Protokoll der Sitzung vom 14.06.2012

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Jetzt haben wir von Herrn Dulig gerade erfahren, dass er die Zuwanderer aus Baden-Württemberg und Bayern nicht gesehen hat.

(Zuruf des Abg. Thomas Kind, DIE LINKE)

Das kann vielleicht daran liegen, dass die 5 000 Menschen, die im letzten Jahr aus Baden-Württemberg gekommen sind, entgegen dem bekannten Slogan eben doch Hochdeutsch können und sie deswegen Herrn Dulig nicht aufgefallen sind.

(Mario Pecher, SPD: Ha, ha, das war ein Kracher!)

Das kann auch daran liegen, dass die 8 000, die aus Bayern gekommen sind, vielleicht entgegen der Auffassung von Herrn Dulig doch nicht alle Lederhosen tragen und sie deswegen Herrn Dulig auch nicht aufgefallen sind.

(Beifall bei der FDP)

Weil Herr Dulig das Thema Ausländer angesprochen hat: Ich freue mich ausdrücklich, dass wir eine Zuwanderung aus dem Ausland haben. Es ist ja die Strategie der Staatsregierung, Zuwanderung aus dem Ausland zu organisieren.

(Andreas Storr, NPD: Von möglichst weit weg!)

Ich freue mich ganz ausdrücklich über das Engagement und über den Erfolg des Kollegen Markus Ulbig im Rahmen der Innenministerkonferenz, dem es gelungen ist, das moderne, in Sachsen geprägte Zuwanderungsrecht dort mehrheitsfähig zu machen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Er war übrigens der einzige Landesminister, der von der hochrangigen Konsensgruppe, geleitet von Herrn Laschet und Herrn Struck, eingeladen wurde, weil er dort berichten sollte, wie es in Sachsen zu den Erfolgen kommt. Auch das sollte man einmal zur Kenntnis nehmen.

Wenn in einer Wirtschaftsministerkonferenz Herr Struck ausdrücklich die Entwicklung im Freistaat Sachsen und das Bekenntnis des Freistaates Sachsen zum Thema Zuwanderung lobt und wir dann die Äußerungen von Herrn Dulig hier im Parlament zur Kenntnis nehmen müssen, wird eines deutlich: Nicht der Freistaat Sachsen hat ein Problem, sondern die sächsische SPD.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es ist richtig, wir haben die Zuwanderung vor allem bei den jungen Menschen, bei den Studenten. Aber wir haben inzwischen auch einen fast positiven Wanderungssaldo bei den 25- bis 35-Jährigen. Das sind eben auch Familien mit Kindern. Während wir im Jahr 2008 noch einen Negativsaldo von fast 6 000 hatten, sind es im Jahr 2011 nur noch 1 200. Ich bin mir sicher, dass wir im Jahr 2012 in diesem Bereich auch im Positiven liegen werden.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf das Thema Studenten eingehen.

Ja, die Studenten aus den anderen Bundesländern sind eine große Chance für den Freistaat Sachsen, weil wir hier natürlich in Zukunft Fachkräfte und gerade auch Hochschulabsolventen brauchen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es uns gelingt, diese Menschen nach ihrem Studium auch hier in Sachsen zu halten. Das ist die Messlatte. Hier können wir feststellen – und das zeigt die angesprochene Studie –, dass der Freistaat Sachsen immer attraktiver für junge Hochschulabsolventen wird. Das heißt, die Strategie, das Bemühen, das Engagement gehen auf. Die Leute kommen zu uns zum Studium und sie bleiben in Sachsen zum Arbeiten.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Die „Freie Presse“ zitiert aus dieser Studie: „Die Überraschung in diesem Jahr ist Sachsen. Der Freistaat hat es gut verstanden, Emotionen aufzubauen.“ Das passt so gar nicht zu dem Negativimage, das hier von einigen im Parlament verbreitet wird. In dieser Studie heißt es eben auch: „Einzig Shootingstar Sachsen ist in den letzten fünf Jahren von Platz 12 auf Platz 2 gestiegen.“ „Shootingstar Sachsen“, das ist nicht die Staatsregierung, die sich lobt, das sagt die Studie. Es heißt dort eben auch, dass die Überraschung in diesem Jahr Sachsen ist, und zwar aufgrund der Tatsache, dass sich Sachsen in der Beliebtheit immer weiter nach oben arbeitet.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weiß sehr wohl, dass wir im Bereich Arbeitsmarkt und im Bereich Fachkräfte noch einiges zu tun haben. Wir sind noch lange nicht am Ziel. Aber die Entwicklung, die sich inzwischen auf dem Arbeitsmarkt, im Bereich Zuwanderung, aber auch im Abnehmen des Pendlersaldos zeigt, macht doch deutlich, dass wir auf einem richtigen Weg sind. Anstatt diese Entwicklung, die sich in Sachsen dank vieler Bemühungen inzwischen positiv darstellt, immer schlechtzureden, sollten wir lieber gemeinsam darüber diskutieren, welche Schlussfolgerungen wir aus dieser Entwicklung ziehen müssen. Herr Kollege Zastrow hat einige angesprochen. Wir sollten unser politisches Handeln darauf einstellen, dass wir als Freistaat Sachsen in der Perspektive kein Land sind, das schrumpft, sondern ein Land, das attraktiv ist, ein Land, das wächst.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Herr Staatsminister Morlok sprach für die Staatsregierung.

Wir sind am Ende der 1. Aktuellen Debatte angekommen. Sie ist abgeschlossen. Bevor ich zur 2. Aktuellen Debatte komme, möchte ich noch eine Information zur Tagesord

nung ergänzen, die ich vorhin leider vergessen habe: Der Tagesordnungspunkt 15, Kleine Anfragen, ist zu streichen.

Wir kommen nun zu

2. Aktuelle Debatte

Bus und Bahn werden ruiniert – Staatsregierung muss

umsteuern – Für eine neue Verkehrspolitik

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bevor nun die Antragstellerin, die Fraktion GRÜNE, das Wort ergreift, nochmals die Reihenfolge der Redner: CDU, DIE LINKE, SPD, FDP und NPD. Für die Fraktion GRÜNE spricht Frau Kollegin Jähnigen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die lange Rede meines Vorredners noch im Ohr, komme ich nun zu den konkreten Rahmenbedingungen der sächsischen Verkehrspolitik. Wir GRÜNEN fassen Ihre Verkehrspolitik unter drei großen V zusammen: Versprechungen machen, Vertrösten – und dann Versagen. Besonders betroffen vom Versprechen, Vertrösten und Versagen ist der öffentliche Verkehr.

Die Regierung möchte ihr politisches Schaufenster gern mit Elektromobilität dekorieren, aber sie hat nicht einmal diese verstanden; die beste Elektromobilität im Sinne des Klimaschutzes und der Kosten bietet die elektrische Bahn.

(Beifall der Abg. Andrea Roth und Enrico Stange, DIE LINKE)

Aber wir müssen im Landesentwicklungsplan wieder lesen, Sachsen sei ein Autoland und der öffentliche Verkehr nur eine Beigabe. Genau diesem Denken entspricht auch der Verkehrsentwicklungsplan, den Sie jetzt vorgelegt haben: ein ausgemustertes Produkt eines vergangenen Jahrhunderts.

Damals, in den Neunzigerjahren, als Sie mit diesen Planungen begonnen haben, war das Benzin noch billig. Damals glaubten noch viele, dass der Bau großer neuer Straßen Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum nach Sachsen bringen könnte, und damals sorgten die Regierungen Milbradt und Biedenkopf mit dafür, dass Sachsen durch die Neubautrasse über Erfurt vom Bahnfernverkehr abgebunden werden konnte.

(Volker Bandmann, CDU: Erzählen Sie doch nicht solches Zeug! – Zuruf des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Damals sollte der Bau des City-Tunnels ein Gegenmittel zur Wiederanbindung Westsachsens an den Bahnverkehr sein. Dafür haben leider auch SPD-Politiker mit gesorgt.

Nun leben wir seit elf Jahren und sechs Monaten im 21. Jahrhundert. Das Benzin wird teurer, die Straßen sind nicht ausgelastet, werden aber auch teurer; aber der City

Tunnel hat den Bahnfernverkehr nicht nach Westsachsen gebracht, sondern ist ein Millionengrab geworden.

(Zuruf des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Die Menschen wollen nicht mehr vom Auto abhängig sein. Sie wollen vor allem flexible Mobilität. Dazu gehört für viele das Auto, aber auch der öffentliche Verkehr und ein Mix aus Rad-, Fuß- und öffentlichem Verkehr. Ein Viertel der Haushalte in Sachsen hat selbst überhaupt kein Auto.

Aber die Bürgerinnen und Bürger haben die Quittung für Ihre ÖPNV-Kürzungen bekommen: Tariferhöhungen von 7 bis 10 % in allen Zweckverbänden, Ausdünnungen, und im ländlichen Raum muss man sich fragen, wann noch ein Bus fährt.

Gleichzeitig erleben wir auf so wichtigen Strecken wie der Strecke Dresden–Chemnitz so überfüllte Züge, dass wir uns fragen müssen, ob die Pendler und Touristen zukünftig auf den Dächern mitfahren sollen. Sie haben in Ihrem Landesverkehrsplan aber in einer Prognose einen Wert für den ÖPNV angesetzt, der Sie zwangsläufig zu falschen Schlussfolgerungen führt: Sie rechnen den ÖPNV einfach herunter, und Sie rechnen den Bedarf für den Autoverkehr hoch. Man ahnt, dass Sie diese Prognose brauchen, um noch Straßenneubauten zu begründen. Aber damit verstärken Sie den Trend zum Abbau des öffentlichen Verkehrs.

Schauen wir einmal, wie andere das machen. RheinlandPfalz will mit seinem integralen Taktfahrplan, die Fahrleistung für den ÖPNV in drei Jahren um 20 % zu erhöhen. Sie wollen sie in 13 Jahren um 12 % erhöhen. Rheinland-Pfalz macht keine Mehrausgaben für den öffentlichen Verkehr, weil es mit seinem Taktfahrplan neue Fahrgäste generiert. Sie wollen im öffentlichen Verkehr noch abbauen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, so geht es nicht! Bundesweit hat Sachsen als ÖPNVAbbauland so, wie es jetzt aufgestellt ist, ohnehin schlechte Karten, das hat der Bahngipfel wieder gezeigt.

Was fordern wir als GRÜNE für einen Neuanfang im sächsischen öffentlichen Verkehr? Wir brauchen eine landesweite ÖPNV-Planung für Busse und Bahnen mit einem integralen Taktfahrplan, abgestimmt zwischen Bus und Bahn. Wir brauchen eine Bahnoffensive. Wir müssen

durch günstigere Umsteigebeziehungen neue Fahrgäste und dadurch neue Einnahmen gewinnen. Wir brauchen flächendeckenden Service für die Fahrgäste des öffentlichen Verkehrs im Land, und wir brauchen neue, attraktive ÖPNV-Angebote, auch im ländlichen Raum; Kombibusse, angepasst an Sammeltaxis. Dafür müssen Sie als Erstes Ihre Kürzungen in der nächsten Haushaltsberatung zurücknehmen und für ausreichende Investitionen im öffentlichen Verkehr sorgen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sachsen muss sich mit anderen Bundesländern für eine Bahnreform einsetzen, die dazu führt, dass wieder in Netz, Schiene und Bahnhöfe investiert wird und diese nicht in ganz Sachsen liegenbleiben. Sachsen muss sich für eine Fernverkehrsanbindung mit anderen Ländern, vor allem mit seinen Nachbarländern verbinden, anstatt weiterhin den Versprechen der Deutschen Bahn zu glauben.

Die Redezeit ist abgelaufen.

Letzter Satz. So kommen wir von den drei V zu den drei F: Gute Fahrt durch Anwerben von Fahrgästen, Finanzierung sichern, Folgekosten senken.