Protokoll der Sitzung vom 09.05.2012

gezielte Desinformation gegenüber der Presse und der Öffentlichkeit im

Umfeld der Debatten um den sogenannten Sachsen-Sumpf (Kriminelle und

korruptive Netzwerke in Sachsen)“

Wahl eines stellvertretenden Mitglieds

Drucksache 5/8968, Wahlvorschlag der Fraktion der NPD

Danach werden Mitglieder und stellvertretende Mitglieder von Untersuchungsausschüssen durch den Landtag nach Vorschlägen der Fraktionen gewählt. Herr Jürgen Gansel, NPD-Fraktion, ehemals stellvertretendes Mitglied, wurde in der 54. Sitzung zum Mitglied gewählt.

Mit dem vorliegenden Wahlvorschlag wird nun beantragt, Herrn Arne Schimmer als zukünftiges stellvertretendes Mitglied für den 2. Untersuchungsausschuss zu wählen. Die Wahlen finden, wie von mir bereits im vorangehenden Tagesordnungspunkt ausgeführt, nach unserer Geschäftsordnung in geheimer Wahl statt. Wenn kein Mitglied des Landtags widerspricht, kann auch durch Handzeichen abgestimmt werden. Ich frage also: Widerspricht jemand bei dieser Wahl? – Das ist nicht der Fall. Wir können also offen abstimmen.

Wer dem Vorschlag aus der Drucksache 5/8968 seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist Herr Arne Schimmer als stellvertretendes Mitglied im 2. Untersuchungsausschuss bei vielen Stimmenthaltungen gewählt. Ich frage ihn: Herr Schimmer, nehmen Sie die Wahl an?

(Arne Schimmer, NPD: Ja!)

Herr Schimmer nimmt die Wahl an. Damit ist Tagesordnungspunkt 2 beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 3

Fachregierungserklärung zum Thema:

„Bewahren. Erneuern. Gestalten. – Stadtentwicklung im Freistaat Sachsen“

Ich übergebe dazu das Wort an den Staatsminister des Innern, Herrn Ulbig. Bitte, Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Unsere Städte und Gemeinden gehören den Menschen. Die Sachsen leben und arbeiten gern in ihren Städten. Die Städte sind Heimat und Lebensmittelpunkt. Die Menschen fühlen sich mit ihrer Heimat verbunden. Städte stiften Identität. Unsere Städte sind die Impulsgeber der gesellschaftlichen Entwicklung. Ihre Bedeutung wird in den nächsten Jahren noch zunehmen. Sie besitzen Anziehungskraft, weit über ihre Grenzen hinaus. Ihre Entwicklung ist für den Wohlstand ganzer Regionen und der in ihnen lebenden Menschen entscheidend.

Unsere Städte haben sich gewandelt und werden sich in den nächsten Jahren weiter verändern. Nur eine Stadt im Wandel ist eine lebendige Stadt. Diesen Wandel zu gestalten ist Aufgabe der Stadtentwicklung. Deswegen ist Stadtentwicklung so wichtig. Sie muss das Wohl aller ebenso im Blick haben wie das des Einzelnen. Stadtentwicklung ist für die Menschen da. Egal, wo ich bin und zu welchem Anlass: In zahlreichen Gesprächen kommen wir immer auf die Stadtentwicklung zu sprechen. Der Tenor ist oft der gleiche. Die Menschen wollen das bewahren, was ihre Städte ausmacht. Sie wollen ihre Städte dort erneuern, wo es für die Zukunft sinnvoll ist. Sie wollen sich und ihre Ideen einbringen und mitgestalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Freistaat Sachsen ist eine moderne und zeitgemäße Stadtentwicklungspolitik gerade etwas mehr als 20 Jahre jung. Vergli

chen mit dem stolzen Alter der meisten unserer Städte und Gemeinden ist das ein sehr kurzer Zeitraum. Umso erstaunlicher sind die Qualität und die Intensität der Entwicklungen in dieser Zeit.

Ich möchte heute zum einen Bilanz ziehen und auf über 20 Jahre Stadtentwicklung in Sachsen zurückblicken. Ich möchte zeigen, wo wir heute stehen. Zum anderen – das ist ganz entscheidend – will ich ein Bild davon geben, was wir in den nächsten zehn bis 15 Jahren erreichen wollen und wie wir das gemeinsam umsetzen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Staatsregierung und die kommunale Familie können mit Stolz sagen: Stadtentwicklung in Sachsen ist eine Erfolgsgeschichte.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dabei war die Ausgangssituation im Jahre 1990 für unsere Städte und Gemeinden alles andere als gut. Schließen Sie einmal die Augen und versuchen Sie, sich an damals zu erinnern.

(Zuruf von den GRÜNEN: Lieber nicht!)

Was sehen Sie dann? – Verfallene Stadtkerne, Altbauten, an denen seit Jahrzehnten nichts mehr gemacht wurde, eine schlechte Infrastruktur und viele Industriebrachen, auch in den Stadtinnenbereichen. Kaum jemand wollte noch in den Innenstädten leben. Sie kennen vielleicht noch die Redewendung „Ruinen schaffen ohne Waffen“, ein Versuch, diese Zustände mit Ironie erträglicher zu machen. Auch deswegen sind die Menschen 1989 auf die Straße gegangen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP)

Sanierung und Neubau waren daher die zentralen Themen in den gesamten Neunzigerjahren – mit beeindruckenden Ergebnissen nach sehr kurzer Zeit. Wenn man damals einige Monate nicht in Bautzen, Pirna, Leipzig oder Meißen war, hat man die Städte danach fast nicht wiedererkannt. Aus baufälligen, maroden, teilweise einsturzgefährdeten Gebäuden wurden regelrechte Juwele. Für mich ist das, was damals geschaffen wurde, immer noch ein Wunder. Für uns ist es heute schon zur Normalität geworden. Versuchen Sie dennoch, ob Sie beispielsweise Ihren Kindern verständlich machen können, wie es an manchen Orten vorher aussah.

Die zweite Dekade der Stadtentwicklung wurde stark von der Bevölkerungsentwicklung in unserem Lande beeinflusst. Auf der Suche nach Arbeit zogen die Menschen vielerorts weg. Bereits Anfang der Neunzigerjahre ging die Geburtenrate zurück. Das war deutlich spürbar. Die Folge: Leerstand. Auf dem Wohnungsmarkt herrschte ein großer Angebotsüberschuss. Das bedrohte die Wohnungswirtschaft. Um den Wohnungsmarkt zu stabilisieren, waren Rückbauten unumgänglich. Denken Sie beispielsweise an Hoyerswerda. Da hat sich die Bevölkerungszahl binnen weniger Jahre mehr als halbiert.

Heute lässt sich eine positive Bilanz ziehen. Die historische Bausubstanz konnte überwiegend erhalten werden

und wurde denkmalgerecht saniert. Es gibt eine moderne Infrastruktur. Der Wohnungsmarkt ist stabil. Die Bürgerinnen und Bürger sind in ausreichendem Maße mit modernisiertem und angemessenem Wohnraum versorgt.

Jedoch wären wir heute nicht dort, wo wir jetzt sind, wenn nicht alle mit angepackt hätten. Die kommunale Familie – besonders die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister -, die Stadträte, Landräte und Kreisräte haben in ihren Städten und Kreisen wichtige Weichen gestellt. Investoren, Eigentümer, Wohnungsgenossenschaften und Wohnungsgesellschaften haben viel Geld in Sanierung und Umbau gesteckt. Architekten, Planer und Bauhandwerk haben unsere Städte in neuem Glanz erstrahlen lassen. Unzählige Initiativen, Vereine und nicht zuletzt der einzelne Bürger haben Ideen eingebracht und mitgeholfen, damit ihre Städte und Gemeinden lebenswert sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

All denen und selbstverständlich auch Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, gebührt für den unermüdlichen Einsatz im Sinne unserer Städte und Gemeinden Dank. Die Förderung hat die Entwicklung der sächsischen Städte seit der Wende unterstützt. Mehr als 4,3 Milliarden Euro sind seit 1991 über verschiedene Förderprogramme von Bund, Land und EU in unsere sächsischen Städte und Gemeinden geflossen.

Im Rahmen der Wohnungsprogramme kamen noch einmal weitere 5 Milliarden Euro hinzu. Überall in Sachsen haben wir damit viel bewirkt. Wir dürfen uns jetzt aber nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen, denn es bleibt noch viel zu tun.

(Beifall des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Als in den letzten Jahren in vielen Städten Gebäude und Infrastruktur abgerissen werden mussten, war das notwendig. Wir haben den Menschen aber immer gesagt: Hier hört Stadtentwicklung nicht auf. In den nächsten Jahren muss es darum gehen, die Städte qualitativ aufzuwerten und sie weiter liebens- und lebenswert zu machen.

Die Frage lautet: Was macht unsere Städte und Gemeinden eigentlich lebenswert? – Da gibt es wahrscheinlich viele und teilweise auch sehr unterschiedlichen Ansichten. Aber ein paar Aspekte sind aus meiner Sicht doch Konsens: Die Menschen wollen eine funktionierende städtische Infrastruktur. Die Menschen wollen urbane und funktionale Städte. Die Menschen wollen schöne, grüne und gesunde Städte, und die Menschen wollen an der Entwicklung ihrer Städte und Gemeinden teilhaben.

Mit dem Ziel lebenswerter Städte vor Augen und dem Erreichten im Rücken ist der Anspruch für die nächsten Jahre klar: Wir wollen das bewahren, was unsere Städte ausmacht, wir wollen dort erneuern, wo es unsere Städte besser macht, und wir wollen diese Entwicklungen gemeinsam gestalten. Das schaffen wir aber nur, wenn wir uns keinen Illusionen hingeben und aktuelle wie künftige Herausforderungen konsequent angehen.

Die nächsten zehn Jahre sind vor allem durch den demografischen Wandel und die wichtigen Weichenstellungen in Klima- und Energiepolitik geprägt. Ich muss hier niemandem mehr erklären, was es mit dem demografischen Wandel auf sich hat. Nur ein paar aktuelle Zahlen: Im Jahr 2025 leben in Sachsen circa eine halbe Million Menschen weniger als heute. Das ist in etwa die Dimension der Landeshauptstadt Dresden. Außerdem wird die sächsische Bevölkerung älter. Heute ist fast jeder vierte Sachse über 65 Jahre alt. Im Jahr 2025 wird das fast jeder dritte sein; und es werden immer noch zu wenige Kinder geboren.

Gegentrends zeichnen sich bisher nur in Dresden und Leipzig ab. All das hat große Auswirkungen auf die Entwicklung unserer Städte und Gemeinden. Neuer Leerstand, zu große Infrastruktur, eine verstärkte soziale Dimension im Wohnungsbau sind die Folgen.

Daneben führen wir seit über einem Jahr in ganz Deutschland eine intensive Debatte über Energie- und Klimafragen. Die Reaktorkatastrophe von Fukushima hat die Menschen weltweit geschockt und vor allem in Deutschland eine breite Diskussion über Atomkraft und -energie angestoßen. Die Politik hat darauf reagiert. Die Energiewende ist ein großer und wichtiger Schritt. Sachsen will seinen Anteil daran leisten. Der Freistaat setzt in seinen Leitlinien „Sachsen 2020“ und seinem Energie- und Klimaprogramm klare Ziele. Der Handlungsdruck durch Demografie, Klima und Energie ist groß, und eines steht fest: Wir schaffen das nur gemeinsam mit den Städten und Gemeinden; denn zuallererst liegt die Stadtentwicklung natürlich in der Verantwortung der Kommunen selbst.

Aber der Freistaat lässt die Städte und Gemeinden nicht allein. Ich formuliere heute eine Stadtentwicklungsstrategie, die ich mit allen Akteuren der Stadtentwicklung gemeinsam umsetzen will. Auch wenn unsere Ansichten manchmal unterschiedlich sind, wir haben ein gemeinsames Ziel: lebenswerte und zukunftsfähige Städte.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Dieses Ziel ist mit einer nachhaltigen Stadtentwicklung verknüpft. Dabei geht es nicht nur um heute oder die nächsten drei oder vier Jahre, sondern um Entscheidungen und Prozesse, die sich auf die nächsten Jahrzehnte auswirken. Zur städtebaulichen Nachhaltigkeit gehören vor allem ein verantwortlicher Umgang mit den vorhandenen Ressourcen und die Verknüpfung ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte.

Stadtentwicklung muss die Interessen der kommenden Generationen im Blick haben. Daran ist unser gemeinsames Handeln auszurichten. Wenn in Sachsen künftig weniger Menschen leben, kann es kein einfaches „Weiter so!“ geben.

(Beifall des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Wenn sich unsere Gesellschaft verändert, müssen die Städte diesen Entwicklungen folgen. Wegen des Bevölke

rungsrückgangs wird in der nächsten Dekade neuer Leerstand hinzukommen. Nach jetzigen Hochrechnungen sind das perspektivisch rund 150 000 Wohnungen, die nicht mehr benötigt werden. Das sind, meine sehr verehrten Damen und Herren, 50 000 Wohnungen mehr, als in den letzten zehn Jahren abgerissen wurden. Nur Dresden und Leipzig sind davon weniger betroffen. Alle anderen sächsischen Städte und Gemeinden müssen sich darauf einstellen. Das heißt: Der Rückbau ist weiterhin unausweichlich. Doch dieser Rückbau muss gestaltet werden. Einfach überall dort Gebäude abzureißen, wo gerade Leerstand ist, führt dazu, dass Stadtstrukturen unwiederbringlich zerstört werden.

In den kleinen und mittleren Städten sind vor allem die Altbauten in den Gründerzeitvierteln von Leerstand bedroht. Ganze Quartiere sind in Gefahr. Lebensqualität ist aber abhängig davon, dass wir lebendige Städte mit intakten Stadtstrukturen haben. Deshalb müssen insbesondere die Bürgermeister und die Menschen vor Ort genau überlegen, welche Quartiere insgesamt zurückentwickelt und welche für die Zukunft aufgewertet werden sollen.

Das Leitbild der kompakten Stadt ist dafür das geeignete Instrument. Es sieht vor, die Innenstädte als Zentren für Wohnen, Handel, Gewerbe, Infrastruktur und Daseinsfürsorge zu stärken. Die Innenstadtentwicklung hat Vorrang.