Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

Darüber waren wir uns einig. Deswegen gibt es auch die Möglichkeit, ein Landesprogramm zu machen.

Es gibt übrigens keinen Widerspruch in unserem Antrag. Wir wollen tatsächlich, wie das auch bundesweit diskutiert wird – übrigens auch parteienübergreifend –, dass die Möglichkeit bestehen soll, an allen Schulen mindestens einen Schulsozialarbeiter zu haben. Genauso, wie wir zukünftig in allen Schulen jemanden brauchen, der mit Integrationspädagogik vertraut ist, brauchen wir auch die Sozialpädagogik. Das betrifft die Grundschulen genauso wie die Förderschulen.

Ich wiederhole es: Wenn dennoch in dem Antrag in einem ersten Schritt von einem Bedarfsplan die Rede ist, hat das etwas damit zu tun, dass wir die Realität vor Augen haben und sehen, dass wir nicht im ersten Zug alle Schulen gleichermaßen ausstatten können, sondern dass wir sehr wohl zunächst ein regionales Bildungsmonitoring brauchen, um zu wissen, wo in welchem Sozialraum eventuell auch zwei Schulsozialarbeiter an einer Schule benötigt werden und welche Schule vielleicht später ausgestattet werden kann. Das ist genau der Grund, warum wir dieses Programm darin haben.

Frau Jonas, vielleicht abschließend zu Ihnen: Sie haben den Finger auf die richtige Stelle gelegt. Wir wollen das neue Förderprogramm nicht in der laufenden Haushaltsperiode. Wir sehen nicht, dass Sie das im Jahr 2012 schon umsetzen. Aber wir stehen kurz vor neuen Haushaltsverhandlungen. Wir wären schon glücklich, wenn sich 2013/2014 ein solches Förderprogramm im Haushalt wiederfindet. Dazu geben wir Ihnen jetzt die Gelegenheit.

Machen Sie bis März nächsten Jahres ein Konzept und schreiben Sie es in den neuen Haushalt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Stange. – Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung über die Drucksache 5/7470. Frau Giegengack, es war punktweise Abstimmung gewünscht. Sollen wir nur über die arabischen Punkte abstimmen oder wollten Sie unter Punkt 2 noch die Buchstaben?

(Annekathrin Giegengack, GRÜNE: Nur die arabischen Punkte!)

Gut, dann machen wir das so, meine Damen und Herren. Wer dem Punkt 1 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke sehr. Wer möchte sich enthalten? – Danke sehr. Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist dem Punkt 1 mehrheitlich nicht entsprochen worden. Ich lasse über Punkt 2 abstimmen. Wer dem Punkt 2 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür ist dem Punkt 2 dennoch nicht entsprochen worden.

Meine Damen und Herren! Da keinem der Punkte die erforderliche Mehrheit gegeben wurde, erübrigt sich die Schlussabstimmung. Die Drucksache ist nicht beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Nachtragshaushalt vorlegen – Landtag muss über

Verwendung der Steuermehreinnahmen entscheiden

Drucksache 5/7634, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht. Meine Damen und Herren! Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beginnt Frau Abg. Hermenau. Bitte, Sie haben das Wort.

Ich hoffe, ich habe es.

Ich drücke Ihnen die Daumen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich hoffe, ich habe das Wort und behalte es bis zum Ende der Rede. Sie merken, ich bin erkältet. – Dieser aktuelle Haushalt, über den gerade schon in einer Einzelfrage sehr trefflich gestritten wurde, wurde vor fast genau einem Jahr beschlossen und

er soll auch noch etwas mehr als ein Jahr Bestand haben. Das ist zumindest die Planung.

Inzwischen hat sich die Welt aber erheblich verändert, auch hier in Sachsen. Das ist keine Insel. In den Zeiten, in denen erhebliche Grundlagen unserer Haushaltsplanung schnelllebig, unvorhersehbar und von sehr vielen Akteuren jenseits unserer Welt abhängig sind, erweisen sich jetzt Doppelhaushalte als Politik- und Vertrauensbremse. Da wir aktuell einen Doppelhaushalt haben, ist es vernünftig, bei solchen Steuermehreinnahmen, wie jetzt prognostiziert und bestätigt, einen Nachtragshaushalt vorzulegen, um die nötigen Korrekturen und Anpassungen vorzunehmen und den Gesetzgeber seines Budgetrechts nicht zu berauben. Das ist zumindest unsere Meinung.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Es ist eine vernünftige demokratische Auffassung, das Vertrauen in den Staat erhalten zu wollen, indem man zum Beispiel eine sehr strenge Haushaltsführung macht. Da sind wir einer Meinung. Das ist nicht unser Problem im Diskurs. Aber sich dahinter wie hinter einer Monstranz zu verstecken und zu versäumen, gemeinsames Zukunftsvertrauen in diesem Land aufzubauen, das ist eine schwache Politik.

Gegen die Rücklagenbildung in einem angemessenen Maße, die Sie als Finanzminister vorgeschlagen haben, ist prinzipiell erst einmal nichts einzuwenden. Auch wir würden ungefähr 80 % in die Rücklagen stecken. Das ist nicht die Frage. Wir leben in unruhigen Zeiten, da muss man das als Finanzminister auch tun. Aber diese Sparsamkeit verkommt langsam zu Stillstand und zur Zivilisationsbremse und verliert an Wert, weil Sie nicht handlungsfähig sind, wesentliche Punkte zu stabilisieren, die wir brauchen, um in einer Gesellschaft zu leben, die stabil ist. Diese Gesellschaftsvorsorge ist genauso wichtig wie die Haushaltsvorsorge.

Meiner Meinung nach wird diese Regierung bis 2014, zur Wahl, nicht mehr wirklich handeln. Sie wird sich um unsere kleine sächsische Schaluppe nicht wirklich kümmern, wo das jetzt mit den globalen Stürmen schwieriger wird. Nun stehen wir nach zwei verlorenen Jahren vor weiteren drei verlorenen Jahren. Sie haben eine falsche Investitionspolitik beschlossen. Auf der sitzen wir jetzt gnadenlos fest, wenn Sie den Nachtragshaushalt ablehnen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielleicht wollen Sie sich diese Sache für den Sommer 2012 noch offen halten, denn im Bund wird dann einer gemacht – Herr Schäuble hat es angekündigt –, um die Risiken der Eurorettung einzupreisen. Das ist ganz klar. Er hat keine Risikovorsorge getroffen. Vielleicht bricht dann Ihr Kartenhaus zusammen. Wir werden es sehen. Zurzeit verfolgt die sächsische Union aus politischer Angststarre eine Minimalstrategie, die darin besteht, die Wahlkreise als Direktwahlkreise zu verteidigen.

Der Finanzminister lässt sich dafür – so habe ich von verschiedenen Seiten gehört – im Verkehrsbereich hier und da ein Bändchen abschwatzen, das dann in dem jeweiligen Wahlkreis gelegentlich durchgeschnitten

werden kann. So sehr ich das Eigeninteresse von direkt gewählten Abgeordneten menschlich zu verstehen versuche, empört es mich politisch, dass Sie damit das Terrain der Staatsräson als wirklich regierungstragende Koalitionsfraktion verlassen. Es geht nicht darum, dass Sie Ihre Einzelinteressen in Ihren Wahlkreisen durchsetzen und sagen, dass Sie einen guten Draht zum Finanzminister haben. Das ist falsch, sondern es geht darum, dass Sie in der Lage sind, für die Mehrheit der Bevölkerung eine gute Politik verlässlich, solide und langfristig zu machen. Das ist ein Unterschied.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und des Abg. Karl Nolle, SPD)

Ich gehe einmal davon aus, Herr Unland kam in die Fraktion und hat Ihnen wieder erzählt, dass die Steuermehreinnahmen im Sinne des Haushaltsrechts nur und ausschließlich für Investitionen zur Verfügung stünden. Das ist natürlich Quatsch. Da haben Sie sich wieder einen Bären aufbinden lassen. Der Finanzminister mag persönlich der Auffassung sein, dass man nur Investitionen machen darf – das kann man ja stehen lassen, ich halte diesen Investitionsbegriff für veraltet, das wissen Sie –, aber die Steuermehreinnahmen sind natürlich nicht zweckgebunden. Das Parlament kann über sie verfügen, wie es das für richtig hält. Auf diese Gestaltungsmöglichkeit haben Sie verzichtet.

Sie belassen das beim Finanzministerium, und da wird in einem Titel vom ganzen Haushalt, im Einzelplan 15 Kapitel 10, beschrieben, worüber allein verfügt werden darf. Sie haben das delegiert – und das in diesen unsicheren Zeiten, die unklar sind und wo es wichtig ist, den Schulterschluss auch mit der Bevölkerung so zu üben, dass man das Vertrauen haben kann, in einem stabilen Staat zu leben.

Diese politische Angststarre, wie ich das wahrnehme, verhindert, was dringend für unsere gemeinsame Heimat gebraucht wird, um dieses Zukunftsvertrauen herzustellen. Ich mache an einem Beispiel klar, was ich darüber denke.

Es geht uns übrigens nicht darum, die Steuermehreinnahmen auf lange Sicht konsumtiv auszugeben, auch wenn ich einmal Nichtinvestitionen dabei habe. Es ist mir klar, dass man Einzeleinnahmen natürlich nicht auf Dauer auf Ausgaben umlegen kann. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren, sondern mir geht es darum, eine Überbrückungssituation zu schaffen, wobei wir 2012 noch auf Steuermehreinnahmen zurückgehen und das dann wieder in den normalen Haushalt einpreisen. Ich sage das, damit Sie das nachvollziehen können und nicht mit falschen Argumenten versuchen, diese Debatte wegzuwischen.

Angenommen, wir würden uns auf ungefähr 20 % der Steuermehreinnahmen einlassen, um daraus aus unserer Sicht Zukunftsinvestitionen im Grundhaushalt ab 2013 zu integrieren und 2012 in dieser Übergangssituation zwischenzufinanzieren, dann finde ich, ist die Frage, welche Felder das sein müssen.

Wir haben in der Fraktion darüber diskutiert und sind auch sehr nahe bei dem, was wir seit Längerem diskutieren, also strategisch und nicht nur ad hoc. Das sind zum Beispiel der öffentliche Nahverkehr, der Schulhausbau, die Gebäudesanierung, der Jugend- und Sozialbereich und der Studienerfolg. Das sind wesentliche Grundlagen für stabile Verhältnisse in den nächsten Jahren. Ihre Entscheidung für den Straßenbau und gegen die Schiene nützt nicht genug Menschen im Freistaat, sondern schließt sehr viele Bürger von der Mobilität im ländlichen Raum aus. Aber Mobilität ist gelebte Freiheit im ländlichen Raum. Ihre eigenen Landräte und Bürgermeister haben Ihnen das immer wieder zu erklären versucht. Deswegen müssen

wir bei Regionalisierungsmitteln und Landesinvestitionen für den öffentlichen Nahverkehr nachlegen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Zum Schulhausbau: Im ländlichen Raum – da sind die Prognosen ja inzwischen eindeutig auf dem Tisch – stagnieren die Schülerzahlen und werden ab 2014 nach unten gehen. Aber in den Städten Dresden und Leipzig ist das garantiert nicht der Fall, wenn überhaupt, frühestens 2030, in ungefähr 20 Jahren, wenn es so kommt. Die CDU bejammert doch nun permanent den Geburtenrückgang. Es ist ja immer der Untergang des westlichen Abendlandes, wenn die Frauen im Freistaat nicht genügend Kinder kriegen. Nun kriegen sie in Dresden und Leipzig genug, aber die Schulgebäude sind nicht da. Da werden Keller trocken gelegt und die Leute vom Dachboden verjagt, um weitere Schulzimmer einzurichten. Aber es müsste eben auch ordentlich erweitert und auch einmal neu gebaut werden. Da gibt es einen ausstehenden Investitionsstau. Das muss man in ein Achtjahresprogramm überführen. Man kann 2012 damit anfangen, indem man natürlich nicht zu viel Geld ausgibt, um keine Überhitzung im Handwerk usw. zu erzeugen. Ich teile diese Auffassung ausdrücklich. Man sollte aber einen Anfang machen, das in die mittelfristige Finanzplanung zu packen und damit auch dem Handwerk und der Industrie zu zeigen: Da geht es hin, das ist die Strategie bis Ende 2020. Das hielte ich für eine sehr vernünftige Politik. Wir würden das jedenfalls so machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Erhöhung der Jugendpauschale der überörtlichen Jugendverbandsarbeit und in der Wohlfahrtspflege wären wohl noch einmal weniger als 10 Millionen Euro nötig, um eine qualitative Verbesserung zu erreichen. Wir haben ja die Debatte über die Frage, was Vorsorge im Jugendbereich ist, geführt. Aber ich mache eines klar: Sie haben nach dem Bekanntwerden des Naziterrortrios in Zwickau schnell 1 Million Euro mehr für die Programme gegen Rechtsextremismus draufgelegt. Das ist die richtige Entscheidung. Sie haben aber auch veranlasst, dass die mobilen Beratungsteams bis zum Jahresende ihre Arbeit einstellen müssen. Sie stellen also mehr Geld zur Verfügung, haben aber keinen Träger, der durchs Land fährt und dieses Geld sinnvoll umsetzt. Das ist natürlich nicht sehr praktisch gedacht. Ich gehe davon aus, dass es Ihnen ernst ist mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus. Dann muss man es auch funktionabel machen.

Ein ähnlicher Betrag pro Jahr könnte, wie wir schon verschiedentlich ausgeführt haben, erheblich dazu beitragen, die Abbrecherquote in den sogenannten MINTFächern, also Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften und Technik, etwa zu halbieren. Die Abbrecherquote liegt bei über 30 %. Das ist eine relevante volkswirtschaftliche Größenordnung von mehreren

Tausend jungen Mathematikern, Ingenieuren, Naturwissenschaftlern und Technikern. Man könnte die mit etwas mehr Aufwand wahrscheinlich auch auf das nötige Ni

veau heben. Die Wirtschaft sucht händeringend genau solche Leute und barmt ob des Fachkräftemangels ab 2015. So ein Pilotprojekt, bei dem das Land einsteigt, ist teurer als die Eierschecke an der Autobahn. Das gebe ich ja zu. Aber mit so einem Projekt kann man zielführend daran arbeiten und würde innerhalb von Monaten und im nächsten Jahr bereits Ergebnisse erzielen, die man der Wirtschaft vorzeigen könnte: Da sind mehr Ingenieure, Mathematiker, Techniker. Das halte ich auch für zielführender, statt mit Eierschecken an der Autobahn rumzustehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Sie haben auch eigene Vorstellungen. Ich habe heute gerade im Ticker gesehen – Sie haben das Parlament nicht unterrichtet, das machen Sie wahrscheinlich nachträglich, aber 15:00 Uhr wusste es die Presse –, dass Sie noch Geld in die kommunalen Verbände nachschießen werden, und zwar 31 Millionen Euro. Dazu muss im Januar noch ein Gesetz vorgelegt werden. Das können Sie nachher noch erklären. Ich hätte das als Mitglied des Parlaments gern eher gewusst; aber lassen wir das, das sind hier die Gepflogenheiten.

Je nach Gewichtung der vorgeschlagenen Maßnahmen ist es auch wichtig, finde ich, dass man den Bereich der Gebäudesanierung noch einmal ins Auge nimmt. Das Handwerk hält eine solche Geschichte für richtig sinnvoll. Wie gesagt, ich teile Ihre Auffassung, dass uns Überhitzung nichts bringt, aber eine vertrauensbildende Maßnahme, die sich in der mittelfristigen Finanzplanung abbildet und durch den Nachtragshaushalt auch abgesichert wird, ist natürlich etwas ganz anderes als ein trockener Händeschlag.

Deshalb ist es, glaube ich, wichtig, dass man damit im Jahr 2012 über Steuermehreinnahmen beginnt, es im Haushalt 2013 verstetigt und in die mittelfristige Finanzplanung aufnimmt. Dann ist das Vertrauen da, das Zukunftsvertrauen des Handwerks und damit übrigens sehr vieler Menschen, die dort Ausbildung und Lohn finden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Dr. Monika Runge, DIE LINKE)

Warum tragen Sie diese Sparsamkeit, diese Austerität wie eine Monstranz vor sich her und fangen nicht endlich an, volkswirtschaftlich strategische Partnerschaften mit der Bevölkerung einzugehen? Die Lage wird doch in den nächsten Jahren nicht besser, kein bisschen. Daher ist es entscheidend, dass man da zusammensteht. Aber Sie betreiben eine Haushaltspolitik, die den Leuten den Eindruck vermittelt, alle müssten sich fürchten, weil es fast allen immer schlechter gehen wird. So kann man das nicht machen.