Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

Warum tragen Sie diese Sparsamkeit, diese Austerität wie eine Monstranz vor sich her und fangen nicht endlich an, volkswirtschaftlich strategische Partnerschaften mit der Bevölkerung einzugehen? Die Lage wird doch in den nächsten Jahren nicht besser, kein bisschen. Daher ist es entscheidend, dass man da zusammensteht. Aber Sie betreiben eine Haushaltspolitik, die den Leuten den Eindruck vermittelt, alle müssten sich fürchten, weil es fast allen immer schlechter gehen wird. So kann man das nicht machen.

Ich habe jetzt vor allen Dingen politisch für den Nachtragshaushalt argumentiert. Bei Steuermehreinnahmen, die in beiden Jahren 5 % jeweils deutlich überschreiten, wäre es meiner Meinung nach gegen den Geist der Sächsischen Verfassung, dass – wie ich vorhin ausgeführt habe – in einem Titel im Haushaltsgesetz, vor einem Jahr

beschlossen, der Staatsregierung allein eine Verwendungsermächtigung erteilt wird. Wir werden das noch einmal gründlich prüfen, aber im Zweifel, meine Damen und Herren, stehen wir dann wieder einmal in Leipzig.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Vielen Dank, Frau Hermenau, für die Einbringung des Antrages. – In der Aussprache meldet sich nun die CDU-Fraktion. Herr Abg. Michel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst möchte ich mit dem Positiven an dem Antrag beginnen. Keine Angst, das wird nicht lange dauern.

Der Antrag enthält aus meiner Sicht in der Begründung wenigstens anderthalb positive Aspekte. Einen positiven Aspekt in der Begründung finden Sie unter Punkt 2 – zumindest lese ich das aus dem Antrag heraus –, wenn die GRÜNEN weiterhin eine Konsolidierung des Haushalts als Ziel beschreiben. Das ehrt die sächsischen GRÜNEN und unterscheidet sie von anderen ihrer Gattung.

(Zuruf des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sicherlich ist das Budgetrecht das Königsrecht des Parlaments. An dem Recht des Hohen Hauses werden auch wir Abgeordneten der Koalition nicht rütteln lassen. Darin sind wir uns, glaube ich, alle einig. Weil wir grundsätzlich stets auf unser Königsrecht achten, kann ich nur einen halben positiven Aspekt aus grundsätzlichen Erwägungen entdecken.

Völlig uneins sind wir uns aber hinsichtlich der Gefahreneinschätzung des Budgetrechtes. Wir können keine Verletzung des Budgetrechtes des Landtages erkennen und werden deshalb den Antrag ablehnen. Ich möchte Ihnen das begründen. Der Antrag fordert einen Nachtragshaushalt nach § 33 der Sächsischen Haushaltsordnung. Abgekürzt heißt das: SäHO. Ich komme einmal kurz zur Erläuterung für die Nichtfinanzler unter uns: § 33 Satz 2 SäHO regelt Folgendes: Der Entwurf – eines Nachtragshaushalts – ist bis zum Ende des Haushaltsjahres einzubringen.

Das bedeutet, dass die Regierung in den nächsten zwei Wochen einen Nachtragshaushalt erstellen müsste. Den Antragstellern erscheint das natürlich auch unmöglich. Deswegen soll der Landtag mit dem hilfsweise gestellten Antrag beschließen, von der Regierung spätestens bis zum 1. Februar 2012 einen Nachtragshaushalt zu erhalten.

Was soll nun die Regierung tun? Was sollen wir nun beschließen? Möchten Sie einen Nachtragshaushalt bis zum Ende des Haushaltsjahres gemäß der Sächsischen Haushaltsordnung beschließen oder den willkürlich gegriffenen Termin des 1. Februars festhalten? Fakt ist

eines: Das eine ist nicht möglich, das andere bedeutet einen Gesetzesverstoß.

Dazu lobe ich mir den vom Landtag in seiner Ausübung des parlamentarischen Königsrechts beschlossenen Haushaltsvermerks in Kapitel 15 10, der bereits benannt wurde. Ich möchte diesen zitieren: „Die Schuldenaufnahme reduziert sich um die gegenüber dem Haushaltsansatz im Vollzug zusätzlich vereinnahmten Steuereinnahmen, Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich sowie den Fehlbetragsbundesergänzungszuweisungen. Diese

können auch für die Zuführung in den Generationen- oder Garantiefonds, für Rücklagen und die unvorhergesehenen und unabweisbaren Mehrausgaben verwendet werden.“

Wir haben schon bei der Verabschiedung des gültigen Doppelhaushalts den möglichen Fall von Steuermehreinnahmen geregelt. Wir haben ihn so geregelt, dass wir unser Budgetrecht ausüben und das Land nicht erst warten muss, bis wir einen Nachtragshaushalt mit all seinen Anhörungen und Beschlüssen verabschieden. Die bestehende Norm garantiert, dass die Bürgerinnen und Bürger möglichst schnell von Steuermehreinnahmen profitieren können. Sie werden bald Folgendes sehen: Wenn wir in den nächsten Tagen unser Kommunalpaket 2012 einbringen, wäre das nicht möglich, wenn Ihr Antrag durchgehen und verabschiedet werden würde.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wir sind mit den bestehenden Regelungen schnell, wendig und flexibel. Wir sind zwar als Sachsen ein großer Tanker und keine Schaluppe, wir besitzen dennoch die notwendige Flexibilität.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben außerdem noch eine sehr wichtige Norm verabschiedet: § 11 Abs. 8 des Haushaltsgesetzes. Sie wurde bei der Debatte überhaupt nicht betrachtet. Darin wird ausdrücklich geregelt, dass das Finanzministerium aus Steuermehreinnahmen die Investitionsansätze des Haushaltsplans verstärken kann. Hierbei ist das Parlament zu beteiligen. Schon ab 10 Millionen Euro ist die Einwilligung des Haushalts- und Finanzausschusses einzuholen.

Nun frage ich mich Folgendes: Worin sollen die Rechte des Parlaments verletzt sein? Die Antragsteller leiten die Notwendigkeit eines Nachtragshaushalts aus einer Abweichung von 4 bzw. 5 % ab.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung aus dem 119. Band – Seite 196 ff. – noch nicht einmal bei einer Einzelabweichung von 8 % ein sachliches Bedürfnis für einen Nachtragshaushalt abgeleitet.

Jetzt könnte man an dieser Stelle die Debatte beenden. Ich bin ein sachlich nüchterner Mensch und möchte daher noch weiter auf den Antrag eingehen. Ein paar Aspekte sind noch zu betrachten.

Punkt 3 der Begründung wirft uns vor, dass wir die Steuermehreinnahmen bei der Aufstellung des Doppelhaushalts viel zu pessimistisch eingeschätzt haben. Das

lässt sich aus heutiger Sicht leicht behaupten. Angesichts der späten Stunde, der Nähe zum Weihnachtsfest und einer langsam aufkommenden Weihnachtsfriedensstimmung erspare ich es mir, Zitate der GRÜNEN aus der Zeit der Haushaltsaufstellung zu nennen.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Am Ende Ihres Antrages und der heutigen Debatte kommen Sie nicht umhin, der Versuchung zu unterliegen, Ausgaben zu tätigen. Ein Nachtragshaushalt aber bedeutet noch nicht automatisch, Ausgaben zu tätigen oder nachzulegen.

Sie fordern mit vorsichtigen Worten Folgendes: maßvoll vorgeschlagene Maßnahmen im Sozialbereich. Welche das sind, haben Sie nun benannt. Sie bleiben es im Antrag aber schuldig. Mit der Formulierung „maßvoll“ unterscheiden Sie sich finanzpolitisch wohlwollend von den anderen geldausgebenden Fraktionen.

Die Begründung. Die Haushaltskonsolidierung wird nicht gefährdet, weil sich der Steuereinnahmensockel dem Vorkrisenniveau annähert. Mein Gott, Frau Hermenau, die Steuerdeckungsquote des Freistaates liegt bei rund 57 %. Wir haben nicht nur Steuereinnahmen. Die restlichen Einnahmen dürfen wir nicht außer Acht lassen. Ein sinkender Solidarpakt, die auslaufenden EU-Mittel und die negative demografische Entwicklung zwingen uns zur Haushaltskonsolidierung.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das weiß ich doch alles!)

Ich glaube, das haben Sie in Ihrem Vortrag vergessen. Für mich liegt die haushaltspolitische Führung der Opposition zwar bei den GRÜNEN. In diesem Punkt sind Sie jedoch über das Ziel hinausgeschossen. Anderthalb positive Aspekte in der Begründung reichen für uns nicht aus, um dem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nun folgt die Fraktion DIE LINKE. Herr Abg. Scheel, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte den GRÜNEN ausdrücklich für diesen Antrag danken. Er lässt uns nahtlos an die Debatte anknüpfen, die wir am 16. Dezember 2010 in diesem Haus getätigt haben. Ich darf ein Zitat aus unserem Entschließungsantrag – ich hoffe, Sie verzeihen mir das – voranstellen. Hier haben wir begehrt, der Landtag solle Folgendes feststellen: „Mit der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 2011/2012 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von CDU und FDP wurden – trotz des Vorliegens der Beratenden Äußerung des Sächsischen Rechnungshofes, der Transparenz, der Haushaltsflexibilisierung, des Budgetrechts und Schritten zu einer neuen Haushaltswirtschaft mit der Drucksache 5/3053 vom 7. Juni 2010 – keine entsprechenden Konsequenzen zur Wiederherstel

lung des umfassenden Budgetrechts des Parlaments gezogen. Damit bleiben den Mitgliedern des Landtags auch weiterhin wesentliche Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten beim Haushaltsvollzug vorenthalten.“

(Einzelbeifall bei den LINKEN)

Sie haben diesen Antrag damals abgelehnt. Wir sehen heute, wie richtig die damalige Feststellung gewesen wäre.

Wir können uns an Folgendes erinnern: Im Jahr 2010 sind wir in eine Haushaltsdebatte gestartet, die von einem Krisenszenario überschattet war. Es war von 1,7 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen die Rede, die uns einen angstvollen Debattenverlauf garantiert haben. Es waren 1,7 Milliarden Euro zum damaligen Zeitpunkt. Genau diese Angst haben Sie genutzt, um Kürzungen durch dieses Parlament zu peitschen. Es waren Kürzungen von am Ende 1 Milliarde Euro.

Ich darf den Finanzminister zumindest sinngemäß zitieren. Er hat sich damals beim Parlament bedankt, dass wir dies als realistische Grundlage unserer Beratungen genutzt haben. Wie realistisch am Ende diese Grundlage war, sehen wir heute. Sie war nicht so, wie wir es damals angenommen haben. Wir können aber auch festhalten, dass es im Land eine Menge Proteste, Demonstrationen und Streit – auch hier im Hause – gab, was die richtige Antwort auf ein solches Krisenszenario war. Natürlich gab es die Hoffnung: Wenn sich die Zeiten verbessern würden, dass man so manche soziale Grausamkeit in diesem Land zurücknehmen würde. Diese Hoffnung ist mittlerweile zerstoben.

Sie haben uns einen Maßstab an die Hand gegeben. Diesen Maßstab nannten Sie wie folgt: Die Ausgaben müssen den Einnahmen folgen. Ist das richtig? Genau mit dieser Debatte haben Sie das Weihnachtsgeld für die Beamten gestrichen. Genau mit dieser Debatte haben Sie die Jugendpauschale und das beitragsfreie Kita-Jahr gestrichen. Das sind nur einige Beispiele. Genau diese Aussage führte auch dazu, dass Sie bis heute nicht dazu bereit sind – wir haben gestern darüber diskutiert. Sie haben es zugelassen, dass am Ende die Beamten über mangelnde Wegstreckenentschädigungen den sächsischen Haushalt mit konsolidieren.

Nun haben wir folgende Situation: Am 1. Dezember haben Sie sich in einer Pressekonferenz hingestellt und über die Ergebnisse der Novembersteuerschätzung gesprochen. Sie haben am 1. Dezember dieses Jahres festgehalten, dass wir Mehreinnahmen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro für diesen Doppelhaushalt zur Verfügung haben. Bei befürchteten Kürzungen oder im Haushalt eingestellten Mindereinnahmen von 1 Milliarde Euro und Mehreinnahmen von 1,5 Milliarden Euro bedeutet das Folgendes: Wir haben eine halbe Milliarde mehr zur Verfügung, als wir damals ohne diese Kürzungsszenarien hätten ausgeben können.

Nun weiß ich auch: Das war damals nicht vorhanden. Ich will gar keine Debatte darüber führen. Aber dass es das

legitime Recht dieses Landtages wäre, darüber zu befinden, darüber zu entscheiden, wie denn mit diesem Geld umgegangen wird – das ist die Debatte, die wir damals schon geführt haben. Ich darf daran erinnern: Genau dieser Vermerk im Einzelplan 15 hat damals auch zu Aufruhr geführt. Genau deshalb haben wir einen Änderungsantrag zur Sächsischen Haushaltsordnung mit eingebracht, um genau zu sagen: Die Staatsregierung darf nicht dieses Ausmaß an Ermächtigungen haben, um am Ende auch über Steuermehreinnahmen in diesem Umfang, in diesem Ausmaß nach Gutdünken entscheiden zu können.

Es ist nicht legitim, dass Sie am Ende vor der Pressekonferenz zu CDU und FDP gehen und das absegnen lassen, sondern Sie hätten hier ins Hohe Haus kommen müssen und mit uns darüber beraten, wie dieses Geld ausgegeben wird.

(Starker Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Wo werden denn jetzt die 1,5 Milliarden Euro hingesteckt? Neben allen Investitionsvorhaben und auch der Stärkung der kommunalen Ebene, die ich ja gern mit unterstütze, stellen wir fest: Ihr Haushalt war ja damals auch nur gedeckt durch die Entnahme aus der Haushaltsrücklage von 250 Millionen Euro; das wollen wir nur noch einmal festhalten, wenn Sie uns immer Seriosität vorgaukeln wollen. Diese 250 Millionen Euro hatten Sie im Mai schon wieder zurückgeführt. Und jetzt haben Sie doch allen Ernstes vor, diese Haushaltsrücklage nochmals um 115 Millionen Euro aufzustocken, anstatt wesentliche soziale Kürzungen zurückzunehmen. Sie haben dort über 1 Milliarde Euro gebunkert. Das kann doch nicht die Wahrheit sein!

Solange wir solche Probleme im Land haben, solange wir wissen, was für einen Stau beim Schulhausbau wir haben, kann es doch nicht die Wahrheit sein, dass wir weiterhin so tun, als wäre es ein sinnvolles Anliegen des Freistaates, sich riesige Geldsäcke zu schaffen, auf denen der Finanzminister sitzen kann.

(Dr. Monika Runge, DIE LINKE: Und es inflationieren lässt!)