Protokoll der Sitzung vom 10.05.2012

Sie haben es zur Kenntnis genommen. Vielen Dank.

Meine Damen und Herren! Die Aussprache ist beendet. Wir kommen zum Schlusswort. Ich frage die SPDFraktion. – Nicht erforderlich.

Ich stelle nun die Drucksache 5/8971 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist die Drucksache nicht beschlossen worden und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen nun zum

Tagesordnungspunkt 8

Quantifizierung des kommunalen Investitionsbedarfes

Drucksache 5/8977, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: GRÜNE, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht.

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Hermenau.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Der Antrag, der Ihnen heute von unserer Fraktion vorgelegt wurde, hat vor allem damit etwas zu tun, dass der Bürger Politik im Allgemeinen und im Speziellen meistens vor Ort erlebt, nämlich in der Kommune, vielleicht auch im Landkreis, vor allem wenn die Straßen schlecht sind. Das heißt, die Frage, wie die Kommunen in der Lage sind, den Alltag zu gestalten

und das Leben lebenswert zu machen, ist entscheidend dafür, was die Menschen darüber denken, wie die Politik in Sachsen funktioniert. Für die Erfüllung solcher öffentlicher Aufgaben ist in hohem Maße die Frage der Infrastruktur verantwortlich. Wir hatten heute bereits die Frage, dass es eben nicht nur von Landesseite die Lehrer braucht, sondern auch die Schulgebäude. Die Mobilität braucht einen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr, also auch intakte Gleise und keine Langsamfahrstrecken. Für einen leistungsfähigen Brandschutz, um dort noch einmal anzuknüpfen, braucht es zuverlässige und moderne Gerätschaften.

So arbeiten Land und Kommunen in vielen Fragen Hand in Hand. Die Frage muss deswegen meiner Meinung nach im Landtag interessieren. Der kommunale Investitionsbedarf ist eine Angelegenheit des Freistaates. Er muss genau wissen, in welcher Region welche Aufgaben und welche Investitionen erforderlich sind. Das hat damit zu tun, dass der Freistaat die Kommunen über den kommunalen Finanzausgleich mit angemessenen Finanzmitteln ausstatten muss – das ist sogar in der Verfassung festgelegt –, weil er Förderprogramme auflegt, um kommunale Investitionen zu unterstützen und weil die Erbringung so mancher kommunaler Leistung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Im Bereich Bildung wird das klar. Die Lehrer bezahlt das Land, die Gebäude stellen die Gemeinden.

Wir fragen deshalb in diesem Berichtsantrag ab einer bestimmten Gemeindegröße sehr konkret nach den kommunalen Investitionsbedarfen, die für die rechtlich einwandfreie Aufgabenerfüllung erforderlich sind, und zwar getrennt nach den obliegenden Pflichtaufgaben und Weisungsaufgaben und den freiwilligen Aufgaben.

In den Zeitungen tauchte in den letzten Wochen immer wieder das Beispiel Dresden auf, so auch am 07.05., wo man sehr eindrucksvoll nachlesen kann, dass die Brisanz der kommunalen Investitionsprobleme mit hoher Aktualität vorliegt. Im Bereich der Schulen sind bis 2018 in der Stadt Dresden knapp 600 Millionen Euro Baukosten für Schulneubauten und Schulerweiterungen erforderlich. Dann kommt noch ein Sanierungsstau in den bestehenden Schulgebäuden, den die Landeshauptstadt auch mit über 600 Millionen Euro beziffert. Wenn das schon die Zahlen für die eine sächsische Großstadt sind, wie sieht es dann in Leipzig oder Chemnitz aus? Was heißt das insgesamt?

Auf der einen Seite freut man sich über den Geburtenanstieg, auf der anderen Seite kommt man in diesen Fragen, wie Kita und Schulhausbau, nicht hinterher.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt auch noch die neue Förderrichtlinie Schulhausbau. Ich will jetzt nicht auf die Fördersatzhöhe eingehen, aber: Die neuen Förderschwerpunkte sollen künftig insbesondere Investitionsvorhaben sein, die zu einer stärkeren Kopplung der Schulausbildung mit dem Berufsleben und den Bedürfnissen der regionalen Wirtschaft führen.

Außerdem stehen die Verbesserung der Energieeffizienz der sächsischen Schulen und der Einsatz von Kommuni

kations- und Informationstechnologien im Mittelpunkt der neuen Förderrichtlinie. Das kann man alles wollen. Wir sind sogar sehr dafür, die energetische Sanierung zu fördern. Das würde unsere Unterstützung finden. Aber ich finde es außerordentlich irritierend, dass die dringend benötigten Schulneubauten und Schulerweiterungsbauten anscheinend keinen Förderschwerpunkt bilden. Genau hier setzt der Berichtsantrag an, indem wir Transparenz über den tatsächlichen Investitionsbedarf in den sächsischen Kommunen herstellen wollen.

Neben den Schwerpunkten Schule und Kitas fragen wir uns: Wie sind die Investitionserfordernisse im ländlichen Raum zu beziffern, die beispielsweise aufgrund von Abwanderung und Alterung der Bevölkerung für den Rück- und Umbau der Infrastruktur erforderlich sind? Wenn immer weniger Leute da sind, dann steigen die ProKopf-Kosten. Man nennt das Kostenremanenzen. Wie ist denn der Sanierungsstau in den Unter- und Mittelzentren Sachsens, die noch eine ganze Reihe von Aufgaben im ländlichen Raum haben, zu bewerten? Oder: Welche Investitionsvolumen der energetischen Gebäudesanierung halten die Kommunen für erforderlich?

Wer unsere Klimaschutzziele nicht teilt, muss doch zumindest ein Interesse daran haben, die Betriebskosten in den Kommunen auf Dauer zu senken, denn die Einnahmen der Kommunen in Sachsen gehen tendenziell strukturell zurück. Dann sollten wir die Kommunen dabei unterstützen, ihre laufenden Ausgaben für ihre eigenen Gebäude durch energetische Gebäudesanierung dauerhaft abzusenken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist – zu Ende gedacht – solide Finanzpolitik. Wir müssen darüber nachdenken, wo es zukünftig steigende Kostenbelastungen auf der kommunalen Ebene geben wird, wie wir sie mildern bzw. vermeiden können oder wo wir unterstützende Investitionen geben.

Damit bin ich beim grundsätzlichen Anliegen dieses Berichtsantrags. Solide Finanzpolitik bedeutet doch nicht nur, die Haushalte im Hier und Heute auszugleichen. Das ist Voraussetzung; das müssen wir machen. Da gibt es mehr Zustimmung in diesem Parlament, als man immer gedacht hat.

Aber: Solide Finanzpolitik bedeutet auch Generationengerechtigkeit, also den künftigen Haushalten keine Lasten aufzubürden, die wir heute erzeugen. Hier ist für die Generationengerechtigkeit neben der Begrenzung der offenen Kreditaufnahme auch eine Vermeidung der sogenannten verdeckten Verschuldung von Bedeutung. Es ist offensichtlich, dass beispielsweise Gebäude, die gegenwärtige Generationen abnutzen, in einem Zustand zu erhalten sind, dass sie auch kommenden Generationen Nutzen stiften. Es nützt nichts, heute eine Schuldenbremse einzuführen und alles so verfallen zu lassen, dass die nächste Generation nicht in der Lage ist, Gebäude so instand zu setzen, dass sie sie nutzen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Werden die Instandsetzungen und Modernisierungen unterlassen, bauen sich genau solche Zukunftslasten auf. Das wäre gemogelt. Das wollen wir nicht. Wir wollen nicht mogeln. Wir wollen die Schulden bremsen. Wir wollen einen sehr sparsamen und stringenten Umgang mit öffentlichen Mitteln auf beiden Ebenen des Freistaates. Da es immer mehr Gerangel und immer heftigere Verteilungskämpfe geben wird, weil das Geld insgesamt weniger wird, ist Transparenz ein gutes Verfahren, um mit diesen Verteilungskämpfen einigermaßen fertigzuwerden. Dazu gehört auch, dass Sie diesen Berichtsantrag unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN und der SPD)

Für die CDUFraktion spricht der Herr Abg. Krasselt.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! „Quantifizierung des kommunalen Investitionsbedarfes“ lautet die Überschrift des zu behandelnden Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich will zugeben: Der Beitrag von Frau Hermenau war besser als das, was ich im Antrag gelesen habe.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Na, na!)

Das ist ein Kompliment für Sie. – Das liest sich im ersten Moment tatsächlich nicht schlecht. Bei genauem Hinsehen – das will ich ehrlich sagen – habe ich schon den Kopf geschüttelt; ich werde das noch begründen.

Die Kommunen – das haben Sie richtig gesagt – sind der lebende Organismus unseres Freistaates. Nur im Wechselspiel zwischen Kommunen, Landkreisen und Freistaat findet das wirkliche praktische Leben statt. Deshalb ist die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen – insbesondere deren Investitionsfähigkeit – von eminenter Wichtigkeit; ich denke, darin sind wir uns sehr einig.

Die Kommunalfinanzen – auch das wissen wir – unterliegen wegen der Einnahmenstruktur zum Teil erheblichen Schwankungen. Ich denke nur an das Thema Gewerbesteuer und – mit zeitlichem Versatz – Schlüsselzuweisungen.

Einige wenige Zahlen sollen untermauern, wo wir im Moment stehen: 2011 konnten allgemeine Deckungsmittel unserer sächsischen Kommunen in Höhe von

4,8 Milliarden Euro registriert werden. Das ist ein Rekordwert. Das führte zu 734 Millionen Euro Überschuss der laufenden Rechnungen (Investitionsmöglichkeit).

Das kommunale Finanzierungssaldo ist auch sehr interessant: In Sachsen plus 45 Euro pro Einwohner – das bleibt also nach der gesamten Ausgabensituation vom Vermögens- und Verwaltungshaushalt übrig – plus 22 Euro pro Einwohner immer noch für die Länder Ost, aber minus 52 Euro pro Einwohner für die Länder West. Das ist Ergebnis der prosperierenden sächsischen Wirtschaft, des West-Ost-Transfers – das muss man unbedingt dazusagen

, unseres FAGs und natürlich des verantwortungsvollen Umgangs unserer Kommunen mit Geld.

Nun konkret zum Antrag: Bei näherem Hinsehen kommen mir folgende Gedanken: Unverständnis für kommunale Denkweise; ich werde das gleich noch begründen. Oder: Gab es eine Antragsnot? Hatte man heute keinen besseren Antrag zur Verfügung?

(Heiterkeit bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Denn: Weder die Staatsregierung noch die Landkreise verfügen für ihre kreisangehörigen Kommunen über Zahlen, die den tatsächlichen Investitionsbedarf der nächsten Jahre beziffern. Dieser müsste in einem Verfahren erfragt werden. Eine rechtliche Grundlage für ein solches Verfahren kenne ich zumindest nicht.

Vielmehr sagt der Art. 82 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung Folgendes aus: „Träger der Selbstverwaltung sind die Gemeinden, Landkreise und andere Gemeindeverbände. Ihnen ist das Recht gewährleistet, ihre Angelegenheit im Rahmen der Gesetze unter eigener Verantwortung zu regeln.“

Allerdings kann ich mir sehr gut vorstellen, dass die Kommunen unseren Bitten, eine solche Prognose abzugeben, nachkämen.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das glaube ich auch!)

Bei allem Respekt, meine Damen und Herren, für unsere Kommunen: Dafür war ich viel zu lange Bürgermeister, als dass ich nicht wüsste, was das im Ergebnis brächte. Ich fürchte, dass deutlich überzogene Investitionsschätzungen im Ergebnis einer solchen Befragung herauskommen würden. Natürlich wird dann das Wünschenswerte und nicht etwas das tatsächlich Notwendige beziffert, schon aus Sorge, dass diese Zahlen dafür verwendet werden könnten, bei späteren Fördermittelzuweisungen herangezogen zu werden. Ich denke, das leuchtet auch jedem ein.

Was wollen wir mit solch unrealistischen Zahlen? Ich will nicht annehmen, dass Sie bezwecken, damit ein Szenario der völligen Unterfinanzierung der sächsischen Kommunen zu entwerfen. Das haben Sie nicht getan. Deswegen sage ich: Der Redebeitrag war besser als der Antrag. Es sei von mir an diese genannten Zahlen erinnert, wo wir im Moment stehen.

Zur Generationengerechtigkeit: Die in den kommenden Jahren in den kommunalen Haushalten eingeführte Doppik wird den Werteverzehr der Infrastruktur der Kommunen offenlegen. Das führt zu besseren Möglichkeiten für die Stadt-, Gemeinde- und Kreisräte, Einfluss zu nehmen, und beziffert natürlich ein Stück weit den wirklichen Investitionsbedarf. Ausgenommen davon sind Neubauten. Aber ich denke, auch bezüglich Neubauten muss in Bezug auf Generationengerechtigkeit kritisch hinterfragt werden: Was haben wir an Struktur? Was brauchen wir an Struktur? Und was ist mit Blick auf die Zukunft bezüglich der Nachhaltigkeit wirklich erforderlich?

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wiederhole hier zum zigsten Male meinen Appell: Trauen Sie den Kommunen die verfassungsmäßig garantierte Selbstverwaltung bitte zu. Diese wissen, was zu tun ist, sie können bis auf ganz wenige Ausnahmen sehr verantwortlich mit Geld umgehen und brauchen unsere Nachfragen nach ihrem Investitionsbedarf sicher nicht.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP)

Der vorliegende Antrag würde bei einer Pi-mal-DaumenSchätzung zu erheblichem Verwaltungsaufwand führen, keine belastbaren Zahlen liefern, bestenfalls unrealistische Erwartungen schüren und zu Enttäuschungen führen.