es schon seit 2003, und die Wohnungen, die neu gebaut werden, werden nicht im Sinne dieser Bauordnung gebaut. Übrigens braucht man dafür auch keine Genehmigung. Letztlich gibt es den Abs. 4 in § 50, der besagt, dass, wenn man nachweisen kann, dass einem irgendetwas zu kostenaufwendig ist, es auf die Bestimmung der Absätze 1 bis 3 des § 50 nicht mehr ankommt. Solche Gesetze haben wir bei uns im Freistaat Sachsen.
Meine Damen und Herren, ich betone an dieser Stelle noch einmal: Behinderung und Schwerbehinderung ist keine freiwillige Lebensentscheidung. Wir können – nein, wir dürfen uns nicht einerseits über unsere steigende Lebenserwartung freuen, wenn wir andererseits nicht in der Lage sein werden, ein Altern in Würde zu ermöglichen. Was nützt uns die Feststellung, dass die Menschen möglichst lange in ihrem persönlichen Umfeld bleiben wollen und sollen? Wie oft wird die Wohnung zum Gefängnis – ich sage das jetzt einmal in Anführungsstrichen –, weil sie über Treppen nicht mehr verlassen werden kann? Wollen wir das? Dürfen wir das wollen? – Ich sage ganz klar – wie meine Fraktion auch –: Nein, das dürfen wir so nicht wollen.
Wir brauchen dringend barrierefreien Wohnraum. Frau Köpping, Sie haben völlig recht: Das ist auch das, was die Menschen wollen. Sie wollen so lange wie möglich in der eigenen Wohnung bleiben. Um das auch mit Hilfebedarf realisieren zu können, ist eine altersgerechte Gestaltung der Wohnung entscheidend. Kritisch ist oft das Bad. Die Badewanne muss durch eine bodengleiche Dusche ersetzt werden. Stolperfallen sind auch Stufen und Schwellen in der Wohnung. Oft unüberwindbare Hindernisse sind Treppen. Es braucht Aufzüge in den Häusern. Durch eine
auf diese Weise altersgerecht umgestaltete Wohnung lassen sich Stürze und auch der Umzug ins Heim oft vermeiden.
Im Übrigen: Die in der Medizin und im Pflegesystem gesparten Kosten decken einen Gutteil der Aufwendungen, die für die altersgerechte Anpassung der Wohnungen entstanden sind. Oder anders gesagt, meine Damen und Herren: Altersgerechter Umbau von Wohnanlagen kann auch zu einer Entlastung der sozialen Sicherungssysteme führen. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht?
Zu beachten sind hier aber auch Umgestaltungen in anderen Bereichen, welche parallel vollzogen werden müssen. Wichtig ist das Wohnumfeld, das Mobilität, Selbstständigkeit und Alltagsversorgung ermöglicht.
Gerade das Wohnumfeld wird von Älteren in Befragungen immer wieder problematisiert: Stolperfallen abbauen, sichere Straßenübergänge für Benutzer von Rollatoren schaffen, strategisch angebrachte Bänke, barrierefreier Nahverkehr, wohnortnahe Einkaufsmöglichkeiten usw., die Liste ist lang.
Meine Damen und Herren, Sie wissen genauso gut wie ich: Im Moment zeigen sich die Wohnungsbaugesellschaften schlicht überfordert, den akuten Bedarf zu decken. Deswegen sehen wir es als einzige Möglichkeit an, entsprechende Förderungen auszureichen und Instrumentarien zu entwickeln, die sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen – aber auch hochbetagte Menschen – in naher und ferner Zukunft den Wohnraum, in dem sie leben, auch bezahlen können. Das wäre nicht nur nachhaltig gedacht, sondern auch volkswirtschaftlich vernünftig, meine Damen und Herren.
Was spricht denn dagegen, Barrierefreiheit als grundsätzliche Voraussetzung für Bauvorhaben zu nehmen? Ich könnte Ihnen von vielen Fällen berichten, in denen Menschen dringend barrierefreien Wohnraum suchen. Ich kenne aber keinen einzigen Fall, in dem sich Menschen ohne Handicap über die Bequemlichkeit einer solchen Wohnung beschweren würden oder beschwert hätten, meine Damen und Herren, ganz im Gegenteil.
Barrierefreiheit nützt allen Menschen – heute schon und in Zukunft erst recht. Nur müssen wir endlich einmal anfangen, und zwar mit aller Konsequenz.
Deshalb appelliere ich an Sie, dieses Anliegen, wie es unser Antrag verfolgt, mitzutragen.
Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Fritzsche, könnten Sie mir aber recht geben, dass, wenn von Anfang an barrierefrei gebaut würde, gar nicht mehr Kosten anfallen?
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem genannten Antrag fordert die Fraktion DIE LINKE Sie auf, gemeinsam Überlegungen anzustrengen und Lösungen zu finden,
wie wir die Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderung grundlegend verbessern können.
Es überrascht nicht wirklich, wenn die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme auf unseren Antrag mitteilt, dass es eines besonderen Maßnahmenplanes wohl nicht bedürfe. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf: Der Antrag kommt von der Opposition, er kommt von der Fraktion DIE LINKE.
Meine Damen und Herren! Ich habe dafür kein Verständnis, zumal Sie von der Staatsregierung und auch Sie von der Koalition nicht umhin können festzustellen, dass sich die Situation der Arbeit suchenden Menschen mit Behinderung nicht grundlegend geändert hat. Aktuell zählen wir 11 431 arbeitslose schwerbehinderte Menschen. Dabei sind noch nicht die Menschen mitgezählt, die eine sogenannte leichte Behinderung haben, also einen Grad der Behinderung von 30 bzw. 40. Dabei sind auch noch nicht die Menschen mitgezählt, die eine sogenannte drohende Behinderung haben, weil sie chronisch krank sind, aber ebenfalls Arbeit suchend sind. Diesen Fakt können Sie nicht wegdiskutieren.
Während die allgemeine Arbeitslosigkeit seit dem Jahr 2005 um über 40 % zurückgegangen ist, stieg die der arbeitslosen Menschen mit Behinderung um 10 %. Deshalb ist es wichtig, dass noch größere Anstrengungen als bisher nötig sind, um diesen Personenkreis auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Das ist sicherlich keine leichte Aufgabe. Auch uns ist das klar.
Möglicherweise hätte es auch der 5. Bericht über die Lage der Menschen mit Behinderung ans Licht gebracht, was alles getan wurde oder besser, noch getan werden soll. Er liegt noch nicht vor. Er hätte laut des beauftragten Instituts bis zum 16. Dezember 2013 vorliegen können. Frau Staatsministerin, Sie werden sicherlich in Ihrer Stellungnahme heute mitteilen, wann der Bericht vorgelegt werden kann. Insofern erübrigt sich dann möglicherweise auch die Beantwortung meiner mündlichen Anfrage, die ich für heute eingereicht habe.
Es bleibt dabei: Es muss viel mehr geschehen und darf nicht so weitergehen wie bisher. Die Teilhabe am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung ist unabdingbar für die Schaffung einer umfassenden Inklusion.
Ein wichtiger Schritt hierbei ist, die Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten den individuellen Potenzialen von Menschen mit Behinderung, aber auch chronisch Erkrankten anzupassen. Wir sprechen an dieser Stelle bewusst von den Potenzialen und nicht von den Defiziten, um noch einmal den Paradigmenwechsel deutlich zu machen, den die UN-Behindertenrechtskonvention
beinhaltet.
Wie nötig das ist, zeigt ein Brief, der mich und möglicherweise auch Sie Ende letzten Jahres erreichte. Geschrieben ist er von einer Mutter, Ehefrau und Lehrerin, die in ihrem Alltag in allen drei Funktionen ständig an Barrieren
stößt: Als Mutter schreibt sie von ihrer Tochter, die, seit ihrer Geburt spastisch gelähmt, es dennoch geschafft hat, einen Hauptschulabschluss zu machen und eine Ausbildung zur Bürokraft zu absolvieren, um dann feststellen zu müssen, dass Bürokräfte offenbar nicht gebraucht werden.
Die Mutter schreibt, was ihr mitgeteilt wurde: „Für Sie haben wir keinen Platz.“ Ferner führt sie in ihrem Brief aus: „Ich möchte betonen, dass solche Aussagen auch von öffentlichen Ämtern und Einrichtungen kamen wie Landratsämtern, Krankenkassen, Gemeindeämtern.“
Ich frage Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Staatsregierung und von der Koalition: Wie ernst nehmen Sie es denn mit der Inklusion? Immer mehr Unternehmen, Einrichtungen und Kommunen entrichten eine Ausgleichsabgabe, weil sie weniger Schwerbehinderte oder chronisch Kranke beschäftigen, als es gesetzlich vorgesehen ist. Ich verweise hierzu auf die Antwort der Staatsregierung auf meine Kleine Anfrage, Drucksache 5/13069. Und das geschieht trotz aller Regelungen, die es bisher gibt, und trotz aller Regelungen, auf die die Staatsregierung zu unseren Vorschlägen in diesem Antrag hinweist.
Die Tochter, von der die Mutter hier schreibt, hat sich nach unzähligen Absagen im letzten Jahr ernsthaft Gedanken über ihren weiteren beruflichen Werdegang gemacht. Da sie schon in der Schulzeit Praktika in Kindertagesstätten und in der Altenpflege gemacht hatte, bewarb sie sich an verschiedenen Stellen und bekam einen Praktikumsplatz. Ich betone es hier noch einmal ausdrücklich: Die junge Frau bewarb sich von sich aus!
Sie bekam von einer dieser angeschriebenen Einrichtungen einen positiven Bescheid. Ich zitiere weiter aus dem Brief der Mutter: „Mit einer positiven Zusage in der Hand ging sie voller Hoffnung zu den Verantwortlichen ihrer Maßnahme und erhielt als Antwort: ‚Nein, diesem Praktikum können wir nicht zustimmen. Dafür sind Sie nicht geeignet. Die Belastung ist viel zu groß für Sie, und die Unterstützung vom Amt kriegen Sie auch nicht.‘“
Selbst einer positiven Leistungseinschätzung nach amtsärztlicher Untersuchung über die tatsächliche Belastbarkeit der Tochter vermochte die entsprechende Stelle nicht zu folgen. Ein Einzelfall? – Leider nein! Ich könnte viele – viel zu viele – Beispiele bringen, in denen es so oder ähnlich läuft. Da werden Menschen lieber für erwerbsgemindert erklärt, wie kürzlich in Chemnitz geschehen, als dass sie eine wirkliche Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Das, meine Damen und Herren, verstößt eindeutig gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.
Meine Damen und Herren! Behinderung und Schwerbehinderung sind keine freiwillige Lebensentscheidung. Die Gründe für eine Behinderung sind vielfältig und können jeden von uns treffen. Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen sind – die Auszüge aus dem Brief haben
es gezeigt – nach wie vor nicht nur vorhanden, sondern zum Teil in der Gesellschaft manifestiert.
Denn obwohl jeder zwölfte Sachse einen Schwerbehindertenausweis hat, sind doch die wenigsten von uns im Alltag mit diesen Menschen konfrontiert. Und machen wir uns nichts vor: Selbst wenn Unternehmen grundsätzlich dazu bereit wären, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen, sind die bürokratischen Hürden unverändert hoch, wenn es um die Beschäftigung dieses Personenkreises geht.
Anlässlich des fünften Jahrestages des Inkrafttretens der Behindertenrechtskonvention in Deutschland beantragen wir die Vorlage eines Maßnahmenplanes, in dem die Ziele, die sich die Koalition mit der Initiative „Allianz Arbeit + Behinderung“ vorgegeben hat, konkretisiert und durch Maßnahmen, Verantwortlichkeiten, Termine und Haushaltsbudgets untersetzt werden.
Insbesondere die Erfahrungen und Schlussfolgerungen aus dem Projekt „Support“, das Sie als Instrument zur Integration von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt geschaffen haben, sollen in den Maßnahmenplan „Arbeit nach Maß für Menschen mit Behinderung“ einfließen. Die bisherigen Angaben dazu reichen uns einfach nicht aus.
Meine Damen und Herren! Gemäß Artikel 27 der UNBehindertenrechtskonvention muss es Menschen mit Behinderung ermöglicht werden, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen und entsprechend ihrer Fähigkeiten das Arbeitsumfeld frei zu wählen. Doch viele Arbeitgeber trauen sich nach wie vor nicht, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit körperlichen, geistigen, seelischen oder/und Sinnesbeeinträchtigungen einzustellen. Sie zahlen lieber die Ausgleichsabgabe. Sie wissen oftmals nicht, dass die Menschen mit Beeinträchtigung für das Unternehmen wertvolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein können, wenn man sie richtig einsetzt. Vor allem angesichts des immer wieder zitierten Fachkräftemangels sollten Arbeitgeber nicht gleich zurückschrecken, wenn sich eine Bewerberin oder ein Bewerber mit den genannten Einschränkungen um eine Stelle bemüht.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass diese eine besonders hohe Motivation mitbringen. Sie sind stets sehr gut vorbereitet, haben sich gedanklich intensiv mit den Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes auseinandergesetzt, und sie sind Experten in eigener Sache: Sie wissen, welche Hilfsmittel aufgrund ihrer Einschränkungen für die Arbeitsausübung benötigt werden.
Meine Damen und Herren! Es ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, dass der Sockelbestand in der Ausgleichsabgabe in den letzten Jahren angestiegen ist. Im Jahr 2011 waren es circa 53 Millionen Euro, im Jahr 2012 waren es schon 57 Millionen Euro und im Jahr 2013 waren es gar 61 Millionen Euro. Diesbezüglich können Sie auch in die Drucksache 5/13070 schauen.
Warum werden die hier zur Verfügung stehenden Gelder nicht für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder für Projekte ausgegeben, die auf die Beschäftigung Arbeit suchender Menschen mit Behinderung gerichtet sind? Wieso sinkt die Mittelverwendung? Auch das ergibt sich aus der Antwort der Staatsregierung, siehe Drucksache 5/13070. Diese Mittel könnten dazu beitragen, dass Vorbehalte bei Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern hinsichtlich der Einstellung von Menschen mit Behinderung abgebaut werden.
Natürlich will ich an dieser Stelle nicht verschweigen, dass es Sonderregelungen für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung gibt. Diese können Überstunden generell ablehnen. Menschen mit Behinderung haben auch einen Anspruch auf zusätzliche Urlaubstage und bei einer Kündigung – das gefällt Herrn Krasselt immer, wenn er das anbringen kann – muss das Integrationsamt zustimmen, was es in aller Regel auch tut, sofern die Kündigung begründet ist.
Dagegen steht meines Erachtens die Loyalität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die behindert sind. Von der hohen Motivation dieser Menschen habe ich bereits gesprochen. Noch nicht zur Sprache kam der gesellschaftliche Nutzen. Der tägliche Umgang unterschiedlicher Menschen miteinander ermöglicht erst die Ausbildung von Toleranz und Hilfsbereitschaft. Die Rücksichtnahme auf Einzelne führt im Zeitverlauf dazu, dass die Rücksichtnahme generell zunimmt, was für das Betriebsklima nur positiv sein kann. Außerdem führt die Hilfsbereitschaft zu einer starken Ausprägung des Wir-Gefühls, das wir übrigens auch hier im Haus hoch gelobt haben. Auch Kunden honorieren es, wenn Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung nachkommen, indem sie Menschen mit Behinderung einstellen.
Wenn wir von Inklusion sprechen, dann gehört der Arbeitsmarkt auch und in besonderer Weise dazu. Ein erfülltes Arbeitsleben gehört für die meisten Menschen dazu, natürlich auch für Menschen mit Behinderung. Deshalb müssen der allgemeine Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung schrittweise zugänglich gemacht und sogenannte geschützte Arbeitsplätze für diejenigen, die das wünschen, bedarfsorientiert bereitgestellt werden.
Dass das in absehbarer Zeit nachvollziehbar und messbar geschieht, ist das Anliegen unseres Antrages, für den wir herzlich um Ihre Zustimmung bitten.
Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Frau Staatsministerin, ebenfalls vielen Dank, dass Sie schon jetzt meine mündliche Anfrage beantwortet
haben. Die Antwort, wann der Bericht tatsächlich kommen soll, steht allerdings noch aus.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich bedanke mich für die engagierte Diskussion, insbesondere bei Frau Herrmann und Herrn Brangs, und die Unterstützung zu diesem Antrag. Ich denke, es war wichtig, auf die Probleme hinzuweisen, die sich aus unserem Antrag ergeben, und auch das Zahlenmaterial noch einmal zu nennen. Ich möchte aber darauf hinweisen, lieber Stefan Brangs: Die aktuelle Statistik
der Bundesagentur für Januar 2014 spricht von 11 431 arbeitslosen schwerbehinderten Menschen seit November, da waren es 10 800. Wir haben dort also wieder einen Zuwachs, und das ist ja nun gerade keine Positivmeldung.
Gesagt ist gesagt. Wichtig ist ja, dass es trotzdem schwierig ist. Das bestreitet ja auch niemand, und es bestreitet niemand, dass wir Angebote haben, nur: Es ist doch mal an der Zeit, darüber zu sprechen: Was läuft bei den Angeboten gut, und was läuft nicht gut? Das kann ich nicht besser vortragen als Elke Herrmann. Genau das will aber dieser Antrag.
Herr Krasselt und Frau Schütz: Klar müssen die Barrieren weg. Das ist völlig in Ordnung. Aber Ihre Sicht auf die Dinge ist einfach nicht mehr nachvollziehbar. Sie ist nicht zeitgemäß und stimmt nicht mit den Anforderungen, wie sie sich aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung ergeben, überein. Das müssen Sie doch mal irgendwann begreifen.
Wenn Sie, Frau Staatsministerin, sagen, Sie werden den Weg konsequent fortsetzen, den Sie bisher gegangen sind, so heißt das für mich nichts anderes als: Es bleibt so, wie es ist. Das wollen Sie doch nicht wirklich? Ich kann mir das einfach nicht vorstellen, meine Damen und Herren.
Bitte geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie dem wirklich guten Antrag zu. Es geht dabei überhaupt nicht um Bürokratie, sondern um Engagement und die Beseitigung der Barrieren in den Köpfen, die hier und da bei dem einen oder anderen offenbar auch in diesem Hause noch vorhanden sind.
Danke.
5. Bericht zur Lage der Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen interjection: (Frage Nr. 4)
Das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz hat das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) mit der Erstellung des 5. Berichts zur Lage der Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen beauftragt. Für dieses Projekt war eine Laufzeit von insgesamt 16 Monaten, vom 15. August 2012 bis 15. Dezember 2013, vorgesehen.
Frage an die Staatsregierung: Wann wird der Bericht dem 5. Sächsischen Landtag vorgelegt?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wehner, vielleicht ist das jetzt die Chance, sich zu revanchieren, indem Sie unserem Antrag zustimmen.
Vielleicht sind Sie auch der Ansicht, dass es notwendig ist, die Arbeit des Kommunalen Sozialverbandes gründlich zu analysieren, zu bewerten und vielleicht neue Wege abzustecken.
Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich ein paar Eckdaten zur Geschichte des überörtlichen Sozialhilfeträgers im Freistaat Sachsen nennen. Sie wissen, dass im Jahr 1993 als überörtlicher Sozialhilfeträger im Freistaat Sachsen der Landeswohlfahrtsverband Sachsen gegründet wurde. Bis zum Jahr 1996 erfolgte die Finanzierung in erster Linie durch direkte Zuweisungen des Freistaates Sachsen, ergänzt durch eine Umlage der Mitgliedskommunen. Im Jahr 1997 wurden die direkten Zuweisungen des Freistaates eingestellt. Sie waren vollständig an die Mitgliedskommunen übergegangen.
Im Jahr 2004 nun ließen das Sozial- und das Finanzministerium eine Studie zum damaligen Landeswohlfahrtsverband anfertigen. Der Titel lautet „Empirisches Gutachten zur Bewertung des Steuerungssystems, der Standards und der Finanzierung der überörtlichen Sozialhilfe sowie zu Alternativen zur gegenwärtigen Verteilung von Aufgaben und Kostenträgerschaft für Sozialhilfeleistungen im Freistaat Sachsen“. Die wesentliche Fragestellung war damals, ob und inwiefern die fehlende Übereinstimmung von Aufgabenwahrnehmung und Ausgabenverantwortung bzw. Finanzierung zu neuen Kommunalisierungskonzepten führen und welche weiteren, in unmittelbarer Verantwortung der Staatsregierung liegenden Aufgaben kommunalisiert werden können. Die verpflichtende Zusammenführung der Durchführungs- und Finanzierungskompetenz auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte bei gleichzeitiger Beibehaltung zentraler Aufgaben beim überörtlichen Sozialhilfeträger betrachteten die Gutachter als mögliche und gangbare Alternative. Ein dazu passendes Optionsmodell sollte sich vorzugsweise in Stufen umsetzen lassen. Am 1. August 2005 erfolgte die Umbenennung in den Kommunalen Sozialverband. Im Zuge der Struktur- und Verwaltungsreform wurden dem
Kommunalen Sozialverband im Jahr 2008 neue Aufgaben übertragen.
Ich erinnere mich noch an die Ausführungen des Verwaltungsdirektors des KSV, Herrn Andreas Werner, hier im Saal in der öffentlichen Anhörung, die zu diesem Verwaltungsneuordnungsgesetz am 4. September stattfand. Er sagte unter anderem Folgendes: „Stellen Sie sich einmal vor, nicht mehr drei verschiedene Bereiche in drei Regierungspräsidien, nicht mehr drei isolierte Sachgebiete im Referat Inneres mit jeweils drei, vier oder fünf Menschen in einer ansonsten riesigen Behörde und fachlich abgekoppelt. Ich denke, die Konzentration an einer Stelle beim KSV ist in jedem Fall ein Gewinn.“ Das Ergebnis kennen Sie alle: Ein riesiges Verwaltungsmonstrum ist entstanden.
Der überörtliche Sozialhilfeträger beim Landeswohlfahrtsverband wurde nur noch „unter anderem“ ein überörtlicher Sozialhilfeträger. Neben den Aufgaben nach dem Sozialhilferecht sind in einer Einrichtung nunmehr folgende Aufgaben konzentriert: die Aufgaben als überörtliche Betreuungsbehörde, Aufgaben der Sozialplanung, Aufgaben des Sozialpädagogischen Dienstes, Aufgaben zur Förderung nach dem SGB XI, Aufgaben des sozialen Managements, Aufgaben zur Erteilung einer Erlaubnis zum Führen einer Berufsbezeichnung in einem Gesundheitsberuf, Aufgaben zur Erbringung vorübergehender und gelegentlicher Dienstleistungen, Aufgaben zur Förderung nach dem Landesjugendhilfegesetz, Aufgaben nach dem Schwerbehindertenrecht, Aufgaben nach dem sozialen Entschädigungsrecht und seit diesem Jahr auch noch die Heimaufsicht. Meine Damen und Herren! Ich kann zu allen einzelnen Bereichen keine näheren Ausführungen machen; dazu reicht die Zeit nicht. Wer sich aber dafür interessiert, der kann gern auf die Homepage des KSV – ksv-sachsen.de – schauen. Es lohnt sich allemal.
Seit dem Jahr 2008 sind nun fünf Jahre vergangen. Wir sind der Ansicht, dass an diesem Punkt die Frage nach einer Evaluation zulässig sein muss. Es geht besonders um eine fachliche Prüfung und Bewertung der neuen Aufgabenstellung und der damit im Zusammenhang stehenden verwaltungsorganisatorischen Änderungen des Kommunalen Sozialverbandes.
Wir wollen wissen, ob die Effekte, die mit den damaligen Entscheidungen beabsichtigt waren, wirklich eingetreten sind. Was lief in den letzten fünf Jahren gut? Was lief anders als erwartet? Wird der KSV den Anforderungen, die an ihn gestellt werden, tatsächlich gerecht? Kann er das überhaupt unter den ihm vorgegebenen Maßgaben? Wir wollen ebenfalls wissen, wie der KSV die gepriesene
Bürgernähe wirklich gestaltet. Welche Erfahrungen lassen sich für andere Bereiche weitervermitteln? Wie lange dauert die durchschnittliche Bearbeitung eines Antrags beim KSV? Wie viele Widerspruchs- und Klageverfahren sind anhängig? Wie verlief die Entwicklung der Rechtsbehelfsverfahren? Ist der KSV tatsächlich so effizient, wie erhofft? Im sozialen Entschädigungsrecht beispielsweise sind immer noch über 300 Verfahren unerledigt. Schließlich ist die Frage zu stellen und zu beantworten, ob es möglicherweise andere Einrichtungen und Träger gibt, die bestimmte Aufgaben schneller und effektiver bearbeiten können.
Meine Damen und Herren! Es reicht eben nicht aus, sich auf die Schulter zu klopfen und mit Hilfe der Statistik zu posaunen, dass die Sozialhilfeausgaben im Freistaat Sachsen bundesweit weiter unter den durchschnittlichen Nettoausgaben liegen. Woran liegt das? Möglicherweise liegt es daran, dass Leistungen der Eingliederungshilfe für Bürgerinnen und Bürger bis 18 und über 65 Jahre nicht vom KSV, sondern von den Kommunen direkt erbracht werden und deswegen in der Statistik keine Rolle spielen – anders als in den anderen Bundesländern.
Meine Damen und Herren! Ich bin der Ansicht, dass gerade in diesem sensiblen Bereich verantwortungsbewusster gehandelt und die Gesamtheit in den Blick genommen werden sollte. Statistische Tricks sind hier nicht hilfreich, sondern eine klare Analyse ist notwendig.
Meine Damen und Herren! Jetzt möchte ich noch einige Bemerkungen zur Heimaufsicht machen. Ich erinnere an die Kritik des Sächsischen Rechnungshofes im Bericht von 2011: „Mit dem Übergang der Heimaufsicht auf den Kommunalen Sozialverband, der überörtlicher Träger der Sozialhilfe ist, besteht ab dem Jahr 2013 die Möglichkeit von Interessenkonflikten beim KSV, weil die Heimaufsicht und der überörtliche Träger der Sozialhilfe in einer Behörde vereinigt werden.“ Der Sächsische Rechnungshof empfahl damals – und unserer Auffassung nach auch zu Recht –, die organisatorische Trennung zwischen der Heimaufsicht und dem Träger der Sozialhilfe beizubehalten.
Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung ist hier anderer Auffassung. Außerdem sei die Heimaufsicht erst seit diesem Jahr 2013 beim KSV angesiedelt, und da könne man jetzt noch keine Entscheidungen treffen. Ich rate aber dringend zu klären, ob es nicht doch einen Interessenkonflikt gibt und hier die Entscheidungen wieder rückgängig gemacht werden müssen.
Insoweit erlaube ich mir noch folgende Bemerkung: Ich habe schon den Eindruck, dass sich die Staatsregierung in den vergangenen Jahren mit dem KSV eine Institution geschaffen hat, auf die sie unliebsame oder besonders schwierige Aufgaben übertragen kann. Wenn man dann einmal nachfragt, wie das eine oder andere Projekt läuft – ich will an dieser Stelle nicht wieder von der Allianz für Arbeit anfangen –, und konkrete Ergebnisse sehen will,
bekommt man Stellungnahmen, in denen zitiert wird oder Auskünfte gegeben werden, dass die geforderten Daten nicht erhoben werden oder der Staatsregierung keine Erkenntnisse vorliegen.
Meine Damen und Herren! Die Stellungnahme der Staatsregierung zum vorliegenden Antrag lässt leider im Grunde nur einen Schluss zu: Sie hat kein Interesse daran, zu prüfen, ob die von ihr getroffenen Maßnahmen überhaupt wie beabsichtigt Wirkung entfalten. Wie sonst lässt es sich erklären, dass es keine Übersicht über die Entwicklung der Fallzahlen der anderen Träger gibt? – Stattdessen solche Behauptungen, wie: Es ist zu erwarten, dass durch den Alterungsprozess und die steigende Lebenserwartung auch für ältere Menschen mit Behinderung weit über 65 Jahre hinaus zunehmend höhere finanzielle Belastungen auf die Träger der Sozialhilfe zukommen.
Der KSV führt zu dieser Problematik in seinem Gesamtkonzept an dieser Stelle, an der es um Angebote zur Absicherung von Versorgung und Möglichkeiten zur Teilhabe für ältere Menschen mit Behinderung geht, aus: „Dies wird umso wirkungsvoller möglich sein, je besser es gelingt, die vorhandenen Ressourcen des einzelnen Menschen mit Behinderung sowie die Ressourcen seines sozialen Nahfeldes, wie Angehörige oder Nachbarn, hierbei zu nutzen.“ Es tut mir leid, aber das ist doch genau der gleiche Text, den wir seit Jahren hören, wenn die Staatsregierung darüber spricht, wie sie die Herausforderungen des demografischen Wandels meistern will.
Wir sind der Meinung, nur über ehrenamtliches Engagement, sosehr auch wir dieses schätzen, werden die Probleme, die in diesem Bereich auf uns zukommen, nicht zu lösen sein; und dass ein Sozialhilfeträger, der eigentlich die Interessen seiner Klienten im Blick haben sollte, in das gleiche Horn bläst, kann ich persönlich absolut nicht nachvollziehen.
Meine Damen und Herren! Um es ganz klar zu sagen: Uns geht es in erster Linie nicht um den KSV als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern um die Menschen mit körperlichen, geistigen, seelischen
und/oder Sinnesbeeinträchtigungen, um die Menschen mit chronischen Erkrankungen, um die Menschen in häuslicher Umgebung oder im ambulanten oder stationären Bereich, die hilfe- und pflegebedürftig sind, um Menschen, die nach dem sozialen Entschädigungsrecht leistungsberechtigt sind, wie Opfer von Gewalt oder Impfgeschädigte oder Geschädigte nach dem Soldatenversorgungsgesetz. Es geht um Menschen, die alle auch ein Recht auf ein selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Leben in unserer Gesellschaft haben.
Wird hier der Freistaat Sachsen seiner Verantwortung wirklich gerecht? – Nur eine umfassende Evaluierung der Tätigkeit und der Aufgabenverteilung des Kommunalen Sozialverbandes des Freistaates Sachsen wird diese Frage klären. Anhand der Ergebnisse der Evaluierung können wir dann darüber diskutieren, was wann und wie zu
ändern ist oder aber auch nicht. Aber ich denke, wir brauchen hier eine kritische Auseinandersetzung damit.
Ich bitte daher für die Mitglieder meiner Fraktion um Zustimmung zu unserem Antrag und Sie, Herr Wehner, noch einmal: Machen Sie es uns nach! Bei den wichtigen Dingen sollten wir eine gemeinsame Sprache sprechen.
Herzlichen Dank.
Vielen Dank.