Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

Ich habe den Eindruck, dass die Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission im Grunde genommen nur den Charakter einer Informationsbörse hat, in der man sich über irgendwelche „rechtsradikalen“ Vorkommnisse

informieren lässt, aber nicht – das ist eigentlich das Entscheidende – auf die Arbeitsweise des Landesamtes für Verfassungsschutz schaut. Man schaut nicht, ob die Arbeitsweise dieses Landesamtes für Verfassungsschutz überhaupt rechtsstaatlichen Kriterien gerecht wird oder möglicherweise Grenzen des Rechtsstaates deutlich überschritten werden.

Ich habe dazu bislang noch nichts vernommen. Wer einmal in das Sächsische Verfassungsschutzgesetz schaut und sich den § 16 Abs. 1 durchliest, stellt fest, dass dort die Pflichten der PKK dargelegt werden. Dort heißt es – ich zitiere –: Aufgabe ist „… hinsichtlich der Aufsicht des Staatsministeriums des Innern über das Landesamt für Verfassungsschutz und hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz die Kontrolle durch die PKK des Sächsischen Landtages“. – Dieser Anforderung wird die PKK in keiner Weise gerecht.

Weiter heißt es: „Die Rechte des Landtages und seiner Ausschüsse bleiben unberührt.“ Wer also wie ich zum Beispiel im Innenausschuss sitzt, weiß, dass ich, wenn es um Fragen des Landesamtes für Verfassungsschutz geht, grundsätzlich keine Informationen bekomme, sondern immer auf die PKK verwiesen werde, von der ich in keiner Weise sagen kann, inwiefern hier die Arbeitsweise des Landesamtes kontrolliert wird.

Es gibt eine interessante Dissertation von Dr. Alexander Hirsch, der hinsichtlich der Kontrolle der Nachrichtendienste zu dem Ergebnis kommt: Praktisch jedoch läuft die allgemeine parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste weitgehend leer.

Dem kann sich die NPD-Fraktion nur anschließen. Wir glauben, dass es eine Diskussion über eine tatsächlich wirksame Kontrolle des Landesamtes für Verfassungsschutz geben muss. Wir sind der Meinung, dass hierbei Konstruktionsfehler vorliegen, die man durchaus auch juristisch aufarbeiten müsste, gegebenenfalls auch neue gesetzliche Grundlagen geschaffen werden müssen.

Wir sehen zum Beispiel die Möglichkeit einer Klärung in dieser Frage durch eine Klage beim Verfassungsgerichtshof, um die unzureichende Informationsbasis, die keine effektive Kontrolle möglich macht, hier zu schaffen. Wir haben grundsätzlich Zweifel an den Beteuerungen des

VS-Präsidenten und können uns durchaus vorstellen, dass hier nicht rechtsstaatliche Maßnahmen gedeckt werden. Wir sind auch der Meinung, dass aufseiten der Koalitionsfraktionen kein Aufklärungswille herrscht. Deshalb wollen wir heute an dieser Stelle über dieses Thema diskutieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Für die einbringende Fraktion hatte der Abg. Storr das Wort. – Als Nächster spricht für die CDU-Fraktion Herr Prof. Schneider.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist der oberste Wert unserer Verfassung, eine gewisse Summe der Grundsätze, die unser gesellschaftliches verfassungspolitisches Leben kennzeichnen.

In dem Bereich, um den es heute der antragstellenden NPD-Fraktion geht, geht es um ein Spannungsverhältnis, in dem der Staat steht. Wir erleben das in diesen Tagen sehr bitter. Auf der einen Seite ist der Staat dem Schutz der Menschenrechte als oberstem Prinzip verpflichtet. Wir haben der Sache nachzugehen, ob und inwieweit hier der Staat zu einer Schutzaufgabe in Bezug auf das Terrortrio aus Zwickau und Jena gerecht geworden ist. Auf der anderen Seite legitimiert Demokratie den Staat zur Ausübung von Macht, aber Macht in einem demokratischen Staat ist niemals grenzenlos. Sie ist stets zeitlich befristet, und, meine Damen und Herren, hierbei ist eine parlamentarische Kontrolle unverzichtbar.

Lassen Sie mich eines hinzufügen: Die Bundesrepublik Deutschland, die Länder und damit auch der Freistaat Sachsen sind eine wehrhafte Demokratie. Eine wehrhafte Demokratie ist auf keinem Auge blind. Im Blick auf extremistische und terroristische Gesinnungen ist die Bundesrepublik ein wehrhafter Staat, sie ist in jeder Richtung zum Handeln, zur Aufklärung und zur Offenlegung von Mängeln verpflichtet.

Der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln – das ist das, worum es der Antragstellerin in Wahrheit geht – ist in einer wehrhaften Demokratie unverzichtbar. Warum? Extremisten versuchen, ihre wahren Ziele, Aktivitäten und Vorhaben vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Ich erinnere daran, dass das für die NPD gilt. Warum beispielsweise sind denn Orte, an denen sich die NPD zu Parteitagen versammelt, unbekannt? Warum sind Presse und Medien dort ausgeschlossen?

(Andreas Storr, NPD: Weil linke Schlägerkommandos im Vorfeld anrücken!)

Meine Damen und Herren! In Bereichen von rechtsextremistischen Betätigungen muss der Staat wachsam sein und er muss wehrhaft bleiben. Ich sage Ihnen: Die bloße strafrechtliche Ahndung von bereits geschehenem Unrecht genügt hier nicht. Wir müssen uns gerade in diesem

Bereich, im Vorfeld von extremistischen und terroristischen Handlungen, ein klares Bild verschaffen können. So gesehen, ist der Verfassungsschutz unverzichtbar. Wir brauchen ihn.

Meine Damen und Herren! Die Sächsische Verfassung legt dies im Übrigen im Artikel 83 fest und sie fordert in einem demokratisch wehrhaften Staat, dass der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel der parlamentarischen Kontrolle, der Nachprüfung durch von der Volksvertretung gewählte Organe unterliegt. Genau hier setzt die Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission an. Die PKK hat die Aufgabe, nachrichtendienstliches exekutives Verhalten und Handeln zu kontrollieren. Das muss sein und das ist auch gut so. Ohne die PKK gäbe es die Kontrolle der Exekutive in praktisch den sensibelsten staatlichen Handlungsbereichen nicht.

An dieser Stelle entbehrt es nicht einer gewissen Skurrilität, wenn die NPD-Fraktion in lauter Sorge um die Verfassung die Tätigkeit der PKK hinterfragt. Wer die Tätigkeit der PKK, wie eben geschehen, als untauglich bezeichnet und ihre Abschaffung fordert, meine Damen und Herren, der entzöge dem Parlament das wesentliche Kontrollmittel gegenüber staatlichem Handeln in Gestalt des Landesamtes für Verfassungsschutz, praktisch dem sensibelsten Bereich, den es gibt.

(Beifall bei der CDU)

Das wollen Sie.

(Alexander Delle, NPD: Wer kontrolliert die Kontrolleure?)

Ihnen geht es in diesem Segment um nicht mehr und nicht weniger als um das, was Deutschland schon einmal in seiner dunkelsten Zeit, 1933, hatte,

(Zuruf des Abg. Arne Schimmer, NPD)

meine Dame und meine Herren von der NPD-Fraktion: um die Destabilisierung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, um den Entzug staatlichen Handelns vor parlamentarischer Kontrolle.

(Dr. Johannes Müller, NPD: Wir trauen Ihrer Kontrolle nicht; das ist das Problem! – Arne Schimmer, NPD, steht am Mikrofon.)

Meine Damen und Herren! Wir werden in der Parlamentarischen Kontrollkommission der Aufgabe nachgehen – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Danke, Herr Präsident! – Herr Prof. Schneider, sind Sie nicht auch der Auffassung, dass die Geheimdienste zuerst einmal konkrete terroristische Gefahren und keine Meinungen bekämpfen sollten und dass deswegen ein eklatantes Versagen in Bezug auf die mutmaßliche Zwickauer Terrorzelle vorliegt? Man weiß, was auf jedem NPD-Stammtisch in Sachsen über die

Eurokrise gesprochen wird, hat aber jahrzehntelang nicht gewusst, was sich in Zwickau zusammengebraut hat. Sind Sie nicht auch der Auffassung, dass Sie zuerst die geheimdienstliche Aufgabe haben, konkrete terroristische Gefahren abzuwehren, und nicht, Meinungen zu verfolgen?

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Herr Abg. Schimmer, wir haben bekanntlich ein klares Trennungsgebot zwischen polizeilichem Handeln auf der einen Seite

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

und dem nachrichtendienstlichen Einsatz auf der anderen Seite. Das scheinen Sie ganz offensichtlich zu verkennen. Der Verfassungsschutz hat eben nicht die Aufgabe, begangenes Unrecht zu ahnden. Das ist bekanntlich Aufgabe der Staatsanwaltschaften –

Danach habe ich aber nicht gefragt.

Lassen Sie mich doch ausreden! – oder des Generalbundesanwaltes.

Ihre Frage, Herr Schimmer, verrät nur eines: Ihre Angst, dass wir im Bereich der PKK Mängel offenlegen bei der Frage des exekutiven Handelns in Gestalt des Landesamtes für Verfassungsschutz in Bezug auf das Terrortrio, aber vor allem auch die Angst, ob und –

Ich habe Angst, dass Sie keine Mängel offenlegen.

(Unruhe im Saal)

– ob und inwieweit wir unseren Beitrag als PKK dahin gehend leisten, die Verbindungslinie zwischen Ihnen und Ihren braunen Gesinnungsgenossen offenzulegen. Das ist die Arbeit, der wir uns zuwenden.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Das Landesamt für Verfassungsschutz erfordert ein notwendiges Frühwarnsystem. Wir müssen der Frage nachgehen, warum dieses Frühwarnsystem offensichtlich nicht ausreichend funktioniert hat in Bezug auf das Terrortrio und das Thema rechtsextremistische Gewalt.

Die Redezeit läuft ab.

Aber wer die Abschaffung des Verfassungsschutzes fordert und der PKK ebenfalls, der betätigt sich –

Die Redezeit ist zu Ende.

– als Totengräber der Demokratie.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Alexander Delle, NPD: Das sind Sie doch selbst! – Andreas Storr, NPD, steht am Mikrofon.)