Protokoll der Sitzung vom 09.12.2009

Kommen wir zum Jahr 2020. Dann gehen die Solidarpaktmittel zurück, die Neuverhandlungen zum Länderfinanzausgleich stehen an und das Thema Schuldengrenze greift bis dahin. Das bedeutet, dass der Freistaat ab 2020 de facto keine Kredite mehr aufnehmen kann. Hinzu kommen die Neuverhandlungen der EU-Strukturfonds, die 2011 auf den Prüfstand gestellt werden. Der Freistaat wird mit Sicherheit nicht mehr zu den Ziel-I-Gebieten, sondern wahrscheinlich nur noch zu den Ziel-II-Gebieten gehören. Wenn wir diese zehn Jahre jetzt nicht nutzen, unsere Grundlage – und das sind für mich die Kommunen des Freistaates Sachsen – auszurüsten, damit sie nach 2020 fit sind zu bestehen, gegebenenfalls auch mit Kreditaufnahmen, dann haben wir die Probleme nach 2020 und können als Freistaat überhaupt nicht mehr steuernd eingreifen. Wir können dann keine Kredite mehr aufnehmen. Jetzt können wir es noch und damit auch Fördermittel kofinanzieren, die wir den Kommunen bereitstellen können.

Das ist es wert und deshalb stimmen wir dem Antrag zu. Das ist es wert, einen breiten Diskurs mit der kommunalen Ebene, den Abgeordneten und den gesellschaftlichen Kräften darüber zu führen, wie wir die zehn Jahre nutzen können, um die Kommunen fit zu machen, zumal wesentliche Aspekte, die jetzt erst greifen, überhaupt noch nicht berücksichtigt sind. Wir kennen das Thema Demografie. Wir wissen, dass wir die Infrastruktur umorganisieren müssen, sonst erschlägt es die Kommunen. Wir haben das Problem Doppik und der Bewertung. Wir wissen, dass

Kommunen nach der Doppik de facto bankrott sind. Da kann man nicht mit Haushaltssicherungskonzepten und Empfehlungen, wie „Kümmert euch alleine!“ kommen. Da muss man das FAG anpacken und eine breite Diskussion führen. Da muss man im sächsischen Haushalt auch mal seine Prioritäten verschieben, nicht selber als Bauherr aufzutreten, sondern in erster Linie die kommunale Daseinsvorsorge in der Infrastruktur, aber auch im sozialen Bereich sicherzustellen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Ich danke Ihnen, Herr Pecher. – Die FDP-Fraktion ist an der Reihe. Für sie spricht Herr Abg. Benjamin Karabinski.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Kommunalfinanzkonzept. Es ist völlig unstrittig, dass die Gemeinden eine solide Einnahmebasis brauchen, um die ihnen zugewiesenen Aufgaben zu erledigen. Sowohl im Bund als auch in Sachsen werden CDU und FDP dies auch sicherstellen. Wir setzen auf einen dauerhaften Aufschwung, der dem Freistaat Sachsen und den Kommunen langfristig solide Steuereinnahmen sichert.

Wir haben in Deutschland und in Sachsen eine klare Aufgabe. Wir müssen die berufstätige Mitte unserer Gesellschaft entlasten, vor allem die normalen Einkommen, die ganz normalen Familien. Spürbare Steuerentlastungen sind die Voraussetzung für den Weg aus der Krise hin zu Wachstum und zu einem kommenden Aufschwung.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Genau das tut Schwarz-Gelb in Berlin mit der Politik, die jetzt vorgelegt worden ist. Wir entlasten die berufstätige Mitte und die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Mit dem auf Bundesebene geplanten ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Beherbergungsleistungen

(Mario Pecher, SPD: Toll!)

und der unternehmerfreundlichen Änderung bei der Erbschaftsteuer und der Unternehmensteuer werden wir schnell und effektiv Wachstumshemmnisse beseitigen und Wachstum beschleunigen.

(Beifall bei der FDP und des Staatsministers Sven Morlok)

Das ist der richtige Weg. Steuersenkungen sind notwendig – ich weiß, Sie sehen das völlig anders – und auch möglich, meine Damen und Herren. Aber die Kommunen müssen selbst ihre Hausaufgaben machen und ihre Ausgaben dabei senken. Das hätten sie längst tun müssen, wenn wir ehrlich sind. In den fetten Jahren hätten die Kommunen das schon tun müssen.

(Heike Werner, Linksfraktion: Welche fetten Jahre?)

Als Freistaat werden wir mit gutem Beispiel vorangehen, meine Damen und Herren. Mit einer Staatsreform wollen wir in zehn Jahren zu einem schlankeren Staat kommen und auf eigenen Füßen stehen. Dazu haben sich FDP und CDU bekannt und das im Koalitionsvertrag verankert. Hierfür müssen harte Entscheidungen gefällt werden. Ich sage nur: Personalabbau. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich hoffe, Sie werden uns dann beim Länderfinanzkonzept für Sachsen genauso unterstützen, wie Sie jetzt so vehement ein Kommunalfinanzkonzept fordern. Das Finanzministerium rechnet nach den Ergebnissen der November-Steuerschätzung mit Mindereinnahmen von 361 Millionen Euro für 2009 und von 864 Millionen Euro für 2010.

(Martin Dulig, SPD: Wegen ihrem Wachstumsbeschleunigungsgesetz!)

Dies werden die sächsischen Kommunen zeitversetzt über das Finanzausgleichsgesetz zu spüren bekommen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass das FAG keine Einbahnstraße ist. Die Kommunen haben in finanziell guten Jahren vom FAG profitiert und sitzen in finanziell härteren Jahren auch mit im Boot FAG. Dieser Gleichmäßigkeitsgrundsatz ist seit Mitte der Neunzigerjahre ein Grundpfeiler des FAG und bislang auch von der Fraktion DIE LINKE unterstützt worden.

Jetzt diesen Gleichmäßigkeitsgrundsatz aufzubrechen ist völlig unseriös, aber typisch für Sie. Sie lassen außer Acht, dass damit eine Verlässlichkeit für die Kommunen verbunden ist. Wenn Sie jetzt fordern, die Kommunen vom Gleichmäßigkeitsgrundsatz auszunehmen, müssen Sie damit rechnen, dass der Freistaat sich bei wieder erstarkter Finanzkraft ebenfalls nicht mehr an den Gleichmäßigkeitsgrundsatz gebunden fühlt. Ich glaube nicht, meine Damen und Herren, dass das im Sinne der Kommunen sein kann.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP und der CDU – Beifall des Staatsministers Sven Morlok)

Ich will die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise überhaupt nicht herunterspielen. Die Finanzkrise trifft den Freistaat und die Kommunen hart. Das ist auch der Grund, weshalb wir in Sachsen keinen Millimeter vom Konsolidierungskurs abweichen dürfen. Das trifft auch auf die Kommunen zu. Wir müssen deutlich mehr Kreativität zeigen, den Staat schlanker und stärker machen. Als Koalition werden wir das in den nächsten zehn Jahren tun. Ich kann den Kommunen nur raten, das ebenfalls zu tun.

Meine Damen und Herren! Es wird Sie nicht überraschen: Wir werden den Antrag mit dem genannten Änderungsantrag ablehnen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und des Staatsministers Sven Morlok)

Das war Herr Karabinski von der FDP-Fraktion. – Nun ist die Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an der Reihe. Frau Abg. Eva Jähnigen, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden uns sehr einig sein in der Aussage, dass die Arbeit, die in den sächsischen Kommunen gemacht wird, sehr wichtig zur bürgernahen Erfüllung von Staatsaufgaben ist und dass der Freistaat Sachsen ohne intakte, handlungsfähige kommunale Ebene ein Staat ohne Hände und Füße ist.

Umso bedauerlicher finde ich es, dass gerade bei der Koalition so viele Leute abwesend sind. Ich möchte die Gelegenheit nutzen und mir erlauben, die Landräte, die ja noch da sind, zu begrüßen. Gut, dass sie hier sind, wo so viele fehlen. Wir sind in einer Situation, die nicht schöngeredet werden darf. Wenn die Spitzen des Landkreistages uns signalisieren, dass die Landkreise 5 % ihrer Mittel frei verfügbar haben, aber 10 % Einnahmeverluste haben, dann ist klar, wie kritisch die Situation schon jetzt ist.

Am stärksten betroffen von den Einnahmeverlusten sind die kreisangehörigen Gemeinden. Für sie wird nun – das ist in der Diskussion, wie heute in der Presse ausführlich zu lesen war – noch die Landkreisumlage erhöht. Das ist die Situation. Das spitzt sich noch zu – die Vorredner haben es angedeutet –, da die Einnahmeverluste verzögert eintreten werden, weil der Kommunalfinanzausgleich jetzt noch nach den alten Haushaltsprognosen erfolgt und die angeblichen Steuererleichterungen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, die Subventionen aus der Gießkanne sind, der Grund sind, warum die Einnahmeverluste der Kommunen zunehmen werden. An Wachstum durch diese Gießkannenförderung, die sich dann ziemlich bürokratisch für die angeblich geförderten Hotels darstellt, glaube ich nicht und die meisten glauben auch nicht daran. Diese Steuerpolitik des Bundes gehört dringend überdacht.

Sehr nachdenklich muss uns aber hier im Landtag auch die Situation machen, wie sie zum Beispiel aus Nordsachsen geschildert wird. Das sind nicht die neuen Probleme der Wirtschaftskrise allein, das ist eine seit Langem verschleppte Situation. Wo war da die Rechtsaufsicht? Wo bleibt das auf Antrag der GRÜNEN beschlossene Frühwarnsystem in der politischen Praxis? Wo bleibt die Transparenz der Kommunalausgaben und der Kommunalverschuldung für die Bürgerinnen und Bürger und die Politik?

Denn die Kommunen – so wichtig sie sind und gerade weil sie so wichtig sind – sind noch nicht per se ein Hort der Nachhaltigkeit. Auch in den Kommunen im Freistaat werden Steuermittel mit vollen Händen ausgegeben. Wir hören immer wieder missgestimmt die Argumentation: Ja, wir können die große Straße, den großen Tunnel, die große Brücke bauen, das sind doch Steuermittel und nicht unsere.

Richtig ist, in den Kommunen Bildungs-, Sozial- und Daseinsvorsorgeaufgaben von diesen Finanzierungsproblemen dass besonders stark betroffen sind und betroffen

sein werden. Wir wissen, die Regelsätze der Leistung nach SGB II reichen bei Weitem nicht aus. Es sind die Kommunen, die nachdenken müssen, wie sie das ausgleichen. Ein Beispiel sind die Beschlüsse zu Mobilitätstickets in vielen Kommunen, jüngstens im Vogtlandkreis, vorher in der Landeshauptstadt Dresden, die auf freiwilliger Basis gefasst werden, weil wir wissen, die Leute, die aufstocken müssen, die pendeln müssen, können sich die Mobilität nicht mehr leisten. Da brennt es in der Tat. Aber Kommunen handeln – ich sagte es schon – nicht immer nachhaltig. Sie sanieren nicht konsequent energetisch, sie legen Prioritäten in den Straßenbau – angespornt durch Landesförderung –, die nicht helfen werden.

Deshalb glauben wir, dass es nicht reichen wird, ein Kommunalfinanzierungskonzept zu fordern. Es wird auch nicht reichen, diese konzeptionellen Aufgaben an die Regierung zu delegieren. Es sind natürlich Aufgaben der Delegierung. Aber wir haben als Parlament die Pflicht, grundsätzlich zu überlegen, wie wir diese Situation neu ordnen wollen, einerseits die Aufgaben der Daseinsvorsorge – die Zeiten des Fürsorgestaates sind vorbei – zu sortieren und andererseits den Kommunen zu helfen, gerade in dieser Zeit den Bildungsauftrag wahrzunehmen.

Für diese wichtigen Aufgaben brauchen wir Finanzierungssicherheit, die wir schon jetzt nicht mehr haben. Wir müssen die ländlichen Räume stärken. Wir brauchen gerade auch finanzpolitisch einen Masterplan für die Entwicklung der ländlichen Räume. Beim Finanzausgleich – so vorbildlich er in einigen Teilen ist – ist es anhand der demografischen Entwicklung Zeit, den Instrumentenkoffer zu überprüfen und neu zu justieren.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Deshalb kann die Debatte über diesen Antrag nur ein Anfang sein. Der Antrag selbst hilft uns noch nicht genügend weiter.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Vielen Dank, Frau Jähnigen. – Für die NPD-Fraktion Herr Abg. Alexander Delle.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hier vorliegende Antrag der Linksfraktion – das möchte ich einfach rein sachlich feststellen – überschneidet sich mit dem der NPDFraktion, der morgen auf der Tagesordnung steht, in dem Bereich, wo es um die Aufgaben des Freistaates Sachsen zum Ausgleich der Einnahmeverluste der sächsischen Städte, Gemeinden und Landkreise geht.

Insofern stellt diese Konzeption eine nähere Ausgestaltung der auch von der NPD geforderten Maßnahmen des Landes zugunsten der Kommunen dar und schreibt eine besondere Herangehensweise bei der Erstellung eines Kommunalfinanzierungskonzeptes vor. Meine Fraktion hätte jetzt der Staatsregierung allerdings einen etwas größeren Spielraum belassen wollen. Da die Vorschläge

der Linken aber nicht im Widerspruch zu den Forderungen in unserem eigenen Antrag stehen, werden wir ihm trotzdem zustimmen können.

Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang aber auch, dass die jetzt schon erfolgten und noch zu erwartenden Einnahmeverluste der sächsischen Kommunen nur die eine Seite der Medaille darstellen. Denn parallel dazu werden natürlich auch infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise vor allem die Sozialausgaben explodieren. Wenn spätestens 2011 den sächsischen Kommunen laut Sächsischem Städte- und Gemeindetag rund eine Milliarde Euro fehlen werden, wenn die Vorsorgekosten in Höhe von 370 Millionen Euro, die die Gemeinden für Notzeiten angelegt haben, aufgezehrt sind, dann ist nicht nur auf die Einnahmeverluste, sondern vor allem auch auf die voraussichtlich um rund 150 Millionen Euro steigenden Sozialausgaben und die Folgekosten der Verwaltungsreform zu schauen.

Dann, meine Damen und Herren, wissen wir, dass es nicht allein damit getan ist, die durch die Finanzkrise bedingten Mindereinnahmen auszugleichen, sondern dass es vor allem um den Ausgleich der Mehrbelastungen geht. Dazu dann morgen bei unserem eigenen Antrag mehr.

Vor allem aber genügt es nicht, nur das Land in die Pflicht zu nehmen; denn es ist letztendlich der Bund, der durch die Senkung der Beteiligung an den Kosten der Unterkunft und durch zusätzliche Aufgabenstellungen im Bereich der Job-Center oder der Kinderbetreuung den Kommunen größere Belastungen auferlegt. Genau in diese Richtung gehen dann auch die Forderungen meiner Fraktion.

Was mich wieder einmal an dieser Diskussion stört – wobei jetzt verschiedentlich schon andere Töne durchgeklungen sind –, ist die Tatsache, dass hier nur über diese ganz besonderen Finanzierungs- und Fördermaßnahmen im Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise gesprochen wird. Wie schon in der Vergangenheit – und ich möchte heute darauf hinweisen –, ist es so, dass es beim Thema Finanzausgleich auf ganz grundsätzliche Fragestellungen ankommt: auf die Schlüsselgröße und auf die Verteilung der insgesamt verfügbaren Finanzmasse zwischen Freistaat und Gemeinden.

Hier müssen wir uns endlich einmal die Kardinalfrage stellen: Wie viel Geld benötigen die Kommunen und hier vor allem der ländliche Raum, um überleben zu können, um der bevölkerungspolitischen Katastrophe, dem sozialen Abstieg, entgegentreten zu können? Und dann ist festzulegen, was die zentrale Verwaltung des Freistaates benötigt, um noch handlungsfähig zu bleiben.

Meine Damen und Herren! Mit dem Hinweis auf den weiter gehenden und auch ganzheitlichen Antrag der NPD-Fraktion von morgen mit dem Titel „Finanzielle Handlungsfähigkeit der sächsischen Städte und Gemeinden wiederherstellen – Erfüllung sozialer Aufgaben sicherstellen!“ darf ich hier für die NPD-Fraktion sagen, dass wir den Antrag der Linken als Ergänzung betrachten und ihm zustimmen werden.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Die erste Runde ist beendet. Gibt es weiteren Redebedarf? – Seitens der Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Marion Junge.