Protokoll der Sitzung vom 07.03.2012

auf den Prüfstand – Rechnungshofgutachten nach § 88 Abs. 3 SäHO

Drucksache 5/7283, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der Fraktion DIE LINKE als Einreicherin das Wort. Herr Scheel, Sie haben jetzt Gelegenheit, den Antrag einzubringen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine von mir verehrten Damen! Meine Herren! Wir haben hier einen weiteren Teil der Debatte in einer vielleicht gefährdeten Spezies: der „Fachkraft“. Ich freue mich, dass Herr Cohausz den Weg zu uns gefunden hat. Sie haben meinen Respekt zumindest dafür, dass Sie sich dieser Debatte stellen.

Herr Johann-Adolf Cohausz ist im Oktober 2009 als neuer Sprecher der Staatsregierung vorgestellt worden. Damals konnte es so wirken, als ob mit dem Generalkonsul aus Dubai eine Art „Weiser aus dem Morgenland“ in den Freistaat Sachsen komme, vielleicht verbunden mit der Hoffnung, dass ein bisschen Glanz in die doch etwas dröge Tillich-Staatsregierung einziehen und das eine oder andere Element morgenländischen Esprits Einzug halten möge. Wir mussten relativ schnell feststellen, dass mit diesem Regierungssprecher dieser Anspruch leider nicht erfüllt werden kann.

Vielleicht liegt das daran – diesen Eindruck gewinnt man, wenn man etwas tiefer in die Vita von Herrn Cohausz geht –, dass es sich nicht um einen besonders eloquenten, aus der Fachlichkeit geborenen Personalvorschlag handelt, sondern dass eher die Methode „man kennt sich“ zur Einstellung geführt hat. Man kennt sich aus der Zeit Anfang der Neunzigerjahre. Herr Cohausz war von 1993 bis 1998 Mitglied des Vorstands der Europäischen Volkspartei. Wir wissen: Auf der Ebene der Europäischen Union haben die Parteien der Mitgliedsstaaten ihr Pendant. Wir können feststellen, dass auch unser Ministerprä

sident, Herr Tillich, von 1992 bis 1999 Mitglied des Vorstands ebendieser Europäischen Volkspartei war. Nach dem Motto: „Man kennt sich, man hat mehrere Abende miteinander verbracht“, kommt man schnell zu dem Schluss: „Alte Kumpels vergisst man nicht!“ Da will man natürlich gern schauen, ob man nicht weiterhelfen kann.

(Andreas Storr, NPD: Man hilft sich!)

Nun ist Herr Cohausz nicht gerade durch besonders starke Medienarbeit für den Freistaat Sachsen aufgefallen, sondern vor allen Dingen dadurch, dass er im letzten Jahr dem Bund der Steuerzahler durch eine Medienschulung aufgefallen ist. Das ist nachzulesen im Schwarzbuch – jährlich erscheinend –, dem Buch der Schande, wenn es um Steuergeldverschwendung geht. Sachsen hat es insoweit immerhin auf Platz zwei gebracht. Unter der Überschrift „Teure Annehmlichkeiten“ hat der Bund der Steuerzahler zu Protokoll gegeben, dass für 43 000 Euro brutto – 43 000 Euro brutto für acht Tage, soll heißen: für viereinhalb Tausend Euro pro Tag – eine Schulungsmaßnahme – anscheinend – notwendig war. Das gibt doch wohl zu denken. Es sollte uns zumindest zu denken geben, gerade in Zeiten, in denen wir von Haushaltsnotlagen, Haushaltsknappheit und Sparhaushalten reden, in denen Kürzungen – gerade im Personalbereich – gang und gäbe sind und in denen Zielzahlen ausgegeben werden, mit denen Druck auf das Personal ausgeübt wird.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Dirk Panter, SPD)

Nun kann ich nicht sagen, dass DIE LINKE etwas gegen lebenslanges Lernen hat. Natürlich ist es berechtigt, dass auch jemand im fortgeschrittenen Alter, mit 64 Jahren, in so einer verantwortungsvollen Position Weiterbildungsmaßnahmen in Anspruch nehmen kann. Das ist berechtigt und in Ordnung. Man kann sich aber sehr wohl über den

Maßstab unterhalten, darüber, was so etwas kosten darf. Wir finden, dass der Maßstab hier verzerrt ist.

Was den Maßstab angeht, könnten wir ein sehr erfolgreiches Programm der Staatsregierung zur Grundlage nehmen – Herr Morlok lässt sich immer gern dafür feiern –: den Weiterbildungsscheck. Das ist ein sehr gern genutztes Instrument. In den einschlägigen Bestimmungen heißt es, dass man für Weiterbildungsmaßnahmen Zuschüsse bekommt: 80 % bis zu einem Bruttoeinkommen von 2 500 Euro. Bis zu einem Bruttoeinkommen von 4 150 Euro gibt es noch einen Zuschuss von 50 %.

Nun darf ich mutmaßen, dass ein Staatssekretär in der Staatskanzlei des Freistaates Sachsen durchaus mehr als die genannten 4 150 Euro verdient.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Was?)

Ich darf sicherlich auch mutmaßen, dass der vom Bund der Steuerzahler eingeforderte Kostenbeitrag für diese Schulung durchaus nicht unangemessen wäre.

Insofern stehe ich hier und fordere von Ihnen, Herr Cohausz: Beteiligen Sie sich an dieser übermäßig teuren Schulungsmaßnahme! Ein Kostenbeitrag von Ihnen wäre anständig.

(Beifall bei den LINKEN – Johannes Lichdi, GRÜNE: In welcher Höhe? – Andreas Storr, NPD: Kann er doch von der Steuer absetzen!)

Der Grund, warum wir diesen Punkt auf die heutige Tagesordnung gesetzt haben, ist nicht die Frage, ob Ihnen der „Schleudersachse“ zukommt oder nicht. Der Grund ist vielmehr ein sehr aktueller Sachverhalt: Am 6. Februar wurde von der Staatskanzlei bei Youtube ein Video eingestellt. Wir „freuen“ uns sehr darüber. Für jeden, den es interessiert: Unter dialog.sachsen ist es anzusehen. Ich kann hier zitieren, was die „Bild“ darüber denkt. Sie vergab am 27. Februar unter dem Titel „Tillichs Musterknaben und seine Sorgenkinder“ an den Regierungssprecher die Note 5.

(Zurufe von den LINKEN: Oh!)

Versehen war das mit der Bemerkung: „Johann-Adolf Cohausz sorgt im Kabinett unfreiwillig für Lacher. Nach einer 36 000 Euro teuren Medienschulung stand er für ein eher peinliches Internetvideo vor der Kamera.“

Die Netzgemeinde – immerhin wurde dieses Video etwas über 5 000 Mal angeschaut – hat auch ein Urteil gefällt; es fällt ähnlich aus. Ich greife nur eines der vielen Zitate heraus: „Einfach nur peinlich dieser Auftritt! Manchmal ist keine Werbung die bessere Werbung!“

Meine Damen und Herren, man darf sich fragen, ob im Freistaat Sachsen das Kabinett zum Kabarett wird. Man darf sich fragen, ob es Ziel des Freistaates Sachsen ist, dass wir in aller Welt lächerlich dastehen. Man darf sich fragen, ob auf Personalien das missverstandene PeterPrinzip Anwendung findet. Für diejenigen, die nicht wissen, was das Peter-Prinzip ist: Es besagt, dass jeder in der öffentlichen Verwaltung, aber auch in Unternehmen

bis zur Stufe der eigenen Inkompetenz befördert wird. Vielleicht – das ist nur eine Hypothese – gilt das auch für Sie, Herr Cohausz. Vielleicht war Ihre Endplatzierung eigentlich in Dubai erreicht.

Wir haben Fragen aufgeschrieben und in einen Antrag gepackt. Wir bitten darum, dass der Landtag dem Rechnungshof den Auftrag für eine Tiefenprüfung gibt. Unsere Fragen beziehen sich natürlich auch auf die hier offenkundigen personellen Verquickungen. Ist hier ein Handschlag-Vertrag mit dem Ministerpräsidenten für die gesamte Legislatur zustande gekommen? Darf das wirklich Grundlage der Personalpolitik im Freistaat Sachsen sein?

Wir stellen auch die Frage, ob die Eignung dieses Regierungssprechers vorhanden ist, vor allen Dingen, ob die fachliche Eignung vorhanden ist.

Es darf auch die Frage aufgeworfen werden, ob es gerechtfertigt ist, dass ein Regierungssprecher, der zusätzlich das Reisebüro des Ministerpräsidenten verwaltet, als Staatssekretär firmieren darf. Auch diese Frage sollte im Sinne von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Mittelverwendung im Freistaat Sachsen geprüft werden.

Jetzt könnte ich ein Zitat aus diesem „wunderschönen“ Video bringen: „Wir wollen ins Schwarze treffen!“

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ja!)

Sie können natürlich weiterhin versuchen – wie Sie es auf diverse Kleine Anfragen versucht haben und wie Sie es wahrscheinlich auch heute wieder tun werden –, dieses Thema – ich sage: diesen Skandal – herunterzulangweilen. Ich darf Sie bitten: Nehmen Sie dieses Thema ernst! Es ist angesichts der Haushaltsfragen, die wir auch dieses Jahr wieder zu behandeln haben, kein gutes Zeichen für den Freistaat Sachsen und kein guter Zustand in diesem Hause, dass sich der Eindruck verfestigt, hier werde Personalpolitik im Rahmen persönlicher Freundschaftsdienste gemacht.

Ich kann nur mit der Aufforderung schließen: Schicken Sie diese Fehlinvestition zurück in die Wüste!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir fahren in der ersten Runde der allgemeinen Aussprache fort; Herr Michel für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Lassen Sie uns nun vom Vorlesen eines Lebenslaufes und von Hypothesen zur Drucksache zurückkommen und uns den Antrag etwas näher ansehen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Handwerklich ganz schlecht!)

Mit dem Antrag versucht die Antragstellerin, ein Ersuchen des Landtages gemäß § 88 Abs. 3 der Sächsischen Haus

haltsordnung zu erreichen. Danach erstattet der Sächsische Rechnungshof auf Ersuchen des Landtages, seines Haushalts- und Finanzausschusses oder der Staatsregierung Gutachten über Fragen, die für die Haushalts- und Wirtschaftsführung von Bedeutung sind. Ich hätte ja noch ein gewisses Verständnis, wenn Sie beabsichtigen würden, der oppositionellen Kontrollfunktion nachzukommen; denn die Staatsregierung wird in dem Fall sicherlich von selbst kein Gutachten beauftragen. Was Sie wollen, ist keine Kontrolle, sondern politischer Klamauk.

(Beifall bei der CDU)

Warum haben Sie den Antrag nicht im Haushalts- und Finanzausschuss behandelt? Der Antrag stammt vom 20. Oktober 2011. Der Verweis auf das Video ist nur eine Krücke.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Passt aber!)

Zumindest hätten Sie bei einer Behandlung im Haushalts- und Finanzausschuss erfahren, wer dienstältester Staatssekretär ist. Soll das für Sie etwa der Rechnungshof klären? Dienstältester Staatssekretär ist nicht Herr Cohausz, sondern Frau Staatssekretärin Fischer. Dann folgt Staatssekretär Staupe.

Wir hätten im Haushalts- und Finanzausschuss aufklären können, ob ein Handschlag bei der Ernennung des Regierungssprechers erfolgte und welche Bedeutung das hat. Da die Funktion des Regierungssprechers eine Vertrauensposition darstellt, könnte ich mir sogar vorstellen, dass ein Handschlag mit im Spiel war, nämlich nach Überreichung der Ernennungsurkunde. Ich weiß es aber nicht und es ist völlig unerheblich, ob sich zwei Männer die Hand geben. Beamtenrechtlich zählt nur die Überreichung der Ernennungsurkunde. Dafür gibt es ein Verfahren, das wissen Sie auch, denn das ist nichts Geheimes, wie es der Antrag suggeriert. Staatssekretär wird man nämlich nur mit Überreichung der vom Ministerpräsidenten unterzeichneten Ernennungsurkunde.

Ebenso ist nicht geheim, sondern im Einzelplan 02 des Haushaltsplanes ersichtlich, dass in der Staatskanzlei ein mit B 9 eingruppierter Staatssekretär Bezüge erhält. Und, meine Damen und Herren, für Herrn Staatssekretär Cohausz gelten die Spielregeln für politische Beamte gemäß § 59 Sächsisches Beamtengesetz. Auch das wissen Sie.

Stufen Sie nun all diese öffentlich bekannten Sachverhalte in eine Wertigkeit, welche ein Gutachten des Rechnungshofes nach sich ziehen? Da habe ich meine Zweifel. Im Übrigen steht es dem Sächsischen Rechnungshof frei, seine Prüfgegenstände selbst auszuwählen.

Am schlimmsten aber finde ich den Antrag, der Sächsische Rechnungshof soll mal begutachten, warum der derzeitige Regierungssprecher der derzeitige Regierungssprecher ist bzw. auf wessen Veranlassung oder Vorschlag er es ist. Mehr geschützter Kernbereich der Exekutive geht gar nicht. Hier soll der Rechnungshof als Motivforscher missbraucht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das machen wir nicht mit. Wir lehnen den Antrag ab und ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Brangs. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon interessant und ich habe genau zugehört, wie man bei solch einem Antrag argumentieren kann, dass er überflüssig sei. Nachdem Kollege Michel diese Aufgabe übernommen hat, ist mir sofort eingefallen, dass man auch als Mehrheitsfraktion nicht glauben sollte, dass es ein Fehler ist, eine gewisse kritische Distanz zu Dingen aufzubauen, die in der Öffentlichkeit nicht verstanden und als Steuerverschwendung angesehen werden. Das ist nicht immer eine Schwäche, sondern trägt eher dazu bei, dass man ein demokratisches Grundverständnis, auch hier im Sächsischen Landtag, pflegt.