Es beginnt die einbringende Fraktion. Danach folgen CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht. Ich erteile dem Abg. Herrn Pellmann das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Debatte ist von hoher Aktualität. Nach den vielen Veröffentlichungen und Studien in den letzten Tagen und Wochen muss ich dies nicht ausführlich begründen.
Ich sage schon einmal einleitend: Wenn hier ein Mann steht und versucht, die Dinge darzustellen, wenn es um Frauenarmut geht, um Altersarmut, die Frauen droht, dann hat das für meine Fraktion ein tiefe Symbolik; denn eines dürfte klar sein: Wir werden das Problem nur dann lösen, wenn Männer und Frauen zusammenstehen. Wir dürfen
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir dürfen mit unseren Vorstellungen und Aktionen nicht warten, bis es zu spät ist!
Ich habe von diesem Pult aus sehr frühzeitig über Ärztemangel gesprochen. Damals wurde ich verlacht. Heute ist es völlig klar, dass wir alle gemeinsam darum ringen müssen, dieses Problem zu überwinden.
Ich habe sehr frühzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass Altersarmut bereits vorhanden sei und weiter drohe. Das wurde lange Zeit insbesondere von der CDU und von der Staatsregierung nicht zur Kenntnis genommen. Inzwischen – das erkenne ich an – ist wahrscheinlich kaum jemand in diesem Saal zu finden, der ernsthaft bestreitet,
Genau deshalb sage ich – deswegen der Titel dieser Aktuellen Debatte –: Ich habe heute früh sehr wohl zur Kenntnis genommen – möglicherweise früher als andere, weil ich die „Leipziger Volkszeitung“ lesen kann –, dass Frau Staatsministerin Clauß in ihrem Pressebeitrag durchaus kritische Töne gegenüber dem angeschlagen hat, was Frau von der Leyen gegenwärtig mit der sogenannten Ergänzungsrente zu bewegen versucht. Das erkenne ich an; aber Lob, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist erst dann möglich, wenn diesen ersten Worten auch entsprechende Taten der Staatsregierung folgen.
Weshalb, frage ich, sind Frauen besonders betroffen? Schon heute haben sie auch in Sachsen eine niedrigere Rente als Männer, nämlich rund 300 Euro. Ich will einmal mit der Mär aufräumen, dass etwa die Grundsicherung Armut beseitigen würde. Nein, ich nenne hier die Zahl: Wer in Deutschland als Einzelperson als arm gilt, hat weniger als 940 Euro – und nicht irgendwelche Zahlen, die da um 600 Euro gelegentlich herumgeistern.
Der höhere Anteil von Frauen in Teilzeitarbeit bei Minijobs und generell im Niedriglohnsektor ist gerade ein Fingerzeig dafür, dass besonders Frauen von künftiger Altersarmut betroffen sein werden. Mehr unterbrochene Erwerbsbiografien treffen in erster Linie Frauen. Hier ist besonders der Niedriglohn zu nennen, weil Frauen nach wie vor nicht von dem eigentlich gesetzlichen Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ profitieren können. Nur eine Zahl: Ostdeutsche oder sächsische Frauen haben für die gleiche Arbeit nicht einmal ein Drittel von dem westdeutscher Männer. Das muss gründlich geändert werden. Das heißt, Altersarmut wird immer mehr weiblich. Erste Tendenzen und Tatsachen lassen das bereits zu.
Minijobs beispielsweise bringen nur einen Rentenanspruch, wenn dieser Minijob ein Jahr besteht, von 3,11 Euro. Wenn sie diesen 45 Jahre haben sollten – niemand wünscht sich das –, dann wäre das nur ein Rentenanspruch von 140 Euro. Die Ergänzungsrente – hier bin ich wieder bei Frau Clauß –, wie sie gegenwärtig von Frau von der Leyen angedeutet und beraten wird, reicht nicht aus. Sie ergänzt nicht, sondern sie grenzt viele ostdeutsche und sächsische Frauen für die Rente aufgrund der bisherigen Erwerbsbiografien aus. Hier gilt es, gründlich nachzubessern. Ich werde dann im Verlauf der Debatte noch einmal unsere Vorschläge deutlich machen.
Sie haben dieses Thema ja deshalb in eine Aktuelle Debatte gegeben, weil es Sie offensichtlich wundert, dass das Thema auf einmal aufgenommen wurde, sonst hätten Sie es ja im regulären Geschäftsbetrieb behandelt.
Herr Kollege Pellmann, ich bin dankbar, dass die Staatsregierung sich mit diesem Thema wesentlich intensiver beschäftigt. Sie haben ja selbst gesagt, dass die Frau Staatsministerin in dem Bereich schon aktiv ist und sich auf Bundesebene dankenswerterweise mit in die Diskussion zum Rentendialog einbringt, um auch über das Thema Zuschussrente zu reden. Es gibt aber dort auch noch andere Bereiche, in denen man relativ schnell einer Meinung sein kann, wenn es zum Beispiel um die Erwerbsminderungsrente geht.
Fakt ist aber auch, Herr Kollege Pellmann – da sind wir einer Meinung –, dass sich die Frage der Altersarmut mehr und mehr stellt und ganz aktuell, weil wir 2 % Grundsicherungsempfänger haben, also jeder 50. Rentner ist auf Grundsicherung, also Hartz IV, im Alter angewiesen. Wir wissen, dass diese Zahlen in Kürze deutlich steigen werden. Dazu muss man einmal auf die Gründe eingehen.
Also, Herr Krauß, Sie sprachen von der Altersgrundsicherung. Stimmen Sie mir denn zu, dass die Altersgrundsicherung Armut nicht beseitigt, sondern dass die Beträge der Altersgrundsicherung – Miete und alles, was dazugehört – gegenwärtig bei etwa 650 Euro in Ostdeutschland liegen, dass aber für einen Einpersonenhaushalt die Armutsgrenze bei 940 Euro laut Angaben des Bundesamtes für Statistik liegt? Hier gibt es eine Differenz. Sehen Sie die nicht wenigstens auch?
Das ist keine Frage, sie ist definiert, und zwar unterschiedlich. Das ist auch legitim. Die Definition, die Sie verwenden, ist auch in Ordnung. Wir müssen aber auch einmal sehen, dass Hartz IV oder auch Grundsicherung im Alter, was ja auf der gleichen Ebene liegt, genau dafür eingeführt wurde, damit Armut verhindert wird.
Jetzt schauen wir uns doch bitte einmal an, wie man zu diesen Sätzen kommt, denn ich glaube, dass das nicht gesehen wird. Da gibt es eine Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Dafür werden 60 000 Haushalte in Deutschland angeschaut, um festzustellen, wie viel der normale Arbeitnehmer, der jeden Tag arbeiten geht, für Wohnung, Lebensmittel und für seine Zahnbürste ausgibt. Dann sieht man sich die unteren 20 % an und sagt, was diese, die jeden Tag zur Arbeit gehen und acht Stunden arbeiten, erhalten, bekommt auf der anderen Seite jemand, der bei uns langzeitarbeitslos oder der auf Grundsicherung im Alter angewiesen ist. Das halte ich für sehr legitim. Wie wollen Sie es denn jemandem erklären, dass er mit seinen Sozialbeiträgen einen höheren Lebensstandard von jemandem finanziert, der nicht in Arbeit ist? Schon jetzt müssen sich die 20 % hier einmal fragen, warum sie für dasselbe Geld arbeiten wie jemand anderes, der das auch bekommt, obwohl er den ganzen Tag nicht arbeitet. Da stellt sich dann irgendwo die Gerechtigkeitsfrage.
Ich sage nur, mir geht es nicht um die Frage der Armutsdefinition, diese können wir bei einem anderen Punkt diskutieren, denn dafür reichen fünf Minuten nicht aus.
Zurück. Warum sinkt das Rentenniveau? Wir müssen uns darüber klar werden, dass die Leute immer älter werden. 1960 hat man zehn Jahre Rente bezogen, heute sind es im Durchschnitt 17 Jahre. Dann schauen wir uns auf der Gegenseite an, wer die Rente finanziert. Das sind die Kinder logischerweise, die jetzt arbeiten. Wir haben eine Geburtenrate von 1,4 Kindern je Mann und je Frau, und das reicht nicht aus. Wenn ich also wenig Beitragszahler habe, kann das Rentenniveau nicht gleich bleiben.
Sie haben im Dezember, Herr Pellmann, eine Rechnung aufgemacht. Sie hatten damals einen kleinen Rentenpunkt, über den geredet werden sollte. Das hatte dann den Finanzumfang des gesamten Bundeshaushaltes. Das Problem ist,
Aber, wie gesagt, Herr Pellmann, wir sind uns darüber einig, dass es ein Problem gibt und es immer schwieriger wird für die Menschen und dass es immer mehr Menschen gibt, die in den Grundsicherungsbereich hineingeraten, was nicht sinnvoll ist. Was sind die Antworten, die wir hier schon diskutiert haben? Ich glaube, die Rente nach Mindesteinkommen ist ein positiver Vorschlag – Sie waren damals auch schon dabei, als Helma Orosz hier Ministerin war und das mit vertreten hat –, dass man die Beitragssätze von Geringverdienern aufwertet, sodass diese mindestens auf 75 % der Durchschnittsrente kommen. Es ist sinnvoll, am Grundprinzip festzuhalten, dass nämlich die Beitragsäquivalenz gewahrt wird: Wer viel arbeitet, bekommt auch eine höhere Rente als jemand, der nicht gearbeitet hat.
Ein Zweites, über das man einmal diskutieren muss – das machen die Frauen jetzt in der CDU. Wir haben kein Problem mit den Frauen, die ihre Kinder nach 1993 bekommen haben, weil dort die Anwartschaften in der Rente ganz gut geregelt sind. Es ist richtig, dass vor allem Frauen von niedrigen Renten betroffen sind, sodass wir uns genau die Frauen anschauen müssen. Wenn es uns gelingt, die Beitragsanwartschaften der Frauen, die vor 1993 ihre Kinder bekommen haben, einzubeziehen und dort mehr Gerechtigkeit für diese Frauen zu schaffen, dann hätten wir im Bereich der Altersarmut einen ganz großen Schritt getan.