Protokoll der Sitzung vom 03.04.2012

Bibliotheken dürfen zukünftig nicht mehr als antiquierte Sammelorte von Buchrücken mit lediglich ein paar Sondermedien verstanden werden. Sie müssen vielmehr öffentliche Einrichtungen sein, die neben dem Anreiz zum herkömmlichen Lesen die kommerzfreie Informationsbeschaffung im Internet ermöglichen.

Bibliotheken sollen und müssen die Funktion von kostenfreien Internet-Cafés wahrnehmen und damit sowohl soziale als auch Bildungsaufgaben übernehmen. Dafür müssen sie aber finanziell angemessen ausgestattet sein.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist aus unserer Sicht ein Schritt in die richtige Richtung und damit etwas, was man von den parlamentarischen Initiativen der GRÜNEN nur selten behaupten kann. Man sollte ihn um zusätzliche digitale und mobile Bibliotheken ergänzen, die nach einem speziellen Fernleihsystem nicht nur einen festen Medienbestand anbieten, sondern auch auf Nutzerwünsche individueller eingehen können.

Ferner sollte sichergestellt sein, dass auch die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter von Bibliotheken kostenlose Weiterbildungsmaßnahmen in Anspruch nehmen können, denn in Sachsen werden von etwa 480 Bibliotheken 320 ehrenamtlich geführt. Damit auch kleinere Gemeinden, die ihre Büchereien in einem Altbau untergebracht haben, die im Gesetzentwurf vorgesehenen Fördergelder abrufen können, sollte in Einzelfällen von der gesetzlich vorgeschriebenen Barrierefreiheit der Gebäude abgesehen werden, denn Barrierefreiheit darf ja nicht zu Modernisierungsrückständen oder gar in letzter Konsequenz zu Bibliotheksschließungen führen.

Beim vorliegenden Entwurf handelt es sich nicht etwa, wie wir schon von Frau Fiedler gehört haben, um ein Pflichtgesetz, sondern um ein Anreizgesetz. Das hat die Anhörung eindeutig ergeben. Daher sind die vorgebrachten Einwände des Vertreters des Sächsischen Städte- und Gemeindetages auch als eher gegenstandslos zu betrachten.

Sorgen wir dafür, dass die städtischen Büchereien und Bibliotheken auch zukünftig wieder das sind, was die Volksbibliotheken bis weit in das 20. Jahrhundert hinein waren: geschätzte und gut besuchte Orte nicht kommerzieller Informationsbeschaffung, Orte der Begegnung, des Gespräches und der Wissensvermittlung. Die NPDFraktion wird deswegen dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen weiteren Redebedarf? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird. – Frau Staatsministerin Prof. von Schorlemer, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es ist bei meinen Vorrednern schon angeklungen, dass wir uns bisweilen viel zu wenig klarmachen, welchen gewichtigen Stellenwert die Bibliotheken gerade im Bereich der kulturellen Bildung für unser Gemeinwesen haben.

Bereits im Vorschulalter unserer Kinder sind es die Bibliotheken, die diese wichtige Lesekompetenz stimulieren, die sie auch durch die vielfältigen Medienangebote zur Mediennutzung heranführen. Schließlich ist auch der soziale Aspekt hervorzuheben: die Begegnung mit anderen Menschen, das gemeinsame Lernen, der Austausch über die Inhalte der Bücher und auch anderer Informationsmedien. All das macht unsere Bibliotheken zu sozialen Lernorten, und im Zusammenwirken mit Schulen, Bildungseinrichtungen und Elternhäusern sind Bibliotheken unverzichtbar.

Im Koalitionsvertrag über die Bildung der Staatsregierung aus dem Jahr 2009 ist deswegen vereinbart, dass sich diese Regierung für den Erhalt des Systems von Bibliotheken von Land und Kommunen einsetzt mit dem Ziel, auf diese Weise die flächendeckende Nutzung von Literatur und Medien zu ermöglichen.

Das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst verfolgt in diesem Zusammenhang unter anderem das Ziel einer fortdauernden Modernisierung der Bestände sächsischer Bibliotheken, deren Kooperation untereinander und die Vernetzung – Kollege Tippelt hat das bereits ausgeführt.

In ihrem Schlussbericht „Kultur in Deutschland“ legt die gleichnamige Enquete-Kommission 2007 Handlungsempfehlungen vor, unter anderem, eigene Bibliotheksgesetze zu schaffen und Bibliotheksentwicklungspläne zu erstellen. In diesem Kontext ist auch der vorliegende Gesetzentwurf zu sehen.

Die Sächsische Staatsregierung plant allerdings gegenwärtig kein eigenes Bibliotheksgesetz, sondern sie vertraut weiter auf die Leistungskraft des Kulturraumgesetzes und auf die dessen Mechanismen innewohnende Spartengerechtigkeit.

Aus meiner Sicht sprechen mehrere Gründe gegen den nunmehr vorliegenden Entwurf eines Bibliotheksgesetzes. Bereits in der Expertenanhörung am 5. Dezember 2011 im Landtag wurde aus berufenem Mund von Prof. Dr. Arend Flemming festgestellt, dass die öffentlichen Bibliotheken in kommunaler Trägerschaft in Sachsen gut aufgestellt sind. Wörtlich sagte er: „Die Lage der Bibliotheken in Sachsen würde ich als gut einschätzen.“

In der Tat verfügt Sachsen nach den Angaben des Statistischen Landesamtes insgesamt über mehr als

500 öffentliche Bibliotheken mit knapp 8,4 Millionen Print- und elektronischen Medien, darunter 6,5 Millionen Bücher.

Der Freistaat Sachsen hat – wie sonst nur ein anderes Bundesland, der Freistaat Thüringen – ein Netz von hauptamtlich geleiteten Bibliotheken, in denen alle Gemeinden mit über 10 000 Einwohnern vertreten sind. Hauptamtlich geleitete Bibliotheken gibt es darüber hinaus in zahlreichen Gemeinden mit 5 000 bis 10 000 Einwohnern. Und es gibt Leuchttürme. Gerade im Bibliothekswesen Sachsen, in den BIX-Rankinglisten der öffentlichen Großstadtbibliotheken der letzten drei Jahre war immer eine sächsische Bibliothek unter den ersten fünf vertreten.

Beides zeigt: Öffentliche Bibliotheken sind nicht nur in der Breite gut aufgestellt in Sachsen, sondern auch in der Spitze.

Die kommunalen Träger sind sich ihrer Verantwortung bewusst, und der zweifelsohne vorhandene Konsolidierungsdruck im kommunalen Bereich hat nicht dazu geführt, dass Bibliotheken kaputtgespart werden. Sie sind lebendige Anlaufpunkte für alle Schichten der Bevölkerung und hier gibt es ein Stück verantwortungsvoll gelebter kommunaler Freiheit. Weil dies so ist, fehlt aus unserer Sicht die Notwendigkeit für ein Bibliotheksgesetz, gleichsam ein Spartengesetz, mit dem der Staat den Kommunen Vorgaben macht.

Der Freistaat ist mit dem Sächsischen Kulturraumgesetz einen anderen Weg gegangen. Hierzulande bildet das Kulturraumgesetz den gesetzlichen Rahmen für die Kulturpflege, auch für Bibliotheken auf kommunaler Ebene. Die Sparte der öffentlichen kommunalen Bibliotheken müsste zugunsten eines Bibliotheksgesetzes aus dem Kulturraumgesetz herausgelöst werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich weitere Anliegen kurz skizzieren. Wenn wir sagen, dass wir den demografischen Wandel, insbesondere im ländlichen Raum, also in dünn besiedelten Räumen, kulturell begleiten wollen, dann bedeutet dies zum Beispiel auch, mobile Angebote von Fahrbibliotheken zu unterstützen. Notwendiger Umbau und auch eine Erweiterung des Serviceangebotes erfordern ein vertieftes, ein partnerschaftliches Zusammenwirken aller sächsischen Bibliotheken. Die SLUB, die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden – hat im Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken gezeigt, wie durch gemeinsame Zielvereinbarungen und konsequente Zusammenarbeit hervorragende Fortschritte erzielt

werden können.

Speziell beim notwendigen Ausbau der digitalen Informationsdienste kann die SLUB auch für die öffentlichen Bibliotheken in Sachsen ein wichtiges Koordinierungs- und Servicezentrum sein.

(Beifall bei der CDU)

Dieser kooperative und klar strukturierte Ansatz ist meines Erachtens einem weiteren Gesetz vorzuziehen.

Mit dem Projekt „Fit für die Zukunft“ hat die Sächsische Landesfachstelle für Bibliotheken in den Jahren 2009 und 2010 für 14 exemplarische kommunale Bibliotheken individuelle Bibliothekskonzepte erstellt. Dies wiederum könnte der Ausgangspunkt für die Entwicklung einer landesweit gültigen Konzeption öffentlicher Bibliotheken im Freistaat Sachsen sein.

Ich bin der Überzeugung, dass die hier geleistete Bibliotheksarbeit in den Kulturräumen ein Beispiel guter Praxis für Kulturentwicklungskonzeption ist

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Günther Schneider, CDU)

und dass sie die Bedeutung kultureller Netzwerke hervorhebt.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: Das Bibliothekswesen in Sachsen ist gut aufgestellt und ausgerichtet. Das Angebot öffentlicher Bibliotheken in Sachsen ist vielfältig und es ist Ausdruck des Vertrauens in die kommunalen Aufgabenträger, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind und dafür Sorge tragen, dass das Bibliotheksangebot das kulturelle Leben in Sachsen vielfältig bereichert.

Die Staatsregierung hält dieses Bibliotheksgesetz nicht für erforderlich.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Meine Damen und Herren, da der Ausschuss die Ablehnung des Gesetzentwurfes empfohlen hat, ist die Grundlage für die Abstimmung der Gesetzentwurf selbst. Entsprechend § 46 Abs. 5 Satz 1 der Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über den Gesetzentwurf artikelweise zu beraten und abzustimmen. – Ich kann keinen Widerspruch feststellen, deshalb verfahren wir so.

Aufgerufen ist das Gesetz zur Förderung der Bibliotheken als Bildungs- und Kultureinrichtungen im Freistaat Sachsen (Sächsisches Bibliotheksgesetz) , Drucksa

che 5/6104, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Wir stimmen ab über den genannten Gesetzentwurf; Änderungsanträge liegen keine vor.

Ich lasse nun abstimmen über die Überschrift und bitte um die Dafür-Stimmen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmen dafür ist der Überschrift dennoch nicht zugestimmt worden.

Wir kommen zu Artikel 1, Gesetz zur Förderung der Bibliotheken als Bildungs- und Kultureinrichtungen im Freistaat Sachsen. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Auch hier ist dem Artikel 1 bei zahlrei

chen Stimmen dafür mehrheitlich nicht zugestimmt worden.

Ich rufe auf Artikel 2, Änderung des Pressegesetzes des Freistaates Sachsen. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. – Vielen Dank. Stimmen dagegen? – Danke. Gibt es Stimmenthaltungen? – Stimmenthaltungen kann ich nicht feststellen. Bei Stimmen dafür ist dem Artikel 2 mehrheitlich nicht zugestimmt worden.

Ich rufe Artikel 3 auf, Änderung des Schulgesetzes des Freistaates Sachsen. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Dem Artikel 3 ist bei zahlreichen Stimmen dafür ebenfalls nicht zugestimmt worden.

Ich komme zu Artikel 4, Inkrafttreten. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Dem Artikel 4 ist bei zahlreichen Stimmen dafür dennoch nicht zugestimmt worden.

Meine Damen und Herren, da die Einzelteile des Gesetzentwurfes nicht die erforderliche Mehrheit gefunden haben, erübrigt sich eine Schlussabstimmung. Die 2. Lesung ist damit abgeschlossen und dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 5

2. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Änderung des Sächsischen Fischereigesetzes

Drucksache 5/6901, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 5/8706, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt und Landwirtschaft

Meine Damen und Herren, zur Aussprache wird Ihnen das Wort erteilt in folgender Reihenfolge: CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht. Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion der CDU Herr Abg. Hippold; bitte, Sie haben das Wort.