Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Fraktion begrüßt die heutige Debatte zur Kultur- und Kreativwirtschaft hier im Sächsischen Landtag. Dies ist ein Politikfeld mit zunehmender Bedeutung und berührt als Querschnittsthema sowohl wirtschafts- als auch kulturpolitische Zuständigkeiten. Wir sehen allerdings die große Gefahr, und ich sehe mich nach dem Diskussionsbeitrag von Frau Fiedler auch bestätigt, dass sich die Diskussion weitgehend im Kreis drehen wird. Diese Befürchtung habe ich vor allem deshalb, weil die schwarz-gelbe Staatsregierung seit Präsentation des Kulturwirtschaftsberichtes im Jahr 2008 – Kollege Dulig verwies darauf, dass dieser seinerzeit maßgeblich auf die SPD zurückzuführen war – dieses wichtige landespolitische Thema faktisch verschlafen hat.
Die Unwilligkeit bzw. das Unvermögen der Koalition, präziser von Minister Morlok, sich der Kulturwirtschaft in Sachsen in angemessener Weise zuzuwenden, beweist nicht nur die weitgehend substanzlose Antwort auf den heute vorliegenden Antrag. Auch schon die belanglosen Antworten des FDP-Wirtschaftsministers auf den entsprechenden Vorgängerantrag der SPD vom April 2010 und den wesentlich ausgefeilteren Antrag der GRÜNEN vom Juni 2011 unterstreichen diese negative Einschätzung. Es ist daher nur folgerichtig, dass heute eine gemeinsame Presseerklärung der beiden größten Interessenverbände im Freistaat „Wir gestalten Dresden“ und „Kreatives Leipzig“ erschienen ist, die unter der exemplarischen Überschrift „Sachsen ohne Strategie für die Zukunftsbranche Kreativwirtschaft“ steht. Darauf wird noch zurückzukommen sein.
Bevor ich allerdings auf einige Kritikpunkte konkreter eingehe, die von den Akteuren immer wieder benannt werden, möchte ich zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen zum Thema machen, die möglicherweise nicht bei jedem hier im Saal auf Gegenliebe stoßen werden. DIE LINKE plädiert nämlich dafür, den bisherigen Diskurs über die Kultur- und Kreativwirtschaft kritischer zu reflektieren bzw. angesichts der entsprechenden Ambivalenz des Themas künftig differenzierter zu führen. Ich weiß nicht, ob die Sammelbezeichnung „neuer Mittelstand“ für die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft, auch wenn man das jetzt sechsmal in einem Diskussionsbeitrag genannt hat, wirklich den Kern des Problems trifft.
Um zu verdeutlichen, was wir meinen, möchte ich ein Zitat der namhaften Autorin Katja Kullmann aus ihrem
Buch „Echtleben“ aus dem Jahr 2011 voranstellen. Dieses kritische Generationsporträt genießt inzwischen Kultstatus, weil es aus Sicht der Betroffenen sehr nüchtern und realistisch die brisante Situation vieler Akteure in der Kultur- und Kreativwirtschaft schildert. Ich zitiere Frau Kullmann: „Längst haben die kreativen, oft akademisch ausgebildeten und weltgewandten Prekären viel mehr gemein mit den auf Stunde bezahlten Supermarktregaleinräumerinnen, den per Zeitarbeit verliehenen Securitybären und den Sieben-Tage-die-Woche-Wurstbudenverkäufern, über die sie mitfühlende Reportagen schreiben, aufrüttelnde Sozialstudien erstellen oder deprimierende RealityDokus drehen, als mit den Agenturchefs, Etatbewilligern oder Ressortleitern, von denen sie sich Aufträge erhoffen und ein bisschen Honorar.“
Mit dieser Schlüsselaussage von Frau Kullmann möchte ich darauf verweisen, dass aus unserer Sicht die Debatte zur Kultur- und Kreativwirtschaft zu stark von der Tendenz geprägt wird, wirtschaftliche Eigenverantwortung als individuelle Freiheit zu inszenieren und damit Grundwerte einer solidarischen und gemeinwohlorientierten öffentlichen Steuerung von Kultur sukzessive zu marginalisieren.
Der gesamtgesellschaftliche Mehrwert von Kultur weicht schrittweise einer überwiegend ökonomischen Betrachtung der Kultur als Markt. Das Label „Kreativ“ darf aber nicht missbraucht werden, um prekäre Lebensbedingungen zu idealisieren. Dabei verkennen auch wir nicht, dass dort, wo ein wachsender Markt weitestgehend ohne öffentliche Eingriffe existiert, beispielsweise in der Games- und IT-Branche, Wertschöpfung stattfindet, die den Beschäftigten komfortable Einkommen sichert. Anders sieht es in jenen Bereichen aus, in denen sich öffentliches, privates und bürgerschaftliches Engagement überschneiden.
Zu beobachten ist ein seit Jahrzehnten anhaltender Rückzug der öffentlichen Hand aus der Förderung kultureller Infrastruktur. Zahlreiche sozialversicherungspflichtige
Arbeitsverhältnisse im Bereich Theater, Museen, Rundfunk, Printmedien, Film, Musikschulen bis hin zur Soziokultur und den Volkshochschulen wurden abgebaut, ohne dass damit zwangsläufig ein Rückgang der Angebote einherging. Vielmehr sind die Arbeitsverhältnisse in Werk- und Honorarverträge umgewandelt worden.
Anhand vieler belastbarer Zahlen aus der Künstlersozialkasse ist nachweisbar, dass eine Tätigkeit im Kultur- und Kreativbereich häufig nicht ausreicht, um ein finanziell selbstständiges Leben zu führen, noch weniger, wenn Mehrbedarfe durch Kinder und andere Familienangehörige entstehen. Die Einkommen der weiblichen Versicherten liegen darüber hinaus in allen Künstlerbereichen deutlich niedriger als die der Männer. Viele von ihnen sind auf einkommensunterstützende Transferleistungen angewiesen, die Altersarmut ist vorprogrammiert.
Damit möchte ich, wie angekündigt, auf einige konkrete Punkte des Antrages und die Stellungnahme der Staatsregierung eingehen. Zunächst ist auch aus unserer Sicht
unstrittig, dass die eingeforderte Fortschreibung des Kulturwirtschaftsberichtes zwingend notwendig ist.
Nahezu alle Sachverständigen waren sich in der Anhörung am 29. August 2011 zu den beiden genannten Anträgen zur Kultur- und Kreativwirtschaft in diesem Punkt einig.
Ich will an dieser Stelle allerdings ohne jede Ironie darauf verweisen, dass sich Herr Morlok vor der möglichen Fortschreibung des Berichtes wohl zunächst erst einmal die insgesamt 41 Handlungsempfehlungen des Kulturwirtschaftsberichtes von 2008 auf den Seiten 93 bis 95 genauer anschaut und endlich mit deren Umsetzung beginnen sollte. Ich habe ja gesehen, Herr Morlok, dass Sie vorhin in dem Kulturwirtschaftsbericht aufmerksam geblättert haben. Dafür verleihe ich Ihnen ein Bienchen. Ich hoffe, dass es auch wirklich die Seiten 93 bis 95 waren; denn wenn man sich diese ansieht, ist von den 41 Handlungsempfehlungen bisher fast nichts umgesetzt worden.
Weil Sie vorhin das Literaturinstitut in Leipzig erwähnt haben, Frau Fiedler, haben Sie vielleicht die Anhörung und die Stellungnahme von Herrn Niessen, dem Geschäftsführer, noch im Ohr. Er hat ja explizit gesagt, dass zu der versprochenen Autorendatenbank, um einmal eine Handlungsempfehlung zu benennen, bisher überhaupt nichts passiert ist, obwohl drei Jahre dafür Zeit war. Ich könnte jetzt diese 41 Handlungsempfehlungen durchdeklinieren, und da würde, wie gesagt, unterm Strich nicht viel übrig bleiben.
Ebenso eindeutig ist für uns die Forderung im SPDAntrag, endlich im Lande selbst ein Kompetenzzentrum für die Kultur- und Kreativwirtschaft zu gründen. Kollege Dulig hat etwas dazu gesagt.
Bei allen Verdiensten der entsprechenden Bundeseinrichtung, deren regionale Fortexistenz nunmehr bis 2014 gesichert scheint, muss die Staatsregierung ihrer landespolitischen Verantwortung endlich gerecht werden. Nur durch eine wie auch immer geartete Landesstruktur können die wichtigsten Defizite in diesem Bereich behoben werden.
Unter Berufung auf Frau Katja Großer, die ja allen Mitgliedern des entsprechenden Ausschusses gestern dazu geschrieben hat und Ansprechpartnerin für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist, möchte ich drei der wichtigsten Aufgaben aufzählen, deren Lösung mithilfe einer solchen Struktur auf Landesebene angegangen werden muss.
Erstens, wir brauchen eine praxisnahe wirtschaftliche Professionalisierung der Akteurinnen und Akteure in Form eines Training on the job.
Zweitens, die bestehenden Förderstrukturen sind im Gegensatz zur Einschätzung der Staatsregierung für Freiberufler und Kleinstunternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft oftmals wenig geeignet. Sie sind auf technologische Innovationen und investive Maßnahmen
fokussiert und erfordern teilweise hohe Eigenanteile, die durch die Antragsteller zumeist nicht darstellbar sind.
Drittens, die Vernetzung innerhalb der Branchen sowie branchenübergreifend muss stärker als bisher gefördert werden. Hier kommen viele Ansätze aus der Szene selbst, aber der Dialog mit diesen Netzwerken muss seitens der Politik unbedingt verbessert werden. Und, Frau Fiedler – völlig zu Recht von Ihnen angesprochen –, die bevorstehende Impulskonferenz zur Kultur- und Kreativwirtschaft am 7. Juni in Dresden kann dazu ein richtiger Schritt sein, und zumindest das Programm bietet diverse Chancen. Ich begrüße auch sehr, dass der Wirtschaftsstaatssekretär ein Referat hält.
Zu vielen weiteren Punkten wären kritische Anmerkungen möglich und notwendig. Aus Zeitgründen möchte ich es bei einem Beispiel bewenden lassen. Die Antwort der Staatsregierung unter Ziffer 2 zeugt fast schon von Zynismus, wenn man weiß, dass die Fördermöglichkeiten der Kulturstiftung Sachsen je nach Sachgebiet teilweise mehrfach überzeichnet sind – nicht zuletzt wegen der Kürzung der Kulturraummittel durch die Zwangskommunalisierung der Landesbühnen, die bekanntlich vor allem zu einer massiven Kürzung der Projektmittel vor Ort führte.
Damit möchte ich zum Schluss meiner Rede kommen. Die beiden von mir bereits zitierten Branchensprecherinnen Stefanie Bamberg aus Leipzig und Claudia Muntschick aus Dresden beendeten ihre heutige Presseerklärung mit einer deutlichen Botschaft in Richtung Staatsregierung.
Um deren Signalwirkung zu verstärken, möchte ich sie an dieser Stelle zitieren, denn präziser kann man den Handlungsdruck für den Wirtschaftsminister nicht auf den Punkt bringen: „Sachsen verfügt über eine lange und erfolgreiche Unternehmertradition. Um nachhaltige
Standortvorteile im Freistaat zu schaffen, muss diese unternehmerische Kompetenz in zukunftsfähige Modelle übertragen werden. Im globalen Wettbewerb spielt die Ansiedlung von Kreativbetrieben inzwischen eine entscheidende Rolle. Hier sollten, wie es seit Jahren auch für Ansiedlung anderer Industrien völlig normal ist, unbedingt die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.“ So weit die völlig berechtigte Forderung aus den Reihen der sächsischen Kreativwirtschaft.
Sehr geehrter Herr Morlok, der vorliegende Antrag, dem wir zustimmen werden, bietet Ihnen vielfältige Handlungsmöglichkeiten. Ich weiß, Sie sind unternehmerisch im Röhrengeschäft groß geworden. Das muss aber nicht zwangsläufig zum Tunnelblick führen.
Agieren Sie endlich im Interesse der sächsischen Kultur- und Kreativwirtschaft, damit diese nicht länger in die Röhre schauen muss.
Wir fahren fort mit Herrn Tippelt für die FDP-Fraktion als nächstem Redner. Bitte, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freunde von der SPD!
Ihr Engagement für die Kultur- und Kreativwirtschaft ehrt Sie. Aber deswegen bedeutet das noch lange nicht: Viel hilft viel. Bereits die erste Forderung in Ihrem Antrag ist Grund genug, diesen rigoros abzulehnen. Sie fordern, wie so oft, zunächst einen neuen Landesbeauftragten für die Belange der Kultur- und Kreativwirtschaft zu schaffen.
An dieser Stelle frage ich mich, ob uns hier wirklich zusätzliche Bürokratie hilft oder ob wir nicht vorhandene Strukturen stärker für Informations- und Beratungszwecke nutzen sollten. Ich denke zum Beispiel auch an die Kulturraumsekretariate mit ihrer regionalen Verwurzelung und insbesondere ihrem regionalen Know-how.
Auch in den Großstädten Dresden und Leipzig haben sich eigene, sehr spezielle Netzwerke, die wiederum komplett anders arbeiten und funktionieren, gefunden. Diese Netzwerke verdienen es durchaus, unterstützt zu werden. Gerade dafür ist gleich nach der Bundestagswahl 2009 das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes mit Regionalbüros, so auch in Leipzig, eingerichtet worden, für das sich unter anderem der FDP-Politiker Hans-Joachim Otto, Staatssekretär für Kreativwirtschaft und Informationsgesellschaft im Bundeswirtschaftsministerium, starkgemacht hat.
Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist zweifellos ein wichtiges Thema, dem ich persönlich auch sehr nahe stehe. Allerdings können wir doch nicht für alles und jeden einen Landesbeauftragten stellen und im gleichen Atemzug von Haushaltskonsolidierung sprechen.
Nichtsdestotrotz habe ich mich auch mit dem Rest Ihres Antrages ausgiebig beschäftigt und vermisse mehr und mehr ein Gespür für diese Branche. Der Großteil der Kultur- und Kreativwirtschaft sind keine Arbeitsscheuen, die nur die Hand aufhalten. Der Großteil sind engagierte Menschen, die Woche für Woche weit über die klassische 40-Stunden-Woche hinaus arbeiten, gute Ideen entwickeln, ihre guten Ideen umsetzen und anpacken können
und wollen. Für diese Bürger gibt es bereits verschiedene Förderinstrumente, von denen alle Branchen profitieren können. Es braucht keine Spezialangebote und Sonderbehandlung; da ist im besten Falle nur etwas Einsatz nötig, um ihnen diese Möglichkeiten nahezubringen und sie stärker zu kommunizieren.
und eine Branche, die inhomogener kaum sein könnte, gleichzumachen versucht, haben Sie die wesentlichen Punkte vergessen. Und zwar denke ich dabei an den Schutz des geistigen Eigentums, der in Zeiten wachsender medialer Konvergenz und Selbstbedienungsmentalität immer wichtiger wird. Außerdem sollten wir uns eher einmal Gedanken machen über Korrekturen von Entwicklung, etwa bei der Künstlersozialkasse, diese wieder stärker auf ihre ursprüngliche Intention zurückzuführen, nämlich freiberufliche Künstler zu fördern. Das sind Probleme, die die Kultur- und Kreativwirtschaft wirklich bewegen. Das sind Probleme, die wir als FDP-Fraktion gemeinsam mit der CDU im Fokus haben.