Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

(Beifall bei den LINKEN)

Prof. Dr. Andreas Schmalfuß: Wünscht ein Abgeordneter in der dritten Runde noch einmal das Wort? – Das kann ich nicht erkennen. Damit beende ich die dritte Runde und frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Dr. Martens, Sie möchten gern sprechen? Dazu haben Sie nun Gelegenheit.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Forderung, das Standortegesetz zu stoppen, im Rahmen einer solchen Debatte zu behandeln erscheint zunächst wenig sachgerecht, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, an dem zum einen die Anhörungen durchgeführt worden sind, aber noch nicht einmal sämtliche Protokolle vorliegen und im Übrigen die Beratungen in den Ausschüssen auch erst noch bevorstehen.

Aber die Debatte zeigt eines immer wieder: Auch heute ist es noch notwendig darzustellen, warum die Staatsregierung dieses Standortegesetz, diese Konzeption vorgelegt hat. Das heißt, wir stellen uns den Herausforderungen, die auf Sachsen zukommen, nicht nur jetzt, sondern auch bis zum Jahr 2020. Das ist etwas – so ist es in der Aktuellen Debatte klar geworden –, was die Opposition hartnäckig ignoriert, meine Damen und Herren.

Wir werden die Einnahmensituation des Freistaates in den nächsten zehn Jahren deutlich verändert sehen, zum Beispiel durch den Rückgang der Solidarpakt-II-Mittel von ehedem über 2,4 Milliarden Euro auf null ab dem Jahr 2020, und deutlich geringere Fördermittel aus der Europäischen Union.

Prof. Dr. Andreas Schmalfuß: Herr Dr. Martens, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Prof. Dr. Andreas Schmalfuß: Herr Stange.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Dr. Martens, würden Sie mir bitte einmal

sagen, welches der Protokolle dem Hohen Hause noch nicht vorliegt?

Soweit ich weiß, ist das Protokoll vom 30.09.2011 noch nicht verteilt worden.

Ich habe aus dem Protokoll vom 30.09.2011 zitiert.

Jedenfalls dürften auch die Protokolle insgesamt noch nicht in den Arbeitskreisen ausgewertet worden sein.

Sie sind alle da.

Aber das überlasse ich Ihnen, wie schnell Sie sich damit befassen und eine endgültige Meinung dazu bilden wollen. Das ist Ihre Sache. Sache der Staatsregierung ist es, dass wir darauf Rücksicht nehmen, das bewerten und uns danach richten, was sichere Prognosen für das Jahr 2020 sind. Dazu ist unter anderem die demografische Entwicklung zu nennen, wonach im Jahr 2020 3,89 Millionen Einwohner in Sachsen leben werden – von gegenwärtig 4,3 Millionen. Man kann so tun, als gäbe es das alles nicht, man kann fröhlich weiter so rufen, wie es die Opposition tut.

(Alexander Delle, NPD: Oder bessere Politik machen!)

Wir tun das nicht, meine Damen und Herren. Wir stellen uns den Herausforderungen. Diese Politik ist auch nicht ganz erfolglos. Die Verschuldung des Freistaates Sachsen nimmt seit Jahren kontinuierlich ab. Sie ist seit 2007 mit 12,6 Milliarden Euro auf 11,8 Milliarden Euro bis 2010 gesunken. Die Pro-Kopf-Verschuldung ist in Sachsen trotz sinkender Einwohnerzahl reduziert worden und liegt bei 2 850 Euro.

Wenn auch damit der Freistaat Sachsen nach Bayern bundesweit die zweitgeringste Pro-Kopf-Verschuldung aufweist, so verdeutlichen die Zahlen jedoch augenscheinlich eines: Ein Nachlassen in den Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung bis 2020 wird keinesfalls in Betracht kommen, meine Damen und Herren. Die Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit bei hohem Investitionsniveau sind Markenzeichen der sächsischen Politik, und dieser Ansatz wird weiterverfolgt.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Es geht darum, das Geld der Steuerzahler vorrangig in Bildung, Wissenschaft und die wirtschaftliche Entwicklung des Freistaates zu investieren und es nicht für eine überdimensionierte Verwaltung auszugeben.

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Aber die Kosten! – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Daher müssen wir diesen Faktoren auch in der Behördenlandschaft Rechnung tragen.

Prof. Dr. Andreas Schmalfuß: Herr Dr. Martens, ich weise Sie darauf hin, dass wir eine Aktuelle Debatte führen und ausformulierte Unterlagen nicht zu verwenden sind. Ich bitte, dass Sie Ihre Unterlagen für den Rest der Debatte nicht mehr verwenden.

(Beifall bei den LINKEN sowie vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich habe mir hier nur Zahlen notiert, die ich noch vortragen werde, Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis.

Wir haben von den Experten in dieser Anhörung insofern nichts Neues gehört, als sie sagten, dass dieser Ansatz, den wir verfolgen, bundesweit einzigartig sei, auch im Umfang. Übrigens, Frau Friedel, wenn Sie sagen, hier würde eine Zentralisierung bei den Gerichten betrieben werden, dann weiß ich nicht, woher Sie das haben. Es ist gerade keine Zentralisierung vorgenommen worden, sondern wir bilden Außenstellen und sind damit weiterhin in der Fläche präsent.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe der Abg. Sabine Friedel, SPD, und Eva Jähnigen, GRÜNE)

Die Betroffenen hätten natürlich am liebsten, dass hier nichts passiert. Aber, Herr Stange, die von Ihnen zitierten sogenannten Sachverständigen Herr Schade und Herr Binus sind wohl kaum unabhängige Sachverständige, sondern eher Betroffene.

(Beifall bei der FDP – Empörung bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Johannes Lichdi, GRÜNE: Das ist unverschämt!)

Das ist nicht unverschämt, sondern es ist nur die realistische Wahrnehmung. Sie verwechseln hier Sachverständigenanhörungen mit Betroffenenanhörungen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Was die Frage der Kosten betrifft, so hat die Staatsregierung mehrfach ausdrücklich dargelegt, wie sich diese darstellen. Detailfragen können übrigens in den nächsten Ausschusssitzungen im Einzelnen beziffert werden.

Prof. Dr. Andreas Schmalfuß: Herr Dr. Martens, möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Ja, möchte ich.

Prof. Dr. Andreas Schmalfuß: Herr Lichdi, bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Dr. Martens, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie den Präsidenten des Rechnungshofes nicht als unabhängigen Sachverständigen eingestuft haben?

Wenn es um die Frage der Verlegung seiner eigenen Behörde geht, ja.

Prof. Dr. Andreas Schmalfuß: Herr Dr. Martens, gestatten Sie noch eine Nachfrage?

Herr Dr. Martens, sehr gut pariert, deshalb möchte ich die Frage genauer formulieren: Betrachten Sie den Ratschlag des Präsidenten des Rechnungshofes – nicht bezüglich der Standortentscheidung und seiner eigenen Behörde – als unabhängige Sachverständigenmeinung oder nicht?

Moment! Den Ratschlag des Präsidenten des Rechnungshofes?

Herr Dr. Martens – –

Ich habe die Frage jetzt sinngemäß nicht ganz verstanden.

Herr Dr. Martens, ich wiederhole die Frage gern. Der Präsident des Rechnungshofes hat hierzu seine Hilfe angeboten, wie der Vorredner – ich glaube, Herr Stange war es – ausgeführt hat.

Ich habe Sie so verstanden – darauf zielt meine Nachfrage –, dass Sie das Angebot des Präsidenten des Rechnungshofes nicht als unabhängige Sachverständigenmeinung betrachten, insoweit sie nicht die Standortentscheidung seiner eigenen Behörde betrifft.

Welche Äußerung sich auf welchen Sachverhalt bezieht, muss man im Einzelnen sortieren. Herr Kollege, gehen Sie aber davon aus, dass sämtliche Äußerungen, die im Rahmen der Sachverständigenanhörung getätigt wurden, im Einzelnen und sorgfältig von der Staatsregierung ausgewertet und zur Kenntnis genommen worden sind.

(Beifall bei der FDP – Enrico Stange, DIE LINKE: Wir vertrauen auf die Staatsregierung!)

Noch einmal etwas zu den Kosten, meine Damen und Herren.

Herr Dr. Martens, es gibt nochmals den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Möchten Sie diese beantworten?

Gern.