Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

Wir orientieren auf 20 Minuten. Dann bitte ich Sie, wieder hier zu sein.

(Unterbrechung von 21:17 bis 21:37 Uhr)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Präsidium hat sich gerade – das darf ich so sagen – einvernehmlich darauf geeinigt, dass wir jetzt die Sitzung fortsetzen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 12

Deutsch statt „Denglisch“ – Anglizismen im Verantwortungsbereich der Staatsregierung vermeiden

Drucksache 5/5834, Antrag der Fraktion der NPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet: einbringende Fraktion NPD, dann CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE; Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der NPD-Fraktion als Einreicherin das Wort. Herr Abg. Gansel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch der NPD-Fraktion wäre es lieber, wenn unser Antrag zu einem früheren Zeitpunkt ins Plenum gekommen wäre. Das ist eine Anregung an die linken Parteien, das Plenum nicht immer mit Gender- und Homo-Debatten künstlich in die Länge zu ziehen. Wenn Sie sich thematisch in der Antragswahl etwas zusammenreißen und Ihre Wortbeiträge am Nachmittag etwas straffen würden, könnte die Sitzung am Abend schneller abgeschlossen werden.

Aber jetzt zu unserem eigentlichen Antrag. In einem Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 22. März 1996 erläuterte die zumindest herkunftsdeutsche Modemacherin Jil Sander das Erfolgsrezept ihres Unternehmens in einer sprachlichen Form, die erschaudern ließ. Ich erspare Ihnen und mir die Wiedergabe dieses Kauderwelschs aus deutschen und englischen Wörtern, was dann das berüchtigte „Denglisch“ ergibt. Auch die Leser der „FAZ“, hinter der laut Eigenwerbung ja immer ein kluger Kopf steckt, dürften verständnislos auf diesen Wortmüll geblickt und nicht so recht gewusst haben, was die Frau da eigentlich sagen will. Wahrscheinlich wusste sie es selbst nicht.

(Alexander Krauß, CDU: Sie wissen auch nicht, was Sie uns sagen wollen!)

Für die NPD ist es jedenfalls – Herr Krauß – kulturelle Umweltverschmutzung, wenn man mit – wohlgemerkt – überflüssigen Anglizismen um sich wirft und damit zu einer allgemeinen Sprachverwirrung beiträgt. Das dient nur der Selbstinszenierung von Weltgewandtheit, Modernität und Internationalität. All das will man damit demonstrieren, aber in Wirklichkeit – siehe Frau Sander – macht man sich damit lächerlich. Nun kann man einer Modeschöpferin bestimmt nicht vorschreiben, ihre Plattheiten in einem verständlichen Deutsch abzusondern.

Sehr wohl sollte aber die Pflege der deutschen Sprache ein Anliegen von Ministerien und Staatskanzleien sein. Auch die Sächsische Staatsregierung sollte darauf achten, dass ordentliches Deutsch als Amtssprache im Schriftverkehr, in Publikationen oder bei Internetauftritten gepflegt und die Sprache nicht schleichend verhunzt wird. Viele Personen des öffentlichen Lebens treibt längst die Furcht

um, dass die deutsche Sprache durch Anglisierung ihre Eigenart, ihre Ausdruckskraft und vor allem ihre Verständlichkeit einbüßt. Sie fordern, den Schutz der deutschen Sprache in das Grundgesetz aufzunehmen.

Begrüßenswert ist aus Sicht der NPD-Fraktion deshalb die Initiative von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, der unnötigen Anglizismen in seinem Verantwortungsbereich den Kampf ansagte und per Erlass und einem entsprechenden Handbuch für sein Ministerium regelte, dass der Verhunzung unserer Sprache durch „Denglisch“ ein Riegel vorgeschoben wird.

Genau auf dieses Ansinnen des Bundesverkehrsministers bezieht sich auch die NPD mit dem vorliegenden Antrag. Seit der Deutsch-Initiative Ramsauers werden im Bundesverkehrsministerium unnötige englische Begriffe durch deutsche ersetzt. Das „Travel Management“ heißt nun wieder Reisestelle. Statt „Task Forces“ arbeiten wieder Projektgruppen im Bundesverkehrsministerium und statt zum „Inhouse Meeting“ kommen die Ministerialbeamten zum hauseigenen Seminar zusammen.

In der Ausgabe 39 der Sprachschützerzeitung „Deutsche Sprachwelt“ schrieb der Burschenschaftler Peter Ramsauer: „Ich kann das Hinterherhecheln nach dem neuesten Stand der Sprachmode weder verstehen noch gutheißen. Wir haben für jeden Bereich unseres Lebens auch deutsche Bezeichnungen. Es gilt, an sie zu erinnern und sie anzuwenden.“ Millionen Bürger – so der Bundesverkehrsminister weiter – fühlten sich schlichtweg ausgegrenzt durch die Überflutung mit Anglizismen und schließlich schreibt er: „Muss es denn wirklich ein ‚Kick off meeting’ sein, wenn es sich um eine Auftaktveranstaltung handelt? Ich sammle auch nach wie vor Ideen und begebe mich nicht ins ‚brainstorming’. Für mich ist das nicht ‚good governance’, sondern verantwortungsvolle Regierungsführung“, so Ramsauer.

Auch die öffentliche Verwaltung im Freistaat Sachsen sollte nach unserer Auffassung in ihrem Sprachgebrauch mit gutem Beispiel vorangehen. Daher fordert die NPDFraktion in ihrem heutigen Antrag, dass seitens der Staatsregierung Erlasse nach dem Vorbild des Bundesverkehrsministeriums ergehen und ein Handbuch erstellt wird, das den Mitarbeitern der Staatsregierung die Möglichkeit gibt, Anglizismen zu vermeiden und sich stattdessen in korrektem Deutsch auszudrücken.

Dabei geht es uns ausdrücklich nicht um die Tilgung von inzwischen allgemein gebräuchlichen Fremdwörtern etwa aus dem Lateinischen, dem Griechischen oder dem Englischen. Niemand will ins sprachliche 19. Jahrhundert

zurück, wo lateinische Fremdwörter holprig eingedeutscht und bereits eingeführte Entlehnungen aus dem Französischen durch weniger treffende deutsche Wortschöpfungen ersetzt wurden. Niemand bezweifelt den Wert von Fremdsprachenkenntnissen für die viel beschworene internationale Wettbewerbsfähigkeit. Aber dabei geht es eben um echte Fremdsprachenkenntnisse und nicht um Wortfetzen aus dem Englischen, die willkürlich mit deutschen Wörtern zusammengepanscht und dann als ungenießbare Wortbrühe ausgegossen werden. Das ergibt dann das ungenießbare Denglisch, gegen das wir uns als NPD wenden.

Wir lehnen diese Kauderwelsch-Sprache durch eine überhandnehmende Vermischung von Mutter- und Fremdsprache ab. Gerade im Zeitalter der Globalisierung und der Durchökonomisierung aller Lebensbereiche muss daran erinnert werden, dass Sprache mehr ist als ein Verständigungsmittel für das bloße Wirtschaftsleben. Sprache ist ein maßgebliches Kultur- und Identitätsgut, das unbedingt erhalten werden muss. Um hier ein klares Zeichen zu setzen, sollte die Staatsregierung dem Beispiel des Bundesverkehrsministeriums folgen, bevor es auch in Sachsen zur Denglisierung unserer Muttersprache kommt. Daher bitte ich Sie um Zustimmung zum vorliegenden Antrag.

(Beifall bei der NPD)

Für die einbringende NPD-Fraktion war das der Abg. Gansel. – Für die CDUFraktion spricht der Abg. Bandmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutsch statt Denglisch. Der Antrag bezieht sich auf Dr. Peter Ramsauer. Wir haben es eben gehört. Vermeintlich völlig unverfänglich.

(Zurufe von der NPD)

Doch schaut man sich die Begründung an – und ein Teil der Begründung ist durchaus unverfänglich –, ist das bedenkenlose Verwenden von unnötigen Anglizismen nach Ansicht der NPD-Fraktion nicht etwa ein Zeichen von Weltoffenheit, sondern von Stillosigkeit. Da kommen wir doch langsam dem Ziel etwas näher. Es geht also nicht nur darum, Weltoffenheit zu präsentieren. Herr Gansel, beim Thema und der Pflege der deutschen Sprache kommt es auf die Phonetik an, wie man spricht. Es kommt also auf die Pflege an, aber auch auf den Inhalt. Deswegen ist, wenn Herr Ramsauer dieses Thema behandelt, es noch lange nicht –

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist etwas anderes, als wenn wir das sagen!)

richtig, Sie haben es erfasst, es ist etwas völlig anderes, als wenn die NPD mit diesem Thema um die Ecke kommt. Es war im Übrigen – Herr Gansel, dieses Buch empfehle ich Ihnen – der Jude Victor Klemperer hier in Dresden,

(Beifall bei der CDU, der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

der das Buch „LTI“ geschrieben hat – „Lingua Tertii Imperii“, die Sprache des Dritten Reiches. Im Übrigen empfehle ich Ihnen als Fraktion, dieses Buch einmal zu studieren. Der Inhalt wird nämlich über Sprache transportiert, ebenso der Geist, der dahinter steht. Diktaturen hatten es immer mit der Sprache. So war es das Dritte Reich, das den Leuten über Sprache vorschrieb, wie sie zu denken hatten –

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

und es waren im Übrigen dann auch die SEDMachthaber, die in gleicher Weise versuchten, hier Vorgaben zu machen. Es war der Sachse, der Leipziger Walter Ulbricht, der mit dem „Bitterfelder Weg“ feststellte: In Staat und Wirtschaft ist die Arbeiterklasse der DDR bereits Herr. Jetzt muss sie auch die Höhen der Kultur stürmen und von ihnen Besitz ergreifen. Als in unserer Jugendzeit die Beatles das Thema bestimmten, ja umgangssprachlich das Englisch hier ins Land brachten, mussten wir uns dafür interessieren. „I love you“ von Paul McCartney 1963 war der große Hit und für Walter Ulbricht ging das natürlich gar nicht. Für Walter Ulbricht war das „Yeah“ der Beatles ein Paradebeispiel für westliche Beatmusik. Und ich zitiere: „Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen? Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Ye, Ye, Ye und wie das alles heißt, sollte man doch Schluss machen.“

(Beifall bei der CDU, der FDP, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

1965 war das dann die Ankündigung des Verbots der westlichen Beatmusik auf dem 11. Plenum des ZK der SED, und anschließend sollte das Yeah, Yeah nicht mehr gebracht werden. Das hat aber diese Popularität eher befördert. Also, Herr Gansel, von daher ist das Thema nicht so einfach.

Wenn ich mir die Antwort der Staatsregierung anschaue, ist dazu alles gesagt. Wenn Sie auf das Handy in Zukunft verzichten wollen und stattdessen Mobiltelefon sagen, wie es auch die Engländer sagen, ist das durchaus korrekt. Das Handy gibt es nämlich in England nicht. Die sprechen alle vom Mobilephon.

In diesem Sinne: Einen schönen Abend noch und ich bitte um Ablehnung dieses Antrages.

(Beifall bei der CDU, der FDP, den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Für die CDU-Fraktion war das der Abg. Bandmann. – Für die Oppositionsfraktionen spricht jetzt Herr Kollege Jennerjahn.

Ja, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie merken, der Antrag zu später Stunde sorgt jetzt schon für eine gewisse Heiterkeit und das zu Recht. Die NPD im Sächsischen Landtag hat

einen Antrag gestellt, auf Anglizismen insbesondere aus den letzten Jahren und Jahrzehnten zu verzichten und zu diesem Zweck für die Verwaltung ein Handbuch erstellen zu lassen. Auf dieses Ansinnen antwortet die Staatsregierung völlig richtig: Die Amtssprache in Deutschland ist Deutsch.

Aber natürlich lohnt sich an der Stelle schon auch noch einmal eine nähere Betrachtung dieser wirklich wichtigen kulturellen Frage, die die NPD hier gerade aufgeworfen hat. Zum einen gibt es natürlich viele, die an der Amtssprache Deutsch in regelmäßigen Abständen verzweifeln, wenn sie zum Beispiel eine Verordnung lesen.

Meine Damen und Herren von der NPD, ich garantiere Ihnen, das liegt in 99 % der Fälle erkennbar und nachweislich nicht daran, dass in der Verordnung ein neuerer Anglizismus verwendet wurde.

Zum anderen ist das heute gebräuchliche Deutsch ein Sprachenbastard erster Güte. Es hat lateinische Lehnwörter in seiner Frühphase wie Fenster, Pforte, Tafel aus finestra, porta und tabula aufgenommen. Der Hinweis sei gestattet: Auch in Ihrem Antrag tauchen eine Reihe von lateinischen und englischen Lehnwörtern auf. An dieser Stelle zeigt sich auch die Inkonsequenz.

(Alexander Delle, NPD: Hör doch mal zu, du! – Zurufe aus der NPD)

Sie schreiben etwas von Internetseiten. Normalerweise reden Sie von einem Weltnetz und ähnlichem Blödsinn.

Es hat auch französische Lehnwörter in seiner Kulturphase wie goutieren, regieren, filetieren, tranchieren und musizieren aufgenommen. Selbst sorbische Lehnwörter hat das Deutsche in seiner Eroberungsphase hier in unserer Region aufgenommen. Das bekannteste Beispiel dafür dürfte das Wort „Quark“ sein.

In seiner wirtschaftlichen Entwicklungsphase hat das Deutsche eben viele englische Begriffe aufgenommen. Einzelne Lehnwörter haben sogar den Weg um den halben Globus zurückgelegt, bis sie bei uns gelandet sind, zum Beispiel das Wort „Amok“ aus dem Malaiischen und das Wort „tabu“ aus dem Polynesischen, die die Briten aus der Kolonialzeit mitbrachten.

Wem jetzt also an der sprachlichen Reinrassigkeit gelegen ist, der sollte Altsächsisch und Angelsächsisch, also Englisch, zum Pflichtfach erheben. Die Angeln und die Sachsen, die im 6. Jahrhundert das heutige Großbritannien eroberten, dürften mit historischem Recht für sich in Anspruch nehmen, germanische Ursprachen gesprochen und mit nach England gebracht zu haben.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und vereinzelt bei der CDU und der FDP)

Auf jeden Fall auf der richtigen Seite ist man als ach so volkstreuer Germane, wenn man seinem Kind gleich im frühen Alter ein vernünftiges „teeaitch“ beibringt, denn ohne „thing“ kein echter Germane.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN, der SPD und vereinzelt bei der CDU und der FDP)