Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Die Abg. Jähnigen sprach für die Fraktion der GRÜNEN. Für die NPDFraktion spricht jetzt Frau Schüßler.

Danke, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Grunde kommt der vorliegende Antrag wie einer der üblichen Berichtsanträge der Koalitionsparteien daher und auch die Forderung im Punkt 2 – öffentlichkeitswirksame Schritte einleiten, Kampagnen und Netzwerke etablieren usw. – ist so allgemein gehalten, dass man hier fast zustimmen könnte. Deshalb möchte ich auch nur auf die interessante Begründung des Antrages eingehen. Interessant deshalb, weil hier gerade von der CDU herkömmliche Geschlechtervorstellungen infrage gestellt werden. Natürlich brauchen Kinder männliche und weibliche Vorbilder gleichermaßen, diese sollten sie aber lieber doch in einer intakten Familie erleben, also im häuslichen Umfeld. Mit Familie meine ich natürlich das althergebrachte Vater-Mutter-KindKonzept.

(Zuruf von der NPD)

Aber was ist die Realität, die dieser Idealvorstellung gegenübersteht? Es gibt bundesweit immer mehr Alleinerziehende. Fast jedes fünfte Kind lebt heute schon mit einem alleinerziehenden Elternteil zusammen. In Ostdeutschland sind es sogar noch mehr, nämlich 26 %, wobei in Sachsen die Zahl der alleinerziehenden Frauen mit 92 % besonders hoch ist. Der übergroßen Mehrheit der sächsischen Kinder, die bei Alleinerziehenden aufwachsen, fehlt also der Mann im Hause, der nun durch den Erzieher in der Kita ersetzt werden soll.

Der Verweis auf den allgegenwärtigen drohenden Fachkräftemangel darf in der Begründung Ihres Antrages ebenso wenig fehlen wie die Anwerbung von Frauen für technische und naturwissenschaftliche Berufe. Überspitzt gesagt, Sie möchten erreichen, dass Frauen Männerberufe

und Männer Frauenberufe ausüben. Was der Sinn sein soll, fragt man sich.

Nebenbei gesagt ist auch die Entlohnung ein nicht zu unterschätzender Faktor. Sie wollen zwar alles Mögliche wissen, doch die naheliegendste Frage nach der Lohnentwicklung im Bereich der Erzieherberufe stellen Sie eben nicht. Frau Nicolaus ist zwar mündlich darauf eingegangen, aber in Ihrem Antrag steht es eben nicht. Jedenfalls soll nun Männern verstärkt der Weg in einen bisher als frauentypisch angesehenen Beruf geebnet werden. Dies dürfte doch in erster Linie reinem wirtschaftlichem Nützlichkeitsdenken geschuldet sein, denn für den von der Bundesregierung vorgesehenen massiven Ausbau der Kinderbetreuung fehlt der qualifizierte Nachwuchs. Wenn es Ihnen wirklich darum ginge, wie Sie in der Begründung zu Ihrem Antrag schreiben, unseren Kindern neben weiblichen auch männliche Vorbilder zu geben, dann müssten Sie doch ein ganz anderes Problem anpacken.

Der Medienwissenschaftler Arne Hofmann wies schon 2009 in seinem Buch „Rettet unsere Söhne – wie den Jungs die Zukunft verbaut wird und was wir dagegen tun können“ darauf hin: „Die katastrophale Situation im Bildungs- und Lehrstellenwesen ist vor allem eine Katastrophe für die Jungen.“ Das liegt vor allem daran, dass Mädchen in der Bildungspolitik gezielt gefördert und die Jungs komplett vergessen wurden. Die wenigen bisher initiierten Jungsförderprojekte sind in Wirklichkeit nicht zur Stärkung unserer männlichen Jugend geeignet, sondern stellen nichts anderes dar als profeministische Anpassungsprojekte. An dieser Stelle verbinden sich die vorwiegend ökonomischen Interessen der bürgerlichen Parteien mit dem Gender-Ansatz der Linksfraktion.

Im Gegensatz dazu würde vor allem die Erhöhung der Präsenz männlicher Lehrer an den Schulen unseres Landes dazu taugen, den Kindern – Jungs und Mädchen – die fehlenden männlichen Vorbilder zurückzugeben. Ich zitiere noch einmal Herrn Hofmann: „Ein Grund für die männliche Bildungsmisere der Gegenwart ist die Feminisierung der Schulen.“ Der Frauenanteil bei den Lehrerstudenten liegt inzwischen bei 87 %. Hier müsste angesetzt werden.

Mit diesem Antrag führt also – ohne es auszusprechen – die bürgerliche Koalition den Gender-MainstreamingAnsatz fort. Die genderorientierte Pädagogik kann nur dann in den Kitas erfolgreich umgesetzt werden, wenn dort genug männliches Betreuungspersonal vorhanden ist, das den Gender-Ansatz, also die „Dekonstruktion der Geschlechterrollen“, bereits voll verinnerlicht hat.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Schon schreibt die „TAZ“ in ihrer Ausgabe vom 30. September 2011 zu Frau Schröders neuer Männerpolitik: „Männer in Kitas nützen wenig, wenn diese Männer nicht sensibel für stereotype Geschlechterbilder sind.“ Daher, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, werden Sie es mit Ihrem Antrag weder den von der CDU vergessenen Konservativen, noch den linken Partei

en, ob hier im Landtag oder draußen im Land, recht machen können.

Wir lehnen ab. – Danke.

(Beifall bei der NPD)

Die Abg. Frau Schüßler sprach für die NPD-Fraktion. Gibt es Redebedarf in einer weiteren Runde? – Den sehe ich hier. Für die CDUFraktion ergreift Herr Kollege Rohwer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als erziehender Vater will ich in dieser bisherigen Frauenrunde einmal in die Debatte eingreifen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Aber ich möchte zuvor kurz sagen, warum ich denke, dass ich das eine oder andere kompetent beitragen kann; denn anders, als von der Opposition behauptet, hat die CDU das Thema nicht erst jetzt entdeckt, sondern wir haben bereits 2000 angefangen, im Landesjugendhilfeausschuss über die Thematik zu sprechen. Wir hatten in Sachsen auch von 2006 bis 2009 ein Landesmodellprojekt „Jungenarbeit“,

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Genau!)

in dem ich als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses mitarbeiten konnte.

(Zurufe der Abg. Stefan Brangs, SPD, und Christian Piwarz, CDU)

Das Thema ist schon länger präsent und genau aus diesem Landesmodellprojekt „Jungenarbeit“ weiß ich, dass wir immer wieder an das Thema Bildung gestoßen sind und gesagt haben: Dazu müssen wir später diskutieren. „Jungenarbeit“ war ein Landesmodellprojekt, das für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe abgesteckt war. Jetzt sind wir endlich so weit, dass wir auch in der frühkindlichen Bildung und im Grundschulbereich weiter diskutieren.

Deswegen freue ich mich, dass dieser Antrag heute auf der Tagesordnung steht. Ein weiterer Punkt ist, dass die LAG Jungen- und Männerarbeit in Sachsen jetzt einen Beirat berufen hat, in dem ich mitarbeiten darf. Auch dort ist bei der ersten Beratung deutlich geworden, dass wir uns nicht nur auf die Jungs beziehen dürfen, sondern eben auch Männern Angebote und Orientierung geben müssen, welche Berufe sie einschlagen. Dies soll mit dem heutigen Antrag geschehen.

Es ist schon angesprochen worden: Es gibt diverse Studien. Ich habe mir sie natürlich alle zu Gemüte geführt. Ich habe eine ganze Reihe von interessanten Punkten gefunden. Beispielsweise wurde vorhin schon angesprochen, das Thema der Bezahlung wäre so ein schwieriges. Ich sehe das etwas anders. Ich fühle mich auch durch die Studien, die gemacht worden sind, bestätigt. Zum Beispiel hat eine Studie herausgefunden, dass männliche Erzieher der relativ schlechten Entlohnung ihrer Arbeit dann eine geringere Bedeutung beimessen, wenn sie für ihre Arbeit

soziale Anerkennung erfahren und ihre Arbeitsbedingungen eine professionelle und mit ausreichenden Ressourcen ausgestattete Bildungsbetreuungsarbeit mit den Kindern zulassen.

Hier haben wir es wieder, was auch in dem Antrag der Koalition niedergelegt ist: dass es nicht vorrangig um die Entlohnung geht. Wenn wir nämlich nur diese Debatte führen würden, würden wir auch die Arbeit der Erzieherinnen abwerten, die mit dem Lohn auch teilweise alleinerziehend mit ihren eigenen Kindern klarkommen müssen.

Ich denke, das wäre eine Debatte, die zu kurz greift. Wir müssen viel weiter gehen.

Männliche Erzieher sind nicht nur für Jungen, sondern auch für Mädchen wichtig. Männer leisten in Kitas einen wichtigen Beitrag, traditionelle Männlichkeitsbilder zu erweitern, indem sie zeigen, dass auch Trösten und Fürsorglichkeit zum modernen Mann dazugehören.

Die Erinnerung an das traditionelle Männlichkeitsleitbild des Familienernährers führt dazu, dass Männer das Erziehergehalt insbesondere deshalb zu niedrig finden, weil sie damit keine Familie ernähren können. Das Thema ist also vorhanden. Wir dürfen es nur nicht in den Mittelpunkt stellen. Es gibt noch mehr, was auch eine Rolle spielt.

Wenn wir davon sprechen, dass beispielsweise Lehrer sein nicht nur einfach ein Beruf ist, sondern eine Berufung, so sehe ich das für den Erzieherberuf ganz genauso. Die positive Arbeit und die Betreuungserfahrungen mit Kindern und Jugendlichen, wie zum Beispiel im Zivildienst oder in der kirchlichen und ehrenamtlichen Kinder- und Jugendarbeit, stellen aus meiner Sicht häufig Brücken für Männer dar, in den Erzieherberuf zu wechseln. Das sollten wir zukünftig verstärken. Deshalb finde ich auch, dass wir auf dem richtigen Weg sind, wenn wir heute mit diesem Antrag Mut machen, den Erzieherberuf zu ergreifen.

Ich bin sehr gespannt auf die Berichte der Staatsregierung zu den Terminen, die wir vorgeschlagen haben, um das Thema weiterzutreiben. Es soll kein reiner Berichtsantrag nur für den Moment sein, sondern sich über die gesamte Legislaturperiode verteilen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Das war für die CDUFraktion der Kollege Rohwer. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Das kann ich nicht erkennen. Damit hätte die Staatsregierung das Wort. – Es spricht Herr Staatsminister Prof. Wöller.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Gesellschaft befindet sich im steten

Wandel. In Bezug auf die frühe Entwicklungsphase von Kindern war man lange der Ansicht, sie liege allein in der Obhut der Frau. Von diesem Erziehungs- und Rollenverständnis hat man sich in der Vergangenheit mehr und mehr gelöst. Geschlechterrollen sind nicht mehr so eindeutig verteilt. Beispielsweise wächst die Zahl der jungen Väter, die das Elterngeld beziehen, beständig. Dieser Wandel wird, das dürfte nicht weiter verwundern, insbesondere von der jungen Generation getragen.

Der Sächsische Bildungsplan hält bereits in dem ersten Kapitel Grundlagen fest, dass Mädchen und Jungen die Gelegenheit haben müssen, sich jenseits von Rollenklischees des typisch weiblichen und typisch Männlichen zu entwickeln. Ein geschlechterbewusster Umgang mit den Kindern und ein geschlechterbewusstes Umfeld stehen in unmittelbarem Zusammenhang und prägen Erziehung und Entwicklung. Für eine gute Entwicklung brauchen Kinder erwachsene Bezugspersonen – am besten Frauen und Männer.

Der besagte Wandel im Selbst- und Rollenverständnis von Mann und Frau hat in den Kindertageseinrichtungen ebenfalls eingesetzt. Aus fachlicher Sicht ist das sehr zu begrüßen. Ebenfalls erfreulich ist, dass das Interesse von Männern, in der Kindertagesbetreuung tätig zu werden, zugenommen hat. Auch die Einrichtungsträger und die fast durchgängig von Frauen geprägten Teams sind dem gegenüber aufgeschlossener, als das zu vermuten gewesen wäre.

Es freut mich, dass der Anteil der Männer an pädagogischem Personal in den Kindertageseinrichtungen in den letzten Jahren erheblich angewachsen ist. Frau Abg. Nicolaus hatte darauf hingewiesen. Im Jahr 2010 waren es 3,3 %, im Jahre 2006 waren es erst 1,6 %. Damit hat sich der Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre – wenn auch auf niedrigem Niveau – mehr als verdoppelt. Wie überall gilt auch hier: Verhalten prägt Verhältnisse.

Ich möchte diese Entwicklung so gut es geht unterstützen. Ich wünsche mir, dass sie sich fortsetzt und es künftig auch mehr Grundschullehrer gibt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ein weiteres Indiz dafür, dass das Interesse junger Männern am Erzieherberuf gewachsen ist, ergibt sich auch aus der Anzahl der Schüler, die im jeweiligen Schuljahr eine Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher aufgenommen haben. Der Männeranteil bei den Fachschülern ist im ersten Ausbildungsjahr von 10 auf rund 14 % angestiegen.

Hinzu kommt Folgendes: Es gibt die Möglichkeit, die Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher entweder in dreijähriger Vollzeitausbildung oder in berufsbegleitender Teilzeitausbildung zu machen. Für die letzte Option der Kombination – in der Regel eine vierjährige Ausbildung und eine Teilzeittätigkeit – profitieren neben den Kita-Trägern zunehmend insbesondere Männer. Zunehmend nehmen auch pädagogische Fachkräfte mit Hochschulabschlüssen sozialer Arbeit und Heilpädagogik

sowie Absolventen der neu spezialisierten Studiengänge der Frühpädagogik ihre Tätigkeit in Kindertageseinrichtungen auf. Der Männeranteil unter den Studierenden ist in den Studiengängen übrigens von 12,9 auf 18,8 % gestiegen.

Dass Sachsen der Förderung des Männeranteils in Kindertageseinrichtungen sehr offen gegenübersteht, wurde auch im Rahmen des 2010 initiierten Bundesprogramms „Mehr Männer in Kitas“ noch einmal deutlich. Die meisten Interessebekundungen kamen aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Rheinland-Pfalz. Ich freue mich, dass bei den ausgewählten Modellprojekten der Freistaat Sachsen mit vertreten ist. Ziel des Projektes ist, Netzwerke von relevanten Akteuren aufzubauen, die dazu beitragen, den männlichen Anteil an den Erziehern in Kitas zu erhöhen.

Das Landesjugendamt und das Fachreferat meines Hauses unterstützen das sächsische Modellprojekt im Rahmen des Beirates und werden sich für eine öffentlichkeitswirksame Darstellung der Erfahrungen und der Ergebnisse einsetzen. So können die Landkreise und kreisfreien Städte so schnell wie möglich davon profitieren.

Um den eingangs beschriebenen Wandlungsprozess weiter zu unterstützen, wird gegenwärtig eine eigens zum Thema „Mehr Männer in Kitas“ gewidmete Internetseite vorbereitet. Sie soll die weitere Etablierung des Themas in der Öffentlichkeit unterstützen und sowohl Kita-Träger als auch interessierte Männer und Schüler ansprechen und informieren.

Wir nutzen außerdem die Möglichkeit der Berufsorientierung an den Schulen, um Schüler frühzeitig für diesen Beruf zu interessieren. Wir nehmen Kontakt mit den Regionaldirektionen Sachsens und der Bundesagentur für Arbeit auf, um nach Möglichkeit die dort angesiedelte Berufsberatung zu nutzen. So können wir neben den Berufsanfängern auch weiter bildungswillige Quereinsteiger, was wichtig ist, in den Blick nehmen.