Protokoll der Sitzung vom 04.04.2012

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Johannes Lichdi, GRÜNE: Das geht nicht! Das ist unzulässig! – Stefan Brangs, SPD: Ist doch gut!)

Das ist nicht unzulässig. Wir haben die Geschäftsordnung in diesem Jahr doch geändert.

(Unruhe – Stefan Brangs, SPD: Haben wir nicht geändert! Ist aber egal! – Eva Jähnigen, GRÜNE, meldet sich zu Wort)

Eine Kurzintervention, Frau Jähnigen?

Lieber Herr Kollege

Mackenroth von der CDU-Fraktion, ich finde es hochinteressant, dass die Staatsregierung angeblich lauter einzelne Konzepte für die einzelnen Bereiche haben soll. Ich frage mich aber, wie die Staatsregierung das darstellen soll, wenn hier vier Ministerinnen und Minister aus einzelnen Fachbereichen anwesend sind, aber der Ministerpräsident fehlt. Ich habe den Eindruck, dass dieses Thema bei aller Brisanz, die dahintersteckt, nicht genügend ernst genommen wird. Das gehört zu dem Wahrnehmungsproblem dieser Koalition und dieser Staatsregierung.

Wir brauchen ein einheitliches Konzept für alle Bereiche, das durchgezogen wird und realistisch ist. Wenn Sie selbst sagen, es wäre bürokratisch, dann kann ich nur sagen: Die Bürokratie, mit der die Regierung jetzt angefangen hat, ist viel schlimmer und viel fruchtloser.

Ich will Sie noch darauf hinweisen, dass es natürlich einzelne Bereiche gibt, das Innenministerium, die Polizei, für die es solche Konzepte bis zum Jahr 2025, stellengenau, völlig selbstverständlich gibt. Das ist nicht bürokratisch, das ist sinnvoll. Sie reden sich hier selbst politisch vor der Verantwortung heraus. Die Staatsregierung ist de facto gar nicht da, und wir können hier gar nicht über die gesamten Konzepte informiert werden. Wie gesagt, vier Ministerinnen und Minister sind da, aber nicht einmal der Ministerpräsident. Wer will jetzt von der ganzen Verwaltung reden? Auch der Staatsmodernisierungsminister fehlt – ein trauriger Zustand, den Sie hier darbieten. Man kann vermuten, dass Ihnen der Beschluss des Kabinetts pein

lich ist. Aber das ist schon wieder eine viel zu positive Vermutung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Mackenroth, bitte.

Ich nehme an, dass wir uns zu diesen Themen erst einmal anhören, was die Staatsregierung zu sagen hat. Sie ist hier ausreichend, fachkräftig und fachverständig vertreten. Das würde mich als Allererstes interessieren. Ansonsten ist das, was die Kollegin gesagt hat, nicht weiter kommentierungsbedürftig.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Abg. Scheel für die Linksfraktion, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Das hat so etwas von den drei Affen: nichts hören, nichts sehen, nichts sagen, es wird schon alles irgendwie gut gehen, und man fährt weiterhin auf Sicht. Wenn es dann gegen die Wand gelaufen ist, wird man ja sehen, was man treibt.

Da ist die Opposition wahrscheinlich schuld, weil wir es nicht deutlich genug gemacht haben, dass hier vielleicht ein Problem vorhanden ist.

Wir können feststellen – Herr Mackenroth hat es gerade ausgeführt –, dass natürlich die Frage von Bewirtschaftungsmaßnahmen im Personalbereich keine Neuigkeit ist. Bis zum Ende 2010 hat es eine solche, landläufig Einstellungsstopp genannte Personalbewirtschaftungsmaßnahme schon gegeben. Dann ist sie ausgelaufen. Vielleicht hat sie der eine oder andere vergessen. Vielleicht lag es daran, dass Herr Voss nicht mehr da war, und vielleicht wollte man einfach einmal probieren, was so passiert. Und was passiert? Alle Ministerien nutzen die Möglichkeit, endlich das nachzuholen, was jahrelang versäumt wurde, nämlich endlich gutes, neues Personal in die Häuser zu bringen. Die Schleusen waren geöffnet und dann in der Kabinettsklausur auf einmal ein großes Aha-Erlebnis. Wie kann es denn sein, dass auf einmal so viele Leute wieder bei uns eingestellt werden?

Man sagt in einer Panikreaktion, das geht natürlich nicht. Da muss nach außen gleich einmal Handlungsfähigkeit bewiesen werden und es wird gesagt, stopp, hier darf gar keiner mehr rein. Das ist nach außen kommuniziert worden, und das hat zu den Irritationen geführt, die Sie jetzt kleinzureden versuchen, die im Nachhinein die beteiligten Stellen erreicht haben.

Das war eine Panikreaktion. Sie war konzeptionslos, genauso konzeptionslos wie am Ende das Schleusenöffnen war, denn auch Einstellungen in einen Personalkörper von über 80 000 Personen kann man nicht einfach so vornehmen. Man muss einen Plan damit verbinden. Man kann nicht sagen, jeder macht jetzt, was er will, sondern

es sollte klar sein, wo und an welcher Stelle wir Personal in Zukunft brauchen, wo wir Vorratswirtschaft betreiben und wo wir Personal bewirtschaften.

Es ist natürlich eine gewisse Absurdität, dass auf einmal der Ministerpräsident mithilfe seiner Richtlinienkompetenz von hier aus und dann der stellvertretende Ministerpräsident, Herr Morlok – warum eigentlich? –, jetzt jedes Auszubildendenverhältnis mitunterzeichnet, jede Einstellungsmaßnahme, jede Weiterführung einer Beschäftigungsmaßnahme immer weiter gegenzeichnen muss, was am Ende nichts weiter ist, als Bürokratie zu produzieren und wahrscheinlich nach außen wieder nur das Zeichen bringen sollte: Wir sind kraftvoll und handlungsbereit. Dass wir auch bei uns in der Sächsischen Haushaltsordnung Regelungen darüber haben, wer dafür zuständig ist, um Personal zu bewirtschaften – erst mal natürlich die Einzelressorts, und wenn es Probleme in der Stellenplanbewirtschaftung gibt, dann im Einvernehmen mit dem SMF, also der Finanzminister dafür zuständig ist, dort den Zuspruch zu geben –, das wird ausgeblendet, weil es nach außen natürlich so schöner aussieht.

Aber nur schöne Politik nach außen reicht nicht, um Probleme zu lösen, meine Damen und Herren von der Koalition und auf der Regierungsbank, denn ein guter öffentlicher Dienst braucht nun einmal gute Fachkräfte.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Da sind wir wieder bei dem Thema des Antrages. Der Freistaat Sachsen ist ja sehr ehrlich in seinem Umgang mit der Frage, wie gehe ich mit Personal um. Er macht kein Personalkonzept, kein Personalentwicklungskonzept, sondern einen Stellenabbaubericht. Denn darum geht es: Stellen abzubauen. Das ist das vorrangige Ziel der Sächsischen Staatsregierung.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das einzige Ziel!)

So weit würde ich jetzt nicht gehen. Ich sage, dass es das vorrangige Ziel der Sächsischen Staatsregierung ist.

Es geht natürlich nicht darum, Personalbedarfe zu ermitteln, sondern es geht darum, wo ich noch mehr herauspressen, wo ich noch mehr wegstreichen kann. Es geht auch nicht darum, wie viele Aufgaben eigentlich erledigt werden und ob diese Aufgaben bei diesem Personalbestand überhaupt noch zu bewerkstelligen sind. Das ist ein ernsthaftes Problem. Daher kommt ja überhaupt erst diese Debatte zu den Schulen, die wir heute hatten, dass wir feststellen durften, dass die Planungen an den Realitäten einfach vorbeigehen oder zumindest keiner sich einen Kopf darüber macht, wie man mit den Problemlagen ordentlich umgeht.

Wochenlang haben wir uns jetzt hier herumgestritten. Wir haben in der Doppelhaushaltsverhandlung schon darauf hingewiesen, dass wir einen Aufwuchs an Schülern haben, dass das Personal im Lehrerbereich nicht ausreichen wird. Wir haben Anträge dazu gestellt, dass doch bitte eine Aufstockung des Lehrerpersonals notwendigerweise erfolgen sollte. Wenn Sie dann über ein Jahr oder

eineinhalb Jahre später zu der Erkenntnis kommen, dann kann ich Sie zwar beglückwünschen, dass die Erkenntnis spät, aber immerhin noch eintrifft, aber wir können auch festhalten, dass es eine offensichtliche Fehlplanung im Doppelhaushalt gab, Sie von Zahlen und Grundlagen ausgehen und eigentlich nicht wissen, wohin Sie wirklich steuern. Das hat natürlich mit einer Zielzahldebatte zu tun, die der Ministerpräsident ohne Not am Beginn seiner neuen Legislatur losgetreten hat.

Wer sich selbst eine Zielzahl von 70 000 mit auf den Weg gibt und das als einzigen Bestandteil seiner Politik in diesem Bereich versteht, der fährt natürlich dann mit dem Beifahrer Finanzminister irgendwann einmal gegen die Wand. Da gibt es den einen oder anderen Minister, der dann vielleicht auf dem Weg aussteigt, weil er sagt: Da gibt es eine Wand, da fahren wir dagegen, da will ich vielleicht nicht mehr mitmachen. Aber das führt trotzdem nicht dazu, dass Sie jetzt ein Umdenken haben und sagen, wir müssten vielleicht einmal den Rückwärtsgang einlegen.

Die Grunddebatte, die Sie bisher nicht schlüssig nachweisen konnten, ist, wie Sie diese Zielzahl 70 000 Vollzeitbeschäftigte im Freistaat Sachsen bis 2020 darstellen wollen. Sie haben sie bis heute nicht offengelegt. Sie haben bisher nicht nachweisen können, wie Sie in den vier Personalbereichen mit den großen Personalkörpern – Lehrer, Polizisten, Juristen und Hochschule – auf diese Zielzahl kommen wollen. Sie wissen ganz genau, dass noch mindestens 5 000 Stellen fehlen, die bis 2020 nicht untersetzt sind. Das ist nur eine große Aufgabe.

Wenn Sie diese Debatte weiterführen wollen, können Sie das tun. Ich denke, Sie werden sich weiter blutige Nasen genau an der Mauer der Sackgasse holen, in die Sie sich selbst hineinmanövriert haben.

(Beifall bei den LINKEN)

Sie haben davon gesprochen, dass Sie eine Aufgabenkritik durchgeführt hätten. Ich darf noch einmal auf die Große Anfrage verweisen, die meine Fraktion gemeinsam mit der SPD-Fraktion in der Drucksache 5/4109 „Die Zukunft des öffentlichen Dienstes in Sachsen“ eingebracht hat. Dort hat die Staatsregierung auf die Frage zur Aufgabenkritik Folgendes festgehalten: „Die Ermittlung des aufgabenbezogenen Personalbedarfs wird im Rahmen der eingeleiteten Aufgabenkritik erfolgen.“ Das ist mittlerweile über ein Jahr her. Ich kann immer noch nicht erkennen, dass diese Aufgabenkritik und dieser notwendige aufgabenbezogene Personalbedarf irgendwo einmal vorgelegen hätte oder gar diskutiert worden wäre, dass er überhaupt entstanden ist. Das ist doch das ernsthafte Problem, das wir haben. Genau darum geht es, Herr Mackenroth: aufgabenbezogenen Personalbedarf darzustellen und dementsprechend hier mit dem Parlament zu diskutieren, worin die Notwendigkeit für die Aufgaben im Freistaat Sachsen und damit für die Bürgerinnen und Bürger besteht. Das haben wir bisher versäumt. Das ist einfach so festzuhalten.

Weiterhin halten Sie fest, dass die letzte Aufgabenkritik doch 2008 stattgefunden hätte, und zwar im Rahmen der Verwaltungsreform, die wir durchgeführt haben. Ich war ja mit dabei, der eine oder andere im Haus vielleicht nicht. Aber wenn ich natürlich jetzt sehe, dass Sie mittlerweile nur noch eine Landesdirektion haben, und wenn ich daran denke, wie damals die SPD mit Milbradt darum gefeilscht hat, ob es möglich ist, aus drei Regierungspräsidien vielleicht eines zu machen, zwei angeboten wurden, es am Ende drei geblieben sind, die dann Landesdirektionen hießen, und jetzt die späte Einsicht kommt, dass das vielleicht doch keine so ganz schlechte Idee war, einmal etwas an den Strukturen zu arbeiten und damit eine alte Idee der LINKEN und der PDS aufzunehmen, nämlich diese Mittelbehörden, diese Absurdität in diesem Land, diesen überbordenden Verwaltungsüberbau endlich einmal auf ein normales Maß zu bringen, dass dies jetzt endlich klargestellt wird, heißt, dass Sie die Aufgabenkritik damals schon nicht verstanden haben und wahrscheinlich heute nicht verstehen.

Wenn wir für jede Aufgabe, wenn es um Strukturen geht, so viel Zeit brauchen, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir nach dem Auslaufen des Solidarpakts nackig dastehen, meine Damen und Herren.

Wir haben natürlich noch einen weiteren Punkt, den wir immer wieder gern anführen: Zusammenarbeit über Grenzen hinaus, wo unseres Erachtens ein riesiges Potenzial vorhanden ist, um darüber nachzudenken, wie man diesen Haushalt ordentlich konsolidieren kann. Auch dazu gibt es eine Aussage der Staatsregierung in dieser Großen Anfrage; auch diese gebe ich Ihnen gern zur Kenntnis: „Die Meinungsbildung innerhalb der Staatsregierung zu weiteren Projekten der länderübergreifenden Zusammenarbeit ist noch nicht abgeschlossen.“ Auch das ist über ein Jahr her. Ich fürchte, Sie werden sie wahrscheinlich auch nie abschließen, weil Ihnen auch da die Fantasie und die Kreativität fehlen, einfach darüber nachzudenken.

Ich finde es schon sehr bedauerlich, dass es im Norden unseres Landes fünf Bundesländer schaffen, eine gemeinsam abgestimmte Hochschulpolitik zu entwickeln, es schaffen, ein gemeinsames Dienstrecht zu haben, und wir herumkrepeln und es nicht mal auf die Reihe bekommen – und ich sage gar nicht, dass ich das will –, einen gemeinsamen mitteldeutschen Knast zu gestalten zwischen drei Bundesländern. Das ist wirklich ein Armutszeugnis für diese Staatsregierung, auch in der Zusammenarbeit mit anderen Ländern.

Wenn ich Ihnen noch ein weiteres Zitat geben darf – und das ist meines Erachtens das größte Armutszeugnis: Sie zitieren in dem Antrag Drucksache 5/7257 in der Stellungnahme der Staatsregierung zu dem Vorantrag der GRÜNEN zu diesem Thema zur Frage der exekutiven Eigenverantwortung: „Die künftige Entwicklung und Fortschreibung ist Gegenstand des internen Abstimmungsprozesses innerhalb der Staatsregierung, welches als Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung zum

nicht ausforschbaren Beratungs- und Handlungsbereich zählt.“

Sie können sich natürlich gern davor verschanzen und sagen, das geht Sie alles nichts an; allerdings wird uns als Landtagsabgeordnete – und ich bin sicher nicht der Einzige, dem es so geht – so langsam bange darum, ob Sie es wirklich im Griff haben.

Deshalb würde es uns wirklich sehr freuen, wenn Sie uns ermöglichen würden, einen kleinen Blick hinter Ihre Gedanken zu werfen oder vielleicht besser auf Ihre Gedanken,

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Nein, da ist nichts!)

damit wir vielleicht erfahren könnten, ob nicht wirklich irgendwo noch eine Idee ist, wie in diesem Land mit dem Personal, mit den Aufgaben, die stehen, mit dem nötigen Personal und vielleicht auch mit den Bedarfen, die vorhanden sind, umzugehen ist.

Insofern gebe ich Ihnen auch gern noch ein paar Tipps mit. Wenn wir uns unsere Ministerien so anschauen – jetzt ist Herr Staatsminister Morlok leider nicht da –, aber anstatt sich eine tolle teure Lampe hinzustellen, sollte man sich vielleicht mal einen Spiegel kaufen. Den Spiegel sollte man vielleicht ab und zu einmal nehmen und sich anschauen, und dann sollte man sich fragen: Braucht mich dieses Land noch?

(Heiterkeit und Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Vielleicht würde das dazu führen, dass man sich auch die Frage stellt, ob das eine oder andere Ministerium nicht mittlerweile überflüssig ist und ob dieser überbordende Verwaltungsaufbau in der Konsequenz bis zum Ende unserer Tage fortgesetzt werden muss. Immerhin ist es in Baden-Württemberg – auch so ein Vergleichsland – bereits gelungen, zum Beispiel Wirtschafts- und Finanzministerium zusammenzulegen. Ich sage nicht, dass das so sein muss, aber Sie könnten ja zumindest einmal darüber nachdenken, ob das eine oder das andere Ressort noch länger nötig ist.

(Zuruf der Staatsministerin Christine Clauß)

Wir können gern darüber sprechen. Ich sage ja nur: Machen Sie sich doch einmal darüber Gedanken. Ich habe so das Gefühl, es gibt eine Leere in der Staatsregierung, eine Art Vakuum, dass Sie gar nicht mehr bereit sind, darüber nachzudenken, wo man vielleicht ansetzen könnte – und vor allen Dingen nicht, wenn es um die Spitzen in Ihren Häusern geht. Darüber müsste man als Erstes einmal nachdenken.

Wenn ich schon beim Spiegel bin, dann kann ich gleich den Ministerpräsidenten mit seinem heutigen Interview gern noch einmal erwähnen. Wozu haben Sie eigentlich, Herr Ministerpräsident – auch wenn er nicht da ist –, diese „Spiegel“-Referate? Wozu haben Sie sie, wenn Sie Mitarbeiter in Ihrem Haus haben, die Ahnung darüber haben sollen, was in den anderen Häusern stattfindet, Sie