Protokoll der Sitzung vom 13.06.2012

Tagesordnungspunkt 4

2. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst

im Freistaat Sachsen

Drucksache 5/4819, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 5/9186, Beschlussempfehlung des

Ausschusses für Soziales und Verbraucherschutz

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Reihenfolge in der ersten Runde: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der Fraktion DIE LINKE das Wort; Frau Bonk.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine sehr geehrten Herren! Wir treten in die Endberatung unseres Gesetzentwurfes ein. Ich möchte noch einmal an den Anfang dieses Verfahrensganges erinnern. Das Ziel unseres Gesetzentwurfes, als wir ihn einbrachten, war, schnell zu handeln, und zwar zuerst im Rahmen einer Diskussion über überschrittene Dioxingrenzwerte. Später schloss sich, quasi um die Notwendigkeit zu handeln zu komplettieren, die Diskussion um die EHEC-Infektion an, die öffentliche Besorgnis erregte.

Ziel unseres Vorstoßes und unseres Gesetzentwurfes war von Anfang an, die Zuverlässigkeit des Systems zu erhöhen, die Verbraucherinformation zu stärken und damit auch das Vertrauen in diesen großen, auch umfangreichen und aufwendigen Kontrollapparat bei der Bevölkerung zu stärken. Auch die Ministerkonferenzen, die im Rahmen dieser Debatten stattfanden, haben einige Maßnahmen aufgenommen, auch einige von denen aufgegriffen, die wir mit unserem Gesetzentwurf schon in die Diskussion eingebracht hatten. Insofern reflektieren wir das jetzt in der Diskussion. Wir behandeln das Gesetz aber auch jetzt, weil wir die Rahmengesetzgebung des Bundes abgewartet haben, abwarten wollten, um die Gesetzgebungskompetenz einzuhalten. Das spielte auch bei der Anhörung zu dem Gesetzentwurf eine Rolle. Wir haben das auch in unserem Änderungsantrag reflektiert.

Wichtig für uns war und ist es, eine Rückverfolgbarkeit, eine Kennzeichnungspflicht zum Beispiel bis zu jedem letzten Ei zu ermöglichen und festzuschreiben. Das ist auch eine europäische Herausforderung, ein europäisches Thema. In einem globalisierten Handel stellt das zumindest weitergehende Anforderungen an die EU.

Wir haben uns auch von Anfang an dafür eingesetzt, dass die Nennung von Ross und Reiter, also mehr Transparenz bei den Verursacherbetrieben, verwirklicht wird, einen höheren Stellenwert bekommt und wirklich Gesetzeslage wird, weil wir der Auffassung sind, dass Transparenz Kriterien für einen anderen Wettbewerb setzt. Transparenz gibt die Möglichkeit, schwarze Schafe zu erkennen und Qualität auch wertzuschätzen.

Deswegen setzen sich auch Verbraucherinformationen und Ernährungs- und Beratungsorganisationen weitgehend dafür ein. Das heißt selbstverständlich, dass man sich für Informationsfreiheit vor dem Betriebsgeheimnis entscheidet, dass das Recht auf Information schwerer wiegen muss als das Betriebsgeheimnis bei den verursachenden Unternehmen. Aber ich muss Ihnen sagen, meine Damen und Herren: Dazu stehen wir. Das sehen wir vielleicht auch anders als der CDU-Kollege,

(Sebastian Fischer, CDU: Gott sei Dank!)

der sich – Herr Fischer – in der Anhörung zu Wort gemeldet hatte. Zu diesem anderen politischen Schwerpunkt stehen wir und ich werde darauf auch noch einmal kurz zurückkommen.

Verlässlichkeit und Qualität stärken ist ein Kernziel unseres Gesetzentwurfes, und zwar, indem wir die Verantwortung auf Landesebene stärken, indem wir festschreiben, dass von der Landesebene inhaltliche Kriterien für die Lebensmittelkontrollen im Rahmen einer Verordnung vorgegeben werden. Das machen wir selbstverständlich, um die Verantwortung und die Qualität zu erhöhen, aber auch, weil wir wissen, dass damit eine finanzielle Verpflichtung und Verantwortung einhergeht. Wir wollen ja gerade die kontrollierenden Behörden nicht allein lassen, sondern wir wollen, dass mit der Aufgabenübertragung auch die finanzielle Unterstützung einhergeht. Wenn Sie mich fragen, wie wir das finanzieren wollen, dann verweise ich auf unseren alternativen Haushaltsansatz, in dem wir die entsprechenden Schwerpunkte setzen, begründen und ermöglichen.

Verbraucherinformationen zu stärken ist ein zweiter wichtiger Schwerpunkt. Wir haben zwar schon im Ausschuss eine tiefergehende inhaltliche Diskussion geführt, einige Punkte möchte ich aber noch einmal aufgreifen.

Die Nennung von Verursacherbetrieben habe ich schon angeführt. Darüber hinaus wollen wir, dass die Kontrollergebnisse, die durch das System schon massenhaft produziert werden, veröffentlicht werden. Ein Berliner Bezirk hat gute Erfahrungen mit der Hygieneampel als Smiley an den Gastronomiebetrieben gemacht. Menschen werden dadurch nicht bevormundet. Es bleibt immer noch ihre freie Wahl, in ein Lokal zu gehen, von dem man weiß, dass man vielleicht lieber nichts essen sollte, aber sein Lieblingsbier trotzdem trinken kann. Qualität wird dadurch aber sichtbar und es weist auch auf einen zweiten Punkt hin: Selbstverständlich gehört es dann zur Fairness,

dass die Unternehmen, die Betriebe regelmäßig kontrolliert werden.

Man kann natürlich nicht ein schlechtes Ergebnis nur alle drei bis vier Jahre wieder aufbessern wollen. Das ist klar. Insofern muss auch da durch eine Verordnung und eine entsprechende finanzielle Untersetzung Fairness ermöglicht werden. Die Veröffentlichung dieser Kontrollergebnisse und diesen Paradigmenwechsel bei der Verbraucherinformation hinterlegen wir auch in unserem Transparenzgesetz, in dem wir Verwaltungswissen allgemein der Bevölkerung zugängig machen wollen. Das heißt, dass neben dem Betriebsgeheimnis jetzt auch noch das Amtsgeheimnis bei uns nicht mehr das ausschlaggebende Kriterium ist.

Wir schätzen die Informationsfreiheit von Bürgerinnen und Bürgern höher ein und verankern das sogar als Recht in der Verfassung. Wir sehen in diesem Zusammenhang auch die Verbraucherinformation so, wie wir sie hier in unserem öffentlichen Gesundheitsdienst verbessern

wollen.

Im Anschluss an die Diskussion zu Dioxin und EHEC haben die Verbraucherschutzministerinnen und -minister das Portal „lebensmittelwarnung.de“ eingerichtet. Wir haben uns das genauer angesehen und werden es auch der parlamentarischen Diskussion zuführen. Das war ja eine Ihrer Reaktionen. Sie haben unseren Gesetzentwurf. Es ist schon erstaunlich, dass auf diesem Portal kaum amtliche Kontrollergebnisse zu finden sind und veröffentlicht werden sowie keine Lebensmittelwarnungen veröffentlicht werden, die auf amtliche Kontrollergebnisse zurückgehen. Das muss doch verwundern. Es ist die Frage, ob dieses Portal funktioniert, ob es seine Zweckmäßigkeit erfüllt, ob das schon reichen kann oder ob wir nicht tatsächlich zur systematischen Neuausrichtung des Systems kommen müssen, und zwar durch Qualitätskriterien und durch eine andere Verbraucherinformation.

Wenn ich Ihnen unseren Gesetzentwurf jetzt so vorstelle und um seine Zustimmung bitte, dann halte ich ihn für ein Bekenntnis für Qualität und für Verlässlichkeit des Systems, aber auch für einen Paradigmenwechsel in der Verbraucherinformation.

In diesem Sinne vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Herr Fischer kommt für die CDU-Fraktion als nächster Redner. Herr Fischer, Sie haben das Wort.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das Gesetz ist gut. Wir sagen Ja. Herzlichen Dank! – Christian Piwarz, CDU: Dann müssen Sie aus dem Traum wieder aufwachen!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hahn, ich stimme selten mit Ihnen überein. In diesem Fall ist es allerdings so. Es ist ein aktuelles Thema, das jeden von

uns täglich mehrfach betrifft. Wir stellen uns verschiedene Fragen. Wir hatten dazu die Anhörung im Sozialausschuss. Vorgestern war es Thema bei „Hart aber fair“, heute ist es Thema im Sächsischen Landtag.

Sind unsere Lebensmittel sicher? Funktionieren die Kontrolleinrichtungen? Werden schwarze Schafe ausreichend verfolgt? Drei Fragen, dreimal lautet die Antwort: Ja.

Herr Dr. Hahn, das dürfte Sie vielleicht besonders interessieren: Der Präsident der Landestierärztekammer, Herr Dr. Möckel, hat in der Anhörung deutliche Worte dazu gefunden. Er sagte: „Lebensmittel sind so sicher, wie sie noch nie vorher waren.“

(Beifall bei der CDU)

Genau daher verwundert es den Betrachter, dass Sie in Ihrem Gesetzentwurf die freiwillige Selbstkontrolle als gescheitert darstellen. Das beste System haben wir in Sachsen, was sogar der Vertreter aus dem damals noch rot-rot regierten Berlin auf meine Nachfrage zugeben musste. Sie sind der Meinung, dass Kontrollen nicht länger ausreichen. Es muss noch mehr aufgesattelt werden.

Ich erinnere mich an Ihre damalige Einbringungsrede, Frau Bonk. Es ging darin um die Frage der Dokumentationspflichten in der produzierenden Landwirtschaft. Haben Sie sich einmal damit befasst, was ein Produzent jetzt schon leisten muss und wie er sich teilweise zusätzlich privatwirtschaftlich kontrollieren lässt? Es gibt öffentliche und zusätzliche privatwirtschaftlich finanzierte freiwillige Kontrollen. Herr Dr. Möckel hat das gut zusammengefasst: Aktive Information der Öffentlichkeit gibt es schon. Die brauchen wir also nicht noch zusätzlich.

Es stellt sich die Frage, die Herr Dr. Möckel, aber auch andere Experten an dem Tag aufgeworfen haben: Ist a) die hundertprozentige Transparenz erreichbar, wird sie b) vom Verbraucher voll verstanden und ist es c) wünschenswert, dass wir diese Transparenz haben? Genau in dieser Frage hinterlässt die Anhörung bei mir deutliche Zweifel.

Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Landfleischerei bei mir im Landkreis stellt die Blutwurst seit Jahrzehnten nach demselben Rezept her. Seit Neuestem muss der Fleischermeister deklarieren, dass darin Pökelsalz enthalten ist. Der Verbraucher ist zutiefst verunsichert. Pökelsalz ist eine der ältesten Konservierungsmethoden in Fleisch- und Wurstwaren.

Wir dürfen den Verbraucher auch nicht überfordern, sondern sollten ihm die Informationen zur Verfügung stellen, die für ihn wichtig und notwendig für die Kaufentscheidung sind.

(Zuruf der Abg. Julia Bonk, DIE LINKE)

Die sächsischen Unternehmer – davon konnte ich mich wiederholt überzeugen – handeln in hohem Maße transparent und gesetzeskonform. Schauen Sie sich an, wie Eier in Großenhain deklariert werden. Schauen Sie sich an, mit

welchen Sicherheitsvorkehrungen ein Kloßmehlhersteller in Freital seine Waren verpackt. Oder interessieren Sie sich einmal für die Kühlvorschriften, die ein Brauer in Plauen einhalten muss.

Das Gesetz verspricht, dass es keine Mehrbelastungen für öffentliche Haushalte geben wird. Wissen Sie denn, Frau Bonk, dass die Veterinärbehörden jetzt schon mit der Einführung des neuen IT-Systems gut ausgelastet sind? Da wollen Sie noch zusätzliche Aufgaben aufsatteln?

Sachsen hat einen Spitzenplatz in der Lebensmittelkontrolle. Das wurde von vielen Experten in der Anhörung bestätigt. Wir brauchen dieses Gesetz schlicht und einfach nicht.

Zur Veröffentlichung der schwarzen Schafe, die Sie besonders im hinteren Teil Ihres Gesetzes fordern, habe ich damals im Ausschuss eine Frage gestellt. Diese Frage stelle ich gern wieder: Wie wirken wir denn einer Instrumentalisierung dieser vollen Transparenz entgegen? Wir haben es hier mit einem Markt zu tun, der starken Konkurrenz- und Preiskämpfen unterliegt. Wie wollen Sie da eine Diskussion sicherstellen, die der Sache gerecht wird? Was ist mit Unternehmensübernahmen? Wie gehen Sie damit um, dass eine Branche dauerhaft beschädigt werden könnte, Stichwort: Kyhna? Wie gehen Sie damit um, dass der Verbraucher zusätzlich in dieser Sache verunsichert werden würde? Auch diese Bedenken meinerseits wurden in der Anhörung mehrfach bestätigt.

Meine Damen und Herren! Das Thema hat aber nicht nur eine Seite. Wir als CDU möchten nicht falsch verstanden werden. Natürlich geht es uns wie Ihnen auch – das unterstelle ich zumindest – um die ausreichende Information des Verbrauchers. Natürlich geht es uns um eine ausreichende Transparenz. Dagegen sind wir nicht, um Gottes willen. Aber wir sind gegen eine Gängelung des Verbrauchers. Wir sind gegen das Ansinnen der Linksfraktion, das manchmal durchkommt, dass man den Verbraucher zu seinem Glück zwingen will. Wir sind dagegen, dass man den Verbraucher an die allwissende staatliche Hand nimmt und ihn in das gelobte Verbraucherwunderland führt.

Ich sage es ganz ehrlich. Was wir heute von Ihnen gehört haben, war das, was wir immer von Ihnen hören: Mehr Geld für alle! Aber so einfach ist die Problemlage eben nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir in der CDU-Landtagsfraktion haben ein anderes Bild des verbrauchenden Menschen, des genießenden Menschen, des lebenden Menschen. Wir trauen dem Verbraucher zu, dass er weiß, dass Bier und Wein Alkohol enthalten. Wir trauen dem Verbraucher zu, dass er weiß, dass Chips und Flips im Übermaß Fett, Zucker und vor allem Salz enthalten und daher ungesund sind.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Es gibt auch alkoholfreies Bier!)

Wir trauen ihm zu, dass er weiß, dass er seinen Fleischkonsum einschränken sollte. Wir trauen ihm auch zu, dass

er durch seine eigenen Sinne erkennen kann, was gut und was schlecht ist.

Ich möchte mit einem Zitat eines großen Genießers und Verbrauchers enden. Der französische Philosoph Jean Anthélme Brillat-Savarin hat gesagt: „Sage mir, wie du isst, und ich sage dir, was du bist.“