Über welchen Abriss sprechen wir hier? Leerstände am Stadtrand – das ist mittlerweile und zunehmend ein eher seltenes Phänomen geworden. Schließlich haben vor allem die kommunalen Wohnungsgesellschaften und die Wohnungsgenossenschaften zu 85 % den bisherigen Rückbau getragen, und das zu großen Teilen am Stadtrand, aber auch in anderen Quartieren.
Wenn Sie also von außen nach innen gehen wollen, dann meinen Sie die Großwohnsiedlungen. Für die ideologisch Gestählten unter Ihnen: Gemeint ist die Platte. Wenn Sie langfristig an den Bestand der Großwohnsiedlungen heranwollen, um die Innenstädte aufzuwerten und zu stärken, dann sollten Sie das auch so sagen. Dafür empfehle ich das „White Paper“ aus dem Helmholtz-Zentrum Leipzig von Frau Prof. Kabisch und ihrem Team – hochinteressante Literatur. Darin werden ganz andere Entwicklungsperspektiven beschrieben, als Sie sie zu kennen scheinen.
Da die Eigentümerstruktur der Großwohnsiedlungen nun einmal im Wesentlichen von den Genossenschaften und den kommunalen Gesellschaften geprägt ist, wollen Sie also kommunales und genossenschaftliches Eigentum zugunsten meist privaten Wohneigentums in den Innenstädten vernichten lassen. Das gehört zur Wahrheit, sehr geehrter Herr Staatsminister, dazu.
Ich kann Ihnen nur empfehlen, genau diese frohe Botschaft doch im Rahmen eines ministeriellen Grußwortes am 23. Mai anlässlich des 1. Mitteldeutschen Genossenschaftskongresses den versammelten Vertretern der Wohnungsgenossenschaften und allgemein der Genossenschaften auch so zu vermitteln. Ich gehe davon aus, dass Ihnen großer Jubel und uneingeschränkte Freude der Anwesenden entgegenschlagen wird.
Was bleibt also von einer mangelhaften Fachregierungserklärung, die sich freundlich fließend um die wichtigen
Herausforderungen der kommenden Zeit mehr oder weniger gekonnt herumdrückte? Herr Staatsminister, kennen Sie den Unterschied zwischen Ihrer Fachregierungserklärung und den Wohnungsbaumonitoren der SAB? SAB steht an dieser Stelle für solide, anspruchsvoll und belastbar. Das kann man leider von Ihrer Fachregierungserklärung nicht sagen.
Für die Fraktion DIE LINKE sprach Herr Kollege Stange. – Als Nächstes ergreift für die Fraktion der CDU Herr Kollege Bandmann das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich heute jungen Menschen die Situation unserer Städte und Gemeinden von vor 1989 vor Augen führen will, reichen mündliche Erläuterungen meist nicht aus. Ich will jetzt bewusst nicht die Augen zumachen, sondern selbst uns, die wir damals dabei waren und die Zeit vor über 20 Jahren erlebt haben, ist das Entsetzen über die Bilder des Zerfalls und der Morbidität der Städte schon fast wieder aus dem Gedächtnis gerückt.
Hier in Dresden hielt 1989 ein junger Demonstrant ein Schild in die Höhe mit der Aufschrift „Den nächsten Sozialismus ohne mich!“. Wenn man dann die Fotos oder Bilder in Zeitschriften betrachtet, springen einen die Gründe förmlich an, die diese Zeit dokumentieren. Bürgerliche Strukturen waren durch die SED bewusst zerstört worden. Es gab keine Wohnungen, die zu beziehen waren, obwohl es auch damals genügend Häuser gab. Ganze Quartiere waren baufällig, und die notwendige Infrastruktur, wie ausreichend abgesicherte Stromleitungen, dichte Dächer, funktionierende Kanalisation für die Häuser, waren oft nicht vorhanden. Obwohl der erste Mann im SED-Staat Dachdecker war, gab es nicht die Möglichkeit, die historische Bausubstanz hinreichend zu schützen. In Teilen von Städten gab es nicht einmal eine zentrale Abwasserentsorgung. Die Leute gingen, wie man so schön sagte, auf den Thron, wie man das Plumpsklo nannte. Dies ist zum Glück Geschichte und liegt hinter uns. Das Erinnern daran ist aber notwendig, um die fast unglaubliche Leistung und Anstrengung des zweiten deutschen Wirtschaftswunders richtig einschätzen zu können.
Stadtentwicklung ist eben nicht nur Fassaden erneuern, sondern es ist eine umfassende, komplexe, grundhafte Erneuerung und Sanierung der gesamten städtischen und ländlichen Infrastruktur. Ohne leistungsfähige Stadtwerke, ohne fachgerechten Kanalbau für die Wasser- und Abwasserentsorgung, ohne den flächendeckenden Ausbau mit leistungsfähigen Energieleistungen und oft dem erstmaligen Bereitstellen von Telefonanschlüssen hätte die Gebäudeinstandsetzung allein wenig gebracht.
Für die jungen Leute von heute sei dies in Erinnerung gerufen. Die allermeisten Menschen in der DDR und in der jungen Bundesrepublik Ost hatten 1990 kein Telefon im Festnetzbereich. Das Mobiltelefon war zwar erfunden, seine Verbreitung begann aber erst etwa Mitte der Neunzigerjahre, sodass hier im Lande besondere Anstrengungen nötig waren, um all die anstehenden Aufgaben vernünftig zu koordinieren.
Sachsen hat mit den ältesten Wohnungsbestand, und nicht zuletzt gilt – der Minister wies darauf hin –: Alte Städte erhalten sich eben nicht von selbst. Daher gilt mein großer Dank all denen, die in dieser Zeit die Ärmel hochgekrempelt und einfach losgelegt haben. Dies waren doch die allermeisten. Gerade Menschen wie Dr. Albrecht Buttolo, der als Landtagskollege mit mir in den 1. Sächsischen Landtag nach Wiederherstellung des Landes eingezogen ist, gebührt hier ein besonderer Dank.
Er hat als Staatssekretär für Bauen und Wohnen und als späterer Innenminister einen entscheidenden Anteil an der Weichenstellung und der Koordination dieser Aufgabe gehabt. Auch heute wissen wir die Stadtentwicklung weiter in guten Händen. Ich kann unseren Staatsminister Ulbig nur ermutigen und unterstützen, diesen eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen.
Der Dank gilt aber vor allem auch allen Stadt-, Gemeinde- und Kreisräten, der untersten kommunalen Ebene und auch den Ortschaftsräten, die neben ihrer oft beruflichen Neufindung damals diese Aufgaben im Ehrenamt erfüllt haben. Sie waren die Stütze für die Bürgermeister, Oberbürgermeister, die Landräte und Regierungspräsidenten und alle Mitarbeiter in den neuen, jungen Verwaltungen.
Stadtentwicklung – das wurde auch vom Vorredner anerkannt – ist eine Gemeinschaftsaufgabe, getragen von den Kommunen und ihren Menschen im Lande, dem Land, dem Bund und der EU. In zwanzig Jahren wurde eine großartige und einmalige Aufbauleistung vollbracht. Dennoch bleibt festzuhalten, dass weiterer Umgestaltungsbedarf besteht. Wir fordern als CDU-Fraktion ganz klar eine deutliche Fortsetzung des Stadtumbaus Ost.
Wenn Sie heute mit Leuten sprechen, die diese Zeit, besonders die Anfangsjahre, aktiv mitgestaltet haben, werden Sie bei den Gesprächspartnern ein Leuchten in den Augen und die Begeisterung über all das Erreichte sehen. Sie werden Ihnen von den schlaflosen Nächten erzählen, in denen sie darüber nachdachten, ob ihre Entscheidungen, etwas Neues zu wagen, richtig waren, und den Stolz heraushören, dass ihre Entscheidungen von damals die Grundlage für das Fundament bildeten, auf dem wir heute stehen. Sie konnten sich nicht auf Gutachten und Expertisen von Fachleuten stützen, ob sie denn richtig oder falsch lagen, sondern sie haben entschieden und angepackt.
Ich möchte an dieser Stelle wiederholen: Seit 1991 wurden über 4 Milliarden Euro – der Minister hat die Zahl genannt – von Bund, Land und EU in sächsische Städte investiert. Jeder Cent, jeder Pfennig war dies wert.
Von den zahlreichen Förderprogrammen, die der Freistaat aufgelegt hat, möchte ich das Programm zur Brachenrevitalisierung hervorheben, das einen sehr wirksamen Beitrag zur Stadtentwicklung geliefert hat, da Industriebrachen nur mit erheblichem finanziellem Aufwand beseitigt werden können und hier dadurch eine Anschubfinanzierung erfolgte.
Die Menschen im Freistaat Sachsen können zu Recht stolz sein auf ihre Leistungen und auf das farbenfrohe Bild, das ihre sanierten Städte und Dörfer jetzt bieten. Bürgerlicher Stolz hat wieder wie selbstverständlich Besitz ergriffen. Die zahlreichen bürgerschaftlichen Initiativen legen davon Zeugnis ab – Initiativen, die ihre Städte, historischen Quartiere, ihre Kirchen, Schlösser und Klöster, ihre Museen und Vierseitenhöfe, ihre Umgebindelandschaften und manches historisches Sägewerk, manche historische Industrieanlage – wie zum Beispiel die Landskronbrauerei in Görlitz – erhalten und gestalten wollen. An dieser Stelle ist auch noch einmal ein großer Dank an das Projekt Deutsche Einheit und an Helmut Kohl zu sagen.
Für diejenigen, die vorhin den Zwischenruf getätigt haben, kann ich nur hinzufügen: Und Helmut Kohl hatte doch recht!
Im Übrigen möchte ich mich für die erste Seite im Entschließungsantrag der LINKEN ausdrücklich bedanken. Diese erste Seite des Entschließungsantrages dankt im Übrigen auch Helmut Kohl – zwar nicht, dass Sie ihn nennen; aber in den verbalen Äußerungen ist es ein Dank für die Politik der Staatsregierung in den ersten 20 Jahren, und dafür möchte ich mich bedanken.
Wir haben jetzt allerdings die Verpflichtung, dort anzuknüpfen, wo wir heute erfolgreich stehen. Dieser Aufgabe sind wir uns bewusst und deshalb haben wir im Koalitionsvertrag diese Aufgaben der Regionalentwicklung und der ganzheitlichen Strategien ausdrücklich niedergeschrieben. Es steht dort, die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten der Menschen und den sozialen Zusammenhalt im Blick zu haben. Darüber hinaus ist es unser Ziel, den Anteil am Wohneigentum zu erhöhen. Ja, darin unterscheiden wir uns. Das ist der Unterschied zwischen Sozialismus und Freiheit. Wir setzen auf die Kraft der Eigentümer. Wir setzen auf die Kraft derer, die ihr Leben eigenverantwortlich in die Hand nehmen und Eigentum bilden.
Das schließt aber nicht aus, dass wir die sozial Schwachen unterstützen. Wir machen es aber anders als die Genossen der SED, die Eigentum vernichtet und diejenigen, die
Ich möchte es nicht verabsäumen, auch die zahlreichen Stifter und Spender zu nennen, die Millionen für unseren städtebaulichen Aufbau beigebracht haben. Seit 18 Jahren spendet ein anonymer Spender für den Erhalt der städtebaulichen Substanz der historischen Stadt pro Jahr 1 Million D-Mark, also rund 500 000 Euro –, dies seit 18 Jahren für meine Heimatstadt Görlitz. Ein privater Spender spendet seit 18 Jahren 1 Million D-Mark – wenn das kein Einsatz ist! Und wenn das kein Beispiel für bürgerschaftliche Verantwortung ist!
Wenige Meter von hier erhebt die schöne Dresdner Frauenkirche wieder ihre steinerne Kuppel in die Dresdner Silhouette. Ohne aktive Spender im In- und Ausland wäre dies nicht möglich geworden. Aber auch ohne die mutigen Bürger, welche die Projekte angeschoben und vor allem auch mehrheitsfähig gemacht haben, wäre es nicht möglich gewesen. Danke dafür!
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Bundesstiftung Umwelt und zahlreiche weitere Stiftungen haben dazu in hervorragender Weise beigetragen. Dem großen persönlichen Einsatz von Herrn Prof. Dr. Gottfried Kiesow, welcher vor Kurzem verstarb, sei hier ausdrücklich gedankt – ein Mann, der Ehrenbürger von Görlitz ist und von anderen zahlreichen Städten in Deutschland diese Auszeichnung für sein unermüdliches Wirken und Werben für den Erhalt der Schätze unserer historischen Stadtlandschaften erhalten hat.
Warum spreche ich mit solcher Begeisterung von diesem Mann? Es ist deshalb so wichtig, weil wir die jungen Menschen im Lande für den Erhalt ihrer Städte und Gemeinden und ihrer historischen Stadtzentren begeistern müssen, um sie für diese Aufgabe zu gewinnen, um sein Anliegen weiterzutragen. Die Jugendbauhütten der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sind dabei nur ein Beispiel, wie Jugendliche an dieses Thema – Erhalt ihrer historischen Gemeinden und damit an die Schätze ihrer Städte – herangeführt werden. Es war die richtige Entscheidung, sich auf bestehende Strukturen und die Belebung der Innenstädte zu konzentrieren. Dies gilt auch für die Förderpolitik, und deswegen danke ich Markus Ulbig ausdrücklich für seine Regierungserklärung und die Ziele, die mit dieser Fachregierungserklärung verbunden sind.
Umbau und Verkleinerung sind eben wesentlich schwieriger, als die Innenstädte brachliegen zu lassen, die Sanierungsmittel zu verweigern und Expansion in der Platte, auf der grünen Wiese zu planen und umzusetzen. In dieser Dekade geht es um Umbau und Verkleinerung in einem bisher noch nie dagewesenen Ausmaß in Sachsen. Die Herausforderungen des demografischen Wandels – zum Glück werden wir älter – haben Konsequenzen für unsere Strategien, in der Energiewende und der Klimaanpassung
müssen wir jetzt diese Konsequenzen energisch anpacken und dürfen keinen Aufschub zulassen. Planloser Rückbau wird die Struktur unserer Städte zerstören. Wir müssen konsequent auf den Erhalt unserer Innenstädte setzen, Innenentwicklung muss vor Außenentwicklung stehen, ernst müssen wir die Gefahr einer neuen Welle des Wohnungsleerstandes nehmen.
Deshalb noch einmal Dank an unseren Ministerpräsidenten Tillich, dass er sich konsequent beim Bund dafür eingesetzt hat, weitere Hilfen für den Abriss in den betroffenen Gebieten am Rande einzusetzen,
Wenn Sie Linksextremisten und Rechtsextremisten in den alten Bundesländern und an anderen Stellen in Deutschland hören, dann hetzen sie mit genau gegenteiligen Parolen die Leute auf und erzählen ihnen, die Förderung für den Osten müsste komplett eingestellt werden. Sie machen eben nicht deutlich, vor welchen Schwierigkeiten wir hier stehen und was die Ursachen für diese Schwierigkeiten sind. Deswegen sind Ihre Zwischenrufe völlig unqualifiziert.
Darüber hinaus müssen wir den veränderten Anforderungen an das Wohnen mit gezielter Wohnraumförderung Rechnung tragen. Der Bedarf an barrierefreien Wohnungen besteht ebenso wie für bezahlbaren Wohnraum. Wir verschließen nicht die Augen vor der drohenden Altersarmut in einigen Teilen der Bevölkerung in den kommenden Jahren.
Zum Schluss noch ein Wort zum Denkmalschutz. Wer Denkmäler seiner Städte erhält, beschäftigt sich nicht nur mit der Vergangenheit, sondern erhält und sichert die Fundamente für seine Zukunft. Sachsen ist ein Land der Chancen für alle. Wer seine Zukunft hier aufbaut, findet dafür beste Voraussetzungen. Freiheitswille und Erfindergeist, Heimatliebe und Bodenständigkeit sind die Antriebskräfte für den sichtbaren Erfolg der letzten 20 Jahre im Freistaat Sachsen.