Für die CDU-Fraktion sprach Herr Kollege Bandmann. – Jetzt ergreift für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Köpping das Wort.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Minister! Herzlichen Dank zunächst für die Erklärung, die Sie heute abgegeben haben. Sie merken schon, ich habe nicht „Fachregierungserklärung“ gesagt, denn
das hat seinen Grund. Ich habe die Augen mal kurz zugemacht und zugehört, was Sie so gesagt haben, und Sie werden staunen, in vielen Punkten kann ich Ihnen zustimmen. Es waren die Erklärungen, die Bürgermeister oder Landräte hätten abgeben können; denn Sie haben von den Verdiensten und von den Leistungen gesprochen, die in den Kommunen stattgefunden haben.
Zu denen – das ist ganz klar – stehen wir natürlich auch. Ich selbst bin Bürgermeisterin gewesen – Sie waren Oberbürgermeister; heute sage ich es richtig; ich habe schon mal das „Ober“ weggelassen –, und wir wissen, wie schön es ist, wenn man durch die Städte läuft und sieht, wie man gemeinsam mit Stadträten und Gemeinderäten diese Entwicklung vorantreiben konnte. Das ist keine Frage. Wir haben heute vielen gedankt, auch Sie, Herr Bandmann; aber jemanden haben wir vergessen, und zwar den, der das Bund-Länder-Programm Stadtumbau Ost auf den Weg gebracht hat: Das war immerhin eine rot-grüne Bundesregierung.
Ja, dieses Bund-Länder-Programm war für Sachsen sehr erfolgreich. 112 Städte und Kommunen sind in dieses Programm aufgenommen worden und haben dort Sanierungsleistungen erbracht, die sich sehen lassen können und von denen wir auch sagen müssen, dass dort Bürger, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen beteiligt waren.
Aber der Stadtumbau ist noch lange nicht abgeschlossen. Wir stehen vor großen und neuen Herausforderungen. Der demografische Wandel muss aktiv gestaltet werden zur Wahrung und Wiederherstellung des sozialen Gleichgewichtes. Sie haben es ja angesprochen: Wir wollen die Innenstädte stärken, aber wie wollen wir das machen, wenn in den Innenstädten Wohnungen stehen, die die Menschen nicht mehr bezahlen können?
Wir wollen den Denkmalschutz. Auch dazu haben Sie gesprochen, dass wir dort ganze Quartiere entwickeln wollen. Das fordert der Denkmalschutz schon seit vielen Jahren.
Auch beim Klimaschutz haben wir gesagt, wir wollen die energetische Gebäudesanierung. Mein Vorredner von den LINKEN hat ausführlich benannt, was passiert, wenn wir dort nicht über die finanziellen Konsequenzen sprechen.
Wir haben über den Klimawandel gesprochen. Wir werden in Zukunft mehr Hochwasser, mehr Unwetter in Sachsen zu verzeichnen haben. Wie gehen wir damit um? Wir wollen klimapolitische Konzepte für die Stadtentwicklung aufsetzen, aber in Sachsen fehlen diese komplett. Ich frage – Sie haben ja davon gesprochen, dass wir ein sächsisches Energieprogramm haben –: Wann wird es denn nun verabschiedet?
(Staatsminister Markus Ulbig: Mein Kollege Sven Morlok ist der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr!)
Das Instrument der Stadtentwicklung wird in Zukunft mehr denn je gebraucht werden. Aber – und das ist tatsächlich meine Meinung – die Staatsregierung lässt die Städte und Gemeinden zusehends im Stich.
Sprechen wir vom Sparhaushalt der Staatsregierung. Es war heute mein Anspruch an die Fachregierungserklärung, dass Sie sagen, was Sachsen in der Zukunft konkret macht. 2011 waren 445 Millionen Euro für die Stadtentwicklung eingeplant. Im Jahr 2012 sind es nur noch 265 Millionen Euro, das heißt, mehr als die Hälfte wurde gestrichen. Ich will nicht sagen, dass damit 20 Jahre zunichte gemacht werden, aber wir stocken in unserer Entwicklung. Darüber müssen wir nachdenken. Statt Nachhaltigkeit und kontinuierlicher Entwicklung herrscht aus meiner Sicht Konzeptionslosigkeit und Kurzatmigkeit. Wir reden von der Gemeinschaftsaufgabe statt Umbau. Gemeinschaftsaufgabe heißt aber auch, dass die Bürger – auch die, die in den Klein- und Mittelstädten wohnen – zu diesen Wohnzentren kommen müssen. Wie geht das, wenn wir beim ÖPNV 7,5 % der Mittel gekürzt haben? Gerade vor zwei Tagen waren wir in Leipzig zu einer verkehrspolitischen Konferenz und haben uns vor Augen geführt, wie viele Linien und Fahrstrecken im ÖPNV eingespart worden sind.
Der Bund streicht die Mittel für den Städtebau zusammen. Das Programm „Soziale Stadt“ – es wurde heute schon davon gesprochen, wie toll das ist – wird um 60 % reduziert. 2012 bleiben uns davon 40 Millionen Euro. Das Programm „Stadtumbau Ost“ ist insgesamt um 40 % reduziert worden. Ich will Ihnen nicht absprechen, Herr Ulbig, dass Sie versuchen, in Berlin Einfluss zu nehmen, aber ich glaube, dass der Einfluss verstärkt werden muss. Wir bieten an, mit allen Partnern dort so viele Stimmen für den Stadtumbau einzuholen, dass wir tatsächlich gehört werden.
Eine zusätzliche Verschärfung des Problems sind auch die Einnahmen der Kommunen. Ich will nicht sagen, dass die Kommunen weniger Einnahmen haben als in der Vergangenheit, aber sie haben mehr Aufgaben. Dort liegt das Problem. Ich weiß aus der Zeit, als man Stadtsanierung betrieben hat, dass viele Kommunen große Programme aufgelegt haben, aber wenn es darum ging, diese Programme umzusetzen, sie aus finanzieller Not die Mittel nicht abrufen konnten. Jeder, der mit der SAB eng zusammengearbeitet hat, weiß auch, dass ungefähr im Oktober ein großes Anrufen beginnt: Wer hat noch Gelder, wer kann noch Mittel abrufen? Das hat mit strategischer Planung und einem konzeptionellen Ansatz nichts zu tun.
Der Rückbau allein ist für mich keine Lösung. Momentan hat der Freistaat ein Verhältnis von 80 zu 20 bei Rückbau
und Aufwertung plus das eigene Landesrückbauprogramm. Auch nützt es nichts, wenn die Staatsregierung 2010 ein Handlungskonzept Demografie entwickelt und dann 2011 den Hauptbetroffenen des demografischen Wandels, den Kommunen, gemeinsam mit dem Bund die Städtebaufördermittel zusammenstreicht.
Was müssen wir tun? Die Städte und Gemeinden auf den Klimawandel vorbereiten, energetische Sanierung betreiben, aktive Beteiligung der Kommunen am Klimaschutz. Ich hatte die Frage gestellt, wann das Energieprogramm in der Verabschiedung ist und ob es an den Kommunen hängen bleibt, ohne dass dafür Geld ausgegeben wird. Herr Stange hat bereits die Auswirkungen, die damit verbunden sind, ganz klar definiert. Wir dürfen die Städte und Gemeinden beim demografischen Wandel nicht alleinlassen. Wir dürfen das Land nicht auf Schließung vorbereiten, wie es die Staatsregierung aus meiner Sicht momentan tut, sondern der demografische Wandel, auch eine Schrumpfung, muss als Chance begriffen werden.
Heute wurde schon Frau Prof. Kabisch zitiert. Das Umweltforschungszentrum ist führend in diesem Bereich. Es wäre interessant, sich mit denen zusammenzusetzen. Die sagen „SHRINK SMART“, wir sagen „schlau schrumpfen“.
Eine konsequente Fortsetzung des Stadtumbaus ist notwendig. Sie haben von altersgerechten Wohnungen gesprochen. Der Freistaat Sachsen hat im Durchschnitt die älteste Bevölkerung in der Bundesrepublik. Auf der anderen Seite wurden die Gelder für die Mehrgenerationenhäuser nicht abgerufen. Ich finde es ja richtig, dass sie umgewidmet werden, aber wir müssen untersuchen, warum sie nicht abgerufen worden sind.
Ein weiterer Punkt ist die Aufwertung der zu erhaltenden Wohngebiete. Weil die Innenstädte durch zu teure Wohnungen nicht bezahlbar sind, ziehen die Leute in die Randlagen oder in die Bereiche, die abgerissen werden müssten. Integrierte Stadtentwicklung heißt auch Förderung der Nahmobilität. Wie das mit der Kürzung der Mittel im ÖPNV übereingehen soll, ist mir, ehrlich gesagt, noch ein Rätsel.
Investitionsanreize für innerstädtische Kerngebiete. Das muss ja nicht nur das Geld sein. Sie selbst haben in Pirna davon gelebt, dass wir das BIT eingesetzt haben, dass wir versucht haben, mit staatlichen Mitteln Projekte zu entwickeln, wie man innerstädtische Kerne beleben kann. Wenn man sich heute Klein- und Mittelstädte ansieht, weiß man, welch riesiges Problem das ist.
Belebung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Wenn die Menschen in der Region keine Perspektive haben, wo sie wissen, was sie in Zukunft an Einkommen erhalten, wo sie sichere Tarifabschlüsse haben, dann werden sie auch kein Eigentum anschaffen. Damit sind wir bei der Kern
frage, die heute auch noch auf der Tagesordnung steht, der Vergabeordnung, bei der wir solche festen Zusagen für die Zukunft fordern.
Regionale Wertschöpfung stärken und ausbauen. Wir dürfen nicht vergessen – und das soll mein Schlusssatz sein –: 1 Euro an Investitionen durch Förderprogramme bringt 8,50 Euro Folgeinvestitionen, die in jeder Kommune bleiben. Das ist echte Unterstützung unserer Kommunen.
Frau Kollegin Köpping sprach für die SPD-Fraktion. – Herr Kollege Hauschild spricht nun für die FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Freistaat Sachsen steht jetzt und in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Ich brauche da nur die demografische Entwicklung mit einem Bevölkerungsrückgang von rund einer Million Einwohnern von 1990 bis 2020 und einer älter werdenden Bevölkerung zu betonen. So erhöht sich der Anteil der Mitbürger über 65 Jahre auf fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Die Städte als wirtschaftliche und gesellschaftliche Motoren unseres Landes sind hier in besonderem Maße gefragt, gilt es doch, diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen und gleichzeitig ein lebenswertes Umfeld für die Bürgerschaft zu schaffen und zu erhalten.
Lebendige Städte, die sich durch eine vielfältige Mischung unterschiedlicher Lebenswelten auszeichnen und Wohnen, Freizeit und Arbeiten miteinander verknüpfen, sind attraktiv. Der Bedarf an seniorengerechten, auch barrierefreien Wohnungen und einer entsprechenden altersgerechten Stadtteilstruktur wird in den nächsten Jahren spürbar steigen. Dazu zählen besonders erreichbare medizinische Versorgung und ein gut ausgebauter öffentlicher Nahverkehr. Gleichzeitig müssen attraktive Lebensbedingungen für junge Familien und für Alleinstehende im Sinne eines gesunden Generationenmixes geschaffen werden. Ein gutes Kindergarten- und Schulangebot oder auch entsprechende Freizeitmöglichkeiten sind hier zu nennen.
Um all diesen Herausforderungen gerecht zu werden, bedarf es eines integrierten Stadtteilkonzeptes. Dieses soll die vielen komplexen Aufgaben und Anforderungen in Verantwortung der Kommunen miteinander in Einklang bringen. Außerordentlich begrüßen wir, dass das Zukunftsmodell „Kompakte Stadt“ im Rahmen der Ziele der Stadtentwicklung 2020 sich am Grundsatz der Stärkung der Innenstädte orientiert, das schon Bestandteil unseres Wahlprogramms zur Landtagswahl im Jahr 2009 war. Viel zu lange wurde in der Vergangenheit zugesehen, wie sich Handel, Dienstleistungen und Verwaltung an die Ränder der Städte verlagert haben. Zu einer lebendigen Innenstadt gehören diese aber untrennbar dazu.
Es ist sinnvoller, konzentriert im Innenstadtbereich die oft unter Denkmalschutzgesichtspunkten relevanten Wohnhäuser und Wohnungen zu sanieren und zu erneuern, Grünflächen dort neu zu gestalten, Brachflächen zu bebauen und dafür im Außenbereich die Zahl der leeren Wohnungen abzubauen, als mit zielloser Förderung die Flächenversiegelung voranzutreiben. Damit würde nur eine Zerfaserung der Städte riskiert, die zusammen mit dem immer noch aktuellen Bevölkerungsrückgang durch weit höhere Infrastrukturkosten die Bürger stärker belasten würde.
Somit muss ein Auseinanderfallen der Städte schon aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz verhindert werden. Die Gefahr der Entleerung der Innenstädte, eines weiträumigen Ausblutens, hat ihre Ursachen vielfach in Prozessen, die sich außerhalb, in anderen Stadtgebieten oder im suburbanen Raum, vollziehen und von dort auf die Innenstadt zurückwirken. Bei den Innenstädten ist die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt am deutlichsten. Allein schon deshalb ist es für die Zukunft der Städte so wichtig, ihre zentralen Bereiche zu pflegen oder zu erneuern und vor allem mit Leben zu füllen.
Auch im Hinblick auf den Klimaschutz macht es Sinn, nach dem Leitbild der „kompakten Stadt“ zu verfahren; denn eine engere Verzahnung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit verringert Verkehrsbelastungen und reduziert Emissionen. Zudem sind energetische Sanierungsmaßnahmen ein sinnvoller Beitrag zum Klimaschutz.
Was wir jedoch ablehnen, sind „von oben“ verordnete Verpflichtungen und starre Quoten für private und öffentliche Gebäude, wie von der EU in ihrer Energieeffizienzrichtlinie gefordert, die kaum Auswirkungen auf den Klimaschutz haben, jedoch die Geldbörsen der Eigentümer unverhältnismäßig belasten. Auf der finanziellen Seite sind schon erhebliche Mittel aus Wohnraum- und Städtebauförderung geflossen. Im Rahmen der Wohnraumförderung sind hier insbesondere die Förderrichtlinien Energetische Sanierung, Mehrgenerationenwohnen und Wohneigentum zu nennen. Jedoch werden vor allem die finanziellen Mittel aus Bundes- und EU-Mitteln in Zukunft zurückgehen. Aus diesem Grund ist eine Fokussierung auf einzelne Bereiche im Rahmen des integrierten Stadtentwicklungskonzepts für die Kommunen das Gebot der Stunde.
Das war Herr Kollege Hauschild für die Fraktion der FDP. – Für die Fraktion der GRÜNEN spricht jetzt Frau Kollegin Kallenbach.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch im Flächenland Sachsen lebt die Mehrheit der Bevölkerung in Städten. Städte sind für gewöhnlich die Orte der innovativen und gesellschaftlichen Entwicklung, aber auch die der sozialen Brennpunkte. Es hat sich nicht erst seit 2007, als die EU-Bau
minister die Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt verabschiedeten, herumgesprochen, dass der städtischen Dimension eine besondere Bedeutung zugemessen werden muss. Diese wurde folgerichtig in der Förderperiode 2007 bis 2013 in die Strukturfondsverordnung der EU aufgenommen. Stadtentwicklung bedeutet eben nicht nur anspruchsvolle Architektur oder denkmalgerechte Sanierung. Stadtentwicklung fordert Sorge für Arbeitsplätze, Bildung, Mobilität, Freiraum, Natur, Angebote für Junge und Alte, Kultur und Sport.
Dieses Themenspektrum lässt sich fortsetzen und kreiert in der Summe das, wonach die Mehrheit der Bewohner strebt: Lebensqualität.
Diese Botschaft scheint zumindest auch verbal in Sachsen angekommen zu sein. In vielen Teilen Ihrer Erklärung, Herr Staatsminister, kann ich Ihnen zustimmen. Sie haben eingangs beschrieben, welch gewaltige Entwicklungen sich in den letzten 22 Jahren vollzogen haben. Jedem, der daran Zweifel hat, empfehle ich, sich noch einmal den Film „Ist Leipzig noch zu retten?“ aus dem Jahr 1989 anzusehen.
Sie haben beschrieben, dass noch viel zu tun ist. Der demografische Wandel, knapper werdende öffentliche Finanzmittel, soziale Disparitäten und real existierende Klimaveränderungen erfordern komplexe Strategien. Der entscheidende Schlüssel ist die integrierte, nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung. Darin stimmen wir überein.