Protokoll der Sitzung vom 13.10.2011

Das heißt, dass wir mit Nachdruck dafür Sorge tragen müssen, dass die gegebenen Leistungsversprechen eingehalten werden. Darin bin ich mir mit den B-Ländern einig, und ich bin überzeugt, dass dem auch die SPDgeführten Länder beitreten. Das heißt konkret: Der von den Pflegekassen getragene Finanzierungsanteil muss wachsen, denn sonst steigt der Eigenanteil der Versicherten immer weiter bzw. werden die Kommunen belastet.

Wenn eine Versicherung solidarisch ist, dann muss sie in Zukunft auch die Pflege der heutigen Jungen finanzieren. Angesichts der demografischen Entwicklung geht dies aber nur, wenn wir heute eine Demografiereserve bilden. Generationsgerechtigkeit heißt auch, die Chancen der nachwachsenden Generation immer im Blick zu haben.

Auch beobachte ich sehr aufmerksam die Ausbildungssituation im Pflegebereich. Jetzt und auch in den kommenden Jahren bilden wir über Bedarf aus. Nicht wenige unserer hervorragend ausgebildeten Altenpflegerinnen und Altenpfleger gehen nach ihrem Examen in die alten Bundesländer. Das hat einen einfachen Grund: Sie werden dort besser bezahlt. Genau an diesem Punkt wende ich mich an die Unternehmen und an die Wohlfahrtsverbände: Zahlen Sie Tariflohn! Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden es Ihnen entgelten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Das oft vorgetragene Argument, man bekäme den Tariflohn von den Pflegekassen nicht erstattet, ist nicht akzeptabel; wir haben es schon gehört. Denn wenn der Arbeitgeber nachweist, dass der Tariflohn beim Arbeitnehmer ankommt, muss die Kasse diesen erstatten.

Was die doch sehr belastende physische und psychische Situation der Pflegefachkräfte betrifft: Auch hier stehe ich im Gespräch mit unserer Rentenversicherung Mitteldeutschland, um Präventionsangebote für die Pflegekräfte zu erstellen.

Meine Damen und Herren! Pflege und Betreuung unserer Hochbetagten ist ein Thema, dass uns in den kommenden Jahrzehnten gerade hier in Sachsen, dem deutschen Alterspionier, intensiv beschäftigen wird. Die Staatsregierung und ich ganz persönlich kümmern uns seit Jahren um die sich abzeichnende Herausforderung. Unser Engagement ist nicht auf Aktionstage begrenzt. Pflege braucht Engagement, einen langen Atem, neue Ideen und Bereitschaft zu gemeinsamen Lösungen. Dafür brauchen wir Mut, Zuversicht und vor allem die feste Überzeugung, dass dies nur solide, solidarisch und sozial gelingen kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Die Aussprache ist beendet. Das

Das Heimgesetz war zwar nicht Thema in unserem Antrag. Nur eine kleine Bitte, wenn Sie das BeWoG der Staatsregierung noch ein bisschen verbessern wollen: Sehen Sie es bitte als Verbraucherschutzgesetz und nicht nur mit dieser Bürokratiebrille. Wenn Sie wirklich entbürokratisieren wollen, sehen Sie einmal in die Förderrichtlinien. Die genannten Förderrichtlinien und niedrigschwelligen Angebote sind gut, sind ergänzender Teil in dem Pflegekonzept, im Gesamtkonzept. Aber wie diese ausgestaltet sind, um an Geld zu kommen: 25 Seiten Antrag muten wir den ehrenamtlichen Vereinen zu! Das ist ein direkter Weg, wie Sie entbürokratisieren könnten und, bitte, nicht bei einem Verbraucherschutzgesetz, wo es um den elementaren Schutz von Menschenrechten für ganz hilfebedürftige, für schwache Menschen in dieser Gesellschaft geht. Diese Bitte gebe ich Ihnen noch mit.

Schlusswort haben die einreichenden Fraktionen der SPD, DIE LINKE und GRÜNE. Für alle drei Fraktionen hält dies Frau Abg. Neukirch; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn möchte ich mich für die sachliche Debatte bedanken. Heute ist viel Dank ausgesprochen worden, und ich denke, dass das auch noch einmal drin ist. Das haben wir schon seit Langem in diesem Bereich nicht mehr gemacht und ich fand das heute sehr anregend. Gern würde ich auf viele Argumente noch eingehen und ich versuche, das im Schnelldurchlauf zu tun.

Herr Krauß, bei Ihnen war die Liste der Dinge, die gemacht werden müssten, auch länger – zumindest wenn ich mir meine Notizen durchlese – als das, was in Sachsen bereits vorliegt oder in Gang gesetzt wurde. Das ist Ausdruck dafür, dass wir in eine nicht gerade entspannte Situation hineingeraten. Sie haben gesagt, die Kommunen müssen ins Boot geholt werden. Genau das ist ein Ansatz, den wir in unserem Antrag vertreten. Machen Sie das! Machen Sie es über ein Landespflegegesetz, da haben Sie die Kommunen mit dabei. Sie können mit den Kommunen darüber streiten, wer welche Kompetenzen übernimmt und wer was zu regeln hat.

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Frau Clauß, Sachsen ist das einzige Bundesland ohne ein Landespflegegesetz. Ich glaube nicht, dass alle anderen Bundesländer ihren Kommunen misstrauen oder den Kommunen nichts zutrauen.

(Beifall bei der SPD)

Es geht hier nicht um eine Gängelung, sondern es geht um eine Gestaltungsverantwortung, die aufgeteilt werden muss zwischen Land und Kommunen; das ist schon klar. Aber es muss klar gestaltet und klar aufgeteilt werden.

Herr Krauß, Sie haben auf die Kosten hingewiesen. Wenn wir auf höhere Pflegesätze hinweisen, hat das natürlich Auswirkungen auf die Zuzahlung, die die Menschen zu leisten haben. Das ist auch klar. Aber in dem Moment, wo wir im ambulanten Bereich nicht steuern, zwingen wir die Menschen, zu den teuren Angeboten zu greifen. Davon haben diese letzten Endes nichts, wenn sie in Ermangelung von ambulanten Dienstleistungen vor Ort nur die Wahl zwischen teurem Pflegeheim und billigem Pflegeheim haben. Das ist nicht unser Ansatz. Wir wollen die Pflege durch die Stärkung des ambulanten Bereichs für viele Menschen bezahlbar machen. Das hat noch den Nebeneffekt, dass sie, wie sie das wünschen, möglichst lange zu Hause wohnen und verbleiben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

An Frau Schütz – dazu hat Frau Clauß schon etwas gesagt – sei gerichtet: Es geht nicht um Ausbildungsplatzmangel, sondern um den Fachkräftemangel. Wir müssen endlich genauere, valide Daten haben, wie viele Fachkräfte wir brauchen, um die Ausbildung darauf auszurichten. Wir haben bereits jetzt einen Fachkräftemangel in den Einrichtungen.

Bitte zum Schluss kommen!

Es gibt viel zu tun. Packen Sie es an! Ich würde gern Herrn Beermann von heute Morgen noch zitieren: „Der Freistaat steht für Verantwortung, Vertrauen und Zuversicht.“ – Im Pflegebereich derzeit nicht. Ich bitte Sie, begeben Sie sich auf den Weg, damit das zukünftig auch für diesen Bereich gilt.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/7080 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Bei sehr vielen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden. Die Drucksache ist damit nicht beschlossen.

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt 5 ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Kein Platz für Tierfabriken in Sachsen – bodengebundene bäuerliche Tierhaltung stärken

Drucksache 5/7082, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: GRÜNE, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht.

Meine Damen und Herren, wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abg. Weichert. Herr Weichert, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich einfach mal vor, Ihre Wohnung wäre etwa so groß wie eine Telefonzelle. Diese ist verschlossen und bis zu Ihren Knöcheln stehen Sie in Ihren eigenen – nennen wir es mal – Stoffwechselendprodukten und müssen dort den ganzen Tag stehen. Ihr Mittagessen wäre kein Schweineschnitzel, sondern ein Granulat, welches Sie jeden Tag vorgesetzt bekommen.

Das hört sich eigentlich schon gar nicht gut an. Aber es kommt noch besser: Eines Tages wird Ihre Telefonzelle geöffnet und herein kommt jemand, der Ihnen bei vollem Bewusstsein ein sensibles Körperteil abschneidet. Und seien Sie froh, dass Sie allein in der Telefonzelle sind. In der industriellen Tierhaltung sind die Tiere auf engstem Raum zusammengepfercht. Bei den Schweinen zum Beispiel führt das zum sogenannten Schwanzkannibalismus.

Noch ein Wort zu den Begriffen: Ich werde bewusst nicht das Wort Massentierhaltung verwenden,

(Zuruf von der CDU: Steht aber im Antrag!)

weil das kein geklärter Begriff ist. Wenn ich von Tierhaltung, von guter Tierhaltung spreche, dann immer von Tierhaltung, bei der es den Tieren gut geht. Bei der industriellen Tierhaltung ist das nicht der Fall, und deshalb kann man auch „Tierfabrik“ sagen.

Meine Damen und Herren, durch die Ansiedlungspolitik der Staatsregierung schießen im Moment Tierfabriken in Sachsen wie Pilze aus dem Boden. Allein in den Jahren 2008 und 2009 kostete das den Steuerzahler 26 bzw. 18 Millionen Euro. Nirgendwo in Deutschland werden diese Anlagen so hoch gefördert wie hier bei uns in Sachsen.

Hier stellt sich doch, meine Damen und Herren, die Frage: Welche Logik steckt hinter der Förderpolitik der Staatsregierung? Schauen wir nach. In der Broschüre „Ein Stall in meinem Dorf“ des SMUL steht dazu – ich zitiere –: „Eine Konkurrenzfähigkeit unserer Landwirte gegenüber Erzeugern aus anderen Ländern wird nur durch geringe Produktionskosten ermöglicht.“ Das heißt, es geht um die Konkurrenz zu Standorten in anderen Ländern – in Deutschland, in Europa, Lateinamerika, Asien usw.

Das können Sie vergessen, meine Damen und Herren, denn die Fleischerzeugung steht in Sachsen unter dem Druck international agierender Fleischkonzerne. Smithfield beispielsweise – einer der größten Schweinefleischproduzenten weltweit – unterhält in den EUBeitrittsländern Riesenställe mit mehr als hunderttausend Mastplätzen. Er erzeugt das Kilogramm Schweinefleisch für 90 Eurocent. Die mittleren Produktionskosten in Deutschland liegen stattdessen bei rund 1,30 Euro pro Kilo.

(Alexander Delle, NPD: Das ist die Globalisierung; dafür sind Sie doch sonst auch?!)

Mit Niedrigpreisen kommen wir da keinen Schritt weiter. Ich denke, langfristig aussichtsreicher ist die Qualitätsproduktion.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Ein weiteres Argument der Staatsregierung ist – das kann man in der Antwort auf die Kleine Anfrage 5/548 nachlesen –, dass der rechnerische Selbstversorgungsgrad mit Fleisch in Sachsen zu niedrig sei. Gleichzeitig antwortet Staatsminister Kupfer – ich zitiere –: „Durch die vielfältigen Warenströme sind jedoch keine Aussagen darüber möglich, welchen Anteil des im Freistaat Sachsen produzierten Schweinefleisches tatsächlich im Land verbraucht wird.“ Das heißt, die Staatsregierung verschaukelt uns. Wie kann denn Herr Kupfer von einem zu niedrigen Selbstversorgungsgrad sprechen, wenn er gar nicht weiß, wie viel des hergestellten Fleisches tatsächlich in Sachsen bleibt?

Meine Damen und Herren, solche fadenscheinigen Argumente bilden die Grundlage sächsischer Landwirtschafts- und Förderpolitik. So gehören wir zu den drei Bundesländern, die gewerbliche Unternehmen mit flächenloser Tierhaltung, also Tierfabriken, fördern. In allen anderen Bundesländern gibt es Förderungen nur mit der Bindung an die Bodenbewirtschaftung.

(Dr. Monika Runge, DIE LINKE: Hört, hört!)

Herr Kupfer, fragen Sie doch einmal sächsische Landwirte, was sie davon halten. Sie werden hören, dass Tierhaltung und Bodenbewirtschaftung unmittelbar zusammengehören und nachhaltige Landwirtschaft und Kreislaufwirtschaft anders überhaupt nicht funktionieren kann.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN und der SPD)

Bei der Flächenanbindung sind Pflanzenbau und Tierhaltung eines Betriebes so aufeinander abgestimmt, dass der natürliche Nährstoffkreislauf im Gleichgewicht ist und

bleibt. Die Größe der Fläche bestimmt die Anzahl der Tiere.