Meine Damen und Herren! Wir können jetzt zur Abstimmung kommen. Aufgerufen ist das Gesetz über die Bestellung von hauptamtlichen kommunalen Beauftragten für Fragen der Migrationsgesellschaft. Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. Es liegen keine Änderungsanträge vor. Ich beginne mit der Überschrift. Wer möchte die Zustimmung geben? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer ganzen Reihe von Stimmen dafür wurde die Überschrift mehrheitlich abgelehnt.
Artikel 1, Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Auch hier gleiches Abstimmungsverhalten. Bei Stimmen dafür wurde Artikel 1 dennoch mit Mehrheit abgelehnt.
Artikel 2, Änderung der Sächsischen Landkreisordnung. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Auch hier wieder Stimmen dafür. Dennoch wurde Artikel 2 mit Mehrheit abgelehnt.
Artikel 3, Inkrafttreten Übergangsregelung. Wer gibt die Zustimmung? – Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Auch hier wieder Stimmen dafür. Dennoch wurde Artikel 3 mit Mehrheit abgelehnt.
Da alle Artikel abgelehnt worden sind, erübrigt sich eine Gesamtabstimmung. Meine Damen und Herren, ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.
Es beginnt in der ersten Runde die einreichende Fraktion DIE LINKE; danach folgen: CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht. Herr Tischendorf, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur 1. Lesung des uns heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurfes zur Anpassung der Wegstreckenentschädigung am 30. Juni war ich mir noch sicher, dass es der Finanzminister schaffen würde, die zugesagte Anpassung des Reisekostenrechtes umzusetzen. Schade, Herr Minister, Sie haben im letzten halben Jahr nicht nur mich enttäuscht – das wird Sie nicht sehr ärgern, wenn Sie mich enttäuschen –, sondern Sie haben die Gewerkschaften, den Beamtenbund und die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes enttäuscht, wie Sie mit ihrem Angebot umgegangen sind, sich doch Gedanken über die Anpassung der Reisekostenregelung zu machen. Das haben Sie im Frühjahr in vielen Gesprächen zugesagt.
Was Ihre Zusage nun wirklich wert ist, werden Sie hier selbst noch erläutern können; dazu haben Sie heute in der Öffentlichkeit Gelegenheit. Ich kann nur feststellen, dass die Koalition aufgrund der Untätigkeit der Staatsregierung heute das unverantwortliche Aussitzen der Abstimmung wieder sanktionieren muss.
Bei der erschreckenden Unwissenheit zu diesem Thema, welches nicht nur Sie, Herr Minister, sondern auch die Koalitionsvertreter zur Sachverständigenanhörung des Gesetzes an den Tag gelegt haben, wurde heute durch Nichtstun und durch Handheben wieder klargestellt, dass Sie die Mehrheit haben – mehr aber auch nicht.
Meine Damen und Herren, was die Koalition beispielsweise in der Anhörung den Lebensmittelkontrolleur Herrn Maschke zum Thema Wegstreckenentschädigung zu fragen hatte, nachdem dieser sein Arbeitspensum im dienstlichen Auftrag mit privatem Pkw erläutert hatte, spricht Bände. Gestatten Sie mir dazu zwei Kostproben aus dem Anhörungsprotokoll. Der Kollege Jens Michel von der CDU stellt die Frage: Bei wem sind Sie angestellt? Sind Sie bei einer Landesbehörde angestellt oder beim Landratsamt? Wer ist Ihr Arbeitgeber? Nur mal so zur Verdeutlichung. Pflichtgemäß antwortet der Kollege Maschke: Der Arbeitgeber ist das Landratsamt Erzgebirge, die Kommunalbehörde. Darauf Herr Michel: Gut, ich bedanke mich.
Der Kollege Bienst von der CDU fragt: „Ihr Einsatz, den Sie im Landkreis bringen, ist sehr interessant. Ich muss
schon sagen: Hut ab! Meine Frage lautet, da ich auch Kreispolitiker bin: Ist das in Sachsen die Regel oder stellt Ihr Landkreis nur eine Ausnahme dar bzw. in welchen Landkreisen wird ähnlich verfahren?“ – Ende des Zitats.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war gegenüber den geladenen Sachverständigen nicht nur peinlich, sondern erschreckend zugleich, mit welcher Unwissenheit Sie in Anhörungen gehen, wenn Sachverständige eingeladen sind. Dabei hatten doch die Sachverständigen durchaus gewichtige Argumente, um zu begründen, warum die seit zehn Jahren angesetzte Anhebung der Wegstreckenentschädigung mehr als überfällig ist.
Herr Schreiber vom Bund der Steuerzahler Sachsen e. V. verwies in seinen Ausführungen auf die Untersuchung des ADAC – unverdächtig für DIE LINKE, denke ich –: Demzufolge sind Kraftfahrzeugkosten im Jahre 2011 deutlich gestiegen. So liegen die Betriebskosten bei einem VW Golf 1.4 bei 39,9 Cent pro Kilometer. Sie werden mir sicherlich alle zustimmen, dass das keinesfalls ein außergewöhnlich großer Pkw für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes ist. Auch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom September dieses Jahres sprechen eine deutliche Sprache: Ein Großteil der Inflation von zuletzt 2,6 % gegenüber 2010 resultiert aus gestiegenen Preisen der Mineralölwirtschaft. Vor allem die Preise für Mineralölprodukte lagen mit 13,9 % davon für Kraftstoffe im Plus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass dem Finanzminister diese Entwicklung bisher nicht ganz verborgen geblieben ist, kann ich nicht glauben. Immerhin hat er sich im Haushalt wegen der gestiegenen Unterhaltungskosten der eigenen Dienstfahrzeuge regelmäßig selbst bedient. So findet man im Einzelplan 04 als Begründung für die höheren Ansätze bereits in den Jahren 2009/2010 den Titel 51 401, Haltung von Dienstfahrzeugen, im Vergleich zu 2008 einen höheren Ansatz mit der Begründung: Ausgabenerhöhung unter anderem wegen Kraftstoffsteigerung. Also Sie, Herr Minister, haben es zumindest erkannt. Im derzeitigen Doppelhaushalt ging es übrigens trotz sinkenden Fahrzeugbestandes bei der Staatsregierung mit den eingeplanten Verbrauchskosten weiter bergauf.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ja ein Gesetz nicht nur für Landesbedienstete, sondern auch für Kommunalbedienstete, also hat sich der Sächsische Landkreistag und der SSG mit einer Stellungnahme an diesem Gesetzentwurf beteiligt. Der SSG hat es aus meiner Sicht sehr objektiv getan, dafür kann ich mich nur
bedanken. Aber zu dem, was der Landkreistag so geliefert hat, kann ich nur sagen: Er hat sich selbst ins Abseits gestellt bei seinen Beschäftigten. Ich habe es mir auch nicht nehmen lassen, diese schriftliche Stellungnahme allen Personalräten im Freistaat Sachsen zur Verfügung zu stellen.
Nun muss ich sagen, Frau Präsidentin, eine Wiederholung der Meinungsäußerung von Beschäftigten, was sie zu dieser Stellungnahme gesagt haben, wäre es wahrscheinlich wert, dass ich einen Ordnungsruf erhalten würde, deshalb verzichte ich heute mal darauf.
Ja, das ist gut so. Ich will Ihnen trotzdem nicht ersparen, was der Landkreistag zum Thema Wegstreckenentschädigung für die Beschäftigten zu sagen hat. Der Geschäftsführer, Herr Jacob, äußert in dem vorliegenden schriftlichen Bericht unter anderem Folgendes: „Insofern ist es denkbar, dass die geltenden Kilometersätze für Porschefahrer nicht auskömmlich sind, während Halter von sparsamen Kleinwagen mit den geltenden Kilometerpauschalen sogar noch etwas gutmachen.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das muss man sich angesichts der Fakten, die ich vorhin genannt habe, einmal durch den Kopf gehen lassen. Der Landkreistag behauptet für die Beschäftigten, sie wären selbst schuld, wenn sie mit ihrem Porsche auf Dienstreise gehen. Diejenigen wiederum, welche sich mit dem Polo zufrieden geben, machen sogar noch gut für die eigene Familienkasse. Das ist die Aussage des Landkreistags dazu.
Damit nicht genug – wenn ich schon einmal beim Landkreistag bin –, holt Herr Jacob zwei Absätze weiter zum ganz großen Wurf aus. Ich bin mir sicher, die Kolleginnen und Kollegen der Koalition, die nach mir sprechen, werden diese Passage schon in ihrem Redemanuskript haben; deshalb will ich es gleich selbst ansprechen. Ich begebe mich also sofort ins Gefecht und zitiere Herrn Jacob: „Aus Sicht der Landkreise als Dienstherren von derzeit durchschnittlich 1 440 Beschäftigten würde eine Anhebung der derzeitigen Wegstreckenentschädigung um 10 Cent allerdings zu ganz erheblichen Mehrbelastungen führen. Nach Mitteilung der Landkreise läge diese bei den meisten Kreisen im sechsstelligen Bereich: zwischen 100 000 und 126 000 Euro pro Jahr. Eine derartige Zusatzbelastung können die Landkreise angesichts ihrer angespannten Finanzlage nicht tragen.“ – Ende des Zitats.
Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz davon abgesehen, dass wir in unserem Gesetzentwurf in Artikel 2 den Mehrbelastungsausgleich für die Kommunen geregelt haben, wenn aber vom Landkreis von einer Mehrbelastung von 100 000 Euro ausgegangen wird, dann müssten nach Adam Ries bei einer Erhöhung um die vorgeschlagenen 10 Cent und die üblichen 250 Arbeitstage im Jahr 4 000 Kilometer am Tag pro Landkreis zurückgelegt werden, um diese Summe zu erreichen. Toll, was der Landkreistag so rechnet! Spannende Sache! Ich kann Ihnen sagen, es hat bei den Kolleginnen und Kolle
Ich will noch einmal die Rechenkunst der sogenannten kommunalen Kämmerer der Landkreise aufgreifen und frage Sie: Was sagt uns diese Zahl 100 000 bis 126 000 Euro? Richtig, wenn man akzeptiert, was der ADAC zu den tatsächlichen Kosten aufschreibt, dann bedeutet das, dass pro Landkreis gegenwärtig durch die Beschäftigten von ihren Gehältern Geld für dienstliche Aufgaben aufgebracht wird. Das sagen sie uns, und sogar die Summe dazu. Also ist es doch offensichtlich, dass hier Handlungsbedarf besteht. Dabei, meine Damen und Herren, sind noch nicht einmal die anderen kommunalen Bediensteten oder gar die Landesbediensteten einbezogen. Nun bin ich gespannt, was Sie heute präsentieren. Sie müssten ja gegen das sein, was der Landkreistag schreibt. Und ich sage Ihnen auch, eine bessere Begründung, um den Gesetzentwurf zuzustimmen, werden Sie nirgendwo finden. Die bringe nicht einmal ich zustande.
Ein Zweites hat die Anhörung deutlich gemacht. Die einzige Kritik, die der Bund der Steuerzahler zu unserem Gesetzentwurf hatte, besagte, dass jegliche Erhöhung zur steuerlichen Ungleichbehandlung bei Nutzung von Privatfahrzeugen für Dienstfahrten führt, und zwar zwischen Bediensteten des Landes oder der Kommune und den Beschäftigten in der Wirtschaft. Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft müssen jeden Cent, den sie über 30 Cent je Kilometer als Entschädigung für die berufliche Nutzung ihres Privatfahrzeugs vom Arbeitgeber erhalten, versteuern und zudem auf diesen Teil noch Sozialversicherungsabgaben zahlen. Klar ist, hier muss gleiches Recht für alle gelten. Ich denke, hier stimmen wir mit dem Bund der Steuerzahler überein, es muss im Einkommensteuergesetz § 3 Nr. 16 eine entsprechende Regelung geändert werden.
Der Bund der Steuerzahler hat gefordert, dass die Landesregierung im Bundesrat initiativ wird, damit es zu einer Gleichbehandlung kommt. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei dieser von mir schon dargestellten entschleunigten Arbeitsweise der Staatsregierung wird es wahrscheinlich so sein, dass unsere Fraktion in den nächsten Wochen einen entsprechenden Antrag einbringt, damit wir uns mit der Bundesratsinitiative beschäftigen. Es sei denn, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Sie sind schneller. Dann stimmen wir gern zu, und die Mehrheit muss endlich einmal das Richtige beschließen. Das wäre auch okay.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern haben Hunderte Beamte gegen die gestrichene Sonderzahlung protestiert. Ich sage Ihnen, mindestens genauso groß ist der Frust der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wegen der seit zehn Jahren nicht angepassten Wegstreckenentschädigung. Die Kolleginnen und Kollegen haben es satt, dass staatliche und kommunale Aufgaben aus ihrer eigenen Familienkasse mitfinanziert werden. Mit der Zustimmung zum heutigen Gesetzentwurf haben wir Abgeordneten heute die Gelegenheit, diese Ungerechtig
keit zu beenden und noch in diesem Jahr wenigstens für die Beschäftigten – auch für die, die gestern demonstriert haben – einen Ausgleich zu schaffen, der im Hohen Haus wohl fachlich unstrittig ist.
Wir Abgeordneten sollten in Anbetracht der gestrigen Demonstration den Beschäftigten heute ein klares Zeichen setzen, dass wir zumindest das verstanden haben.
Herr Piwarz, das sollten wir machen, bevor wir auf der Grundlage unseres Abgeordnetengesetzes ganz automatisch im nächsten Frühjahr bei der Erhöhung der steuerfreien Aufwandspauschale wieder mehr Geld erhalten.
(Beifall bei den LINKEN – Christian Piwarz, CDU: Aber nicht, was die Wegstrecke betrifft! – Jens Michel, CDU, steht am Mikrofon.)
Frau Präsidentin, ich möchte kurzintervenieren. Der Kollege hat zwar lang und breit erklärt, wen er für peinlich oder unzutreffend in seinen Ausführungen hält, aber er hat vergessen zu erwähnen, dass der Sachverständige Maschke eher durch einen gewissen Frust gegenüber seinem Arbeitgeber auffiel. So stellt sich auch die Frage, wer sein Angestelltenverhältnis begründet hat. Ich fand es auch interessant, dass diese großen Bögen und Wellen gespannt wurden über Weihnachtsgeld zu Diäten, alles weg vom Thema Wegstrecken. – Danke.
Danke, Frau Präsidentin. – Es lohnt sich eigentlich nicht, darüber zu diskutieren, weil wir eindeutig über Wegstrecken gesprochen haben. Aber ich will Ihnen das noch einmal sagen. Die Antwort auf Ihre Frage können Sie noch einmal im Protokoll der Anhörung nachlesen. Ich will das nicht ausführlich zitieren, aber im Landratsamt Erzgebirgskreis sei das noch relativ gut geregelt und der Kollege in der Lebensmittelüberwachung kenne viele andere Bereiche, wo es wesentlich schlimmer sei. Die Antwort haben Sie anscheinend nicht verinnerlicht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Tischendorf, ich antworte noch nicht auf Ihre Frage. Ich möchte erst einmal mit einem herzlichen Dankeschön an alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Freistaat beginnen,
die mit ihrer Arbeit und ihrer Arbeitskraft die sächsische Wirtschaft stärken, insbesondere natürlich danke ich den Beamten und Angestellten für ihre Bereitschaft, unter anderem private Pkws zur Erfüllung ihrer Dienstaufgaben teilweise zur Verfügung zu stellen bzw. zu nutzen.