Protokoll der Sitzung vom 25.01.2012

Ich möchte mich für die FDPFraktion den Ausführungen von Herrn Kirmes anschließen. Dieser Entschließungsantrag bringt keine neuen Argumente oder Gesichtspunkte in die Diskussion. Wir haben das Standortekonzept ein Jahr lang sehr ausführlich hier beraten und sind gerade eben zu einer demokratischen Mehrheitsentscheidung gekommen. Diese gilt es jetzt zu akzeptieren und umzusetzen. Deshalb werden wir diesen Entschließungsantrag ablehnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wenn es keine weiteren Wortmeldungen gibt, rufe ich den Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 5/8007 zur Drucksache 5/7927, zur Abstimmung auf. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei vier Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist der Entschließungsantrag mehrheitlich nicht beschlossen.

Meine Damen und Herren! Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

2. Lesung des Entwurfs

Gesetz über Versammlungen und Aufzüge im Freistaat Sachsen

(Sächsisches Versammlungsgesetz – SächsVersG)

Drucksache 5/6390, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 5/7927, Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der CDU das Wort. Herr Modschiedler, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

(Allgemeine Unruhe)

Ein wenig Ruhe wird jetzt hoffentlich einkehren. – Wir stimmen heute in diesem Hohen Hause über das neue Versammlungsgesetz ab. Ich möchte an dieser Stelle nicht erneut auf die Grundsätze des Artikels 3 der Sächsischen Verfassung zur Versammlungsfreiheit und die prinzipielle Frage von friedlichen Demonstrationen eingehen.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Schade!)

Ja, das wurde aber von allen bereits im Januar 2010 in der 2. Lesung des Vorgänger-Entwurfes getan und seitdem

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Das muss man immer wieder sagen!)

mit teilweise zweifelhaften Auffassungen zur Frage der Friedlichkeit und Legitimität solcher sogenannten friedlichen Sitzblockaden fortgeführt. Also ersparen wir uns das. Deshalb meiner Ansicht nach im Einzelnen nun zum Versammlungsgesetzentwurf der Staatsregierung mit den beschlossenen Änderungen aus dem Verfassungs-,

Rechts- und Europaausschuss, der hierbei federführend ist.

Richtig ist, dass wir im Januar 2010 das Versammlungsgesetz in seiner alten Fassung auf den Weg gebracht haben und das Sächsische Verfassungsgericht in seiner Entscheidung im April 2011 dem Parlament ins Stammbuch schrieb, dass die bloße Bezugnahme auf die Normen des Bundesversammlungsgesetzes nicht ausreiche. Danach kam durch das Innenministerium ein neuer Entwurf, der, vom Kabinett beschlossen, dem Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss zugewiesen wurde, und wir führten am 9. November 2011 zum Gesetzentwurf der Staatsregierung eine intensive Anhörung durch.

Dabei ist nun dieser Entwurf als Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses erarbeitet worden, der die Ergebnisse der Anhörung in sich trägt. An dem Gesetzentwurf hat sich in seinem Grundprinzip nichts geändert. Warum sollte dies auch zwingend notwendig sein? Das Rad muss meiner Ansicht nach nicht immer wieder neu erfunden werden. Prof. Battis, einer der

angehörten Sachverständigen, sagte in der Anhörung, dass, ganz trocken gesagt, das Versammlungsrecht ein konsolidiertes, das heißt gefestigtes Rechtsgebiet sei. Der Gesetzgeber hat dabei recht wenige Gestaltungsmöglichkeiten.

Generell gilt: Der Landesgesetzgeber kann – und das aus gutem Grund – beispielsweise die Meinungs- und Versammlungsfreiheit nur sehr, sehr begrenzt einschränken, und das soll auch so bleiben. Warum soll nun ein neues, schickes oder ganz anderes Gesetz konstruiert werden? Der alte Zopf muss ab, wir brauchen ein neues Gesetz. So agieren Sie auf der linken Seite – meiner Ansicht nach unverständlich und ohne Not. Das Bundesversammlungsgesetz ist zwar alt; es wurde am 9. Mai 1950 von der Bundesregierung beschlossen und ist nach langer Beratung im damaligen Ausschuss zum Schutze der Verfassung – und nicht im Rechts- und Innenausschuss – drei Jahre intensiv beraten worden. Das Gesetz wurde fortgebildet, das muss man beachten; es wurde auf Dauer angelegt.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Typisch!)

Klar. – Das Gesetz wurde fortgebildet, etwa durch die Wunsiedel-Entscheidung oder das Brokdorf-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Natürlich ist es misslich, dass man beim Studium des Gesetzestextes immer die Entscheidungen des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichtes mitlesen muss.

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Das ist nicht misslich!)

Aber, so sagte Prof. Battis – ich zitiere immer nur die Anhörung –, es sei kein Mangel. Man kann das Gesetz so auslegen, dass es handhabbar ist – ich zitiere –: "Es wird sich zusammenrütteln." Wenn wir also ein neues Gesetz kreieren, wie es zum Beispiel Bayern oder Niedersachsen versuchen, so kommen wir zu einem ganz anderen Problem: Wie ist die jeweilige Norm auszulegen? Ist das Gesetz überhaupt in sich stimmig?

Der Sachverständige Prof. Geis aus Erlangen/Nürnberg hat uns anschaulich geschildert, wie die Bayern als Vorreiter "mal so richtig" – wie er sagt – "auf den Putz hauen und die neue Freiheit des Föderalismus austesten wollten". Er sagte, dass es auch zu einstweiligen Anhörungsverfahren gekommen sei – mit teils negativem Ausgang. Er hatte auch einige Erfahrungen aus Bayern mitgenommen, die er uns in Form einer Kritik in der Anhörung mit auf den Weg gab, und diese haben wir auch umgesetzt.

Zum § 15 des Sächsischen Versammlungsgesetzes, den Untersagungs- und Auflösungstatbeständen – für jene, die in der Anhörung nicht dabei waren –, der auf dem Bundesversammlungsgesetz basiert, attestierte der Sachverständige ausdrücklich, dass diese Norm, der § 15, in sich hinreichend konkret sei. Dem kann man eigentlich nichts hinzufügen.

Wir haben den Gesetzentwurf der Staatsregierung auf den Prüfstand gestellt und von den Sachverständigen kritisieren lassen. Diese Kritikpunkte sind weitgehend eingearbeitet worden. Versäumte Fehlerkorrekturen und Anpassungen der bundesgesetzlichen Bestimmungen bei der Übernahme in das Landesrecht wurden von den Sachverständigen moniert. Die veraltete Wortwahl wurde beispielsweise ausgetauscht gegen eine neue, aber, Herr Bartl, dennoch juristische. Das ist insbesondere für die Nicht-Juristen manchmal etwas schwer zu verstehen, wenn wir zu Worten sagen, sie seien modern.

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Keine Erörterung!)

Gut, das lassen wir mal so stehen. – Im § 2 des Versammlungsgesetzentwurfs wurden in Abs. 3 die geforderten Legaldefinitionen der Versammlung und des Aufzuges eingefügt. Das wurde von den Praktikern gefordert. Außerdem wurde klargestellt, wann eine Versammlung öffentlich ist. Dies ist unter anderem zur Abgrenzung des Versammlungsgesetzes vom Polizeigesetz wichtig. Diesen Hinweis durch die Praxis – des Sachverständigen Wawrzynski, Leipzigs Polizeipräsident – haben wir umgesetzt.

Klargestellt wurde im § 11 des Versammlungsgesetzes, wann Polizeibeamte in eine öffentliche Versammlung entsandt werden können: nämlich dann, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht oder eine solche zu befürchten ist. Dies dient – für Juristen manchmal unverständlich – der Normenklarheit und der einfacheren Handhabung durch die Praxis. Es ist klar, dass sich ein Polizeiführer nicht mit der Rechtsabteilung der Polizei mitten im Getümmel beraten kann, was mit der Norm konkret gemeint ist. Aus diesem Grund haben wir dies eingefügt; dazu dient es. Im Übrigen dient es, nochmals klargestellt, der geforderten Abgrenzung zwischen dem allgemeinen Polizeirecht und den Befugnissen nach dem Versammlungsrecht.

Dies gilt auch für die §§ 1 und 2 Versammlungsgesetzentwurf. Dort wurde das Wort "Anmeldung" durch "Anzeige" ersetzt. Das ist übrigens ein Klassiker, bei dem man versucht hat, ihn moderner zu gestalten. Die Anmeldung unterstellt immer die Bedürftigkeit. Jeder glaubt, wenn er anmeldet, braucht er auch eine Genehmigung. Nein, das ist nicht gemeint. Es ist mehr eine Anzeige gemeint. Dies wird Artikel 23 der Sächsischen Verfassung eher gerecht.

Im § 14 Versammlungsgesetz haben wir die Spontanversammlungen geregelt und beschrieben, für die die eben genannte Anzeigepflicht entfällt. Im § 14 Abs. 5 haben wir abweichend auf den Entwurf zum Versammlungsge

setz zurückgegriffen und die sogenannte Kooperationspflicht bzw. das Kooperationsgespräch als Möglichkeit normiert. Dies dient unter anderem der Deeskalation – schon im Vorfeld von Demonstrationen ein gefordertes Instrument.

Nun kommen wir zu der zentralen Norm des Versammlungsgesetzes, § 15 Versammlungsgesetz. Ich möchte mich hier an Herrn Prof. Enders halten, der in der Anhörung sinngemäß sagte, dass die freiheitlich-demokratische Staatsordnung von der aktiven Teilnahme ihrer Bürger am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung lebt. Das Bundesverfassungsgericht hat betont, dass unsere Staatsordnung auf eine möglichst unreglementierte Betätigung vor allem der Meinungs- und Versammlungsfreiheit angewiesen ist.

Auf der anderen Seite besteht aber das Problem: Keine unbedingte Freiheit den Feinden der Freiheit. Eine solche Freiheitsordnung läuft natürlich Gefahr, dass die gewährleistete Freiheit von Einzelnen dazu genutzt wird, die Freiheit aller anderen ebenfalls abzuschaffen. Deswegen normiert auch unser Grundgesetz ausdrücklich Freiheitsmissbrauchsgrenzen, wie zum Beispiel die Grundrechtsverwirkung oder das Parteienverbot. Als Grundprinzip gilt im Rechtsstaat die Regel, dass er ohne Ansehen der Person eine für alle gleiche gesetzmäßige Freiheit gewährleistet, also nicht Geisteshaltung, Standpunkte, Ideologie als solche bewertet, sondern Distanz und Neutralität. Dies haben wir im § 15 umgesetzt. Leider hat es in der Diskussion im letzten Jahr nur wenig stattgefunden, insbesondere bei den Sitzblockaden.

Wir haben im Rahmen der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten weitere Akzente gesetzt. Dies sollte mit dem alten § 15 Abs. 1 Satz 2 Versammlungsgesetz im Entwurf versucht werden, der schon dann Einschreitungen rechtfertigt, wenn in der Vergangenheit vergleichbare Versammlungen oder Aufzüge zu einer unmittelbaren Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit geführt haben. Aber das Bundesverfassungsgericht verlangt gerade, dass die Durchführung der konkreten Versammlung, in die Zukunft betrachtet, höchstwahrscheinlich zu einer Gefahrensituation führt. Da es sich also nicht vereinbaren lässt, wurde aufgrund der auch übergreifenden ablehnenden Auffassung der Sachverständigen § 15 Abs. 1 Satz 2 Versammlungsgesetz gestrichen. Auch das gehört zur Diskussion und den Ergebnissen der Anhörung.

Anders ist die Sache unserer Ansicht nach beim § 15 Abs. 2 Versammlungsgesetz zu betrachten.

Herr Modschiedler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Präsident, ja, bitte.

Herr Lichdi.

Vielen Dank, Herr Kollege Modschiedler. Ich begrüße es sehr, dass sich die Koalition

endlich entschieden hat, § 15 Abs. 1 Satz 2 zu streichen. Sind Sie bereit anzuerkennen, dass insbesondere meine Person in der Beratung über das mittlerweile vor dem Verfassungsgerichtshof gescheiterte Gesetz diese Frage ausdrücklich angesprochen und ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass diese Formulierung dazu führt, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das genau die Argumente angeführt hat, die Sie jetzt auch dazu bewogen haben, das zu streichen, konterkariert wird? Damals waren Sie aber überhaupt nicht bereit, in eine inhaltliche Debatte darüber einzutreten. Sind Sie bereit, dies anzuerkennen? Können Sie mir vielleicht sagen, warum Sie erst jetzt, nach mehr als einem Jahr der Diskussion über diese Frage auch vor dem Verfassungsgerichtshof, bereit sind, hier die richtige Entscheidung zu treffen?

Zu Frage 1: Wollen Sie ein Bienchen, oder was wollen Sie jetzt?

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Wir haben die Entscheidung getroffen, § 15 Abs. 1 Satz 2 zu streichen. Sie wollen aber der Urheber der ganzen Geschichte sein. – Wir sind alle daran beteiligt. Es ist ein demokratischer Prozess. Wir stehen hier im Plenum und diskutieren darüber. Wenn Sie das Bienchen wollen: Ja, Sie waren mit daran beteiligt, Herr Lichdi.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Manche Fragen sind schwierig zu beantworten, wenn sie auf sich selbst gerichtet sind. – Gut. Weiter.