Protokoll der Sitzung vom 09.12.2009

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dass wir bereit sind, mit hoher Opferbereitschaft, mit Riesenzeitaufwand uns den Problemen im Land zu widmen, das ist der Anspruch, dem wir als Abgeordnete versuchen nachzukommen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Robert Clemen, CDU: Und nicht auf Bäumen zu sitzen!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, jede Fraktion hat genügend Redezeit und kann sich selbst darstellen.

Es ist der Anspruch, den die Bürgerinnen und Bürger, ob Arbeitnehmer oder Unternehmer, ob Mitglieder von Verbänden und Vereinen oder Arbeitslose, an uns haben: dass wir alles für die Entwicklung dieses Landes tun. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns daran erinnern, was uns die Kommission gesagt hat. Wir können doch keine Kommission einrichten, deren Vorschläge dann im Papierkorb landen. Das Steuergeld können wir auch anders unterbringen. Für den Papierkorb brauchen wir keine Kommission einzurichten.

Meine Damen und Herren! Jetzt zurück zum Parlamentarismus. Der Souverän, das Volk, entscheidet durch Wahlen, wie dieser Landtag zusammengesetzt ist. Dieser Landtag wählt den Ministerpräsidenten, der wiederum seine Staatsregierung bestimmt und damit die Entscheidungen der zweiten Staatsgewalt auf den Weg bringt. Die dritte Staatsgewalt – –

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Dass Sie mit der Demokratie Ihre Probleme haben, glaube ich Ihnen. Deshalb brauchten Sie ja auch nicht zuzuhören.

(Beifall bei der CDU und der FDP und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Judikative als dritte Staatsgewalt ist für uns so wichtig, weil sie die Unabhängigkeit in ihren Entscheidungen gegenüber dem Parlament, gegenüber den Entscheidungen der Exekutive, aber auch gegenüber der Entscheidung der Bürger bringt. In diesem Gewaltenteilungsgrundsatz spielt der Abgeordnete eine Rolle, weil er der erste ist, weil er aus dem Volk entsandt worden ist und es repräsentieren muss. Die drei Staatsgewalten sind nicht unbedingt, was die Kraft und Einsatzfähigkeit angeht, völlig ausgeglichen. Der Abgeordnete ist in seiner Entschädigung das schwächste Glied, obwohl er vom Volk hierher entsandt worden ist. Dennoch konnte ich in den letzten Jahren

viele Abgeordnete in diesem Hohen Haus erleben, die nicht zuallererst danach getrachtet haben, wie viel Geld sie hier verdienen, sondern sich zuallererst danach gesehnt haben, ihren Landsleuten zu helfen, egal ob das im Erzgebirge, im Vogtland, im Leipziger Land oder bei mir zu Hause in der Oberlausitz ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Jetzt komme ich zum entscheidenden Punkt. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer sehr klaren Entscheidung deutlich gemacht, dass Artikel 48 des Grundgesetzes und für uns Artikel 42 der Sächsischen Verfassung wichtige Bausteine des Demokratiegrundsatzes sind. Die Verfassungsrichter haben entschieden, dass die aus Artikel 48 Abs. 3 des Grundgesetzes und Artikel 42 der Sächsischen Verfassung entwickelten Grundsätze vom Landesgesetzgeber lediglich konkretisiert werden können. Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Davon haben weder die beiden einreichenden Fraktionen gesprochen noch ist das in der Öffentlichkeit beachtet worden. Deshalb ist der Landesgesetzgeber eben nicht mehr frei, wahllos über die Entschädigung zu entscheiden.

Genauso wie das Verbot der Überschreitung der Angemessenheit gibt es das Verbot der Unterschreitung. Dieses Verbot wird unter anderem verletzt, wenn die Entschädigung zu den Einkommen anderer Berufsgruppen vergleichbarer Belastung und Bedeutung außer Verhältnis steht.

Die Kommission hat damals festgestellt, dass viele Abgeordnete zwischen 60 und 70 Stunden pro Woche arbeiten. Es ist eine sehr harte Belastung, wenn man sich in die Gesetzgebung einbringt und gemeinsam mit der Exekutive um Verbesserungen ringt, manchmal auch mit dem besseren Vorschlag gegen die Exekutive. Das braucht Kraft und ist nur mit besonderen Berufsgruppen vergleichbar.

Die Angemessenheit der Entschädigung wird durch das Bundesverfassungsgericht verbindlich näher bestimmt. Sie muss für die Abgeordneten und ihre Familien für die Dauer der Parlamentszugehörigkeit eine ausreichende Existenzgrundlage bieten und der Bedeutung des Amtes im Hinblick auf die damit verbundene Belastung und Verantwortung und seines Ranges im Verfassungsgefüge der Gewaltenteilung gerecht werden und die Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten sichern. Die Gefahr, dass Abgeordnete auch in der Versuchung stehen, nach der Meinung anderer ihre Entscheidung zu treffen, ist immer da. Die Unabhängigkeit des Abgeordneten muss mit der Entschädigung entsprechend gesichert werden und die Möglichkeit gewährleisten, sich der eigentlichen parlamentarischen Arbeit auch um den Preis widmen zu können, Berufseinkommen ganz oder teilweise zu verlieren.

Damit sind der Angemessenheit der Abgeordnetenentschädigung verfassungsrechtliche Maßstäbe vorgegeben. Sie dürfen wohl interpretiert, aber nicht relativiert wer

den. Insbesondere ist es nach der Verfassung nicht zulässig, die Angemessenheit nach der Resonanz der Medien und der politischen Öffentlichkeit zu bestimmen – so das Bundesverfassungsgericht.

Deshalb hält dieser Gesetzentwurf den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßstäben nicht stand.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Sind doch nicht aufgestellt! Das ist doch ein Witz!)

Herr Rechtsanwalt Lichdi, das wissen Sie auch. Trotzdem führen Sie hier eine Debatte, die ich als scheinheilig bezeichnen muss. Sie sind einfach nicht ehrlich.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben im Zuge der großen Reform des Abgeordnetenrechts folgende Entscheidungen getroffen: Wir haben das Übergangsgeld massiv reduziert. Wir haben die Altersentschädigung massiv reduziert. Wir haben das Sterbegeld abgeschafft; es ist gesetzlich abgeschafft worden. Viele Tarifpartner haben es sich aber nicht nehmen lassen, diese Regelung dann wieder in die Tarifverträge einzubeziehen und auch so zu entscheiden – was ich nicht kommentieren möchte. Die Hinterbliebenenversorgung ist ebenfalls massiv reduziert worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben im Rahmen der großen Reform die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in der Form umgesetzt, dass wir uns an einem Zwölftel der Jahresbezüge eines Richters am Landgericht, Besoldungsgruppe R 2, Lebensalter 38 Jahre, orientieren. Die Frage der Unabhängigkeit ist im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, aber auch unserer Expertenkommission daran geknüpft worden, dass auf Bundesebene der Bundestagsabgeordnete mit dem Einkommen eines Richters an einem Bundesgericht R 6 vergleichbar wäre und im Freistaat Sachsen eben mit der R 2. Wir haben diese Entscheidung mit unserem Koalitionspartner damals bei 38 Jahren festgelegt.

Jetzt kommt noch etwas hinzu. Das haben alle anderen ausgeblendet. Wir haben Folgendes gemacht: Wir haben dies nicht angeglichen zum Jahr 2008. Am 01.10. ist das nicht angeglichen worden. Wir haben 2008 eine Nullrunde gemacht. Wir haben eine Nullrunde 2009 gemacht. Ich bitte Sie, dass Sie auch die Fairness haben, das einfach zur Kenntnis zu nehmen.

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Wird ja nicht bestritten!)

Wir haben 2007 das Abgeordnetenrecht geändert. Die letzte vorhergehende Änderung war im Jahre 2003. In den Jahren 2004, 2005, 2006 und eine lange Zeit im Jahre 2007 gab es Nullrunden.

Jetzt noch einmal zum Verständnis für all diejenigen, die neu in diesen Landtag gekommen sind. In der Lebenswelt ist es so, dass Tarifpartner die Entscheidung treffen, welche Gehaltssteigerung stattfindet. Das geschieht nach

einem gewissen Turnus. Wir werden den großen Turnus erleben ab dem 01.01.2010, wenn die Ost-WestAngleichung zwischen dem öffentlichen Dienst Ost und dem öffentlichen Dienst West stattfindet. Wir haben dann am 1. März eine zurückversetzte Entwicklung, wenn die Gehaltsanhebung nach dem Tarifrecht für die neuen Länder stattfindet.

Der Abgeordnete im Sächsischen Landtag hat jetzt die Entscheidung des vorangegangenen Landtags zur Kenntnis zu nehmen. Sie wollen diese Entscheidung abschaffen, ohne dass Sie überhaupt auf die von mir genannten Kriterien bzw. die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien reagiert haben.

Lassen Sie mich abschließend auf Folgendes hinweisen. Die Diäten eines sächsischen Abgeordneten sind vergleichbar mit dem Einkommen eines Schulleiters einer Mittelschule. Sie sind vergleichbar mit einem etwa vom Alter mit mir vergleichbaren Berufsschullehrer, mit einem Referatsleiter in einer der Landesdirektionen oder mit dem Bürgermeister einer Gemeinde, in der er wiedergewählt wurde, mit einer Größe von über 5000 Einwohnern.

Jetzt möchte ich Sie fragen: Ist das unangemessen?

Ich trachte nicht nach dem Gehalt eines Ministers. Ich trachte nicht nach dem Einkommen eines Vorsitzenden Richters an einem oberen Gericht des Freistaates. Ich schaue auch nicht auf einen Abteilungsleiter, der eine B 6 hat. Das will ich überhaupt nicht. Wir haben eine klare Regel, die R 2 besagt. Das ist in der letzten Legislaturperiode festgelegt worden. Herr Gerstenberg hat immer hier vorn gestanden und gesagt: Lasst uns doch die Entscheidung treffen. Der alte Landtag entscheidet, und wir akzeptieren das. Das ist doch die beste Regelung. – Ich glaube, das ist der Grund, warum er heute nicht mehr sprechen will, weil er sich nicht mehr daran erinnern wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Jetzt komme ich zum letzten Punkt. Ich bin schon ein bisschen verwundert, dass auch der ehemalige Koalitionspartner – der wird bestimmt noch reden, glaube ich –,

(Stefan Brangs, SPD: Aber bestimmt!)

der diese Entscheidung mit uns getroffen hat, die wir uns nach Prüfung und Auswertung der Expertenkommission nicht leicht gemacht haben – wir haben dafür auch nachts sehr viel Zeit geopfert, um das auszuwerten –, heute anders sieht.

Aber dennoch möchte ich einen Appell loswerden: Der Sächsische Landtag ist dazu da, Probleme in diesem Land zu lösen. Er ist dazu da, für die Menschen hier möglichst viel Gutes herauszuholen in der Arbeit mit den Landsleuten. Der Landtag bestimmt einen Staatshaushalt in einer Höhe von 16 Milliarden Euro. Das ist seine Verantwortung. Ich gehe einmal davon aus, dass diejenigen, die diesen Gesetzentwurf eingebracht haben, sich nicht nur hinsetzen und zuschauen können, wie die Regierungskoalition auf diesen Gesetzentwurf reagiert.

(Zuruf des Abg. Klaus Tischendorf, Linksfraktion)

Sie sind nicht Zuschauer. Sie sind genauso von unseren Landsleuten beauftragt, hier Entscheidungen für das Land zu treffen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Uta Windisch, CDU: Richtig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Elke Herrmann, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

1.Vizepräsidentin Andrea Dombois: Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Schiemann?

Nein, ich habe schon die Zeit überzogen.

Die Zeit wird angehalten.

Nein, ich möchte keine mehr.

Natürlich ist es so, dass wir ein unterschiedliches Gehaltsgefüge haben. Es gibt Arbeitnehmer, die müssen mit 600, 700 Euro brutto auskommen. Es gibt Frauen, die an der Kasse sitzen, die müssen damit auskommen. Aber die Chefs bekommen nicht 600 oder 700 Euro brutto. Jetzt will ich Ihnen noch Folgendes sagen: Es gibt eine Statistik des Landesamtes, die heute verteilt wurde. Da ist es auch in der Arbeitnehmerschaft so: Wer in einem großen Unternehmen mit über 1 000 Beschäftigten arbeitet, der hat vielleicht die Chance, noch Mitglied im Tarifverbund zu sein und bekommt über 3 200 Euro. In überwiegend kleinen Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten liegt das durchschnittliche Bruttoeinkommen eines Arbeitnehmers bei etwa 2 150 Euro brutto.

Dieses Spannungsfeld entbindet uns nicht davon, uns eine Position dazu zu bilden, was uns das Bundesverfassungsgericht, die Expertenkommission auferlegt haben. Wir können uns weder nach oben noch nach unten in der Angemessenheit der Sicherung der Unabhängigkeit weiter entfernen. Deshalb braucht es nicht der Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CDU und der FDP)