Meine Damen und Herren! Wir brauchen kurzfristig einen Bericht über den Investitionsbedarf der kommunalen Hand. Leider verhält sich die Staatsregierung, was die Quantifizierung von Investitionen auf kommunaler Ebene betrifft, wie die drei Affen – nichts sehen, nichts hören und nichts sagen. Stattdessen verweist man gern auf die bestehende kommunale Zuständigkeit. Das haben wir gerade wieder gehört. Die Kommunen können ja eigenständig entscheiden. Sie können das eben nicht, auch das wissen wir beide, die wir in der kommunalen Ebene gearbeitet haben. Wir haben dort Haushaltspläne, die genehmigt werden müssen. Wenn eine Kommune tatsächlich einmal Mehreinnahmen hat und nicht als abundante Gemeinde gezählt wird, dann hat sie das gefälligst in ihre Entschuldung zu stecken.
Meine Damen und Herren! Es gehört zu den Pflichtaufgaben der kommunalen Ebene, die notwendige Infrastruktur in den genannten Bereichen zur Verfügung zu stellen. Um gleiche Lebensverhältnisse in allen Gemeinden Sachsens sicherzustellen – und darum geht es –, muss die Staatsregierung gemeinsam mit der kommunalen Ebene jedoch im ersten Schritt Kenntnis darüber haben, wie hoch die
Investitionsbedarfe innerhalb von Sachsen tatsächlich sind. Darin, Herr Krasselt, kann ich Ihnen vielleicht recht geben: Vielleicht sagt eine Kommune, dass sie mehr Bedarf hat, als das tatsächlich der Fall ist. Umso mehr würde es doch helfen, wenn wir das wirklich einmal aufarbeiten.
Im zweiten Schritt müsste gemeinsam mit der kommunalen Ebene verhandelt werden, wie dieser Investitionsstau abgebaut werden kann. Nur dann haben wir beispielsweise für investive Schlüsselzuweisungen eine planerische Grundlage.
Meine Damen und Herren! Wir müssen handeln. Wenn der Investitionsbedarf nicht gedeckt wird, kann das unterschiedliche Folgewirkungen haben, beispielsweise langfristig höhere Kosten durch veraltete Heizungsanlagen, aber auch eine Gefährdung der Nutzer, zum Beispiel Straßenverkehrsnutzer. Nicht zu vergessen sind die nachteiligen Folgen für die Umwelt.
Aus der jüngsten Zeit kann ich ein Straßenbeispiel nennen. Wir sprachen von hoch verschuldeten Kommunen. Die am höchsten verschuldete Gemeinde in Sachsen ist Deutzen. Deutzen ist übrigens nicht selbst schuld an dieser Verschuldung. Es ist eine Bergbaugemeinde, die zu DDR-Zeiten erheblichen Wohnungsbau betrieben hat, nach der Wende diese Wohnungen auf Anweisung des damaligen Regierungsbezirks sanieren musste und die deswegen hoch verschuldet ist. Sie hat keine Schuld an diesen Dingen. Man hat ihr noch empfohlen, ein großes Gewerbegebiet zu errichten, das sie auch nicht besetzen konnte, weil sich in dieser Region keiner ansiedelt. Ich sage das nur, weil jetzt ein großes Bild aus dieser Gemeinde in der Presse aufgetaucht ist. Da hatte ein Bürger gesagt: Ich pflanze in alle Straßenlöcher Blumen. Das war dann ein reines Blumenmeer und keine Straße mehr. Aber was passiert, wenn dort ein Kind zu Tode kommt oder Ähnliches?
Meine Damen und Herren! Wir haben in Sachsen einen hohen Investitionsbedarf auf der kommunalen Ebene. Die Frage ist, wie wir diesen Bedarf in den nächsten Jahren decken können. Dass dafür die Finanzpolitik der letzten beiden Jahre nicht richtungsweisend sein kann, zeigt ein Blick in den statistischen Bericht über die Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Kommunalhaushalte 2011. So wurden allein 2011 die Zuweisungen des Landes für Investitionen an die Kommunen um 353 Millionen Euro gekürzt. Dies bedeutet einen Rückgang um 27,6 %. Noch gravierender ist jedoch der Rückgang, wenn man sich die Kommunen genauer anschaut. Noch stärker waren die kreisfreien Städte vom Rückgang der Investitionsmittel betroffen.
Vor allem die beiden größten Städte Sachsens, Dresden und Leipzig, haben in den letzten Jahren mit Bevölkerungszuwachs zu kämpfen. Ich sage: „zu kämpfen“, obwohl wir gestern den demografischen Wandel angesprochen haben. „Zu kämpfen“ heißt, dass sie eben Kita- und Schulplätze zur Verfügung stellen müssen.
Frau Hermenau, Sie haben vorhin gefragt, wie hoch denn der Investitionsstau in Leipzig ist. Das sind circa 500 Millionen Euro im Schulbereich.
Meine Damen und Herren! Stimmen Sie dem Antrag zu, dann haben wir zumindest kurzfristig einen Überblick über die Investitionsbedarfe. Das wird uns jedoch nicht davon entbinden, spätestens in den Haushaltsberatungen darüber zu sprechen, wie wir diesen Investitionsstau abbauen können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Anliegen des vorliegenden Antrages der GRÜNEN kann durchaus nachvollzogen werden. Die verdeckte und auch die implizite Verschuldung ist in der finanziellen Situation der Kommunen nicht zu vernachlässigen und sollte mehr in den Blickpunkt von Betrachtungen der kommunalen Verschuldung gerückt werden. Allerdings braucht es dazu nicht den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Mit der Umstellung auf die doppelte Buchführung müssen Bewertungen der kommunalen Infrastruktur vorgenommen werden. Jede nicht vorgenommene Instandhaltungsmaßnahme muss so Jahr für Jahr berücksichtigt werden. Diese Bewertung fällt eindeutig in die kommunale Selbstverwaltung.
Wie Sie alle wissen, ist der Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung nicht nur in Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes, sondern auch in Artikel 84 der Sächsischen Verfassung verankert. An diesen Grundsatz haben wir uns als Freistaat Sachsen zu halten, und wir werden dies auch tun. Danach obliegt es den Kommunen, ihre Aufgabenerledigung selbst zu organisieren. Damit liegt es auch in der Verantwortung der Kommunen selbst, die Entscheidung für oder gegen eine Investition oder Instandhaltungsmaßnahme zu treffen.
Wenn die Wähler bei den politisch Handelnden eine falsche Prioritätensetzung erkennen, weil in den Kommunen nicht ausreichend investiert wird, können sie mit ihrer Wahlhandlung zu einer Änderung der Prioritätensetzung beitragen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist kommunale Selbstverwaltung. Eine Bevormundung der Kommunen durch die nächsthöhere Ebene lehnen wir als FDPFraktion jedoch in der von Ihnen, Frau Hermenau, vorgeschlagenen Form ab.
Wir wissen zwar, dass die Kommunen gemäß Artikel 85 der Sächsischen Verfassung öffentliche Aufgaben von der nächsthöheren Ebene übertragen bekommen können. Die
in diesem Zusammenhang entstehenden Mehrbelastungen der kommunalen Träger sind den Kommunen aber auszugleichen. Dem kommen wir als Freistaat Sachsen auch nach.
Meine Damen und Herren! Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Antrag verklausuliert sagen will: Läuft etwas schief, hilft die nächsthöhere Ebene mit Bevormundung, mit Regeln und Verboten. Diesen Weg wollen wir als FDP-Fraktion natürlich nicht beschreiten. Wir werden die kommunale Selbstverwaltung stärken, ebenso wie den kommunalen Entscheidungsspielraum. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir volles Vertrauen, dass die Kommunen mit ihrer Verantwortung sachgerecht umgehen. Der Freistaat Sachsen unterstützt die sächsischen Kommunen bei ihren Investitionen in die Infrastruktur, ob beim Schulhaus- oder Kita-Bau oder über Investitionsprogramme – wie erst vor weniger als einem halben Jahr auf den Weg der positiven Steuermehreinnahmen gebracht. Natürlich ist uns als Regierungskoalition bewusst, dass diese Mittel nicht vollumfänglich ausreichen, um alle notwendigen Investitionen der Kommunen zu finanzieren. Aber auch hier liegt es an den Kommunen selbst, die richtigen Prioritäten zu setzen. An dieser Stelle kann der Freistaat Sachsen nur unterstützen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN! Auch aus einem weiteren Grund bedarf es Ihres Antrages nicht: Die kommunalen Parlamente verstehen sich als Kontrollorgan der Kommunalverwaltung. Im Rahmen dieser Aufgabe steht es auch den Stadt- und Gemeinderäten frei, die Verwaltungen zu befragen, beispielsweise, wie hoch die entsprechenden Investitionsbedarfe vor Ort sind. Ich bin dieser Aufgabe als Stadtrat in Chemnitz nachgekommen und habe die Stadtverwaltung in mehreren Anfragen gebeten, mir den Instandhaltungs- und Investitionsrückstau darzustellen. Die von Ihnen gewünschten Zahlen liegen also denjenigen, die die Kommunalverwaltung kontrollieren sollen, bereits heute vor; Sie können sie danach fragen. Es liegt also in der Verantwortung der gewählten Vertreter in den kommunalen Parlamenten, diese Sachverhalte in Erfahrung zu bringen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das deutsche und sächsische Finanzausgleichssystem ist bekanntermaßen ein ziemlich unübersichtlicher Verschiebebahnhof, auf dem gewöhnlich Chaos herrscht und auf dem man leicht den Überblick verlieren kann.
Schon allein die Kreisumlage, über die sich die Landkreise finanzieren, ist eine Wissenschaft für sich und oft schon im Jahresrhythmus erheblichen Schwankungen unterworfen.
Ein Hauptproblem der Kämmerer und Finanzbürgermeister ist die unterschiedliche Leistungskraft der Kreise, Städte und Gemeinden, die beispielsweise dazu führt, dass auch im Vergleich der Landkreise untereinander die Höhe der Kreisumlage sehr stark schwankt.
Eine Grundtendenz ist freilich in den letzten Jahren in eigentlich allen sächsischen Kreisen feststellbar: Die Kreisumlagen steigen an, was im Klartext nur heißt, dass sich die Kreise all das, was ihnen durch die Sparpolitik von Bund und Ländern entzogen wird, bei den Gemeinden wieder zurückholen. Dies ist mit entsprechenden Folgen, wie dem infrastrukturellen Ausbluten des ländlichen Raumes, verbunden, was wiederum die Abwanderung aus den Landkreisen in die kreisangehörigen Städte beschleunigt, womit der Teufelskreis geschlossen wäre.
Machen wir uns also nichts vor: Die Kehrseite des an sich so erfreulichen Titels Dresdens als deutsche Geburtenhauptstadt ist der demografische Verfall des ländlichen Raumes und die Abwanderung vieler junger Leute aus dem kreisangehörigen Raum in die drei sächsischen Leuchtturmmetropolen. Es ist klar, dass diese für Sachsen in der Fläche insgesamt so verheerende Entwicklung ungebremst weitergeht, wenn der Staat nicht entschlossen gegensteuert. Natürlich ist es dazu auch nötig, den zukünftigen kommunalen Investitionsbedarf möglichst
Aber damit allein ist es natürlich nicht getan. Die NPD mahnt hier im Landtag schon seit Jahren an, dass es schlicht albern ist, wenn wir uns bei den Haushaltsberatungen jedes Mal aufs Neue lang und breit über mechanisch berechnete Größen, wie die Verbundquote, unterhalten, aber nicht über die Aufteilung der verfügbaren Masse zwischen Freistaat und Kommunen – und damit über die eigentlich wichtige politische Entscheidung – diskutieren:
Wie viel Geld braucht die zentrale Staatsverwaltung, um ihre Funktion erfüllen zu können, und wie viel Geld bleibt dann für die oft Not leidenden Kommunen übrig, mit denen diese das flache Land erhalten können, damit nicht große Teile davon demografisch, sozial, wirtschaftlich und kulturell implodieren? Man kann aber auch anders fragen: Wie viel brauchen die Regionen, damit sie überleben können und die Restbewohner nicht irgendwann zwangsevakuiert werden müssen, wie es bereits für den Landkreis Görlitz in diversen Planspielen durchgespielt wird, und wie viel bleibt dann für die zentrale Verwaltung übrig?
Dies ist die politische Kernfrage, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, vor der Sachsen in den kommenden Jahren steht, und da der Antrag der GRÜNEN geeignet ist, wenigstens ein klein wenig das Bewusstsein dafür zu schärfen, wird ihm die NPD-Fraktion zustimmen. Fest
steht für uns Nationaldemokraten aber auch, dass die Aufteilung der verfügbaren Finanzmasse zwischen Freistaat und Kommunen im Verhältnis 34 zu 36 % nicht das letzte Wort sein kann, wenn wir – was uns hoffentlich alle eint – unsere Heimat erhalten wollen. Darüber wird natürlich auch – gerade angestoßen von der NPD-Fraktion – in den Haushaltsberatungen zu reden sein.
Meine Damen und Herren, das war die erste Runde der allgemeinen Aussprache. – Ich frage: Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde? – Frau Hermenau für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Meine Damen und Herren Kollegen! Es ist schon etwas vermessen, Herr Kollege Schmalfuß, von der Stadt Chemnitz zu prahlen, in der ein Stadion für 30 Millionen Euro gebaut werden soll. Das wird an die eigene Wohnungsgesellschaft verschenkt, die – im Gegensatz zur Stadt – Kredite aufnehmen kann, und wegen der Doppik taucht das dann in den Büchern der Stadt Chemnitz nicht mehr auf.
Dann werden 2 Millionen Euro Jahreszuschuss gegeben und gedacht, damit ist alles erledigt – und das bei einem Schuldenstand von circa 260 Millionen Euro in Chemnitz, wenn ich mich nicht täusche. Das ist schon starker Tobak.
Herr Krasselt, was denn nun? Sollen wir den Kommunen vertrauen, oder belügen die uns? Ich fasse mal zusammen, was Sie ausgeführt haben: Entweder belügen sie uns, wenn sie mit uns sprechen, oder wir vertrauen ihnen. Das ist so ungefähr die Methode Krasselt. Ich halte das für etwas vage. Sie sagen, es gebe keine Zahlen und Verfahren, und wissen nicht, wie man das erheben soll. Diese Staatsregierung verhandelt gerade die operationellen Programme zu den europäischen Fördermitteln. Diese Staatsregierung hat gerade wieder eine SchulhausbauFörderrichtlinie geändert.
Worauf basieren eigentlich Ihre Förderschwerpunkte? Auf dem Prinzip Windhund oder dem Prinzip Vogelnest, also, wer zuerst kommt, bekommt etwas, oder wer am lautesten brüllt, bekommt etwas? Welches sind Ihre großen Maßstäbe dafür, wie Sie Ihre Förderschwerpunkte entwickeln, wenn Sie keinerlei Erkenntnisse darüber haben, wie es mit der Investitionstätigkeit bzw. dem Investitionsstau in den Kommunen aussieht? Ich finde es wirklich vermessen, was Sie hier vortragen.
Die Einführung der Doppik in den Kommunen hat dazu geführt, dass – meiner Meinung nach – Bürgermeister im Allgemeinen über einen Erkenntnisvorsprung vor dem Staatsministerium der Finanzen verfügen, vielleicht auch vor dem einen oder anderen, der hier im Landtag sitzt, das kann gut sein.
Ich schätze Ihre praktische Erfahrung doch, Herr Krasselt, machen Sie also kein Windhundegefecht. Ich denke, dieser Erkenntnisvorsprung der Bürgermeister über das, was noch bezahlbar ist, wird dazu führen, dass sie uns nicht belügen werden; denn sie erkennen, dass sie nicht unterhalten können, was sie sich extra durch irgendwelche überdimensionierten Ansprüche aufbauen sollen. Das können sie überhaupt nicht mehr unterhalten. Wenn das klar ist, dann finde ich es wichtig, dass wir uns darüber ein Bild machen; denn die Verteilungskämpfe werden sonst auf einer Ebene ausgetragen, die nicht sachbezogen ist, sondern es geht immer nur um unbeweisbare Vorwürfe von der einen an die andere Seite. Ich halte das für keine gute Verfahrensweise in einem demokratischen Staat und möchte gern eine bessere. – Das sind die Punkte, die mich umtreiben.
Nun können Sie natürlich davon erzählen, dass es durch Gewerbesteuer und Schlüsselzuweisungen erhebliche Einnahmenschwankungen gibt. Das ist alles richtig, aber Ihnen ist auch bewusst, dass Kommunen im Allgemeinen dazu tendieren, prozyklisch zu investieren, und nur durch die Aufbau-Ost- und die Ost-West-Transfers ist es so, dass es bei uns immer verzerrte Zahlen und ein verzerrtes Bild gibt. Aber die Ost-West-Transfers laufen aus, und es geht darum, sie in den nächsten Jahren vor allem dazu zu nutzen, zukünftige Kosten zu vermeiden und zu mindern, damit die Kommunen nicht auf Dauer auf diesen Kosten sitzen bleiben, die im Prinzip einen immer größeren Teil an ihrem Gesamtanteil einnehmen werden. Das ist eine ganz wichtige Maßnahme, die durchgeführt werden muss. Dafür brauchen wir Entscheidungsgrundlagen, und das sind meiner Meinung nach Informationen.