Protokoll der Sitzung vom 09.12.2009

Wir hätten als Abgeordnete des Sächsischen Landtages einvernehmlich ein Zeichen setzen können, dass wir uns nicht fernab jeglicher Realitäten bewegen, wie sie sich für

die allgemeine Bevölkerung darstellen, und uns erhebliche Gehaltserhöhungen zulasten des Staatshaushalts genehmigen.

Wir haben heute in der Presse einiges zur Kenntnis nehmen können. Zunächst konnten wir zur Kenntnis nehmen, dass unsere Initiative, obwohl im Ausschuss nicht darauf eingegangen worden ist, bezüglich unseres zweiten Punktes möglicherweise doch noch erfolgreich war. Wenn Sie es ernst damit meinen, keine weitere Anpassung an das Richtergehalt und damit keine Erhöhung anzustreben, dann müssten Sie in diesem Punkt aber auch heute unserem Gesetzentwurf zustimmen, der nämlich genau das vorsieht.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Nach der bestehenden Rechtslage muss der Landtagspräsident nämlich eine Anpassung nach oben vorschlagen. Das steht in § 5 Abs. 2 des Abgeordnetengesetzes, wie es derzeit noch gültig ist. Wir wollen dieses Verfahren zumindest auf die 6. Legislatur verschieben.

Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, ich bin schon mehr als erstaunt – um nicht zu sagen: verärgert – über die Vorwürfe von Herrn Piwarz und Herrn Herbst, wie sie heute in den „DNN“ zitiert werden; Sie können sich davon distanzieren, wenn es nicht richtig wiedergegeben ist. Dort ist von dem „üblichen Populismus“ und einem „billigen, durchschaubaren PR-Manöver der vereinten Linken“ die Rede.

(Christian Piwarz, CDU: Natürlich! – Robert Clemen, CDU: Was ist es denn sonst?)

Zunächst einmal möchte ich Ihnen sagen, dass sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN keinesfalls als Teil einer „vereinten Linken“ betrachten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das haben wir schlicht und ergreifend nicht nötig, auch nicht, wenn Sie das erzählen.

Aber, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, so einfach entlassen wir Sie nicht aus Ihrer Verantwortung. Dass Sie diesen Gesetzentwurf heute nicht annehmen, verantworten allein Sie, Herr Kollege Piwarz, Sie, die Kollegen von der CDU und der FDP.

Nun noch einmal ein Wort zum Populismusvorwurf: Wir haben uns einmal die Mühe gemacht, bei Wikipedia nachzusehen, was eigentlich Populismus ist. Ich frage Sie ernsthaft, was hat unser Gesetzentwurf mit unrealistischen populistischen Versprechungen zu tun. Welche Aspekte der praktischen Realisierbarkeit sollen wir denn hier außer Acht gelassen haben?

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Die Zwischenrufe nutzen mir nichts, Herr Piwarz. Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen, bin ich gern bereit, sie zuzulassen.

Doch einzig und allein nur eine Annahme war falsch, nämlich die, dass die FDP ihr Wort halten würde und die CDU bereit wäre, ein Zeichen der Verzichtsbereitschaft zu setzen, die sie ja der allgemeinen Bevölkerung infolge der von Ihnen zu verantwortenden Sachsen-LB-Pleite, sinkenden Steuereinnahmen und der Wirtschaftskrise auch zumuten wollen.

Sie, meine Damen und Herren von der CDU, wollten schlicht und ergreifend vermeiden, dass die Öffentlichkeit Wind davon bekommt und Sie öffentlich zur Rede stellt, warum eine Erhöhung der Diäten von sage und schreibe 14,6 % in zwei Jahren angemessen sein soll. Das ist die Wahrheit. Sie haben keine Antwort und geben in Ihren üblichen Abwehrreflexen dann, wenn Sie nicht mehr weiterwissen, einfach Ihren Instinkten nach und unterstellen dann einer imaginären vereinten Linken niedere Beweggründe, wie Sie es getan haben, Herr Piwarz.

Es handelt sich keinesfalls um einen Schnellschuss. Wir haben diesen Gesetzentwurf als zweiten Gesetzentwurf in dieser Legislaturperiode eingebracht, nur zwei Werktage nach Ihrem unsäglichen Versammlungsgesetzentwurf, um eine Änderung der Gesetzeslage noch rechtzeitig zum 01.01.2010 erreichen zu können.

Noch ein paar Worte zur Behandlung unseres Gesetzentwurfes im Ausschuss: Sie haben sich geweigert, diesen Gesetzentwurf im Ausschuss ernsthaft zu besprechen. Zunächst wollten Sie sich überhaupt nicht äußern. Dann – das fand ich sehr seltsam – hat die FDP wieder einmal wie hier im Plenum auf ihr doch so uneigennütziges Projekt „Die FDP hilft“ verwiesen. Das sind dann die Diäten, die die FDP dazu verwendet, Wahlkampf zu machen.

Im Anschluss hat der Kollege Biesok versprochen, dass sie ihr Modell eines Halbtagsparlamentes in dieser Legislaturperiode mit ihrem Koalitionspartner CDU besprechen und in das Plenum einbringen wollten und dass die FDP ihr Wort in dieser Form halten würde.

Meine Damen und Herren von der FDP! Ich bin also wirklich sehr gespannt, wie Sie mit dem Koalitionspartner allen Ernstes dieses Modell durchsetzen wollen.

Aber in der Debatte sind auch Worte gefallen, die ich noch einmal ansprechen muss. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht gesagt, dass die Diäten, die Grundentschädigung, die Unabhängigkeit des Abgeordneten und seiner Familie zu sichern haben, und zwar eine Unabhängigkeit auch von Lobbyinteressen. Ich sage es ganz deutlich: Die Angleichung an ein Richtergehalt ist nicht von der Verfassung gefordert. Es ist eine Hilfskonstruktion, die ich zudem auch noch für verfehlt halte, denn Abgeordnete sind keine Staatsdiener, sondern – pathetisch gesagt – sie sind Diener des Volkes. Sie sollten sich also von ihrem Einkommen her nicht allzu sehr über das Volk und deren Einkommensverhältnisse hinausheben. Das allein kann nur der richtige Maßstab sein. Wenn wir also von angemessenen Bezügen reden, die jedem Abgeordneten gemäß Artikel 42 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung zustehen, dürfen wir nicht blind für reale Entwicklungen sein. Wenn Sie, Herr Kollege Schiemann, im Jahr 2007

festgestellt haben, dass ab 01.01.2010 eine Grundentschädigung von 4 835 Euro angemessen ist, dann war das eine Prognoseentscheidung, deren Rahmenbedingungen sich zwischenzeitlich offensichtlich verändert haben.

Meine Damen und Herren! Für die GRÜNEN-Fraktion ist diese Gesetzesinitiative auch insofern konsequent, da wir in der letzten Legislatur vorgeschlagen hatten, die Besoldungsanpassung für besser verdienende Richter auszusetzen und die Erhöhung allein für geringere Besoldungsgruppen bei den Richtern zu gewährleisten.

Im Übrigen möchte ich unser Modell aus der letzten Legislatur, zu dem Sie sich nicht verständigen konnten, noch einmal ins Gespräch bringen. Wir fordern eine einheitliche Vergütung aller Abgeordneten, eine Abschaffung der Sonderprivilegien, eine vollständige Versteuerung, eine vollständige Begleichung beispielsweise der Altersvorsorgeleistungen. Sie waren in der letzten Legislatur nicht bereit, dieses Modell fraktionsübergreifend, wie etwa in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, einzuführen. Mein Kollege Dr. Gerstenberg und ich haben Ihnen damals schon prophezeit: Wenn wir uns nicht endlich zu dieser Reform der Grundentschädigung und der Abgeordnetenversorgung entschließen, dann werden Sie diese Debatte nicht gewinnen.

Ich bitte Sie, stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu!

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Die Fraktion DIE LINKE, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am gestrigen Abend fand unser Ministerpräsident in seiner Rede bei den kommunalen Spitzenverbänden ein paar klare Aussagen, die es sich lohnt noch einmal hier in der Debatte zu zitieren. Er verglich die finanzpolitische Aufgabe, die für die Kommunen und den Freistaat in den nächsten beiden Jahren steht, mit einer sogenannten gemeinsamen Segelfahrt, bei der es auch einmal gelte, in stürmischen Gewässern immer Kurs zu halten. Weiter forderte er alle anwesenden Kommunen und Vertreter des Hohen Hauses auf, dass es an der Zeit wäre, alle öffentlichen Aufgaben auf den Prüfstand zu stellen. Es gäbe dabei keine Tabus und alle bisherigen Entscheidungen müssten auf ihre wirkliche Notwendigkeit überprüft werden. Sie nannten dabei immer wieder, es müsste doch der sächsische Steuerzahler in nächster Zeit die richtigen Zeichen von der Politik erhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie immer ist der Applaus dann sehr brav, wenn der Ministerpräsident gesprochen hat, aber ich vermute einmal, er wollte Mut machen, unserem gemeinsamen Gesetzentwurf zuzustimmen. Nun gut, fangen wir heute als Parlament damit an, geben wir das erste Zeichen ganz im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, das der Ministerpräsident von uns gefordert hat.

Mag auch mancher Kritiker unseres gemeinsamen Gesetzentwurfes nur von Symbolik reden, sind wir jedoch der Meinung, bevor die Koalition im nächsten Jahr sich daran abarbeitet, welche sozialen Einschnitte in Anbetracht der Steuerausfälle den Sachsen zugemutet werden, sollten wir uns erst einmal selbst in der heutigen Debatte befragen. In einer Krise mit diesem Ausmaß, in der wir uns befinden, wirkt es aus meiner Sicht geradezu lächerlich zu behaupten, wenn die mehrstufigen Diätenerhöhungen im nächsten Jahr nicht umgesetzt würden, wäre die Unabhängigkeit unseres Mandats in Gefahr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zumindest für unsere Fraktion kann ich definitiv ausschließen, dass wir diese Gefahr sehen. Schon gar nicht stelle ich mir in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Spendenfonds „FDP hilft“ in den nächsten Jahren durch Selbstbedienung mit Steuergeldern weiter ausgebaut werden kann. Wenn man die Pirouetten sieht, die die Liberalen in der Diätenfrage und beim Postenschachern in den letzten Monaten gedreht haben, bin ich eigentlich fast geneigt, einen eigenen Fonds zu gründen. Den würde ich dann nennen „Hilfe – FDP“.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns sicher in der Mehrheit des Hohen Hauses einig, dass das Agieren der FDP nicht der Maßstab des gesamten Landtages sein kann.

Damit die CDU nicht ganz schadlos davonkommt: Auch die Argumente der CDU zur Ablehnung des Gesetzentwurfes sind nicht nur scheinheilig, sondern auch verfassungsrechtlich bedenklich. In der Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses zum gemeinsamen Gesetzentwurf können Sie schwarz auf weiß nachlesen: Die 58 gewählten Abgeordneten der CDU hätten für ihre Wahlkreise eine größere Verantwortung als die anderen ins Hohe Haus Gewählten. So steht es in der Beschlussempfehlung.

Meine sehr geehrten Kollegen von der CDU! Abgeordnete zweiter Klasse sind in der Sächsischen Verfassung nicht vorgesehen. Das haben selbst Sie nicht geschafft. Denkt man aber Ihren Gedankengang bis zu Ende, wäre es wohl auch ganz nützlich, für die Abgeordneten der Opposition sozusagen niedrigere, abgestufte Diäten zu schaffen. Das ist dann anscheinend Ihre Überzeugung. Insofern hat die Debatte zu unserer gemeinsamen Gesetzesinitiative für die Öffentlichkeit wieder einmal deutlich gemacht, wie weit hier mancher Verfechter der Diätenerhöhung nicht nur von seinem Wahlkreis, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern des Landes entfernt ist.

Die Situation ist eine andere und teilweise besorgniserregend. Nicht wenige Beschäftigte verharren in der vor uns stehenden Weihnachtszeit in den letzten Tagen ihrer Kurzarbeit. Ihre Zukunft ist mittlerweile genauso ungewiss wie die ihrer ehemaligen Kollegen, die im vergange

nen Jahr von der Leiharbeit in die Arbeitslosigkeit gewechselt sind.

Während viele andere in unserem Land die Gewissheit haben, dass ihre Einkommen im nächsten Jahr sinken, haben wir die Gewissheit, dass unsere monatlichen Diäten im nächsten Jahr um einen Betrag steigen, der dem Regelsatz von zwei Arbeitslosengeld-II-Empfängern entspricht. So ist die Gesetzeslage. Bei diesem Vergleich geht es mir nicht um die Neiddebatte, sondern es geht darum, dass wir nicht die Realitäten in diesem Land verlieren.

Wenn man die Debatte der letzten Wochen zur anstehenden Diätenerhöhung verfolgt hat, müsste ich wohl der Koalition zurufen: Kommen Sie endlich in der Realität in Sachsen an!

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Also, meine Damen und Herren! Wir haben es heute in der Hand. Kommen wir zur Besinnung. Die vorweihnachtliche Zeit ist eine gute Gelegenheit dafür. Zeigen wir in der stärksten wirtschaftlichen Krise den Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen: Ja, auch wir haben verstanden. Stimmen wir heute mit deutlicher Mehrheit für den gemeinsamen Gesetzentwurf von GRÜNEN, SPD und DIE LINKE.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Die SPD-Fraktion verzichtet in dieser Runde. – Die CDU-Fraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ist das nun Zynismus oder ist es Populismus,

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Realität!)

oder ist es Unkenntnis dessen, was wir in der letzten Legislaturperiode, natürlich mit Unterstützung dieses Hohen Hauses, entschieden haben: eine sehr umfangreiche Kommission zu gründen, die Vorschläge für eine Veränderung im Abgeordnetenrecht erarbeiten soll. Die Einreicher waren diejenigen, die am lautesten gerufen haben, wir müssten eine Kommission gründen, die uns Vorschläge machen soll, wie das Abgeordnetenrecht im Freistaat Sachsen zu ändern ist.

Wenn ein Rechtsanwalt oder ein Parlamentarischer Geschäftsführer hier vorn steht, dann wissen wir, dass wir bei dem Einkommen, das die beiden beziehen, kein Mitleid haben müssen. Uns geht es letztlich nichts an. Die Tränen sind dennoch geflossen. Gerade sie beide haben sich hier vorn produziert und die Not im Land am meisten beschrieben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen sind der Souverän. Sie sind die Kraft dieses Landes, die die Entscheidungshoheit hat. Unsere Landsleute haben uns in dieses Hohe Haus

gewählt. Ich glaube, dass die Erwartungen der Menschen im Land nicht darauf gerichtet sind, zuallererst darüber zu richten, wie hoch die Entschädigung für Abgeordnete im Freistaat Sachsen ist, sondern sie setzen in uns Erwartungen, dass wir uns mit aller Kraft für dieses Land einsetzen!

(Beifall bei der CDU und der FDP)