Protokoll der Sitzung vom 03.04.2012

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Doch über die Finanzierung muss man reden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte schön.

Ich möchte Frau Dr. Franke das Wort erteilen. Bitte sehr.

Herr Krauß, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte sehr.

Ist Ihnen die in der EU einheitliche Bedürftigkeitsgrenze ein Begriff, die ganz klar in Zahlen ausgedrückt ist? Kennen Sie auch die deutsche Bezeichnung dafür? Die Bedürftigkeitsgrenze in Deutschland nennt man heute schamhaft Armutsrisikogrenze, weil ein Risiko jeder hat. Es gibt auch eine in der EU einheitliche Armutsgrenze. Kennen Sie diese Grenzen?

Das ist mir alles bekannt.

Dann würden Sie nicht so reden, wie Sie hier reden.

Eine weitere Frage; bitte, Herr Pellmann.

Herr Krauß, ich habe jetzt keine wirkliche Überlegungsfrage, sondern nur eine Frage, auf die Sie nur mit Ja oder Nein antworten können, wenn Sie bereit sind.

Würden Sie dann in Bezug auf die Einbeziehung der Frauen, also auch meiner Frau, vor 1992, nämlich die, die jetzt nur ein Jahr Anwartschaften für die Rente aufgrund der Erziehung von Kindern erhalten, unserem im Verfahren befindlichen Antrag, der genau das begehrt, zustimmen? Können Sie sich das vorstellen?

Wenn Sie eine Gegenfinanzierung vorstellen würden, Herr Kollege Pellmann, dann könnte man darüber reden.

Das Ziel ist doch erst einmal richtig erkannt: Wie kann es uns gelingen, dass auch die Frauen mehr Gerechtigkeit bekommen, die ihr Kind vor 1993 geboren haben? Keine Frage, darüber müssen wir sprechen.

Was Sie immer ausblenden, ist die Frage der Finanzierung,

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Niemals!)

und ich wünsche mir, dass wir diese einbeziehen.

Ich denke, und das ist der Unterschied zwischen Linkspartei und CDU: Wenn bei uns gerade auch die Gruppe der Frauen diese Frage diskutiert, dann tun sie das verantwortungsbewusst und sagen: Wir müssen jetzt schauen, wie wir das hinbekommen, und nicht allein mit irgendwelchen Forderungen um das Geld.

Noch einmal: Es gibt ja so die Vorstellung bei der Rentenversicherung: Man zahlt etwas in die Rentenversicherung ein, das wird auf einen großen Haufen gelegt und wenn man alt ist, bekommt man es ausgezahlt. Aber das ist falsch. Alles, was in diesem Monat eingezahlt wird, ist im nächsten Monat ausgegeben. Das ist die Realität.

Dazu kommt, dass wir in die Rentenversicherung noch jährlich 80 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt zuschießen müssen. Es gibt keinen Beitrag im Bundeshaushalt, der so groß ist wie die Rentenversicherung.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Das sind doch alles artfremde Leistungen!)

Das ist die Realität und deswegen muss man schon auch, Herr Kollege Pellmann, über das Thema der Finanzierung reden.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Sicher!)

Dazu ist jetzt Zeit. Ich bin dankbar, dass wir darüber sprechen – Frau Staatministerin zusammen mit ihren Länderkollegen, wie auch wir auf Landesebene mit

unseren Kollegen auf Bundesebene –, wie die Finanzierung der Rentenversicherung sichergestellt werden kann. Ich bin auch Frau von der Leyen dankbar, dass sie den Rentendialog angestoßen hat, damit wir dazu in die Diskussion kommen. Ich bin auch ganz optimistisch, dass wir dort Dinge regeln werden, dass wir dorthin kommen, wie wir es verhindern können, dass möglichst wenige Frauen in die Altersarmut abrutschen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsministerin Christine Clauß)

Das war Herr Krauß für die CDU-Fraktion. – Nun die SPD-Fraktion; Frau Abg. Dr. Deicke, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundsätzlich bekommen Frauen weniger Rente als Männer. Oftmals ist das noch nicht einmal existenzsichernd. Ich habe einige Zahlen für 2008 herausgesucht. Die Durchschnittsrenten im Westen von Männern: 1 030,00 Euro, Frauen: 498,00 Euro. Im Vergleich dazu die Ostrenten von Männern: 994,00 Euro, Frauen: 672,00 Euro. Hieran lässt sich sehr schön demonstrieren, wie sich bei den Frauen die unterschiedlichen Erwerbsbiografien in Ost und West auswirken. Sie zeigen gleichzeitig, dass die beste Absicherung gegen Altersarmut eine existenzsichernde Erwerbsarbeit ist.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Deshalb ist es erforderlich, sich die biografischen Schnittstellen von Frauen anzusehen, wo im Prinzip im Berufsleben Altersarmut vorprogrammiert wird. Das beginnt bereits beim Übergang von der Schule in den Beruf, bei der Berufswahl zum Beispiel, und setzt sich fort in allen weiteren Phasen des Berufslebens.

Frauen sind im Erwerbsleben deutlich benachteiligt; das ist gar keine Frage, das ist auch von jedem schon gesagt worden. Die Beschäftigungsquote von Frauen ist geringer als bei Männern und dazu haben wir es immer noch mit ungleicher Bezahlung für gleiche Arbeit zu tun. Frauen werden unfreiwillig in Teilzeit gedrängt, teilweise auch unfreiwillig in Selbstständigkeit, ohne eigene Existenzsicherung zu erreichen, und dabei haben sie auch relativ wenige Aufstiegschancen.

Das verschärft sich in den ostdeutschen Bundesländern dadurch, dass die Frauen häufigere Erwerbsunterbrechungen haben und häufiger im Niedriglohnbereich arbeiten. Wir haben allein in Sachsen 222 000 Minijobber, davon ist der Hauptanteil Frauen.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Über 60 %!)

Genau. In dem Rentenpaket von Frau von der Leyen – das ist ja leider verschoben worden, weil jetzt die Landtagswahlen sind, sodass wir in der nächsten Zeit nicht weiter vorankommen werden – steht die Zuschussrente im Vordergrund. Aus unserer Sicht ist das nur eine Repara

turmaßnahme; es ist eine End-of-the-pipe-Lösung. Wir sind dafür, das Problem eher an der Wurzel zu packen; das heißt: Regulierung der Leiharbeit, Eindämmung der prekären Beschäftigung und nicht zuletzt Einführung eines Mindestlohnes,

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Genau!)

anstatt über steuerliche Zuschüsse erst den Niedriglohn und dann die Renten aufzubessern.

Wichtig ist, sich in der Diskussion mit den wahren Fakten auseinanderzusetzen, ansonsten kommt man möglicherweise zu völlig falschen Schlussfolgerungen. Dafür habe ich zwei Beispiele. Das erste Beispiel: Ein Landtagsabgeordneter der CSU schrieb damals noch Herrn Stoiber als Ministerpräsident einen Brief, in dem er sich beschwerte, dass die ostdeutschen Frauen zu viel Rente bekommen im Vergleich zu den westdeutschen, und forderte eine Bestrafung der ostdeutschen Frauen.

Bitte zum Schluss kommen.

Als Vorschlag hat er eine kollektive Kürzung der Renten der Rentenehepaare im Osten eingebracht. Das kann natürlich nicht unser Ziel sein.

(Zuruf: Da haben Sie völlig recht! und Beifall des Abg. Bandmann, CDU)

Wir haben politisch sicher viele Hausaufgaben zu erledigen und ich empfehle, in den ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung hineinzuschauen und sich dort entsprechende Anregungen zu holen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Für die FDP-Fraktion Frau Abg. Schütz; bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vorab: Nie standen Rentner so gut da wie heute – die Zahl ist genannt worden. Nur 2 % sind auf Grundsicherung angewiesen. Nichtsdestotrotz stehen wir natürlich vor zukünftigen Herausforderungen, das will ich gar nicht ausblenden. Es gibt die zwei Armutsrisiken, die vor allem hier im Osten zusammenfallen: die Arbeit im Niedriglohnbereich, auch in Teilzeitarbeit, in Minijobs, und unterbrochene Erwerbsbiografien und Bezug von Hartz IV.

Wir müssen uns aber auch darüber unterhalten, wie Rente finanziert wird, nämlich immer von der nächsten Generation. Deshalb ist es ganz wichtig, dies nicht auszublenden.

Derzeit gibt es keine seriöse Studie, die die zukünftige Entwicklung von Personen, deren Gesamtalterseinkommen unterhalb der Grundsicherung liegt, zahlenmäßig verlässlich vorhersagt, weil das Alterseinkommen nicht gleichzusetzen ist mit geringen Renten. Es gehört eben mehr dazu. Ich denke nur an Betriebsrenten, private

Vorsorge, auch Erben – wir kommen das erste Mal in die Generation der Erben, die bei der ganzen Sache außen vor bleiben.