Protokoll der Sitzung vom 03.04.2012

(Zurufe von den LINKEN)

Entschuldigung. Wenn Sie einen Mindestlohn von 15 Euro einführen, dann vernichten Sie Arbeitsplätze, und das ist etwas, was niemand fordert. Insofern ist das unrealistisch.

Lassen Sie mich zum Ende kommen. Wir sind in einer lebhaften Debatte nicht nur hier im Landtag – das ist positiv –, sondern gerade auch mit der Bundesebene, auch mit denen, die am Regierungsdialog Rente beteiligt sind: den Sozialpartnern, den Arbeitgebern, den Arbeitnehmern, der Rentenversicherung. Aber mir ist sehr wichtig, dass auch unser Ministerium, dass Frau Staatsministerin Clauß sich aktiv in die Diskussion einbringt. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg, uns an Lösungen heranzuarbeiten, Lösungen vorzulegen und diese Lösungen dann auch umzusetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Das war Herr Krauß für die CDU-Fraktion. – Gibt es weiteren Redebedarf? – Meine Damen und Herren! Es gibt den Wunsch nach einer dritten Runde. Für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Dr. Pellmann. Sie haben das Wort, Herr Pellmann.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. Nachdem meine verehrte Kollegin Gläß es angekündigt hat, möchte ich Sie auch nicht enttäuschen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zusammenfassend zu der Debatte, die ich, bis auf einige Aussetzer, durchaus für sehr konstruktiv hielt – dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken –, Folgendes sagen:

Wir sind eigentlich alle, wie gesagt mit den Ausnahmen, auf die ich jetzt nicht eingehen will, in einer gemeinsamen Verpflichtung, ob als Oppositionspartei oder als jeweilige Regierung – die jeweilige Zuordnung kann sich auch mal ändern –, und es steht das schlimme Gespenst Altersarmut, besonders für Frauen, vor uns. Wir müssen eine Lösung finden. Ich weiß, dass das, was ich Ihnen jetzt noch einmal deutlich machen werde, zunächst noch nicht allen Zustimmung abverlangen kann. Aber ich habe die Hoffnung, dass man früher oder später davon ausgehen kann, dass das doch möglich ist.

Insofern bin ich – erstens – schon der Auffassung, dass wir von unserer Staatsregierung erwarten müssen, dass sie nicht nur nach Berlin schaut und das kommentiert, was dort falsch oder nicht ausreichend ist, sondern dass sie auch mit eigenen Initiativen kommt.

(Staatsministerin Christine Clauß: Machen wir!)

Frau Clauß, ich werde Sie dann noch hören. –

Zum Zweiten – ich wiederhole ganz bewusst – ist gleicher Lohn für gleiche Arbeit angesagt.

(Beifall bei den LINKEN)

Wenn das nicht funktioniert – das ist eine Landessache, hier könnten wir gesetzliche Regelungen treffen –, dann bekommen eben die, die sich nicht daran halten, keine öffentlichen Aufträge. Das kann man mit einem ordentlichen Vergabegesetz, wozu es im Augenblick Vorbereitungen gibt, regeln.

Das Dritte. Ja, wir brauchen in der Tat einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Auch diesbezüglich kann ein Vergabegesetz manches regeln. Wenn es auf der Bundesebene noch nicht gelingt, wer verbietet es denn dem Freistaat Sachsen, zumindest danach zu handeln? – Da soll mir keiner kommen und sagen, das sei nicht möglich. Herr Krauß, ich bin Ihnen dankbar. Sie haben noch einmal gesagt, dass sich unter zehn Euro nichts abspielt. Ja, 9,17 Euro muss man mindestens verdienen, um über die Armutsgrenze zu kommen.

Viertens. Ja – ich sage das radikaler als Sie –, die Minijobs gehören abgeschafft, zumindest – hier schränke ich etwas ein – für Menschen, die im arbeitsfähigen Alter sind. Wenn ein Rentner unbedingt noch etwas hinzuverdienen will, dann kann man, obwohl ich das auch gelegentlich für problematisch halte, darüber reden. Aber man kann nicht jemanden fast zeitlebens von Minijob zu Minijob jagen. Denn Minijobs führen zu Lohndumping und letztlich zu Armutsrenten, wenn überhaupt Renten möglich sind.

Fünftens. Hier wiederhole ich bewusst, auch das hat etwas mit drohender Altersarmut, und zwar für Frauen, zu tun: Wir brauchen endlich die deutsche Renteneinheit. Das steht im Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Bundeskoalition. Es ist nichts erkennbar. Die Staatsregierung hat mir kürzlich bestätigt, dass sie selbst nicht erwartet, dass da etwas passiert. Ich meine die Angleichung der Rentenwerte Ost an West. Das gehört auch zu der heutigen Debatte.

Sechstens. Ja, wir brauchen eine Mindestrente, ganz gleich, wie Sie diese definieren. Ich weiß, dass dieses Thema auch in meiner eigenen Partei sehr strittig ist. Aber unter Mindestrente verstehe ich eine Leistungsbezogenheit. Das heißt, wer in die Rentenkassen eingezahlt hat, muss selbstverständlich mehr bekommen als jemand, der nicht einzahlen konnte oder nicht eingezahlt hat. Das steht für mich außer Zweifel. Eine Rente, allein nur weil ich Mensch bin, das reicht nicht. Aber es muss eine Mindestrente, die weit über dem gegenwärtigen Grundsicherungsniveau liegt, auch für jene da sein.

Siebentens. Das deute ich nur an, wir haben an anderer Stelle Gelegenheit, darüber zu sprechen. Weil Herr Krauß immer fragt, wo das Geld herkommt: Herr Krauß, ein gerechtes Steuersystem würde manches lösen.

(Alexander Krauß, CDU: Aber nicht die Wünsche, die Sie haben, Herr Pellmann!)

Ein gerechtes Steuersystem würde auch dazu führen, dass genügend Geld da wäre. Dass die FDP Probleme damit hat, weiß ich, weil es ihre Klientel betrifft. Aber Sie sollten mit uns der Auffassung sein – Sie haben auch einen Arbeitnehmerflügel in Ihrer Partei, Herr Krauß –, dass sich hier etwas radikal ändern muss. Denn ein gerechtes Steuersystem ist unter anderem auch der beste Weg, –

Bitte zum Schluss kommen.

– um Altersarmut, insbesondere bei Frauen, entgegenzuwirken.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Frau Staatsministerin Clauß, selbstverständlich haben Sie das Wort. – Meine Damen und Herren, ich darf Sie um Gehör bitten.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich habe in Vorbereitung auf die heutige Debatte noch einmal in das Protokoll der Sitzung vom Dezember 2011 geschaut. Ich habe es durchgelesen und mir die Frage gestellt, worum es Ihnen wirklich geht. Man weiß das leider immer nicht genau.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Pellmann ist eine ehrliche Haut!)

Aber das haben wir in dem Beitrag zur Debatte noch einmal gehört. Es beginnt schon damit, dass man, wenn man Ihre Beiträge hört, nicht genau weiß, ob die Altersarmut nun schon ausgebrochen ist oder ob Sie von einer zukünftigen Altersarmut sprechen.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Sowohl als auch!)

Ja, genau das habe ich jetzt gehört.

Aber – das muss auch gesagt werden – Sie, wir, ich kennen die Fakten bei der Rente. Ich nenne nur das Stichwort „Höherwertung“, ich nenne das Stichwort „demografische Entwicklung“ usw. Zu diesen Fakten gehört neben einer derzeit guten Finanzlage auch – das haben wir selbst gutachterlich erhoben –, dass für kommende Rentengenerationen größere Anstrengungen

unternommen werden müssen, um im Alter finanziell gerüstet zu sein. Einen Teil dieser Anstrengungen muss der Einzelne aber auch selbst leisten.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Wenn er kann!)

Ich komme darauf noch zurück.

Heute nun legen Sie den Fokus auf die von Armut bedrohten Frauen. Anlass war sicherlich die Kleine Anfrage von einigen Frauen der Linksfraktion an die Bundesregierung, worin letzten Endes auch zu lesen war, wie viel Rente ein Minijobber nach 45 Versicherungsjahren erhält. Der Rentenanspruch von 3,11 Euro pro Versicherungsjahr, also hoch gerechnet auf 140 Euro nach 45 Versicherungsjahren, ist in der Tat sehr gering. Das überrascht nicht, das war auch nicht anders zu erwarten.

Wir haben ja in Deutschland eine beitragsbezogene Rente. Sie richtet sich in erster Linie nach den in den jeweiligen Versicherungsjahren gezahlten Beiträgen. Aber Minijob ist kein Lebensmodell, soll auch keines sein. Wir wissen sehr wohl, dass die Lebenswirklichkeit manchmal anders aussieht. Schauen wir uns das aber noch einmal genau an. Zur künftigen Entwicklung der Alterseinkommen gibt es mehrere Studien. Diese kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass das Alterseinkommen in den neuen Bundesländern sinken wird, aber von diesem Rückgang werden Männer wesentlich stärker betroffen sein als Frauen. Das heißt übersetzt: Risiko der Frauen bleibt, Risiko der Männer steigt.

Auch das von mir in Auftrag gegebene Gutachten Alter – Rente – Grundsicherung der Uni Freiburg geht von einem deutlichen Anstieg der Bezieher von Grundsicherung im Alter bis zum Jahr 2030 aus, nämlich um einen Anstieg von 17 %. Diese beiden Fakten zeigen: Wir brauchen Maßnahmen, die Männer und Frauen gleichermaßen im Blick haben. Die Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen, dass hier weder die Bundesregierung noch die Sächsische Staatsregierung untätig geblieben ist. Sie wissen: Die Bundesregierung hat einen Rentendialog ins Leben gerufen, sie hat den Kampf gegen Altersarmut in ihren Koalitionsvertrag mit aufgenommen. An diesem Dialog habe ich mich als Sächsische Sozialministerin und auch als letztjährige Vorsitzende der Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder aktiv beteiligt. Die nun vorgelegten Vorschläge der Bundesregierung für eine Rentenreform begrüße ich sehr wohl ausdrücklich. Das gilt auch für die von vielen gescholtene Zuschussrente.

Ich habe immer gesagt, dass diejenigen, die ein Leben lang gearbeitet haben, im Alter eine Rente beziehen müssen, die deutlich über dem Grundsicherungsniveau liegt, und ich verweise diesbezüglich auch noch einmal auf die Debatte in diesem Hause vor vier Monaten. Das gilt insbesondere für unsere Rentner im Osten. Bei ihnen ist die gesetzliche Rente meist die Haupteinnahmequelle. Für die künftigen Rentner wird jedoch die gesetzliche Rente allein den Lebensstandard nicht mehr sichern können. So halte ich es für zwingend notwendig, die gesetzliche Rente durch weitere Säulen der Alterssicherung, insbesondere durch die Riesterrente, zu ergänzen. Daher freue ich mich, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unsere Kritik aufgegriffen hat und die

Riesterrente nicht mehr mit der Zuschussrente verrechnen will.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP)

Die fünfjährige zusätzliche private Vorsorge soll erst ab 2019 die Voraussetzung für den Bezug einer Zuschussrente sein. Auch das halte ich für angemessen.

Jeder Beschäftigte, auch der mit geringem Einkommen, kann eine Riesterrente abschließen. Ich sage es noch einmal: 5 Euro im Monat reichen. Ich fordere deutlich dazu auf, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, und zwar jeder nach seinen Möglichkeiten.

Kritisch sehe ich aus sächsischer Sicht die 30 bzw. 35 Pflichtversicherungsjahre als Voraussetzung für den Bezug einer Zuschussrente. Ich werde mich im laufenden Gesetzgebungsverfahren dafür einsetzen, dass zu diesen Versicherungsjahren auch die Zeit einer Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug bis Ende 2010 gehört. Denn bis zu

diesem Zeitpunkt wurden für Arbeitslose auch Versicherungsbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet. Damit würden deutlich mehr sächsische Bürgerinnen und Bürger, die nach 1990 arbeitslos geworden sind, einen Anspruch auf die Zuschussrente erwerben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Alles in allem halte ich das Rentenpaket der Bundesregierung für geeignet, für die zukünftigen Rentner finanzielle Verbesserungen zu bewirken. Ich werde es deshalb unterstützen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die 2. Aktuelle Debatte ist abgeschlossen und damit dieser Tagesordnungspunkt beendet.