Protokoll der Sitzung vom 23.11.2011

Sie haben als ehemaliger Oberbürgermeister in Pirna große Erfahrung im Umgang mit Rechtsextremismus. Wir sind froh, dass Sie in diesen Tagen Innenminister im Freistaat Sachsen sind. Ich möchte ausdrücklich im Namen der CDU-Fraktion die Art, die Klarheit, aber auch die Besonnenheit, wie Sie sich – anders als so mancher Innenminister in diesem Lande – verhalten haben, würdigen. Sie haben ausdrücklich unsere Unterstützung, auch dafür, dass Sie sich in diesen Tagen nicht voreilig dazu hinreißen lassen, Behörden mit Vorwürfen zu überhäufen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Es ist das Gebot der Stunde: Wir erwarten von den Behörden – sowohl vom Landesamt für Verfassungsschutz als auch von den Polizei- und Ermittlungsbehörden –, dass sie uns aufklären und uns Fakten auf den Tisch legen. Wenn die Fakten auf dem Tisch liegen, ist die Stunde der politischen Auseinandersetzung hier im Hohen Hause gegeben. Jetzt ist das Gebot der Stunde, an die Opfer zu denken, uns angemessen in der Öffentlichkeit zu äußern und die Aufklärung zu unterstützen. Genau in diesem Sinne haben Sie heute eine Erklärung abgegeben. Sie haben uns an Ihrer Seite.

Herr Ministerpräsident, ich möchte Ihnen für die gestrige Erklärung danken. Wir als CDU-Fraktion haben dem, was Sie gesagt haben, nichts hinzuzufügen. Wir teilen und unterstützen diese Erklärung. Wir finden die tägliche Diskussion, wann sich jemand zu Wort melden sollte, albern.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

Deshalb will ich, Herr Dr. Hahn, einmal daran erinnern, dass die CDU Deutschlands sich zuallererst sehr klar positioniert hat.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der Staatsregierung)

Wir hatten am Tage des Bekanntwerdens dieser furchtbaren Taten einen Bundesparteitag in Leipzig durchgeführt. Wissen Sie, wer unser Tagungspräsident war? Es war unser Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Die CDU Deutschlands hat eine einstimmige Erklärung – auch mit allen Stimmen des Landesverbandes Sachsen – unterstützt, dass es eine ernsthafte Prüfung eines NPDVerbotsverfahrens geben soll. Eine klarere Positionierung in einer solchen Situation ist wohl nicht möglich.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Für eine ernsthafte Prüfung eines NPD-Verbots habe ich viel Verständnis. Da kann ich mich dem anschließen, was unser Innenminister Markus Ulbig gesagt hat. Es ist vorstellbar, die NPD nach all den Erfahrungen, die wir auch hier im Sächsischen Landtag gemacht haben, zu verbieten und damit zu unterbinden, dass Steuergelder, die eben auch der NPD-Fraktion in unserem demokratischen System

(Jürgen Gansel, NPD: Weil dahinter Wählerstimmen stehen!)

zur Verfügung stehen, möglicherweise für deren Netzwerke genutzt werden.

(Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD – Andreas Storr, NPD: Was ist mit den Millionen, die die anderen Parteien bekommen?)

Mord ist etwas ganz Schlimmes. Aber wenn Mord politisch organisiert wird – und der Verdacht steht ja im Raum –,

(Andreas Storr, NPD: … von dem Verfassungsschutz!)

dann wird daraus Terror. Terror heißt, das Gewaltmonopol des Staates an sich zu ziehen. Damit steht etwas Furchtbares im Raum.

Deshalb will ich es ganz deutlich sagen: Herr Apfel, Sie sind nicht mehr nur Fraktionsvorsitzender und Landesvorsitzender der NPD. Sie sind Bundesvorsitzender der NPD. Sie haben um dieses Amt – wie wir das verfolgen konnten – jahrelang gekämpft. Das heißt, Herr Apfel, ich kaufe Ihnen nicht ab, dass Sie nicht die Strukturen der NPD in der Bundesrepublik Deutschland bestens kennen. Ich kaufe Ihnen nicht ab, wenn Sie behaupten, Sie wüssten nichts,

(Holger Apfel, NPD: Die NPD-Strukturen kenne ich!)

und wenn Sie hier den harmlosen Demokraten spielen.

(Beifall bei der CDU, der FDP, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb meine Aufforderung an Sie, Herr Apfel: Wenn Sie in unserem System von allen Möglichkeiten der Demokratie profitieren, dann haben Sie auch die verdammte Pflicht, Ihr Wissen den Ermittlungsbehörden zur Verfügung zu stellen. Dazu fordere ich Sie auf!

(Beifall bei der CDU, der FDP, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Andreas Storr, NPD: Das haben wir im Petitionsausschuss gemacht!)

Für manches Mitglied Ihrer Fraktion wäre es eine hervorragende Gelegenheit, aus diesem Netzwerk auszusteigen. Auch dazu fordere ich Sie heute auf!

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Sie würden ja nicht im Landtag sitzen, wenn Sie nicht Wählerinnen und Wähler in unserem Freistaat Sachsen hätten. Ich habe mich oft damit auseinandergesetzt. Ich habe oft den Respekt vor den Wahlentscheidungen der Bürgerinnen und Bürger kundgetan und darauf hingewiesen, dass es mir verständlich ist, dass es manche Situationen im Leben gibt, in denen viel Unzufriedenheit dazu führen konnte, Ihre Partei zu wählen. Deshalb sitzen Sie hier im Landtag.

(Andreas Storr, NPD: Nein, weil wir echte Probleme ansprechen!)

Ich meine aber, heute ist die Stunde, mich einmal an die Wählerinnen und Wähler der NPD zu wenden: Sie müssen sich bewusst sein, dass Sie mit Ihrer Wahlentscheidung nicht nur die NPD in den Landtag wählen, sondern

sich möglicherweise auch mitschuldig machen an kriminellen Machenschaften,

(Dr. Johannes Müller, NPD: Ungeheuerliche Unterstellung! – Andreas Storr, NPD: Benennen Sie mal die Fakten!)

die Ihre Partei offensichtlich unterstützt.

(Beifall bei der CDU, der FDP, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Es gibt viele Vorteile. Wenn ich zum Beispiel an den 13. Februar denke und mir einen Moment vorstelle, die NPD wäre verboten: Wie viel einfacher wäre der Umgang mit dem 13. Februar! Das ist vielleicht zu kurz gedacht. Die ernsthafte Prüfung des NPD-Verbots bezweckt auch, einmal die andere Seite zu beleuchten. Das kommt natürlich in diesen Tagen zu kurz.

Ich weiß, dass diese Behörden in der Öffentlichkeitsarbeit stark gehemmt sind. Das ist doch logisch. Ein Landesamt für Verfassungsschutz ist nicht gerade das Amt mit der größten Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. Das ist nachvollziehbar. Aber für eine Abwägung eines NPD-Verbots müsste man auch einmal auf die Waagschale legen, wie viel Schlimmes in den Jahrzehnten verhindert werden konnte.

(Andreas Storr, NPD: Was denn?)

Das wird überhaupt nicht beleuchtet.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das ist aber wichtig bei den Risiken, die ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beinhaltet.

(Andreas Storr, NPD: Das behaupten Sie doch einfach mal ins Blaue hinein!)

Dabei geht es um die Verantwortung gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen, aber auch um die Frage, wie wir dem gerecht werden können, was die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land von uns erwarten.

Was erwarten die Bürgerinnen und Bürger? Auf der einen Seite lieben wir die Freiheit, und zwar gerade diejenigen, die nicht ihr ganzes Leben in Freiheit verbringen konnten.

(Andreas Storr, NPD: Besonders die Meinungsfreiheit; deshalb wollen Sie doch die NPD verbieten!)

Wir achten, lieben, respektieren oder nutzen sie. Gerade Sie nutzen diese Demokratie – und manchmal in schamloser Weise.

(Andreas Storr, NPD: Wir nutzen sie nicht, sondern wir leben die Demokratie! – Lachen bei der CDU)

Wenn wir nicht die Demokratie leben würden, dann würden Sie nicht hier sitzen, sondern wären wahrscheinlich hinter Schloss und Riegel. Das muss man ganz klar aussprechen.

(Andreas Storr, NPD: Das kommt vielleicht noch, dass wir als nationale Deutsche eingesperrt werden!)

Deshalb sind wir es den Bürgerinnen und Bürgern schuldig, in der Freiheit, in der Demokratie ein hohes Maß an Sicherheit zu bieten.

(Beifall bei der CDU)

Das ist bei dieser Verunsicherung im Augenblick die Sehnsucht der Menschen. Deshalb, meine Damen und Herren, ist heute nicht die Stunde der politischen Auseinandersetzung. Wir als CDU-Fraktion bleiben trotz Ihres Beitrages, Herr Dr. Hahn, bei unserer Linie, dem Bundestag zu folgen und in dieser Stunde einfach Geduld aufzubringen.

Es ist richtig, Herr Dr. Hahn, wir haben Hoyerswerda erlebt. Wir haben aber auch Sebnitz erlebt. Ich möchte keine voreiligen Beschuldigungen. Wir wissen, dass Ihre Fraktion immer für die Abschaffung des Landesamtes für Verfassungsschutz war. Aber müssen Sie denn die Gelegenheit wieder nutzen, das als Allererstes zu fordern?

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das habe ich nicht gefordert! – Alexander Krauß, CDU: Mal die eigene Rede lesen!)

Sie haben wie immer schon alles gewusst. Wie soll das logisch sein, wenn ich von Behörden mehr erwarte, dann deren Auflösung zu fordern? Das ist politisch durchsichtig.