Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns aber jetzt ins Thema eintreten. – Wenn Herr Nolle eine Frage hat, kann er gern ans Mikrofon treten.

Die LINKEN haben bekanntermaßen zum 85. Geburtstag von Fidel Castro ein Glückwunschschreiben geschickt.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Was hat das denn damit zu tun?)

Darauf komme ich, Herr Pellmann, damit Sie es verstehen.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Das fällt mir immer schwerer!)

Darin heißt es, Kuba sei Beispiel und Orientierungspunkt für viele Völker dieser Welt. Und weil Kuba so ein guter Orientierungspunkt ist, möchte ich diesen doch gern

einmal aufgreifen und aufzeigen – ich zitiere weiter –, wie die „beispiellosen sozialen Errungenschaften“, die Sie in Kuba festgestellt haben, im Vergleich mit Sachsen oder mit Deutschland aussehen.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist alles so wunderbar in Kuba! – Zurufe von den LINKEN)

Diesen Orientierungspunkt müssen wir leider einmal herbeiziehen, wenn Sie solche schönen Schreiben in die Welt schicken.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte schön.

Frau Herrmann, bitte.

Danke, Frau Präsidentin! – Lieber Herr Kollege, geben Sie mir recht, dass es unabhängig von der Bewertung der Großen Anfrage hier um ein demokratisches Recht der Oppositionsfraktionen geht und dass die Opposition unter anderem deshalb das Recht hat, Kleine und Große Anfragen zu stellen – und dies für die Opposition wichtiger ist als für Sie als Koalitionsfraktionen –, weil wir eben nicht in gleicher Weise Zugriff auf das Ministerium und auf die Verwaltung haben, um Antworten auf unsere Fragen zu bekommen? Also völlig unabhängig davon, wie wir die Anfrage bewerten, ist es ein demokratisches Recht. Geben Sie mir recht, dass man dann, wenn man dieses Recht beschneidet, weil man mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist, Gefahr läuft, ein grundlegendes Recht aufzugeben?

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Ich gebe Ihnen vollkommen recht. Ich halte dieses Recht, dass man Anfragen an die Staatsregierung stellen kann, für sehr richtig und für sehr wichtig. Aber es ist eben auch eine moralische Verantwortung, die jeder von uns hat, sich genau zu überlegen, welche Fragen er stellt.

(Aufgeregte Zurufe von den LINKEN und der SPD)

Wenn es darum geht, sinnlose Fragen zu stellen – und dies noch doppelt; damit setzen Sie noch eines obendrauf –, dann halte ich es für reine Steuerverschwendung, und das muss man dann auch einmal unterbinden können.

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Lassen Sie uns aber erst einmal ins Thema hineinkommen; danach können wir gern über die grundsätzliche Frage sprechen.

Schauen wir uns den Orientierungspunkt Kuba an. Kuba ist ein Land, in dem man Lebensmittel nicht so ohne Weiteres bekommt, in dem man Milch nicht so ohne Weiteres kaufen kann, sondern ein Libreta braucht, ein Heftchen, mit dem man die Berechtigung im Jahr vorher

erhält, dass man Lebensmittel bekommt, dass man beispielsweise Eier bekommt. Eier sind für uns etwas ganz Selbstverständliches; dort bekommt man sie nur von September bis Dezember auf die Gutscheine.

(Dr. Monika Runge, DIE LINKE: Zum Thema, bitte!)

Schauen wir einmal weiter, welche „beispiellosen sozialen Errungenschaften“ es auf Kuba noch gibt.

(Dr. Volker Külow, DIE LINKE: Schauen Sie mal auf die Nachbarinsel, das ist doch der Maßstab!)

Das Durchschnittseinkommen liegt bei 15 Euro im Monat. Und wo liegt die Mindestrente? Bei 6 Euro im Monat! Das sind Ihre sozialen Errungenschaften, die Sie so herausstellen.

Jetzt wird der eine oder andere kommen, der das alles so toll findet, und sagen, die haben ein ganz tolles Gesundheitssystem. Schauen wir uns einmal an, wie es dort in der Realität aussieht: Richtig, der Arzt ist genauso kostenlos, wie es bei uns jeder in Anspruch nehmen kann. Aber wenn es um Medikamente geht, dann muss man sie selbst kaufen und muss welche mit Dollar kaufen. Man kann sich einmal ausrechnen, wenn man 6 Euro im Monat bekommt, wie man sich davon auch noch Medikamente kaufen soll. Das sind die „sozialen Errungenschaften“.

Oder schauen Sie sich an, wie es mit dem Wohnungsmarkt aussieht: Sie bekommen dort im Regelfall keine Wohnung, weil nichts gebaut wird infolge der vorhandenen Misswirtschaft. Es gibt eine akute Wohnungsnot in diesem Land, in dem DIE LINKE immer diese beispiellosen Errungenschaften sieht.

Vor diesem Hintergrund von Kuba können wir uns einmal Deutschland anschauen: Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt – bei allen Problemen, die es noch gibt. Bei uns fällt niemand durch das soziale Netz.

(Karl Nolle, SPD: Deutschland ist besser als in Kuba, da haben Sie recht!)

Man kann sich einmal anschauen, was ein Hartz-IVEmpfänger bekommt. Gut, dass wir eine Grundsicherung haben, dass niemand durchfällt: So viel, wie ein Kubaner in vier Jahren an Durchschnittslohn bekommt, erhält bei uns ein Hartz-IV-Empfänger im Monat.

Das sind die sozialen Errungenschaften, die Sie feststellen. Wenn man das einmal mit Deutschland vergleicht, Herr Pellmann, dann hätten Sie sagen müssen: Wir leben im Paradies. Das habe ich aber leider nicht gehört.

Herr Dr. Pellmann, möchten Sie eine Zwischenfrage stellen, denn einen Geschäftsordnungsantrag können Sie nicht mitten in der Rede stellen? Das müssen Sie danach machen. Oder wollen Sie jetzt eine Anfrage an Herrn Krauß stellen? Herr Krauß, möchten Sie die Zwischenfrage erlauben?

Ja, bitte schön.

Bitte, Herr Pellmann.

Danke schön, Frau Präsidentin. – Verehrter Herr Krauß, wir sind doch beide des Lesens mächtig.

Wir können doch beide auf das heutige Thema schauen. Da geht es nicht um welthistorische Exkurse, auch nicht über Kontinente, sondern es geht um die Frage, wo Sachsen hinsichtlich sozialer Standards im Bundesvergleich steht. Wären Sie denn bereit, zu diesem Thema zu sprechen und, wenn Sie meine Analyse anzweifeln, wozu ich Ihnen gern die Broschüre zur Verfügung stelle, innerhalb von vier Wochen eine Gegenbroschüre zu schreiben?

Herr Pellmann, ich habe es deutlich gemacht, damit man weiß, vor welchem Hintergrund DIE LINKE argumentiert. Worum geht es Ihnen denn eigentlich? Ihnen geht es doch darum, dass Sie so lange Ihr Haupt schütteln, bis Sie das Haar in der Suppe finden. Ihnen geht es doch nicht um das Thema, seien wir doch einmal ehrlich. Wenn Sie Kuba für seine großen sozialen Errungenschaften loben – Entschuldigung –, dann können Sie Deutschland und Sachsen mit Sicherheit nicht kritisieren. Dazwischen liegen Welten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Gehen wir jetzt aber auf Deutschland und Sachsen im Einzelnen ein. Wie sieht es zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt aus? Wir haben immer noch zu viele Arbeitslose, aber der Arbeitsmarkt hat sich deutlich verbessert. Wir haben eine gute Arbeitsmarktlage. Arbeit ist nicht nur für das Auskommen der Familie wichtig, sondern bringt auch Würde.

(Dr. Monika Runge, DIE LINKE: Keine Phrasen, bitte!)

Wir sind jetzt bei einer Arbeitslosenquote von 10 %. Wir hatten mal weit über 400 000 Arbeitslose in Sachsen. Wir haben jetzt 217 000 Arbeitslose. Wir hatten in Deutschland mal weit über 5 Millionen Arbeitslose. Wir sind jetzt bei unter 3 Millionen Arbeitslosen.

Herr Pellmann hat gesagt, der Abstand zwischen den alten und neuen Bundesländern wird größer. Nein, in dem Fall ist das nicht richtig. Wir haben im vorigen Jahr das erste westdeutsche Bundesland bei der Arbeitslosenquote überholt. Wir sind mittlerweile besser als das seit zig Jahren rot regierte Bremen. Dann schauen wir uns mal die Wirtschaft an. Sie klagt mittlerweile über einen Fachkräftemangel. Das ist aus meiner Sicht positiv für die Arbeitnehmer, weil damit die Chancen für Arbeitslose natürlich besser werden. Wir haben mittlerweile 20 000 offene Stellen in Sachsen, die derzeit nicht zu besetzen sind.

Nun sagt Herr Pellmann, es gibt eine Statistik, nach der Sachsen ganz hinten liegt, wenn man die offenen Stellen mit den Arbeitslosen vergleicht. Ich bin froh, dass wir so weit hinten liegen. Vielleicht haben wir deshalb so wenig

offene Stellen, weil unsere Arbeitsverwaltungen die Leute so schnell vermitteln. Das ist doch positiv.

(Beifall des Abg. Sebastian Fischer, CDU)

Blieben die unbesetzten Stellen lange offen, wären wir in der Statistik führend. Das wäre aber kein Erfolg!

Herr Pellmann, Sie brachten noch ein anderes Beispiel. Entschuldigung, es ist doch kein Selbstzweck, dass Kinder unter drei Jahren in der Krippe sind. Es geht darum, dass wir ein bedarfsgerechtes Angebot haben, dass jeder, der es gern möchte, sein Kind in die Krippe bringen kann. Es geht doch nicht darum, dass jedes Kind automatisch in der Krippe ist, und wenn 100 % in der Krippe sind, klatschen wir in die Hände und freuen uns, dass wir die Besten sind. Das ist doch vollkommener Unsinn.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU, der FDP und des Staatsministers Frank Kupfer)

Ich will noch beim Arbeitsmarkt verweilen, weil es noch gar nicht im Bewusstsein ist, wie sich der Arbeitsmarkt gewandelt hat. Im Jahr 2005 sind in Deutschland noch täglich 2 000 Arbeitsplätze verloren gegangen. 2010 sind täglich 1 100 Arbeitsplätze neu entstanden. Das ist die Realität in diesem Land und darüber freuen wir uns, Herr Kollege Pellmann. Es gibt ein ostdeutsches Bundesland, welches auf dem Arbeitsmarkt besser ist als wir. Das ist Thüringen. Wenn man sich anschaut, dass Thüringen an Bayern und Hessen grenzt, dann wird ersichtlich, wieso die Thüringer besser sind. Aber wir sind deutlich besser als die anderen Länder, die Sie mitregiert haben oder vielleicht sogar mitregieren. Bei diesen Ländern ist die Arbeitslosenquote höher als bei uns in Sachsen. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)